Du bist mein
Teil 1
Tief hingen die granitgrauen Winterwolken über der Stadt. Die ersten weißen Flocken ließen sich von den böigen Winden über die Häuser tragen, die sich vor dem kommenden Unwetter zu ducken schienen. Die Luft war kalt und feucht und die wenigen Gestalten die sich über die geräumten Gehsteige mühten hatten wollige Schals um ihre rot gefrorenen Nasen gewickelt.
Vegeta stand am Fenster von Bulmas früherem Zimmer und sah hinaus in das Treiben. Eine weiße Decke hatte den Garten überzogen und verbarg, dass das Rosenbeet vollkommen von Unkraut überwuchert war und dass seit langem keiner mehr den Kies geharkt hatte.
Ein halbes Jahr war es jetzt her, dass sich sein Leben gewandelt hatte. Sechs Monate. Wie viele Nächte davon war er wach gelegen und hatte dem dumpfen Schluchzen gelauscht, das aus Trunks Zimmer herüber drang? Er selber hatte sich nicht erlaubt zu weinen. Nicht bei der Beerdigung, wo sie den Gedenkstein an den Klippenrand setzten und ihre Eltern sich vor Weinkrämpfen kaum noch aufrecht halten konnten. Nicht in der Nacht davor, wo sie alle gemeinsam von Bulma Abschied genommen hatten und Krilin gebückt wie ein alter Mann von seiner immer noch schönen und viel jünger wirkenden Frau gestützt werden musste, während er sich vor Bulmas Foto verneigte. Keiner, nicht der Herr der Schildkröten, nicht Tenshinhan, Videl, Goten, Gohan, Piccolo, Dende oder Lunch, hatten es gewagt Vegeta anzusprechen. Sie hatten sich alle vor seinem Schmerz verneigt, versucht, seine Kinder zu trösten und Bulmas Eltern ein paar teilnehmende Worte zu sagen. Einzig Chichi und Goku waren nicht da gewesen. Niemand wusste, wo genau Oob zuhause war und daher hatte niemand ihn benachrichtigen können. Der Rinderteufel hatte sich entschuldigen lassen, weil es ihm gesundheitlich immer schlechter ging und so war auch Chichi nicht dazu zu bewegen gewesen, von seiner Seite zu weichen.
Nicht, dass sich Vegeta darüber geärgert hätte oder so.
Es hatte ihn nicht berührt.
Nichts mehr hatte ihn berührt.
Nicht, seit sie fort war.
"Vater?", Trunks steckte seinen Kopf zur Türe herein. "Glaubst du, sie sind jetzt gar?"
Vegeta drehte sich um und sah auf den Wecker auf Bulmas Nachttisch. "Ja, aber vergiss nicht, dass im Kochbuch etwas von abschrecken stand. Sonst verlieren sie ihre Farbe."
Wenn ihm jemand vor einem Jahr geweissagt hätte, dass er sich jemals ein Kochbuch näher ansehen würde, hätte er nur verächtlich gelacht.
Vor einem Jahr war so vieles anders gewesen.
Sie war da gewesen.
"Du solltest nicht soviel brüten, Vater." Trunks wischte sich die Hände an der weißen Schürze ab. "Bra hat vorhin wieder angerufen. Sie schien recht zufrieden zu sein. Offenbar bekommt es ihr gut, dass sie bei den Großeltern wohnt. Opas neues Haus am Meer ist auch ein toller Schuppen."
"Vermisst du sie?", fragte Vegeta.
"Die kleine Nervensäge?" Trunks zog ein Gesicht. "Dazu habe ich zuviel zu tun."
Der Blick seines Vaters ließ ihn nicht los.
"Okay, ein wenig vielleicht. Aber nur ein wenig." Trunks drehte sich zur Türe. "Ich schau mal, ob die Nudeln inzwischen nicht verkocht sind."
"Mach das. Ich trainiere noch eine Runde."
"Vergiss aber nicht die Zeit, sonst wird der Auflauf Holzkohle."
Trunks blieb vor der Küchentür stehen und ließ seinen Vater vorbei, der wieder zu seinem Trainingsraum schritt. Sein Körper war noch immer so durchtrainiert wie vor einem Jahr. Dennoch, irgendwie hatte er an Kraft und Schwung verloren.
Trunks erinnerte sich daran, wie zornig er lange gewesen war.
Zornig auf seinen Vater, weil er es nicht verhindert hatte.
Und weil er nicht weinte.
Kein einziges Mal.
Zornig auf seine Mutter, weil sie ihn im Stich gelassen hatte.
Weil sie nur an sich selbst gedacht hatte.
Nicht an die, die sie zurückließ.
Zornig auf seine Schwester, weil es ihr so leicht fiel, sich trösten zu lassen.
Vor allem aber zornig auf sich selbst, weil er sich schuldig gefühlt hatte.
Weil er nichts geahnt hatte, die Zeichen nicht gesehen hatte.
Weil er seine Mutter immer noch vor der Tür stehen sah.
Enttäuscht und verletzt.
Verletzt durch ihn.
Er atmete tief durch. Mittlerweile war es besser geworden. Ein wenig zumindest. Seit ein paar Wochen zog er wieder mit Goten durch die Stadt und versuchte Mädchen anzubaggern. Es war schon komisch. Wenn er ihnen von seinem Verlust erzählte und dabei seine Gefühle zeigte, wurden sie alle ganz warm und freundlich. Selbst die, die ihn früher abgewimmelt hatten. Eine Weile lang war es ein gutes Gefühl. Doch dann hatte ihn Marron dabei erwischt und ihm eine geklebt, dass seine Wange knallrot geworden war.
"Deine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, dass du ihren Tod dazu benutzt, mit einer Mitleidsmasche Mädchen aufzureißen. Du bist das letzte!", hatte sie ihm ins verdutzte Gesicht geschrieen und war gegangen. Seit damals hatte sie ihn in der Schule kein einziges Mal mehr angesprochen. Dabei hätte er ihr gern erklärt, dass er verstanden hatte. Doch kaum kam er nahe an sie heran, sah sie ihn an, als wäre er ein ekelhaftes Insekt und drehte sich weg. Er hätte nie gedacht, dass ihm das nahe gehen könnte. Doch Marron war anders als die Mädchen hinter denen er sonst her war. Sie hatte sich nie durch seine Kraft beeindrucken lassen und nicht durch seine coolen Sprüche.
Ein Zischen aus der Küche riss ihn aus seinen Gedanken. Die Nudeln!
Trunks schoss zum Herd. Gerade noch rechtzeitig.
Währenddessen machte Vegeta mit seinen Übungen weiter. Schritt um Schritt, wie schon tausende Male zuvor. Diese Routine hatte ihn gerettet.
An sie hatte er sich geklammert all die leeren Tage.
An sie und an seinen Stolz.
Er hatte ohne Bulma überlebt, die vielen Jahre vor seiner Ankunft auf der Erde. Es gab keinen Grund, warum er es nicht weiterhin schaffen sollte.
Er hatte seine Ehre als Krieger,
seinen Stolz als Prinz,
seine Kraft als Saiyajin.
Und vor allem hatte er die Kinder.
So hatte er überlebt. Von Stunde zu Stunde. Von Tag zu Tag.
Er erinnerte sich daran, wie Trunks nach dem ersten Schock durch das Haus gestürmt war, auf der Suche nach dem Dragonballradar. Doch er hatte ihn nicht gefunden. Wie niedergeschlagen er gewesen war. Er hatte seinen Großvater geplagt, einen neuen zu bauen. Doch dieser hatte nur den Kopf geschüttelt und mit feuchten Augen und zitternder Stimme Trunks Hoffnung begraben. "Sie ist freiwillig gestorben, oder? Es war kein böser Einfluss von außen, kein Mord. Darum wird der Drache nichts tun können. Du kannst ja Dende fragen, wenn du mir nicht glaubst."
Erst hatte Trunks getobt. Dann war er zum Palast Gottes geflogen. Vegeta hatte ihn ziehen lassen, obwohl er nicht an der Unverrückbarkeit der bitteren Worte zweifelte. Leider zurecht. Trunks war zurückgekehrt und ohne ein Wort in seinem Zimmer verschwunden. Er hatte sich eingeschlossen und geheult. Stunden lang. Bra war ganz entsetzt gewesen und Vegeta hatte Videl zu Hilfe gerufen, damit sie es Bra erklärte. Er hatte es nicht aussprechen wollen. Nicht laut, nicht vor der Kleinen. Er hätte seine Tränen nicht zurückhalten können, wenn er es gesagt hätte: "Sie ist tot. Endgültig. Wir werden nicht wiedersehen. Nie wieder."
Als er seine Übungssequenz beendet hatte, sprang er rasch unter die Dusche, ehe er in die Küche trat, wo Trunks soeben den Auflauf aus dem Herd nahm. Er roch nicht übel und Vegeta nickte seinem Sohn zu.
Trunks war gereift in diesem halben Jahr. Er strengte sich mehr in der Schule an, er trainierte sogar ab und zu.
Sie waren nicht glücklich, aber sie kamen zurecht. So irgendwie.
..........
Das Schneegestöber war heftiger geworden. Ein Taxi hielt vor dem Gartentor und eine schlanke Gestalt, dick vermummt mit Mantel, Mütze und Schal stieg aus. Der Fahrer stieg ebenfalls aus und öffnete den Kofferraum.
"Sie haben wirklich viel Gepäck, Fräulein!", Keuchte er und zerrte den Schrankkoffer ins Freie. Es folgte noch ein zweiter und eine prall gefüllte Reisetasche. Die drei Gepäcksstücke landeten auf dem schneebedeckten Gehsteig und der Fahrer nahm kurz die Schildkappe ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
Die Angesprochene drehte sich kurz zu ihm um und drücke ihm einen großen Schein in die Hand. "Danke für die Mühe", sagte sie.
Der Fahrer piff durch die tabakgelben Zähne. "Das kann ich kaum heraus geben, Fräulein." "Ist nicht nötig. Der Rest ist für Sie."
"Danke, vielen Dank auch", er zog die Mütze und verbeugte sich, "soll ich vielleicht die Koffer hinein tragen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich denke, dass man mir sicher helfen wird. Machen Sie sich um mich keine Sorgen."
Immer noch zweifelnd, schloss der Fahrer den Kofferraum, stieg ein und fuhr ab. Im Rückspiegel sah er, wie die schlanke Gestalt ihren Mantel aufknöpfte und etwas Flaches herausholte.
.............................................
Trunks hatte gerade die Portionen auf den beiden Tellern verteilt, da läutete es. Seufzend zog Trunks die Schürze aus und ging zur Türe.
"Wir kaufen nichts!", sagte er unwirsch, als er sie aufriss.
"Das ist aber schade", erwiderte eine helle Stimme.
Trunks musterte die Gestalt vor ihm aus schmalen Augen.
Sie streifte die Kapuze zurück und eine Mähne aus roten Locken ergoss sich über die schmalen Schultern. Große grüne Augen blickten ihn aus einem blassen Gesicht an und eine schmale Hand hielt ihm einen Umschlag hin, den er nur zu gut kannte.
"Guten Tag, ich bin Lumia. Du musst Trunks sein, oder? Ist deine Mutter zu sprechen?"
Trunks zuckte zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. "Meine ... Mutter?"
"Ja, Bulma Briefs. Die geniale Wissenschaftlerin. Du weißt es vielleicht nicht, aber sie wollte mich einschulen, damit ich eines Tages die Capsule Corps leiten kann." Das Mädchen lächelte leicht verlegen und fuhr sich mit der Hand durch die Locken. "Wenn sie nicht da ist, würde ich gerne auf sie warten..."
Trunks besann sich auf seine Manieren, wurde knallrot und trat zurück, damit Lumia eintreten konnte. Er staunte nicht schlecht, als sie auf ihr Gepäck deutete, das noch immer draußen auf dem Gehsteig stand.
"Könntest du mein Gepäck bitte herein holen? Es wiegt einiges und da draußen wird es womöglich noch gestohlen..."
Will sie sich tatsächlich hier einnisten? Trunks fühlte wie sich sein Inneres verhärtete. Er brauchte keine Fremde in dem kleinen Refugium, das er und sein Vater sich geschaffen hatten. Doch das junge Mädchen sah ihn freundlich bittend an und da er sich sicher war, dass sie verschwinden würde, sobald sie die Wahrheit über seine Mutter wusste, schlüpfte er widerwillig in seine Schuhe und stapfte durch den Schnee zur Straße. Das Gepäck war für ihn trotz seines unregelmäßigen Trainings kein Problem und er stellte die beiden Schrankkoffer und die Reisetasche in den Vorraum.
Mittlerweile hatte Lumia ihren Mantel abgelegt und hatte ihre Winterstiefel mit zwei Gästepantoffeln getauscht.
"Wer ist es denn?", kam es unwirsch aus der Küche und Vegeta steckte den Kopf aus der Türe, um den Eindringling aus schmalen Augen zu mustern.
Lumia schreckte einen Moment vor seinem unfreundlichen Blick zurück, dann jedoch fasste sie sich und deutete eine höfliche Verbeugung an. "Sie sind sicher Vegeta, nicht wahr? Ich bin Lumia und ich bin gekommen, um mit Bulma über meine weitere Ausbildung bei Capsule Corps zu sprechen."
Vegeta schluckte. "Mit Bulma?" Sein Blick wurde starr und schien sich an Lumia vorbei durch die Wand zu bohren. "Sie ist nicht mehr hier. Sie ist fort, für immer."
Erschrocken weiteten sich Lumias Augen. "Du liebes Bisschen. Wohin ist sie denn gezogen?"
"In den Himmel würde ein Priester sagen", sagte Trunks rau. "Ich will nicht unhöflich sein, aber damit hat sich der Zweck deines Besuches wohl erledigt."
Betreten starrte Lumia auf ihre Füße und suchte offenbar nach den richtigen Worten. "Das ist schrecklich, ich kann gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Sie hat nie ein Wort darüber verloren, dass sie so schlimm krank ist."
"Es war keine Krankheit", sagte Vegeta widerwillig, da er einsah, dass diese neugierige Frauensperson nicht locker lassen würde, ehe sie mehr darüber wüsste. "Es war ein Unfall."
Er bemerkte nicht, wie Lumia die Brauen zweifelnd hochzog und auch Trunks entging die Skepsis in ihrem Blick. Unfall war der offizielle Todesgrund, den sie der Welt da draußen vorlogen. Niemand brauchte zu wissen, dass Bulma sich mit dem Auto die Klippe hinunter gestürzt hatte. Die, die es wissen musste, hatten eingewilligt, die Lüge mitzutragen.
"Wenn das so ist", sagte Lumia nach einer kurzen Denkpause. "Dann muss ich natürlich hier bleiben."
Vater und Sohn starrten sie verdutzt an.
"Es ist nämlich so", sagte Lumia seufzend und streifte eine widerspenstige rote Locke zurück, "dass Bulma mir in ihrem letzten Brief bevor ich auf die Uni gegangen bin, um den letzten Abschnitt des Lehrgangs für Molekularadjustierung zu belegen, geschrieben hat, ich soll unbedingt danach hierher ziehen, damit sie mich persönlich in die Kapselforschung einweisen könnte." Lumia öffnete den Umschlag und fischte in etwas zerknittertes Blatt heraus, räusperte sich und zitierte: "Es könnte sein, dass ich längere Zeit nicht anwesend bin, dann werden sich Trunks und Vegeta um dich kümmern. Die nötigen Unterlagen sind auf meinem Rechner gespeichert und für alle Fälle lagern die Ausdrucke im Büro, die Schlüssel für den Schrank und alle Firmenräume habe ich dir beigelegt. Ich möchte, dass du dein Projekt wie besprochen fortsetzt, damit du es als deine Doktorarbeit einreichen kannst. Auf jeden Fall kannst du auch ohne mich in Labor, Firma und Werkstatt forschen und erfinden, ich habe sicherheitshalber alle Vollmachten dafür dem zuständigen Firmenanwalt übergeben."
Da Vegeta und Trunks immer noch zweifelnd drein schauten, reichte Lumia ihnen das Blatt und erst nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass dies wirklich Bulmas Handschrift war, gaben sie widerwillig den Weg ins Wohnzimmer frei.
"Ich falle Ihnen beiden wirklich nur ungern zur Last", sagte Lumia ernst, "aber ich brauche unbedingt die Unterlagen und einen Arbeitsplatz, wo ich meine Forschungen betreiben kann. Ich könnte in der Firma schlafen, aber ..."
"Das wäre Mama nicht recht", brachte es Trunks mit säuerlicher Miene auf den Punkt. "Sie hat schon lange davon gesprochen, dass sie sich darauf freut, mit dir zu arbeiten. Sie wollte, dass du das Gästezimmer am Ende des Flurs links bekommst." Er sah seinen Vater an. "Wenn du nichts dagegen hast ..."
Dieser zuckte die Schultern. "Solange sie mich nicht beim Training stört, ist es mir egal", sagte er nur und stapfte aus dem Wohnzimmer in die Küche zurück, um endlich den Rest seines Essens zu verschlingen.
Lumia sah im verständnisvoll nach. "Der Tod seiner Frau hat ihn wohl sehr mitgenommen, wie?"
"Papa ist immer so", winkte Trunks ab, "er hasst nichts so sehr wie Störungen. Wenn du ihm aus dem Weg gehst, wird er sich an dich gewöhnen."
"Klingt so, als wäre ich eine neue Tapete oder ein neues Sofa", sagte sie scherzhaft und zog eine Grimasse, um gleich wieder ernst zu werden. "Ich werde mein bestes tun, um den Haushalt nicht durcheinander zu bringen. Ihr beide könnt sicher sein, dass ihr mich kaum bemerken werdet. Ich bin ein richtiges Abreitstier."
"Das hat Mama auch von dir gesagt", grinste Trunks zurück. Irgendwie tat sie ihm leid, schien es doch so, als hätte sie alles hinter sich zurück gelassen, um sich hier unter den Fittichen von Bulma ein neues Leben aufzubauen. Sie kam voller Hoffnung und Tatendrang hier an und musste diesen Schock erleben, dass ihre Zukunft nun alles andere als gesichert war.
Da fiel Trunks wieder ein, was ihm Vegeta nach vielem Bitten und Betteln über den Abschiedsbrief seiner Mutter erzählt hatte. Lumia war nicht nur irgendeine Studentin auf dem Weg zum Doktortitel, sondern auch die neue Leiterin der Capsule Corps. Eigentlich hätte er vor Neid gelb und grün werden müssen, aber in Grunde war er sehr erleichtert. Da er weder von Betriebsführung noch von Management etwas verstand und die Erfindungen seiner Mutter und seines Großvaters für ihn ebenfalls ein Buch mit sieben Siegeln waren, bedeutete es für ihn eine große Hilfe, dass er sich ab heute nicht mehr zu den Vorstandssitzungen quälen musste. Ein einziges Mal war es ihm gelungen, seinen Vater mitzuschleppen, doch den hatte es dort so gelangweilt, dass er mit seinem Schnarchen die Sitzung zum Platzen gebracht hatte.
"Ich bringe dein Gepäck auf dein Zimmer", sagte er bereitwillig. Schließlich musste er sich doch gut stellen mit der Person, die in Zukunft die Höhe seines Taschengeldes bestimmte.
Kurze Zeit später standen die Schrankkoffer und die Reisetasche in dem nicht besonders großen, aber dennoch behaglichem Zimmer. Lumia stellte ihre Handtasche daneben und schlüpfte aus ihrer Jacke. Der dicke, flauschige grüne Pullover passte sehr gut zu ihren Augen. "Auspacken kann ich alleine", sagte sie grinsend. "Warum leistest du deinem Vater nicht beim Essen Gesellschaft? Ich hatte am Bahnhof eine Kleinigkeit, um mich musst du dich nicht kümmern."
Etwas zögernd schritt Trunks aus dem Zimmer. "Brauchst du wirklich nichts?", fragte er.
"Ich sollte nur wissen, wohin ich die leeren Koffer stellen kann", sagte Lumia und schloss den ersten Schrankkoffer auf. Aus den Augenwinkeln erhaschte Trunks einen flüchtigen Blick auf duftige Wäsche in zartgrün, schwarz und weiß. Mit hochroten Wangen drehte er den Kopf rasch weg. "Du kannst sie auf den Speicher stellen. Einfach die Treppe da drüben hoch bis unters Dach."
"Danke. Könntest du mir dann auch die Werkstatt zeigen? Ich möchte sie unbedingt sehen."
"Jetzt gleich?" Im Stillen wunderte sich Trunks, dass Lumia nicht lieber Bulmas Gedenkstätte sehen wollte, aber dann fiel ihm ein, dass die Werkstätte viel mehr über Bulma aussagte, als der weiße Stein mit ihrem Namen drauf.
"Nein, in ", Lumia sah auf ihre Armbanduhr, "einer Stunde? Wäre dir das recht?"
"Geht in Ordnung." Trunks schloss die Türe hinter sich und ging zurück in die Küche. Seine Portion war natürlich schon längst kalt geworden. Sein Vater hatte das Geschirr so stehen lassen wie es war und starrte hinaus in das Schneetreiben.
"Hat es geschmeckt", fragte Trunks und bohrte seine Gabel in den Nudelhaufen.
"Du warst schon besser", kam es von Vegeta. "Willst du ihr etwas übrig lassen?"
"Nein, sie hat keinen Hunger, hat sie gesagt. Was hältst du von ihr?" Trunks würgte die erste Gabel voll hinunter. Stimmt. Er hatte schon besser gekocht. Aber es war genießbar.
"Ich? Ich habe sie kaum gesehen. Ist es das Mädchen, dem deine Mutter alles überschrieben hat?"
"Ja, und ich denke, dass sie uns keinen Ärger machen wird. Vielleicht kann sie sogar kochen."
Vegeta wartete nicht ab, bis Trunks mit dem Essen fertig war. "Ich gehe noch ein wenig trainieren", sagte er. "Nur ein bisschen lockern, so ein, zwei Stunden lang."
"Ich werde den Boiler hochdrehen", sagte Trunks und stopfte den letzten Rest des kalten Auflaufes in sich hinein, "aber heute bin ich als erster dran mit baden!"
Das hörte sein Vater schon nicht mehr. Vegeta war bereits wieder auf dem Weg zu seinem Trainingsraum. Als er am Gästezimmer vorbeikam, ging die Türe auf und Lumia schob den leeren Schrankkoffer in den Flur. Bei seinem Anblick zuckte sie kurz zusammen, doch dann trat ein neugieriges Leuchten in ihre grünen Augen und ihr Blick glitt von seinen Haaren bis zu seinen Zehen. "Sie sind echt gut in Form, das sieht man sofort", sagte sie bewundernd. "Ich wette es gibt niemanden in ihrem Alter, der Ihnen das Wasser reichen kann, oder?"
Vegeta zog die Brauen zusammen. "Was heißt hier 'in meinem Alter'?" Er spannte seine Muskeln an und fragte sich, was ihn an diesem jungen Ding so irritierte. "Ich bin ein Prinz der Saiyajin und es gibt nur zwei auf diesem Planeten, die mir das Wasser reichen können", sagte er bestimmt. Lumia riss staunend die Augen auf. "Echt? So gut sind Sie? Warum haben Sie dann nicht schon längst den großen Mr. Satan herausgefordert? Dann wären Sie riesig berühmt, hätten eine eigene Kampfschule und wären so reich, dass sie nicht länger vom Vermögen der Briefs schnorren müssten ...", ehe er die Chance hatte, zu Explodieren schlug sie die Hände zusammen. "Jetzt weiß ich es! Mr. Satan und Buuh sind die zwei Kämpfer, die Ihnen über sind, nicht wahr? Dann sollten Sie sich vielleicht bei Mr. Satans Kampfschule einschreiben, damit sie von ihm lernen können."
Sein Gesicht wurde immer finsterer und finsterer. Er war noch nie in so kurzer Zeit dermaßen beleidigt worden. Entschlossen holte er tief Luft und wollte eine geharnischte Erklärung vom Stapel lassen, da klopfte sie ihm mit tröstlichem Lächeln auf den Arm. "Über die Gebühren machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Vegeta. Ich bin sicher, dass genügend Firmenmittel da sind, um diese Ausgaben zu decken. Dafür sorge ich und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun und kann nicht länger mit Ihnen plaudern." Mit einem weiteren freundlichen Lächeln drehte sie ihm den Rücken zu und rumms... fiel die Türe hinter ihr ins Schloss.
Vegeta starrte sprachlos auf die Türe, da hörte er hinter sich ein ersticktes Lachen. Trunks hatte alles mit angehört und konnte sich nicht länger zurück halten. "Hahaha.... du musst doch zugeben, Papa, sie meint es echt gut mit dir." Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Die Aura um Vegeta begann zu knistern und er sah seinen Sohn aus schmalen Augen an. "Hast du sonst noch etwas dazu sagen wollen?", fragte er betont leise. Trunks kannte seinen Vater gut genug, um dieses Signal zu verstehen und verschwand wieder in der Küche, wo er mit dem Geschirr klapperte.
Vegeta spielte mit dem Gedanken, die Tür zu ihrem Zimmer einfach einzutreten und ihr so zu zeigen, dass er ganz sicher keinen Nachhilfeunterricht von Mr. Satan brauchte. Tief holte er Luft, schließlich wollte er ja nicht das ganze Haus einreißen, doch gerade als er mit dem Fuß ausholte, wurde die Türe aufgerissen und Lumia schob den zweiten Koffer in den Flur. Vegetas blitzschnelle Reaktion bewahrte ihn davor, den Koffer zu treffen. "Oh, Sie sind immer noch hier", wunderte sich das Mädchen. "Ich beneide Sie richtig darum, dass sie es als Rentner so gemütlich nehmen können..." Und schon war sie wieder in ihrem Zimmer verschwunden.
Aus der Küche war das Klappern des Geschirrs deutlicher zu hören als zuvor und Vegeta stampfte mit wütender Miene zum Trainingsraum, um sich auf seine Art Luft zu machen.
Kurze Zeit später war Lumia mit dem Auspacken fertig. Da weder Trunks noch Vegeta in Sicht waren, um ihr dabei zu helfen, die leeren Koffer auf den Speicher zu tragen, schleppte sie die drei Teile eben selbst unter Ächzen und Keuchen die Treppe hoch. Im Speicher war es dank der ausgezeichneten Beleuchtung weder düster noch unheimlich.
Schnaufend schob Lumia die Reisetasche zu den beiden Schrankkoffern in unter die Dachschräge und sah sich neugierig um. Einige Kleidungsstücke, die an einem Ständer hingen erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie besah sich die Mäntel und Jacken und verzog das Gesicht. Alles total altmodischer Krempel. Einzig ein schwarzer Kunstpelzmantel und die dazu passende Fellmütze war ihr einen zweiten Blick wert. Etwas zögernd nahm sie die Schutzhülle ab und schlüpfte hinein. Weich und warm, genau das richtige für das hiesige Wetter. Die Mütze in der Hand und den Mantel über den Arm gelegt ging sie in ihr Zimmer zurück, wo sie die beiden Sachen in ihrem Schrank verstaute. Vor dem Spiegel, der neben ihrem Bett hing, hielt sie erschrocken inne. Oh Gott, sie sah ja schrecklich aus, verschwitzt und staubig. Ein Bad wäre jetzt das einzig Wahre.
Mit ihrem Nachthemd, frischer Wäsche und einem Morgenmantel auf dem Arm huschte sie über den Flur ins Badezimmer. "Hallo, wer drin?", fragte sie laut.
Da niemand reagierte, zog sie die Türe auf und schlüpfte in den Vorraum. Es sah recht sauber aus, und sorglos vor sich hin summend, entkleidete sie sich. Die Waschmaschine war leer, Waschpulver stand daneben und so landeten ihre Sachen in der Trommel. Handtücher lagen bereit und wenig später ließ sich Lumia mit einem Seufzer der Erleichterung ins heiße Wasser sinken.
Sie legte den Kopf zurück und hing ihren Gedanken nach. Dieser Tag hatte es echt in sich gehabt. Erst einmal die dumme Anmache im Zug durch diesen langhaarigen Penner, dann die Suche nach einem Taxi, welches auch bei Schneetreiben die ganze Strecke fuhr und schließlich der Schock bei ihrer Ankunft. Sicher, sie hatte halb und halb mit einem nicht gar so freundlichen Empfang gerechnet, immerhin war sie der Eindringling, aber dass es so kommen würde... Die Ruhe und die Wärme taten das Ihre und so döste sie ein.
Trunks riss die Haustüre auf und klopfte sich den Schnee von den Schuhen. Es war echt dämlich, dass er diese Woche dran war, den Müll hinaus zu bringen. Bibbernd zog er die Türe hinter sich ins Schloss und schlüpfte wieder in die Hausschuhe. Ein heißes Bad würde ihn wieder aufwärmen. Sich die kalten Hände reibend lief Trunks in sein Zimmer und holte sich seine Sachen. Kurz sah er noch bei Vegeta vorbei, der gerade bei der Schlusssequenz seiner kurzen Einheit war. "Ich gehe ins Bad, ich lasse dir dann frisches Wasser ein!", rief er seinem Vater zu. Dieser gab ihm durch ein kurzes Nicken zu verstehen, dass er verstanden hatte und Trunks schloss die Türe.
In Gedanken versunken schlenderte er zum Badezimmer. Es hatte ihn anfangs sehr verwundert und gekränkt, dass seine Großmutter nicht für sie alle hatte sorgen wollen, aber so langsam verstand er, dass es für ihn Zeit war, auf eigenen Beinen zu stehen. Zudem war es für Bra sicher gut, in einer Umgebung zu leben, wo nicht jeder Raum an den bitteren Verlust erinnerte und die Kleine war anscheinend bereits über das Schlimmste hinweg.
Trunks machte sich nicht die Mühe, seine Schmutzwäsche in die Maschine zu stopfen. Diese Woche war Vegeta mit Waschen dran, er schnappte sich noch ein Handtuch... Moment mal, waren da nicht fünf auf diesem Stapel gewesen? Na ja, er konnte sich auch irren. Immer noch in Gedanken zog er die Schiebetüre zum eigentlichen Badezimmer auf und ... erstarrte.
Der kühle Luftzug weckte Lumia und ihr erster Blick fiel auf das knallrote Gesicht von Trunks, der seine Augen nicht von ihren durch das klare heiße Wasser so gut wie nicht verhüllten Formen lösen konnte. Sie wurde erst rot, dann blass, riss das Handtuch von ihren Haaren und drückt es unter Wasser, um sich zu verhüllen. "Raus hier!" fauchte sie. "Du perverser Lüstling!"
"Aber ich habe nicht mit Absicht ... ich wusste ja nicht...", verhaspelte sich Trunks und beging den Fehler, nicht sofort den Rückzug anzutreten. Klatsch! hatte er das nasse, heiße Handtuch im Gesicht. "Ich sagte doch, raus!", wiederholte sie und zog ihre Knie vor die Brust. Die nun auch nassen, roten Locken verhüllten den Rest und immer noch stotternd stolperte Trunks rückwärts aus dem Badezimmer. Im Vorzimmer hielt er sich nicht damit auf, seine Kleider aufzulesen, sondern lief, so wie Gott ihn geschaffen hatte, durch den Flur zur Dusche, um sich erst einmal den roten Kopf zu kühlen.
Lumia beruhigte sich langsam wieder und nachdem der erste Schreck verflogen war, musste sie grinsen. Er war ganz schön von den Socken gewesen, der Kleine. Nun gut, jetzt, da ihre Haare ohnehin nass waren, konnte sie diese genauso gut waschen Sie kletterte vorsichtig aus der Wanne, um mit den nassen Füßen nicht auf den Fliesen auszugleiten, wrang sich das Wasser aus den Haaren und tapste zum Badezimmerschrank. Wie erwartet, standen dort eine ganze Reihe von Shampoos und andere Toilettenartikel, von denen die meisten bereits eine dünne Staubschicht aufwiesen. Sie entschied sich für ein Shampoo mit Orangenblütenduft und wollte eben wieder in die Wanne steigen, da ging die Türe erneut auf und .... ein splitternackter Vegeta stand vor ihr.
"Was...?!" Er blieb erstarrt in der Türe stehen. Sie konnte den Schweiß auf seinen Muskeln riechen und als er einen halben Schritt zurück trat, hatte seine Bewegung etwas von der gefährlichen Eleganz eines Raubtieres, das sich duckt, ehe es zum Sprung ansetzt.
Der Ruf der Empörung blieb ihr in der Kehle stecken, ebenso die Schimpfwörter, die sie eben noch auf der Zunge gehabt hatte. Seinen Blicken schien keiner der glitzernden Tropfen auf ihrer bleichen Haut zu entgehen und sie fühlte ein Kribbeln im Bauch, das sie lange, sehr lange vermisst hatte.
Vegeta hatte nicht geglaubt, es jemals wieder spüren zu können, dieses Fieber, dieses Begehren, das zuvor nur eine Frau in ihm hatte wecken können. Warum fühlte er sich von gerade von dieser Fremden so angezogen? Wiederum glitt sein Blick über ihren Körper und sie fühlte eine sonderbare Wärme in sich aufsteigen.
Doch dann trat etwas anderes in seine Augen, ein Funkeln, das sie den Atem anhalten ließ. Er würde doch nicht etwa...
Blitzschnell war sie an der Türe, riss diese vor seinem verdutzten Gesicht zu und lehnte sich mit dem Rücken von innen dagegen. "Gehen Sie, Sie perverser", bemühte sie sich um Verachtung und Härte in der Stimme. "Wie können Sie es wagen, mich, einen Gast ihres Hauses, einen Gast ihrer verstorbenen Frau so zu beschämen! Sie sind wie einer dieser Lustgreise, nicht wahr?" Die Hände vors Gesicht geschlagen tat sie so, als unterdrücke sie ein Schluchzen.
Vegeta starrte die Türe mit schmalen Augen an. "Was soll das? Was bildest du dir ein, dass du mit mir machen kannst?!" Wut und Unverständnis schwangen in seiner Stimme. Er atmete aus und ballte die Fäuste. Na gut, wenn sie es so wollte, konnte er das Spiel auch mit spielen. Mit einem Ruck drehte er sich um und stapfte hinaus, wo ihm Trunks über den Weg lief. "Hat sie dich auch aus dem Bad geworfen?", fragte der Junge. "Eine scharfe Braut, nicht wahr? Aber Krallen hat sie auch..."
Vegeta packte Trunks an der Schulter und bohrte seinen düsteren Blick in die Augen seines Sohnes. "Lass die Finger von ihr, Junge!" Der absolute Befehlston weckte Trunks Trotz.
"Was soll das, Papa?", er befreite sich aus dem Griff und rieb sich die Schultern. "Sag nicht, dass sie nicht gut genug für mich ist, das wäre gelogen." Auf einmal kam ihm ein Gedanke und erschrocken suchte er wieder den Blick seines Vaters. "Du willst sie für dich selbst, oder?" Da Vegeta keine Reaktion zeigte, ballte er die Fäuste. "Sie ist zu jung für dich und wenn du Mutters Andenken jetzt hintergehst, werde ich dich ewig hassen!"
Vegeta sah ihn einen Augenblick lang fast verdutzt an, dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte. "Meinetwegen, wenn du unbedingt willst, versuche dein Glück bei ihr." Er warf einen Blick zurück zur Badezimmertür. "Aber ich prophezeie dir, du wirst dir nur eine blutige Nase holen..." Mit diesen Worten verschwand Vegeta im Duschraum und ließ einen sehr verwirrten Trunks zurück.
Ende des 1. Teils
Teil 1
Tief hingen die granitgrauen Winterwolken über der Stadt. Die ersten weißen Flocken ließen sich von den böigen Winden über die Häuser tragen, die sich vor dem kommenden Unwetter zu ducken schienen. Die Luft war kalt und feucht und die wenigen Gestalten die sich über die geräumten Gehsteige mühten hatten wollige Schals um ihre rot gefrorenen Nasen gewickelt.
Vegeta stand am Fenster von Bulmas früherem Zimmer und sah hinaus in das Treiben. Eine weiße Decke hatte den Garten überzogen und verbarg, dass das Rosenbeet vollkommen von Unkraut überwuchert war und dass seit langem keiner mehr den Kies geharkt hatte.
Ein halbes Jahr war es jetzt her, dass sich sein Leben gewandelt hatte. Sechs Monate. Wie viele Nächte davon war er wach gelegen und hatte dem dumpfen Schluchzen gelauscht, das aus Trunks Zimmer herüber drang? Er selber hatte sich nicht erlaubt zu weinen. Nicht bei der Beerdigung, wo sie den Gedenkstein an den Klippenrand setzten und ihre Eltern sich vor Weinkrämpfen kaum noch aufrecht halten konnten. Nicht in der Nacht davor, wo sie alle gemeinsam von Bulma Abschied genommen hatten und Krilin gebückt wie ein alter Mann von seiner immer noch schönen und viel jünger wirkenden Frau gestützt werden musste, während er sich vor Bulmas Foto verneigte. Keiner, nicht der Herr der Schildkröten, nicht Tenshinhan, Videl, Goten, Gohan, Piccolo, Dende oder Lunch, hatten es gewagt Vegeta anzusprechen. Sie hatten sich alle vor seinem Schmerz verneigt, versucht, seine Kinder zu trösten und Bulmas Eltern ein paar teilnehmende Worte zu sagen. Einzig Chichi und Goku waren nicht da gewesen. Niemand wusste, wo genau Oob zuhause war und daher hatte niemand ihn benachrichtigen können. Der Rinderteufel hatte sich entschuldigen lassen, weil es ihm gesundheitlich immer schlechter ging und so war auch Chichi nicht dazu zu bewegen gewesen, von seiner Seite zu weichen.
Nicht, dass sich Vegeta darüber geärgert hätte oder so.
Es hatte ihn nicht berührt.
Nichts mehr hatte ihn berührt.
Nicht, seit sie fort war.
"Vater?", Trunks steckte seinen Kopf zur Türe herein. "Glaubst du, sie sind jetzt gar?"
Vegeta drehte sich um und sah auf den Wecker auf Bulmas Nachttisch. "Ja, aber vergiss nicht, dass im Kochbuch etwas von abschrecken stand. Sonst verlieren sie ihre Farbe."
Wenn ihm jemand vor einem Jahr geweissagt hätte, dass er sich jemals ein Kochbuch näher ansehen würde, hätte er nur verächtlich gelacht.
Vor einem Jahr war so vieles anders gewesen.
Sie war da gewesen.
"Du solltest nicht soviel brüten, Vater." Trunks wischte sich die Hände an der weißen Schürze ab. "Bra hat vorhin wieder angerufen. Sie schien recht zufrieden zu sein. Offenbar bekommt es ihr gut, dass sie bei den Großeltern wohnt. Opas neues Haus am Meer ist auch ein toller Schuppen."
"Vermisst du sie?", fragte Vegeta.
"Die kleine Nervensäge?" Trunks zog ein Gesicht. "Dazu habe ich zuviel zu tun."
Der Blick seines Vaters ließ ihn nicht los.
"Okay, ein wenig vielleicht. Aber nur ein wenig." Trunks drehte sich zur Türe. "Ich schau mal, ob die Nudeln inzwischen nicht verkocht sind."
"Mach das. Ich trainiere noch eine Runde."
"Vergiss aber nicht die Zeit, sonst wird der Auflauf Holzkohle."
Trunks blieb vor der Küchentür stehen und ließ seinen Vater vorbei, der wieder zu seinem Trainingsraum schritt. Sein Körper war noch immer so durchtrainiert wie vor einem Jahr. Dennoch, irgendwie hatte er an Kraft und Schwung verloren.
Trunks erinnerte sich daran, wie zornig er lange gewesen war.
Zornig auf seinen Vater, weil er es nicht verhindert hatte.
Und weil er nicht weinte.
Kein einziges Mal.
Zornig auf seine Mutter, weil sie ihn im Stich gelassen hatte.
Weil sie nur an sich selbst gedacht hatte.
Nicht an die, die sie zurückließ.
Zornig auf seine Schwester, weil es ihr so leicht fiel, sich trösten zu lassen.
Vor allem aber zornig auf sich selbst, weil er sich schuldig gefühlt hatte.
Weil er nichts geahnt hatte, die Zeichen nicht gesehen hatte.
Weil er seine Mutter immer noch vor der Tür stehen sah.
Enttäuscht und verletzt.
Verletzt durch ihn.
Er atmete tief durch. Mittlerweile war es besser geworden. Ein wenig zumindest. Seit ein paar Wochen zog er wieder mit Goten durch die Stadt und versuchte Mädchen anzubaggern. Es war schon komisch. Wenn er ihnen von seinem Verlust erzählte und dabei seine Gefühle zeigte, wurden sie alle ganz warm und freundlich. Selbst die, die ihn früher abgewimmelt hatten. Eine Weile lang war es ein gutes Gefühl. Doch dann hatte ihn Marron dabei erwischt und ihm eine geklebt, dass seine Wange knallrot geworden war.
"Deine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, dass du ihren Tod dazu benutzt, mit einer Mitleidsmasche Mädchen aufzureißen. Du bist das letzte!", hatte sie ihm ins verdutzte Gesicht geschrieen und war gegangen. Seit damals hatte sie ihn in der Schule kein einziges Mal mehr angesprochen. Dabei hätte er ihr gern erklärt, dass er verstanden hatte. Doch kaum kam er nahe an sie heran, sah sie ihn an, als wäre er ein ekelhaftes Insekt und drehte sich weg. Er hätte nie gedacht, dass ihm das nahe gehen könnte. Doch Marron war anders als die Mädchen hinter denen er sonst her war. Sie hatte sich nie durch seine Kraft beeindrucken lassen und nicht durch seine coolen Sprüche.
Ein Zischen aus der Küche riss ihn aus seinen Gedanken. Die Nudeln!
Trunks schoss zum Herd. Gerade noch rechtzeitig.
Währenddessen machte Vegeta mit seinen Übungen weiter. Schritt um Schritt, wie schon tausende Male zuvor. Diese Routine hatte ihn gerettet.
An sie hatte er sich geklammert all die leeren Tage.
An sie und an seinen Stolz.
Er hatte ohne Bulma überlebt, die vielen Jahre vor seiner Ankunft auf der Erde. Es gab keinen Grund, warum er es nicht weiterhin schaffen sollte.
Er hatte seine Ehre als Krieger,
seinen Stolz als Prinz,
seine Kraft als Saiyajin.
Und vor allem hatte er die Kinder.
So hatte er überlebt. Von Stunde zu Stunde. Von Tag zu Tag.
Er erinnerte sich daran, wie Trunks nach dem ersten Schock durch das Haus gestürmt war, auf der Suche nach dem Dragonballradar. Doch er hatte ihn nicht gefunden. Wie niedergeschlagen er gewesen war. Er hatte seinen Großvater geplagt, einen neuen zu bauen. Doch dieser hatte nur den Kopf geschüttelt und mit feuchten Augen und zitternder Stimme Trunks Hoffnung begraben. "Sie ist freiwillig gestorben, oder? Es war kein böser Einfluss von außen, kein Mord. Darum wird der Drache nichts tun können. Du kannst ja Dende fragen, wenn du mir nicht glaubst."
Erst hatte Trunks getobt. Dann war er zum Palast Gottes geflogen. Vegeta hatte ihn ziehen lassen, obwohl er nicht an der Unverrückbarkeit der bitteren Worte zweifelte. Leider zurecht. Trunks war zurückgekehrt und ohne ein Wort in seinem Zimmer verschwunden. Er hatte sich eingeschlossen und geheult. Stunden lang. Bra war ganz entsetzt gewesen und Vegeta hatte Videl zu Hilfe gerufen, damit sie es Bra erklärte. Er hatte es nicht aussprechen wollen. Nicht laut, nicht vor der Kleinen. Er hätte seine Tränen nicht zurückhalten können, wenn er es gesagt hätte: "Sie ist tot. Endgültig. Wir werden nicht wiedersehen. Nie wieder."
Als er seine Übungssequenz beendet hatte, sprang er rasch unter die Dusche, ehe er in die Küche trat, wo Trunks soeben den Auflauf aus dem Herd nahm. Er roch nicht übel und Vegeta nickte seinem Sohn zu.
Trunks war gereift in diesem halben Jahr. Er strengte sich mehr in der Schule an, er trainierte sogar ab und zu.
Sie waren nicht glücklich, aber sie kamen zurecht. So irgendwie.
..........
Das Schneegestöber war heftiger geworden. Ein Taxi hielt vor dem Gartentor und eine schlanke Gestalt, dick vermummt mit Mantel, Mütze und Schal stieg aus. Der Fahrer stieg ebenfalls aus und öffnete den Kofferraum.
"Sie haben wirklich viel Gepäck, Fräulein!", Keuchte er und zerrte den Schrankkoffer ins Freie. Es folgte noch ein zweiter und eine prall gefüllte Reisetasche. Die drei Gepäcksstücke landeten auf dem schneebedeckten Gehsteig und der Fahrer nahm kurz die Schildkappe ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
Die Angesprochene drehte sich kurz zu ihm um und drücke ihm einen großen Schein in die Hand. "Danke für die Mühe", sagte sie.
Der Fahrer piff durch die tabakgelben Zähne. "Das kann ich kaum heraus geben, Fräulein." "Ist nicht nötig. Der Rest ist für Sie."
"Danke, vielen Dank auch", er zog die Mütze und verbeugte sich, "soll ich vielleicht die Koffer hinein tragen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich denke, dass man mir sicher helfen wird. Machen Sie sich um mich keine Sorgen."
Immer noch zweifelnd, schloss der Fahrer den Kofferraum, stieg ein und fuhr ab. Im Rückspiegel sah er, wie die schlanke Gestalt ihren Mantel aufknöpfte und etwas Flaches herausholte.
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Trunks hatte gerade die Portionen auf den beiden Tellern verteilt, da läutete es. Seufzend zog Trunks die Schürze aus und ging zur Türe.
"Wir kaufen nichts!", sagte er unwirsch, als er sie aufriss.
"Das ist aber schade", erwiderte eine helle Stimme.
Trunks musterte die Gestalt vor ihm aus schmalen Augen.
Sie streifte die Kapuze zurück und eine Mähne aus roten Locken ergoss sich über die schmalen Schultern. Große grüne Augen blickten ihn aus einem blassen Gesicht an und eine schmale Hand hielt ihm einen Umschlag hin, den er nur zu gut kannte.
"Guten Tag, ich bin Lumia. Du musst Trunks sein, oder? Ist deine Mutter zu sprechen?"
Trunks zuckte zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. "Meine ... Mutter?"
"Ja, Bulma Briefs. Die geniale Wissenschaftlerin. Du weißt es vielleicht nicht, aber sie wollte mich einschulen, damit ich eines Tages die Capsule Corps leiten kann." Das Mädchen lächelte leicht verlegen und fuhr sich mit der Hand durch die Locken. "Wenn sie nicht da ist, würde ich gerne auf sie warten..."
Trunks besann sich auf seine Manieren, wurde knallrot und trat zurück, damit Lumia eintreten konnte. Er staunte nicht schlecht, als sie auf ihr Gepäck deutete, das noch immer draußen auf dem Gehsteig stand.
"Könntest du mein Gepäck bitte herein holen? Es wiegt einiges und da draußen wird es womöglich noch gestohlen..."
Will sie sich tatsächlich hier einnisten? Trunks fühlte wie sich sein Inneres verhärtete. Er brauchte keine Fremde in dem kleinen Refugium, das er und sein Vater sich geschaffen hatten. Doch das junge Mädchen sah ihn freundlich bittend an und da er sich sicher war, dass sie verschwinden würde, sobald sie die Wahrheit über seine Mutter wusste, schlüpfte er widerwillig in seine Schuhe und stapfte durch den Schnee zur Straße. Das Gepäck war für ihn trotz seines unregelmäßigen Trainings kein Problem und er stellte die beiden Schrankkoffer und die Reisetasche in den Vorraum.
Mittlerweile hatte Lumia ihren Mantel abgelegt und hatte ihre Winterstiefel mit zwei Gästepantoffeln getauscht.
"Wer ist es denn?", kam es unwirsch aus der Küche und Vegeta steckte den Kopf aus der Türe, um den Eindringling aus schmalen Augen zu mustern.
Lumia schreckte einen Moment vor seinem unfreundlichen Blick zurück, dann jedoch fasste sie sich und deutete eine höfliche Verbeugung an. "Sie sind sicher Vegeta, nicht wahr? Ich bin Lumia und ich bin gekommen, um mit Bulma über meine weitere Ausbildung bei Capsule Corps zu sprechen."
Vegeta schluckte. "Mit Bulma?" Sein Blick wurde starr und schien sich an Lumia vorbei durch die Wand zu bohren. "Sie ist nicht mehr hier. Sie ist fort, für immer."
Erschrocken weiteten sich Lumias Augen. "Du liebes Bisschen. Wohin ist sie denn gezogen?"
"In den Himmel würde ein Priester sagen", sagte Trunks rau. "Ich will nicht unhöflich sein, aber damit hat sich der Zweck deines Besuches wohl erledigt."
Betreten starrte Lumia auf ihre Füße und suchte offenbar nach den richtigen Worten. "Das ist schrecklich, ich kann gar nicht sagen, wie leid mir das tut. Sie hat nie ein Wort darüber verloren, dass sie so schlimm krank ist."
"Es war keine Krankheit", sagte Vegeta widerwillig, da er einsah, dass diese neugierige Frauensperson nicht locker lassen würde, ehe sie mehr darüber wüsste. "Es war ein Unfall."
Er bemerkte nicht, wie Lumia die Brauen zweifelnd hochzog und auch Trunks entging die Skepsis in ihrem Blick. Unfall war der offizielle Todesgrund, den sie der Welt da draußen vorlogen. Niemand brauchte zu wissen, dass Bulma sich mit dem Auto die Klippe hinunter gestürzt hatte. Die, die es wissen musste, hatten eingewilligt, die Lüge mitzutragen.
"Wenn das so ist", sagte Lumia nach einer kurzen Denkpause. "Dann muss ich natürlich hier bleiben."
Vater und Sohn starrten sie verdutzt an.
"Es ist nämlich so", sagte Lumia seufzend und streifte eine widerspenstige rote Locke zurück, "dass Bulma mir in ihrem letzten Brief bevor ich auf die Uni gegangen bin, um den letzten Abschnitt des Lehrgangs für Molekularadjustierung zu belegen, geschrieben hat, ich soll unbedingt danach hierher ziehen, damit sie mich persönlich in die Kapselforschung einweisen könnte." Lumia öffnete den Umschlag und fischte in etwas zerknittertes Blatt heraus, räusperte sich und zitierte: "Es könnte sein, dass ich längere Zeit nicht anwesend bin, dann werden sich Trunks und Vegeta um dich kümmern. Die nötigen Unterlagen sind auf meinem Rechner gespeichert und für alle Fälle lagern die Ausdrucke im Büro, die Schlüssel für den Schrank und alle Firmenräume habe ich dir beigelegt. Ich möchte, dass du dein Projekt wie besprochen fortsetzt, damit du es als deine Doktorarbeit einreichen kannst. Auf jeden Fall kannst du auch ohne mich in Labor, Firma und Werkstatt forschen und erfinden, ich habe sicherheitshalber alle Vollmachten dafür dem zuständigen Firmenanwalt übergeben."
Da Vegeta und Trunks immer noch zweifelnd drein schauten, reichte Lumia ihnen das Blatt und erst nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass dies wirklich Bulmas Handschrift war, gaben sie widerwillig den Weg ins Wohnzimmer frei.
"Ich falle Ihnen beiden wirklich nur ungern zur Last", sagte Lumia ernst, "aber ich brauche unbedingt die Unterlagen und einen Arbeitsplatz, wo ich meine Forschungen betreiben kann. Ich könnte in der Firma schlafen, aber ..."
"Das wäre Mama nicht recht", brachte es Trunks mit säuerlicher Miene auf den Punkt. "Sie hat schon lange davon gesprochen, dass sie sich darauf freut, mit dir zu arbeiten. Sie wollte, dass du das Gästezimmer am Ende des Flurs links bekommst." Er sah seinen Vater an. "Wenn du nichts dagegen hast ..."
Dieser zuckte die Schultern. "Solange sie mich nicht beim Training stört, ist es mir egal", sagte er nur und stapfte aus dem Wohnzimmer in die Küche zurück, um endlich den Rest seines Essens zu verschlingen.
Lumia sah im verständnisvoll nach. "Der Tod seiner Frau hat ihn wohl sehr mitgenommen, wie?"
"Papa ist immer so", winkte Trunks ab, "er hasst nichts so sehr wie Störungen. Wenn du ihm aus dem Weg gehst, wird er sich an dich gewöhnen."
"Klingt so, als wäre ich eine neue Tapete oder ein neues Sofa", sagte sie scherzhaft und zog eine Grimasse, um gleich wieder ernst zu werden. "Ich werde mein bestes tun, um den Haushalt nicht durcheinander zu bringen. Ihr beide könnt sicher sein, dass ihr mich kaum bemerken werdet. Ich bin ein richtiges Abreitstier."
"Das hat Mama auch von dir gesagt", grinste Trunks zurück. Irgendwie tat sie ihm leid, schien es doch so, als hätte sie alles hinter sich zurück gelassen, um sich hier unter den Fittichen von Bulma ein neues Leben aufzubauen. Sie kam voller Hoffnung und Tatendrang hier an und musste diesen Schock erleben, dass ihre Zukunft nun alles andere als gesichert war.
Da fiel Trunks wieder ein, was ihm Vegeta nach vielem Bitten und Betteln über den Abschiedsbrief seiner Mutter erzählt hatte. Lumia war nicht nur irgendeine Studentin auf dem Weg zum Doktortitel, sondern auch die neue Leiterin der Capsule Corps. Eigentlich hätte er vor Neid gelb und grün werden müssen, aber in Grunde war er sehr erleichtert. Da er weder von Betriebsführung noch von Management etwas verstand und die Erfindungen seiner Mutter und seines Großvaters für ihn ebenfalls ein Buch mit sieben Siegeln waren, bedeutete es für ihn eine große Hilfe, dass er sich ab heute nicht mehr zu den Vorstandssitzungen quälen musste. Ein einziges Mal war es ihm gelungen, seinen Vater mitzuschleppen, doch den hatte es dort so gelangweilt, dass er mit seinem Schnarchen die Sitzung zum Platzen gebracht hatte.
"Ich bringe dein Gepäck auf dein Zimmer", sagte er bereitwillig. Schließlich musste er sich doch gut stellen mit der Person, die in Zukunft die Höhe seines Taschengeldes bestimmte.
Kurze Zeit später standen die Schrankkoffer und die Reisetasche in dem nicht besonders großen, aber dennoch behaglichem Zimmer. Lumia stellte ihre Handtasche daneben und schlüpfte aus ihrer Jacke. Der dicke, flauschige grüne Pullover passte sehr gut zu ihren Augen. "Auspacken kann ich alleine", sagte sie grinsend. "Warum leistest du deinem Vater nicht beim Essen Gesellschaft? Ich hatte am Bahnhof eine Kleinigkeit, um mich musst du dich nicht kümmern."
Etwas zögernd schritt Trunks aus dem Zimmer. "Brauchst du wirklich nichts?", fragte er.
"Ich sollte nur wissen, wohin ich die leeren Koffer stellen kann", sagte Lumia und schloss den ersten Schrankkoffer auf. Aus den Augenwinkeln erhaschte Trunks einen flüchtigen Blick auf duftige Wäsche in zartgrün, schwarz und weiß. Mit hochroten Wangen drehte er den Kopf rasch weg. "Du kannst sie auf den Speicher stellen. Einfach die Treppe da drüben hoch bis unters Dach."
"Danke. Könntest du mir dann auch die Werkstatt zeigen? Ich möchte sie unbedingt sehen."
"Jetzt gleich?" Im Stillen wunderte sich Trunks, dass Lumia nicht lieber Bulmas Gedenkstätte sehen wollte, aber dann fiel ihm ein, dass die Werkstätte viel mehr über Bulma aussagte, als der weiße Stein mit ihrem Namen drauf.
"Nein, in ", Lumia sah auf ihre Armbanduhr, "einer Stunde? Wäre dir das recht?"
"Geht in Ordnung." Trunks schloss die Türe hinter sich und ging zurück in die Küche. Seine Portion war natürlich schon längst kalt geworden. Sein Vater hatte das Geschirr so stehen lassen wie es war und starrte hinaus in das Schneetreiben.
"Hat es geschmeckt", fragte Trunks und bohrte seine Gabel in den Nudelhaufen.
"Du warst schon besser", kam es von Vegeta. "Willst du ihr etwas übrig lassen?"
"Nein, sie hat keinen Hunger, hat sie gesagt. Was hältst du von ihr?" Trunks würgte die erste Gabel voll hinunter. Stimmt. Er hatte schon besser gekocht. Aber es war genießbar.
"Ich? Ich habe sie kaum gesehen. Ist es das Mädchen, dem deine Mutter alles überschrieben hat?"
"Ja, und ich denke, dass sie uns keinen Ärger machen wird. Vielleicht kann sie sogar kochen."
Vegeta wartete nicht ab, bis Trunks mit dem Essen fertig war. "Ich gehe noch ein wenig trainieren", sagte er. "Nur ein bisschen lockern, so ein, zwei Stunden lang."
"Ich werde den Boiler hochdrehen", sagte Trunks und stopfte den letzten Rest des kalten Auflaufes in sich hinein, "aber heute bin ich als erster dran mit baden!"
Das hörte sein Vater schon nicht mehr. Vegeta war bereits wieder auf dem Weg zu seinem Trainingsraum. Als er am Gästezimmer vorbeikam, ging die Türe auf und Lumia schob den leeren Schrankkoffer in den Flur. Bei seinem Anblick zuckte sie kurz zusammen, doch dann trat ein neugieriges Leuchten in ihre grünen Augen und ihr Blick glitt von seinen Haaren bis zu seinen Zehen. "Sie sind echt gut in Form, das sieht man sofort", sagte sie bewundernd. "Ich wette es gibt niemanden in ihrem Alter, der Ihnen das Wasser reichen kann, oder?"
Vegeta zog die Brauen zusammen. "Was heißt hier 'in meinem Alter'?" Er spannte seine Muskeln an und fragte sich, was ihn an diesem jungen Ding so irritierte. "Ich bin ein Prinz der Saiyajin und es gibt nur zwei auf diesem Planeten, die mir das Wasser reichen können", sagte er bestimmt. Lumia riss staunend die Augen auf. "Echt? So gut sind Sie? Warum haben Sie dann nicht schon längst den großen Mr. Satan herausgefordert? Dann wären Sie riesig berühmt, hätten eine eigene Kampfschule und wären so reich, dass sie nicht länger vom Vermögen der Briefs schnorren müssten ...", ehe er die Chance hatte, zu Explodieren schlug sie die Hände zusammen. "Jetzt weiß ich es! Mr. Satan und Buuh sind die zwei Kämpfer, die Ihnen über sind, nicht wahr? Dann sollten Sie sich vielleicht bei Mr. Satans Kampfschule einschreiben, damit sie von ihm lernen können."
Sein Gesicht wurde immer finsterer und finsterer. Er war noch nie in so kurzer Zeit dermaßen beleidigt worden. Entschlossen holte er tief Luft und wollte eine geharnischte Erklärung vom Stapel lassen, da klopfte sie ihm mit tröstlichem Lächeln auf den Arm. "Über die Gebühren machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Vegeta. Ich bin sicher, dass genügend Firmenmittel da sind, um diese Ausgaben zu decken. Dafür sorge ich und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun und kann nicht länger mit Ihnen plaudern." Mit einem weiteren freundlichen Lächeln drehte sie ihm den Rücken zu und rumms... fiel die Türe hinter ihr ins Schloss.
Vegeta starrte sprachlos auf die Türe, da hörte er hinter sich ein ersticktes Lachen. Trunks hatte alles mit angehört und konnte sich nicht länger zurück halten. "Hahaha.... du musst doch zugeben, Papa, sie meint es echt gut mit dir." Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Die Aura um Vegeta begann zu knistern und er sah seinen Sohn aus schmalen Augen an. "Hast du sonst noch etwas dazu sagen wollen?", fragte er betont leise. Trunks kannte seinen Vater gut genug, um dieses Signal zu verstehen und verschwand wieder in der Küche, wo er mit dem Geschirr klapperte.
Vegeta spielte mit dem Gedanken, die Tür zu ihrem Zimmer einfach einzutreten und ihr so zu zeigen, dass er ganz sicher keinen Nachhilfeunterricht von Mr. Satan brauchte. Tief holte er Luft, schließlich wollte er ja nicht das ganze Haus einreißen, doch gerade als er mit dem Fuß ausholte, wurde die Türe aufgerissen und Lumia schob den zweiten Koffer in den Flur. Vegetas blitzschnelle Reaktion bewahrte ihn davor, den Koffer zu treffen. "Oh, Sie sind immer noch hier", wunderte sich das Mädchen. "Ich beneide Sie richtig darum, dass sie es als Rentner so gemütlich nehmen können..." Und schon war sie wieder in ihrem Zimmer verschwunden.
Aus der Küche war das Klappern des Geschirrs deutlicher zu hören als zuvor und Vegeta stampfte mit wütender Miene zum Trainingsraum, um sich auf seine Art Luft zu machen.
Kurze Zeit später war Lumia mit dem Auspacken fertig. Da weder Trunks noch Vegeta in Sicht waren, um ihr dabei zu helfen, die leeren Koffer auf den Speicher zu tragen, schleppte sie die drei Teile eben selbst unter Ächzen und Keuchen die Treppe hoch. Im Speicher war es dank der ausgezeichneten Beleuchtung weder düster noch unheimlich.
Schnaufend schob Lumia die Reisetasche zu den beiden Schrankkoffern in unter die Dachschräge und sah sich neugierig um. Einige Kleidungsstücke, die an einem Ständer hingen erregten ihre Aufmerksamkeit. Sie besah sich die Mäntel und Jacken und verzog das Gesicht. Alles total altmodischer Krempel. Einzig ein schwarzer Kunstpelzmantel und die dazu passende Fellmütze war ihr einen zweiten Blick wert. Etwas zögernd nahm sie die Schutzhülle ab und schlüpfte hinein. Weich und warm, genau das richtige für das hiesige Wetter. Die Mütze in der Hand und den Mantel über den Arm gelegt ging sie in ihr Zimmer zurück, wo sie die beiden Sachen in ihrem Schrank verstaute. Vor dem Spiegel, der neben ihrem Bett hing, hielt sie erschrocken inne. Oh Gott, sie sah ja schrecklich aus, verschwitzt und staubig. Ein Bad wäre jetzt das einzig Wahre.
Mit ihrem Nachthemd, frischer Wäsche und einem Morgenmantel auf dem Arm huschte sie über den Flur ins Badezimmer. "Hallo, wer drin?", fragte sie laut.
Da niemand reagierte, zog sie die Türe auf und schlüpfte in den Vorraum. Es sah recht sauber aus, und sorglos vor sich hin summend, entkleidete sie sich. Die Waschmaschine war leer, Waschpulver stand daneben und so landeten ihre Sachen in der Trommel. Handtücher lagen bereit und wenig später ließ sich Lumia mit einem Seufzer der Erleichterung ins heiße Wasser sinken.
Sie legte den Kopf zurück und hing ihren Gedanken nach. Dieser Tag hatte es echt in sich gehabt. Erst einmal die dumme Anmache im Zug durch diesen langhaarigen Penner, dann die Suche nach einem Taxi, welches auch bei Schneetreiben die ganze Strecke fuhr und schließlich der Schock bei ihrer Ankunft. Sicher, sie hatte halb und halb mit einem nicht gar so freundlichen Empfang gerechnet, immerhin war sie der Eindringling, aber dass es so kommen würde... Die Ruhe und die Wärme taten das Ihre und so döste sie ein.
Trunks riss die Haustüre auf und klopfte sich den Schnee von den Schuhen. Es war echt dämlich, dass er diese Woche dran war, den Müll hinaus zu bringen. Bibbernd zog er die Türe hinter sich ins Schloss und schlüpfte wieder in die Hausschuhe. Ein heißes Bad würde ihn wieder aufwärmen. Sich die kalten Hände reibend lief Trunks in sein Zimmer und holte sich seine Sachen. Kurz sah er noch bei Vegeta vorbei, der gerade bei der Schlusssequenz seiner kurzen Einheit war. "Ich gehe ins Bad, ich lasse dir dann frisches Wasser ein!", rief er seinem Vater zu. Dieser gab ihm durch ein kurzes Nicken zu verstehen, dass er verstanden hatte und Trunks schloss die Türe.
In Gedanken versunken schlenderte er zum Badezimmer. Es hatte ihn anfangs sehr verwundert und gekränkt, dass seine Großmutter nicht für sie alle hatte sorgen wollen, aber so langsam verstand er, dass es für ihn Zeit war, auf eigenen Beinen zu stehen. Zudem war es für Bra sicher gut, in einer Umgebung zu leben, wo nicht jeder Raum an den bitteren Verlust erinnerte und die Kleine war anscheinend bereits über das Schlimmste hinweg.
Trunks machte sich nicht die Mühe, seine Schmutzwäsche in die Maschine zu stopfen. Diese Woche war Vegeta mit Waschen dran, er schnappte sich noch ein Handtuch... Moment mal, waren da nicht fünf auf diesem Stapel gewesen? Na ja, er konnte sich auch irren. Immer noch in Gedanken zog er die Schiebetüre zum eigentlichen Badezimmer auf und ... erstarrte.
Der kühle Luftzug weckte Lumia und ihr erster Blick fiel auf das knallrote Gesicht von Trunks, der seine Augen nicht von ihren durch das klare heiße Wasser so gut wie nicht verhüllten Formen lösen konnte. Sie wurde erst rot, dann blass, riss das Handtuch von ihren Haaren und drückt es unter Wasser, um sich zu verhüllen. "Raus hier!" fauchte sie. "Du perverser Lüstling!"
"Aber ich habe nicht mit Absicht ... ich wusste ja nicht...", verhaspelte sich Trunks und beging den Fehler, nicht sofort den Rückzug anzutreten. Klatsch! hatte er das nasse, heiße Handtuch im Gesicht. "Ich sagte doch, raus!", wiederholte sie und zog ihre Knie vor die Brust. Die nun auch nassen, roten Locken verhüllten den Rest und immer noch stotternd stolperte Trunks rückwärts aus dem Badezimmer. Im Vorzimmer hielt er sich nicht damit auf, seine Kleider aufzulesen, sondern lief, so wie Gott ihn geschaffen hatte, durch den Flur zur Dusche, um sich erst einmal den roten Kopf zu kühlen.
Lumia beruhigte sich langsam wieder und nachdem der erste Schreck verflogen war, musste sie grinsen. Er war ganz schön von den Socken gewesen, der Kleine. Nun gut, jetzt, da ihre Haare ohnehin nass waren, konnte sie diese genauso gut waschen Sie kletterte vorsichtig aus der Wanne, um mit den nassen Füßen nicht auf den Fliesen auszugleiten, wrang sich das Wasser aus den Haaren und tapste zum Badezimmerschrank. Wie erwartet, standen dort eine ganze Reihe von Shampoos und andere Toilettenartikel, von denen die meisten bereits eine dünne Staubschicht aufwiesen. Sie entschied sich für ein Shampoo mit Orangenblütenduft und wollte eben wieder in die Wanne steigen, da ging die Türe erneut auf und .... ein splitternackter Vegeta stand vor ihr.
"Was...?!" Er blieb erstarrt in der Türe stehen. Sie konnte den Schweiß auf seinen Muskeln riechen und als er einen halben Schritt zurück trat, hatte seine Bewegung etwas von der gefährlichen Eleganz eines Raubtieres, das sich duckt, ehe es zum Sprung ansetzt.
Der Ruf der Empörung blieb ihr in der Kehle stecken, ebenso die Schimpfwörter, die sie eben noch auf der Zunge gehabt hatte. Seinen Blicken schien keiner der glitzernden Tropfen auf ihrer bleichen Haut zu entgehen und sie fühlte ein Kribbeln im Bauch, das sie lange, sehr lange vermisst hatte.
Vegeta hatte nicht geglaubt, es jemals wieder spüren zu können, dieses Fieber, dieses Begehren, das zuvor nur eine Frau in ihm hatte wecken können. Warum fühlte er sich von gerade von dieser Fremden so angezogen? Wiederum glitt sein Blick über ihren Körper und sie fühlte eine sonderbare Wärme in sich aufsteigen.
Doch dann trat etwas anderes in seine Augen, ein Funkeln, das sie den Atem anhalten ließ. Er würde doch nicht etwa...
Blitzschnell war sie an der Türe, riss diese vor seinem verdutzten Gesicht zu und lehnte sich mit dem Rücken von innen dagegen. "Gehen Sie, Sie perverser", bemühte sie sich um Verachtung und Härte in der Stimme. "Wie können Sie es wagen, mich, einen Gast ihres Hauses, einen Gast ihrer verstorbenen Frau so zu beschämen! Sie sind wie einer dieser Lustgreise, nicht wahr?" Die Hände vors Gesicht geschlagen tat sie so, als unterdrücke sie ein Schluchzen.
Vegeta starrte die Türe mit schmalen Augen an. "Was soll das? Was bildest du dir ein, dass du mit mir machen kannst?!" Wut und Unverständnis schwangen in seiner Stimme. Er atmete aus und ballte die Fäuste. Na gut, wenn sie es so wollte, konnte er das Spiel auch mit spielen. Mit einem Ruck drehte er sich um und stapfte hinaus, wo ihm Trunks über den Weg lief. "Hat sie dich auch aus dem Bad geworfen?", fragte der Junge. "Eine scharfe Braut, nicht wahr? Aber Krallen hat sie auch..."
Vegeta packte Trunks an der Schulter und bohrte seinen düsteren Blick in die Augen seines Sohnes. "Lass die Finger von ihr, Junge!" Der absolute Befehlston weckte Trunks Trotz.
"Was soll das, Papa?", er befreite sich aus dem Griff und rieb sich die Schultern. "Sag nicht, dass sie nicht gut genug für mich ist, das wäre gelogen." Auf einmal kam ihm ein Gedanke und erschrocken suchte er wieder den Blick seines Vaters. "Du willst sie für dich selbst, oder?" Da Vegeta keine Reaktion zeigte, ballte er die Fäuste. "Sie ist zu jung für dich und wenn du Mutters Andenken jetzt hintergehst, werde ich dich ewig hassen!"
Vegeta sah ihn einen Augenblick lang fast verdutzt an, dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte. "Meinetwegen, wenn du unbedingt willst, versuche dein Glück bei ihr." Er warf einen Blick zurück zur Badezimmertür. "Aber ich prophezeie dir, du wirst dir nur eine blutige Nase holen..." Mit diesen Worten verschwand Vegeta im Duschraum und ließ einen sehr verwirrten Trunks zurück.
Ende des 1. Teils
