So, ein etwas längeres Kapitel als sonst. Ich hoffe, es gefällt Euch!? Danke übrigens für die Reviews, die verschönern mir den Tag!
Kapitel 5
Feuerprobe
Maeva zog sich in ihr Zimmer zurück. Haldir hatte damit etwas freie Zeit und spielte schon mit dem Gedanken, in den Garten zurückzukehren und darauf zu warten, dass sich in der Bibliothek etwas tat, doch in der Küche traf er auf Kaluu, der ebenfalls nichts zu tun haben schien.
Der riesige Mann trank gerade einen Tasse Tee und winkte Haldir heran.
„Sie streiten sich öfters mal", sagte er lapidar und goss dem Elben auch eine Tasse ein, die er entgegennahm. „Dann geht jeder auf sein Zimmer und schmollt, bis sie sich wieder vertragen. Sie sind eben aufeinander angewiesen."
„Streit?" Haldir gab vor, nicht bemerkt zu haben, doch Kaluu grinste wissend.
„Ihr wart doch im Garten. Da dürfte es nicht zu überhören gewesen sein." Haldir schrak innerlich zusammen, doch er rang sich ein Nicken ab. Kaluu grinste. „Macht Euch nichts draus. Solche Dinge bleiben hier nie ein Geheimnis. Wir sind hier so etwas wie eine Familie und deshalb teilen wir unsere Nöte miteinander."
„Und die Schreie?", erkundigte sich Haldir, wissend, dass es reichlich gewagt war, nach den wenigen Tagen, die er schon im Haus war. Der Leibwächter stutzte für einen Moment, dann entspannte er sich wieder.
„Alpträume", sagte er schließlich und wirkte bedrückt. „Dolphren ist vor zwei Jahren während eines Einbruchs aufgegriffen worden und im Kerker gelandet. Er spricht nicht darüber, was in der Woche geschah, bevor wir ihn befreien konnten, doch es kommt oft vor, dass ihn die Erinnerungen in der Nacht überfallen." Es war ihm anzusehen, dass er nicht alles erzählen konnte oder wollte. Schließlich setzte er hinzu: „Maeva und ich sitzen dann für einige Zeit bei ihm, nachdem wir ihn geweckt haben und dann geht es ihm besser."
Haldir machte sich eine gedankliche Notiz und nahm sich vor, eben diese Zeit das nächste Mal für eine Durchsuchung zu nutzen.
Alys stürmte in die Küche, dicht gefolgt von einer molligen jungen Frau mit flachsblonden Zöpfen, die sichtlich verzweifelt wirkte.
„Junge Dame, komm sofort wieder her!", sagte sie streng, doch Alys kletterte schon an Kaluu herum, der sie ohne Probleme auf seine Schulter setzte.
„Ach, lass sie doch, Keera", brummt der Schwarze und kitzelte Alys, die quietschend herumzappelte. „Den ganzen Tag Lernen, das kann doch nicht gut sein für das Kind."
„Die Herrin besteht darauf und ich führe nur das aus, was sie mir sagt", gab das Kindermädchen mit gekränktem Stolz zurück und lehnte sich auf mehlige Arbeitsfläche. Lita, die mit schwingenden Röcken aus der Speisekammer trat, drückte ihr eine herzhaft duftende Pastete in die Hand.
„Spricht man über mich?" Maeva stand in der Tür, die Hände in die Hüften gestützt. Plötzlich hatten alle in der Küche etwas zu tun und sahen überall hin, nur nicht zu der Herrin des Hauses, auf deren Stirn eine steile Falte entstanden war. Als sie die Verlegenheit bemerkte, lächelte sie plötzlich. Kaluu setzte Alys auf dem Boden ab und diese flog direkt zu ihrer Mutter.
„Erzählst Du mir heute Abend die Geschichte weiter?", fragte sie und Haldir dachte, dass dem Augenaufschlag der Kleinen wohl niemand gewachsen sein konnte. Maeva schüttelte den Kopf.
„Ich muss heute noch einige Dinge erledigen und weiß nicht, wann ich nach Hause komme. Aber wenn Du dann noch wach sein solltest, können wir mal sehen."
Haldir, der nichts von ihren Plänen wusste, blickte sie fragend an, doch Maeva reagierte nicht darauf. Sie fasste ihre Tochter an die Hand und führte sie aus der Küche.
***
Der Abend kam und es begann zu regnen und zu stürmen, wie es nach dem trüben Tag zu erwarten gewesen war. Die Dienstboten verließen nach und nach das Haus, das in jene Schweigsamkeit verfiel, die Haldir schon am vergangenen Abend bemerkt hatte. Er hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen, bei offener Tür, zum Zeichen dafür, dass er einsatzbereit war, denn was immer Maeva an diesem Abend vorhatte, er würde sie wahrscheinlich begleiten müssen.
Gerade als er mit dem Gedanken spielte, sich zurückzuziehen, da die Nacht immer weiter fortschritt, erschien Maeva im Türrahmen. Sie war eine der wenigen Frauen, die er jemals in Hosen gesehen hatte und der Anblick erinnerte ihn daran, dass es ihn nicht weiterbringen würde, die Frau attraktiv zu finden. Unter einem schlichten, schwarzen Mantel trug sie enganliegende Kleidung, das Haar hatte sie zu einem strengen Zopf gebunden. Ganz offensichtlich hatte sie vor, in dieser Nacht nicht aufzufallen. An ihrem Gürtel hingen ein Kurzschwert, ein Seil und andere Gerätschaften.
„Bewaffnet Euch und nehmt Euren Mantel mit, es ist kalt", befahl sie kurzangebunden, wartete aber geduldig, bis er fertig war. Dann eilte sie die Treppe hinunter und in die leer Bibliothek, in der nur eine Öllampe brannte. Das Regal schwang beiseite, als sie mit geübtem Griff die Tür zur Geheimtreppe betätigte und ihn in die Höhle hinunter führte.
Dort herrschte im Gegensatz zum Inneren des Hauses eine gewisse Unruhe. Dolphren und Kaluu standen mit drei weiteren, ganz in Schwarz gekleideten Männern zusammen. Gerade als Haldir eintraf, verteilte der Hausherr kleine Phiolen an jeden und hielt auch Haldir eine hin.
„Was ist das?", fragte er, als er sie ergriff.
„Gift", sagte Dolphren mit einem verzerrten Lächeln. Sein Gesicht war blass und einige Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. „Wenn Ihr im Kerker landet, solltet Ihr die Möglichkeit haben, Euch den Tod zu geben."
Ohne einen weiteren Kommentar steckte Haldir die Phiole in seine Gürteltasche und versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, als Dolphren mühsam an ihm vorbeihumpelte und auch Maeva das Gift überreichte. Dass der Mann versehrt war, war Haldir gar nicht aufgefallen, aber nun überraschte es ihn nicht, dass Maeva eine derart wichtige Rolle in der Verbrecherorganisation spielte.
„Wir werden uns heute das Lagerhaus von Rizo dem Fetten vor", sagte sie nun und die Aufmerksamkeit der Männer wandte sich ihr zu. Dolphren und Kaluu zogen sich zurück und ließen keinen Zweifel daran, wer von nun an das Kommando hatte. „Wie Ihr sicher wisst, hat er drei unserer Leute an die Stadtwache verraten. Das wird er heute bereuen. Wie ich erfahren habe, lagert er seit gestern extrem wertvolle Stoffe, Alkoholika und Gewürze ein. Wird werden einbrechen, die Kasse im Kontor aufbrechen und das ganze Gebäude abbrennen."
Die Männer nickten und ihnen stand fiebrige Aufregung in die Gesichter geschrieben. Haldir war unwohl bei dem Gedanken, nun doch mit seinen Prinzipein brechen zu müssen, aber er wusste, dass er keinen Rückzieher machen durfte. Darüber hinaus würde ihn Aragorn aus dem Gefängnis holen, wenn die Sache schief ging. Zumindest hoffte er das.
***
Eiskalter Regen schlug Haldir ins Gesicht, als er um die Ecke spähte. In der schmutzigen Gasse vor dem Lagerhaus war nichts zu sehen, doch Maeva hatte ihm bedeutet, dass auf dem Dach des Gebäudes zwei Wachen standen. Sie war mit einem der Männer auf ein benachbartes Haus geklettert und schlich sich in diesem Moment an die Wächter heran.
Seine Erfahrung als Krieger bewahrte Haldir davor, in irgendeiner Form nervös zu werden, doch behagte ihm die Art, wie Maeva vorging, überhaupt nicht. Er zog es vor, seinem Gegner selbst ins Gesicht zu sehen und sich mit dessen Kräften zu messen. Der Kampf auf den Straßen, voller Heimlichkeit und Rachsucht, kam ihm feige und falsch vor. Doch es war der Weg, den die Diebe gingen und er musste akzeptieren, dass auch er jetzt in ihren Augen ein Dieb und Verbrecher war.
Dumpfe Schläge erklangen vom Dach und plötzlich sausten zwei Körper zu Boden, die mit einem satten Platschen auf dem schlammigen Boden aufschlugen. Die beiden Wächter waren offensichtlich bewusstlos und durch den weichen Fall nicht allzu schwer verletzt worden. Haldir blickte zum Dach hoch und entdeckte Maeva, die gespannt in di Gasse hinunterblickte.
Die beiden Männer bei Haldir reagierten schneller als er. Mit geübten Griffen fesselten und knebelten sie die Männer der feindlichen Diebesgilde und versteckten sie in einem Abfallhaufen. Dann näherten sie sich der Lagerhaustür, wo sie sich im Schatten verbargen. Haldir, der sein in der Dunkelheit leuchtendes Haar unter einer Kapuze verborgen hatte, blieb weiterhin an der Ecke stehen, um die Hauptstrasse im Auge zu behalten.
In der Ferne sah er etwas Bewegung, doch da am Ende der Strasse ein gut besuchtes Wirtshaus lag, vermutete er in den schwankenden Gestalten ein paar Zecher, die nach Hause schwankten, was sich später auch als wahr herausstellte Unwillkürlich musste er daran denken, was Maeva über die Männer gesagt hatten, die das Geld ihrer Familien vertranken.
Die Tür zum Lagerhaus schwang knarrend auf und die beiden Männer glitten lautlos hinein. Eine kleine Weile verging, in der nichts geschah, doch plötzlich nahm Haldir eine Bewegung auf dem Dach wahr. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als er bemerkte, wie eine dunkle Gestalt über das Dach schlich und dann verschwand.
Im selben Moment brach im Lager das Chaos aus. Schreie wurden laut und Stahl prallte auf Stahl. Ein durchdringender Brandgeruch stieg Haldir in die Nase, Grund genug für ihn, sein Schwert zu ziehen und in das Gebäude zu rennen. Drinnen war für das menschliche Auge wenig zu erkennen, doch Haldir bemerkte sofort, dass sich Maeva und ihre Männer gegen ein halbes Dutzend Angreifer zur Wehr setzten, die sie überrascht haben mussten.
In einer Ecke des Lagerhauses leckten Flammen über die aufgestapelten Kisten. Das feuchte Holz qualmte und stank bestialisch, so dass Haldir die Augen tränten, auch wenn er am weitsten von dem Brandherd entfernt war. Anscheinend war es Maeva noch gelungen, nach dem Einbruch in das Kontor das Feuer zu legen, doch ihre Flucht war von den Angreifern vereitelt worden.
Haldir sprang ohne zu zögern in das Kampfgetümmel und teilte die ersten Hiebe aus, wohl darauf bedacht, keinen seiner Gegner tödlich zu verletzen. Für die Sache, für die er in diesem Augenblick kämpfte, würde er sich nicht dazu bringen lassen, einen Menschen zu töten, ganz gleich, ob dieser genau diese Absicht hatte oder nicht.
Maeva neben ihm führte eine schnelle und geschickte Klinge und nahm keinerlei Rücksicht auf ihre Gegner, wie es zu erwarten gewesen war. Sie stieß einem der Männer ihr Schwert in den Magen und riss es mit einer schnellen Bewegung heraus, so dass das Blut ihr entgegenspritzte und sie besudelte. Der Sterbende fiel ihr zu Füßen und sie wandte sich dem nächsten zu, ohne ihn zu beachten.
Das Feuer hatte die Deckensparren erreicht und bereits den hinteren Teil der Halle samt dem Kontor verschlungen. Krachend fielen Holzstücke zu Boden und das Atmen war fast unerträglich in all dem Qualm. Maevas Männer versuchten sich so gut wie möglich zurückzuziehen, doch die Angreifer hatten sie soweit in die Ecke gedrängt, dass es ihnen kaum möglich war zu fliehen.
Haldir schlug seinen Schwertgriff gegen die Schläfe seines Gegners und dieser sackte bewusstlos zusammen. Als er sich umsah, ertönte über ihm ein hässliches Knirschen und er begriff sofort, was geschah. Er erwischte Maeva an der Kapuze ihres Mantels und zog kräftig. Sie taumelte, fiel nach hinten und landete in seinen Armen, im selben Moment, als die brennenden Deckenbalken herabstürzten und ihren Gegner unter sich begruben, an der Stelle, an der sie bislang gestanden hatte.
Das Kampfgeschehen stockte, denn plötzlich war keiner von Rizos Männern mehr in dem brennenden Ring, den die Wände und der hoch lodernde Balken bildeten und in dem Maeva, Haldir und ihre Begleiter eingeschlossen waren. Mit einem triumphierenden Lachen stürzten die Angreifer aus der Tür und ließen sie allein.
Maeva machte sich mit einer unwilligen Geste von Haldir los, die ihn daran erinnerte, dass sie ihn nicht sonderlich leiden konnte und starrte entsetzt auf das Inferno vor ihren Augen. Sie hustete, als eine Wolke schwarzen Rauches zu ihr herüberwehte.
„Was machen wir?", krächzte sie und steckte ihr Schwert weg. Haldir wischte sich die von der Hitze tränenden Augen und erkannte dann die einzig Möglichkeit, wie sie das Gebäude verlassen konnten. Unter dem Dachfirst entlang der Wände befand sich ein schmaler Stützbalken, der sie in das nicht brennende Ende der Halle bringen würde – falls sie nicht herunterfielen.
Er spurtete zu einem an der Wand gestapelten Kistenberg, der noch nicht Feuer gefangen hatte und kletterte hinauf, so weit es ging. Die oberste Kiste schwankte bedenklich, als er darauf zu stehen kam und nach oben zu dem Balken blickte.
„Haldir!" Er drehte sich um und sah Maeva, die ihm hinterherkam, ebenso wie ihre Männer, die verstanden hatte, dass er eine Fluchtmöglichkeit gefunden hatte. Sie löste das Seil von ihrem Gürtel und warf es ihm zu. Blitzschnell verknotete er ein Ende, um es schwerer zu machen und warf es dann hinauf.
Er brauchte drei Versuche, um es über den Balken zu bekommen und mit jedem Mal wurde es schwerer, da Wogen der Hitze und beißender Qualm zu ihm aufstiegen. Erste Flammen leckten über den Kistenstapel.
„Los, Ihr zuerst!", sagte er zu Maeva, die den Kopf schüttelte und ihren Männer den Vortritt ließ. Erst als sie sah, wie sie den Balken erklommen hatten und mühsam zwischen Balken und Dach geduckt über das Flammenmeer zu kriechen begannen, sprang sie an das Seil und zog sich mit erstaunlicher Kraft nach oben. Haldir folgte ihr und erreichte den Balken in dem Moment, in dem der Stapel krachend in sich zusammenbrach und ein Meer von Funken zu ihnen hinaufschickte.
Er fühlte einen brennenden Schmerz im Gesicht und hätte fast den Halt verloren, doch Maeva griff nach seinem Arm und zog ihn zurück, obwohl sie dabei selbst auf dem schmalen Balken bedenklich ins Wanken geriet. Schließlich fing sie sich wieder und so robbten sie so schnell wie es eben ging über die hochschlagenden Flammen der niedergestürzten Balken. Hinter ihnen hatte das Feuer das Dach erreicht und fraß sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch das Holz, das, obwohl es nass war, brannte wie Zunder und bestialisch stank. Auch der Balken hatte inzwischen Feuer gefangen und knarrte bedrohlich unter ihnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch er brechen würde.
Haldir hustete und seine überanstrengten Augen tränten. Die Formen vor ihm verschwammen und er blinzelte verärgert, bis sich sein Blick wieder klärte. Die Männer hatten das sichere Ende bereits erreicht und einen stabilen Kistenberg gefunden, um herabzusteigen. Maeva hatte ihn ebenfalls fast erreicht, als Haldir spürte, wie der Balken unter ihnen mit einem heftigen Ruck nachgab.
Mit einem Schrei, der in dem splitternden Krachen des Holzes und dem Rauschen der Flammen unterging, stürzte Maeva ab und Haldir hinterher, mit dem Gedanken, dass er seine Aufgabe wohl in zweifacher Hinsicht nicht erfüllt hatte.
