Willst du den Charakter eines Menschen kennen, gib ihm Macht.
Abraham Lincoln, amerikan. Staatsmann, 1809-1865
Erzählt von Severus Snape
Montag Nachmittag, Doppelstunde Zaubertränke 7. Klasse Gryffindor und Slytherin. Meine Lieblingsstunde. Die Chancen stehen gut, dass Longbottom heute seinen 20. Kessel schmelzen wird…hoffentlich bleibt sonst alles heil.
Punkt 14 Uhr sitzen alle Schüler an ihren Plätzen. Ich gehe langsam durch den Raum. "Da dies euer letztes Jahr in Hogwarts ist, werden wir uns mit etwas anspruchsvolleren Dingen beschäftigen. Nicht dass ich denke, euer Können würde dafür ausreichen…"
Ha, Longbottom sieht aus, als würde er gleich vor Schreck in Ohnmacht fallen! Seine hochroten Ohren bilden einen interessanten Kontrast zu seinem blassen Gesicht.
"..aber vielleicht bekommt ihr wenigstens eine Ahnung dessen, was man die Kunst des Tränkebrauens nennt. Wir beginnen heute mit dem Thema ‚Die Verwendung von Zaubersprüchen bei Tränken für Fortgeschrittene'."
In diesem Augenblick spüre ich, wie das Dunkle Mal an meinem Arm zu schmerzen beginnt.
Ausgerechnet während des Unterrichts! Noch dazu am ersten Schultag!
Hastig sage ich: „Der Unterricht ist für heute beendet. Malfoy, Granger, bringt die Schüler zurück in die Gemeinschaftsräume."
Ungläubige Blicke werden mir zugeworfen, doch ich achte nicht weiter darauf, dazu fehlt mir die Zeit. Schnell verlasse ich den Raum, und bemerke, wie Granger mir einen durchdringenden Blick zuwirft und unmerklich nickt. Hoffentlich sagt sie Dumbledore Bescheid…
Ich ziehe die dunkle Kapuze über mein Gesicht und appariere an Voldemorts Seite auf einer Lichtung mitten im Wald. Es ist eigenartig, dem Dunklen Lord bei Tag, mitten im strahlenden Sonnenschein, gegenüberzustehen. Es herrscht jedoch rundum Totenstille, nicht einmal Vogelgezwitscher ist zu hören.
Wir sind alleine. Was hat das zu bedeuten? Eisiger Schreck durchfährt mich: Weiß er Bescheid über meinen Verrat? Ich verbeuge mich vor ihm: „Mylord!"
Er beobachtet mich lange, bevor er spricht: „Snape! Du wunderst dich, warum du hier bist? Nun, ich werde das Geheimnis lüften. Ich habe einen Auftrag für dich."
Er reicht mir ein Pergament. Darauf befindet sich ein Rezept, die Zutaten zu einem Zaubertrank. Ich werfe einen Blick darauf und erkenne aufgrund der Bestandteile die Gefährlichkeit einer solchen Substanz. Doch wofür ist es gedacht?
„Mylord, verzeiht die Frage, welche Nutzen hat dieser Trank?"
„Falsche Frage, Giftmischer! Du sollst ihn brauen, nichts weiter. Und zwar schnell."
„Mylord, das Rezept ist unvollständig, es endet mitten im Satz. Um den Trank zu brauen, brauche ich nähere Informationen."
Voldemort blickt auf mich herab, als er leise spricht: „Zu gegebener Zeit wirst du erfahren, was du wissen musst. Die Einhorntränen müssen in der Nacht von Samhain gewonnen werden. Bis dorthin ist das Rezept vollständig." Er blickt mir tief in die Augen. „Ich mag es nicht, wenn meine Anordnungen hinterfragt werden. CRUCIO!"
Ich versuche auf den Beinen zu bleiben, als der altbekannte Schmerz mich trifft. Heute habe ich jedoch Glück, Voldemort nimmt den Fluch schon bald von mir und befiehlt: "Mach dich an die Arbeit! Und beeile dich!"
Die Drohung in seiner Stimme ist unverkennbar. Ich kann nur mit Mühe ein Zittern unterdrücken, als ich mich tief verbeuge und den Saum seiner Robe küsse. Ein Dreh mit dem Zauberstab und Voldemort ist verschwunden. Um mich herum beginnen die Vögel wieder zu zwitschern, und warme Sonnenstrahlen streichen über mein Gesicht. Ich atme tief durch, bevor ich disappariere.
***
~ Gryffindor Turm, Hogwarts ~
Erzählt von Hermione Granger
„Wohin gehst du, Hermione?" Ron blickt mich fragend an.
„Dumbledore", antworte ich leise, und bevor jemand weitere Fragen stellen kann, bin ich schon durch das Porträt auf den Gang verschwunden. Ich höre Schritte hinter mir, als ich um die Ecke eile. Harry.
„Ich komme mit."
Schweigend gehen wir, jeder in seine Gedanken vertieft, durch die langen Gänge Hogwarts bis zu jenem Korridor im zweiten Stock, in welchem sich der Eingang zum Büro des Direktors befindet. Kurz halten wir beim steinernen Wasserspeier an und sagen das aktuelle Passwort. Die Wand teilt sich, und öffnet den Zugang zum magischen Treppenaufgang. Dumbledore erwartet uns bereits an der Tür, als wir die sich kreisförmig nach oben bewegende Wendeltreppe in das große Turmzimmer zügig emporsteigen.
„Direktor, Professor Snape wurde gerade mitten im Unterricht gerufen."
Dumbledores Augen zeigen deutlich, dass er schon Bescheid weiß. „Ich habe ihn vom Fenster aus zum Verbotenen Wald laufen sehen. Ihr habt doch Unterricht mit den Slytherins, hat jemand etwas bemerkt?"
Zögernd antworte ich: „Ich denke schon, dass sich alle gewundert haben, warum die Stunde nach knapp 10 Minuten schon wieder beendet ist. Er hat nur gesagt, Malfoy und ich sollen die Schüler in die Gemeinschaftsräume führen, und ist schnell gegangen. Direktor, Malfoy hat so seltsam geschaut, denken Sie, das hat etwas zu bedeuten?"
Dumbledore runzelt nachdenklich die Stirn, doch dann blickt er recht zuversichtlich drein: „Ich weiß es nicht, Hermione. Wir werden ihn im Auge behalten. Kehrt jetzt bitte in euren Gemeinschaftraum zurück, bevor die anderen Schüler Verdacht schöpfen. Falls sich etwas Neues ergibt, werde ich euch Bescheid geben."
Ich nicke kurz, bevor Harry und ich zur Tür gehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Dumbledores Gesicht schlagartig wieder ernst wird...
Als wir auf der Treppe sind, sieht Harry mich fragend an: „Hattest du auch den Eindruck, dass er etwas von uns fernhalten will?"
Nachdenklich runzle ich die Stirn: „Ich glaube, er versucht mehr Zuversicht zu verbreiten, als im Augenblick angebracht ist... er will uns offensichtlich nicht mit allem belasten. Außerdem macht er sich bestimmt Sorgen um Snape."
Gemeinsam gehen wir zurück in unseren Gemeinschaftsraum. Mir geht der Blick Malfoys nicht aus dem Kopf...
***
~ Dumbledores Büro ~
Der Tränkemeister und Dumbledore stehen vor dem großen Schreibtisch, über ein Textstück gebeugt. Snape hat gerade von dem Auftrag Voldemorts berichtet.
„Das ist das Rezept, Albus. Ich habe jedoch noch keine Ahnung, was daraus werden soll, der Rest fehlt. Voldemort will mir später die nötige Information zukommen lassen, wofür der Trank dient."
„Kannst du aufgrund der Zutaten irgendwelche Rückschlüsse ziehen, was es sein könnte?"
„Auf jeden Fall etwas Gefährliches. So viel ist klar. Die Kombination der Zutaten deutet darauf hin, dass es einen sehr mächtigen Zauber zerstören kann. Aber welchen?" Ratlos schüttelt er den Kopf, wobei ihm eine Strähne seiner langen, schwarzen Haare ins Gesicht fällt. „Albus, was soll ich tun?"
Dumbledores sonst so optimistisch zwinkernde Augen sind nun ernst. „Du musst mit dem Trank beginnen. Es gibt keine andere Lösung. Aber wir sollten inzwischen auch versuchen, herauszufinden wozu der Trank dient. Vielleicht besteht wirklich ein Zusammenhang mit den Büchern von Lestrange. Ich habe da eine Idee..."
***
~ Dungeons, Hogwarts ~
Im Gemeinschaftsraum der Slytherins geht es hoch her - wie immer, wenn ihr Hauslehrer Severus Snape bei einem Death Eater-Treffen ist. Heute spielt man eine Runde Quidditch im Kerker. Der Rädelsführer ist - wie nicht anders zu erwarten - Draco Malfoy. Nichts in Hogwarts entgeht seinen Augen, und auch diesmal hat er seinem Vater eine Information zukommen lassen...
Draco sitzt lässig auf seinem neuen Besen, einem Nimbus Turbo, den Blick auf seine beiden „Leibwächter" Crabbe und Goyle gerichtet. Er sieht sehr mit sich zufrieden aus und gibt gerade mit seinen Flugkünsten an, als die Kerkertür gegen die Steinwand prallt und Professor Snape eintritt: „Was ist hier los? Mr. Malfoy, können Sie nicht für Ordnung sorgen?"
Schnell landen alle und fangen die Bälle ein. Snape wirft Malfoy einen kurzen Blick zu, er weiß genau, wer hinter dieser Aktion steckt. Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und verlässt mit großen Schritten den Raum, sein Umhang flattert heftig. An der Tür verharrt er kurz und schaut Draco nochmals durchdringend an, als wolle er noch etwas hinzufügen, geht dann jedoch weiter.
***
etwas später:
~ Malfoy Manor ~
Vater,
Professor Snape hat mich in sein Büro zitiert wegen meiner Tätigkeit als Schulsprecher. Ich soll unter anderem nächtliche Inspektionsrunden übernehmen, da kann ich sicher einiges beobachten.
Heute wurde Professor Snape offensichtlich im Unterricht gerufen, er beendete die Stunde schon nach 10 Minuten. Ich konnte ihm nicht folgen, da er mir den Auftrag erteilte, die Schüler meines Hauses in den Gemeinschaftsraum zu führen. Als ich wieder zurückkam, war er nicht mehr zu sehen. Dafür beobachtete ich, wie Granger und Potter aus dem 2. Stock kamen, wo das Büro des Direktors ist. Nach etwa einer halben Stunde ist Professor Snape wieder eingetroffen.
Gestern fand eine Vorbesprechung für eine neue Lehrveranstaltung statt. Professor Moody leitet eine Duellierkurs, der sich mit dunklen Flüchen befassen wird, die wir nicht nur lernen, sondern auch verwenden sollen. Er erwähnte, dass wir dann besser vorbereitet seien auf Lord Voldemort. Das erste Training findet nächste Woche statt.
Ich werde weiter die Augen offen halten und bald wieder Bericht erstatten.
Draco
Mit leicht gerunzelter Stirn legt Lucius das Pergament aus der Hand, rollt es nach kurzem Überlegen jedoch zusammen und steckt es in seinen Umhang. Rasch steht er auf und verlässt das Haus, um in Voldemorts Festung zu apparieren.
A/N:
Carina: Danke für Deine Review! Zu Samhain: es wird bald ein Kapitel geben, wo die Traditionen der Welt der Hexen beschrieben werden.
Ich bin ganz Deiner Meinung, Draco kommt oft viel zu schlecht weg. Er ist viel zu intelligent um alles einfach gedankenlos zu tun. In den kommenden Kapiteln wird sein innerer Konflikt noch größer, mehr verrate ich aber dazu nicht, auch nicht was unseren lieben Severus betrifft...
