So, und es geht weiter! Danke für die lieben Reviews!

@Heitzenedera: Ich weiß nicht recht, ob es dunkelhäutige Völker gibt – aber in „Die zwei Türme" marschieren dunkelhäutige Menschen durch das Tor nach Mordor. Und da die Karte von Mittelerde ein Süderland anzeigte, das eine Art Wüste zu sein scheint, denke ich mal, dass noch weiter im Süden sicher einige leben.

Kapitel 3

Der Bau des Fuchses

Der hünenhafte Schwarze fing Haldir ab, als er aus Dolphrens Arbeitszimmer trat.

            „Willkommen an Bord", sagte er mit einem breiten Lächeln. Anscheinend hatte er das Gespräch mitgehört. „Ich bin Kaluu, Dolphrens ständiger Begleiter. Du wirst also für die Herrin zuständig sein?"

            „Das werde ich", bestätigte Haldir und musste zugeben, dass er noch niemals einen derart hünenhaften Menschen erlebt hatte. Kaluus Arme schienen allein aus riesigen Muskelpaketen zu bestehen, die bei jeder Geste des Mannes eindruckvoll spielten. „Könnt Ihr mir das Haus zeigen?"

            „Natürlich", sagte Kaluu und klopfte dem Elb jovial auf die Schulter, eine Geste, die ihn ein gutes Stück nach vorne schleuderte. Er verließ den Gang vor dem Zimmer mit langen Schritten und begann dann der Besichtigungsrunde. „Oben sind die Zimmer der Herrschaften. Eures liegt gegenüber von dem der Herrin, die Kleine schläft im Zimmer neben ihrer Mutter. Dolphren wohnt am Ende des Flurs. Seine Räume sind immer abgeschlossen und niemand darf sie ungefragt betreten. Er ist da sehr empfindlich."

            „Verständlich", murmelte Haldir. Er wollte nicht wissen, welches Diebesgut sich noch in dem Haus befand und wie Dolphren sie erlangt hatte.

Kaluu führte ihn durch das Erdgeschoss, zeigte ihm das große Esszimmer, die Küche und die Bibliothek.

            „Die Dienstboten schlafen nicht im Haus, sondern in einem anderen Gebäude, in dem auch der Stall des Herrn untergebracht ist. Den Garten erreicht man durch die hintere Küchentür. Es sind nur einige Bäume und Rasen, aber es ist ein schöner Ort", erklärte Kaluu, als sie in dem riesigen Raum standen, im dem Dolphren seine Bücher aufbewahrte. Haldir erfuhr, dass das Gebäude nach allen Seiten abgeschirmt war und niemand unbemerkt eindringen konnte. Dann trat Kaluu mit einem breiten Grinsen an eines der Regale und griff durch eine Lücke zwischen den Büchern. Er drückte das Brett ein Stück nach hinten und gab dem Regal einen Stoß. Es schwang nach hinten und offenbarte eine steile Treppe, die in pechschwarzer Tiefe verschwand.

Dolphrens Leibwächter trat auf den Treppenabsatz und entzündete eine Fackel, dann winkte er Haldir durch den Durchgang, schloss das Regal sorgfältig und ging dann voran. Die Absätze ihre Stiefel klangen hohl, als sie die Wendeltreppe hinunterstiegen. Haldir schätzte, dass sie sich etwas zwanzig Meter unter der Erdoberfläche befanden, als sie den Grund erreichten.

Unwillkürlich hielt er den Atem an.

Vor ihnen lag eine riesige Höhle, die von dem goldenen Schimmer Dutzender Fackeln erhellt war. Die schroffe Decke war rußgeschwärzt und zeugte davon, dass die Grotte schon eine lange Zeit benutzt wurde. In einer Ecke stapelten sich meterhoch Kisten und Pakete, mit Leinwänden bedeckt oder ganz offen. Überall waren Menschen, die sogar Pferde und Maultiere dabei hatten und das Gut auf die Tiere verluden. Es wurde diskutiert und verhandelt, und es herrschte ein reges Kommen und Gehen durch die drei verschiedenen Eingänge.

Bewaffnete Männer überwachten den reibungslosen Ablauf der Geschäfte, die getätigt wurden.

            „So etwas hatte ich nicht erwartet", sagte Haldir, wider Willen beeindruckt. „Was genau geht hier vor?"

            „Es ist unser Lager – und Umschlagplatz. Die gestohlenen Waren werden zu unseren Hehlern gebracht oder selbst von ihnen abgeholt. Die Angehörigen anderer Gilden versuchen hin und wieder, sich Zutritt zu verschaffen, doch es hat noch nie jemand geschafft, sich zurechtzufinden. Die drei Ausgänge aus der Höhle führen in ein riesiges, verworrenes Tunnelsystem, das nur unsere Vertrauten kennen und deren Ausgänge in der ganzen Stadt verteilt liegen. Euch hat das nicht zu interessieren, da Ihr diese Höhle nur in Begleitung der Herrschaften betreten werdet. Zumindest bis Ihr Euch eingelebt habt."

Also war man nicht bereit, ihm bedingungslos zu vertrauen. Haldir prägte sich mit einem schnellen Blick so viele Einzelheiten wie möglich ein. Es gab einen Wasserlauf, der über den Boden sickerte und als Tränke für einige Pferde diente, die in einem Gatter zusammenstanden. En Plan entstand in seinem Kopf, doch er verschob ihn für später. Es existierte bereits ein Flut von Beweisen gegen Dolphren, doch Haldir wusste, dass es noch mehr Dinge gab, die er in Erfahrung bringen konnte. Die Standorte anderer Gilden, die Namen ihrer Anführer und vieles mehr.

Wenn er zu schnell vorging und vielleicht schon in dieser Nacht dem Wirt des „Grünen Lindwurms" Bericht erstatten würde, würde man ihn möglicherweise verfolgen und bis Aragorn reagieren konnte, wäre er wahrscheinlich tot, die Höhle leergeräumt und die Treppe zum Gildenhaus verschüttet.

            „Welche Regeln sollte ich noch beachten?", wollte Haldir wissen. Kaluu ließ seine Zähne blitzen.

            „Die Regeln der Gilde. Erstens: beraube niemanden, der ärmer ist als Du. Zweitens: töte niemanden, der Dich nicht töten will. Drittens: das Wort der Herrschaften ist Gesetz. Die vierte Regel ist eher ungeschrieben, aber genauso wichtig wie die anderen: frag niemanden nach seiner Vergangenheit, wenn Du keine Probleme haben willst."

            „Damit kann ich leben", sagte Haldir nachdenklich, als sie die Treppe wieder hinaufstiegen und Kaluu ihm den versteckten Schalter oberhalb der Tür zeigte, der sie in die Bibliothek zurückführte.

***

De Abend kam und vor den Butzenscheiben verschwand das ohnehin trübe Licht des Tages, bis nur noch Schwarz übrig blieb. Die Gänge des Hauses wurden von einigen Öllampen erhellt, als Haldir sich in sein Zimmer zurückziehen wollte.

Da er nichts Genaues über seine Pflichten gehört hatte, vermutete er, dass Maeva ihn erst an nächsten Morgen benötigen würde. Als er die Hand auf den Türknauf zu seinem Zimmer legte, hörte er jedoch ihre leise Stimme, die aus dem Zimmer ihrer Tochter drang.

Obwohl er wusste, dass es eigentlich nichts mit seiner Mission zu tun hatte, derart private Gespräche mitanzuhören, schlich er näher an die nur angelehnte Tür zum Kinderzimmer und spähte hinein.

Maeva saß auf dem Bett ihrer Tochter, in einen weiten Morgenrock eingehüllt, die bloßen Beine auf der Decke gekreuzt. Alys hing an ihren Lippen, die Augen schon vom Schlaf halb geschlossen. Gerade hob Maeva zum dramatischen Höhepunkt der Geschichte an.

            „ Und so schlich er also durch den geheimen Gang hinein in die Höhle des Drachen. Er wusste, dass dort wunderbar Schätze lagerten und träumte davon, sie einmal mit bloßem Augen zu sehen."

Alys gähnte herzhaft.

            „Das ist langweilig. Erzähl mir lieber etwas von den Elben Haben sie immer spitze Ohren?"

Maeva lächelte und Haldir betrachtete ihr Profil, als sie sich über ihre Tochter beugte, die Bettdecke über dem zerbrechlichen Kinderkörper zurechtzog und Alys auf die Stirn küsste.

            „Ja, sie haben immer spitze Ohren und sie sind immer sehr schön anzusehen. Aber sie sind können auch kalt und eingebildet sein, weil sie schon so lange auf der Welt sind, dass sie den Wert des Lebens vergessen haben."

            „Ist der Elb drüben im Zimmer auch so?", fragte Alys, schon halb im Schlaf. Maeva zuckte mit den Schultern.

            „Das werden wir sehen. Er bleibt jetzt etwas länger und wird auf uns beide aufpassen, so wie Ered es getan hat. Ich schlage vor, Du behältst ihn im Auge, mein Schatz, und sagst mir dann, wie Du ihn findest."

            „Ich glaube, er mag keine Kinder", bemerkte Alys altklug und fragte dann: „Mami, warum muss eigentlich immer jemand auf Dich aufpassen?"

            „Weil das da draußen keine Welt ist, die sonderlich gerecht mit Frauen und Kindern umgeht", gab Maeva leise zur Antwort, doch ihre Tochter war schon eingeschlafen, ohne die bitteren Worte zu hören.

Haldir zuckte zurück, als ihr Blick zur Tür wanderte. Obwohl sie ihn unmöglich gehört haben konnte, huschte er in sein Zimmer zurück, gerade noch rechtzeitig, bevor sie die Tür des Kinderzimmers schloss. Wenig später hörte er das Klappen einer Verbindungstür und dann trat Ruhe ein.

Haldir drehte den Schlüssel im Schloss und atmete dann tief durch. Er bemerkte, dass jemand in seinem Zimmer gewesen war, doch da er keine verräterischen Hinweise bei sich trug, beunruhige es ihn nicht. In seinem Schrank fand er bei genauerer Betrachtung neue Kleidung, Tuniken und Hosen, meist in Schwarz oder Grautönen, Hemden und Stiefel, alles neu und von ausgezeichneter Qualität. Er würde sich gut darin bewegen können.

So leise wie möglich öffnete er das Fenster, das zur Straße hinauslag und sah hinunter. Die Wachen und die Hunde standen unverändert an ihrem Posten, rauchten und tranken, aber alles in Maßen. Er bemerkte ein Gatter mit wildem Wein, der sich zu Maevas Zimmer hinaufrankte. Nebenan brannte noch Licht, doch er beschloss, sie erst am nächsten Tag auf das Gefahrenpotential hinzuweisen, das das Gatter bot.

Er ließ das Fenster geöffnet, um die Geräusche der Nacht zu hören und ein wenig Wind in sein Zimmer zu lassen, dessen Stein ihn schier erschlagen wollte. Dann legte er sich auf das Bett und richtete sich auf eine schlaflose Nacht ein.

***

Mitten in der Nacht gellten die Schreie eines Mannes durch den Flur und Haldir fuhr sofort hoch. Mit einem Sprung war er aus dem Bett und riss die Tür auf.

Er war der Erste, der sich regte, doch nur wenige Sekunden später flogen die Türen von Kaluu und Maeva auf. Der Leibwächter verschwand sofort ohne einen Kommentar in Dolphrens Zimmer, aus dem erneut ein Schrei ertönte. Maeva verharrte in der Tür ihres Zimmers, einen Leuchter mit Kerzen in der Hand. Sie trug ein weißes Nachthemd und wirkte verschlafen und bleich. Dennoch war es ihm unmöglich, den Blick von ihr zu wenden.

            „Geht wieder schlafen", sagte sie leise und schob sich eine Strähne des dunklen Haars aus dem Gesicht. „Das passiert manchmal. Lasst Euch nicht stören." Dann ging sie den Gang hinunter und betrat das Zimmer ihres Bruders. Wenig später verstummten die gequälten Laute und Haldir verblieb noch einige Momente auf der Schwelle, für den Fall, dass Alys vielleicht etwas gehört hatte und aufwachte. Doch im Kinderzimmer blieb es ruhig und so legte er sich wieder in sein Bett.

Kaluus Worte vom Abend kamen ihm in den Sinn und er begriff, dass die Ereignisse der Nacht unter Regel Vier fielen. Es war das Beste, keinen der Beteiligten darauf anzusprechen.

Darüber hinaus, rief er sich ins Gedächtnis, sollte er sich nicht allzu viele Gedanken um die Menschen in dem Haus machen. Irgendwann würden sie alle entweder im Gefängnis oder am Galgen landen. Mit oder ohne seine Hilfe.