Am Tag danach

The moving finger writes; and, having writ, moves on. Nor all your piety nor wit shall lure it back to cancel half a line, nor all your tears wash out a word of it.

The Rubaiyat of Omar Kayyar

Erzählt von Hermione Granger

Falsch...Das ist das einzige passende Wort. Es fühlt sich falsch an.

Alle jubeln und feiern, die Helden werden geehrt, Fotografen eilen durch Hogwarts und machen überall Schnappschüsse von lachenden und jubelnden Leuten, in der Großen Halle wird seit gestern durchgehend gefeiert, Champagner fließt in Strömen. Das Böse ist besiegt, wir blättern eine Seite im Tagebuch weiter, ab heute ist alles anders...

Ist es das? Es ist nicht so, dass ich nicht froh wäre über den Ausgang des Kampfes. Doch man darf nicht nur den Sieg bedenken, es gab auch viele Verluste! Verletzte und Tote. Und noch etwas ist passiert. Etwas Schreckliches...

...Sie haben ihn abgeführt... Nach Askaban... bis zur Verhandlung... Schuldig bis das Gegenteil bewiesen ist... Falls es je bewiesen werden kann...

Nur zwei Menschen haben wirkliche Beweise... Zwei... Draco. Er ist... tot? Genaugenommen nicht ganz. Keiner kann den Zustand erklären, in dem er sich befindet. Professor Snape muss im letzten Moment irgendeinen Schutzzauber gesprochen haben, der die tödliche Wirkung des Avada Kedavra verhindert hat. Draco ist wie versteinert, und keiner kann ihm helfen. Keiner der Leute, die hier sind. Und der einzige, der es vielleicht könnte, sitzt in Askaban...

...und Dumbledore. Er liegt oben auf der Krankenstation, sehr geschwächt, und noch immer ohne Bewusstsein. Madam Pomfrey weiß nicht, ob er je wieder gesund wird. Sein Zauber hat uns alle gerettet, doch um welchen Preis?

Ich habe meine Aussage beim Minister gemacht. Harry ebenfalls. Doch niemand glaubt uns: ... die armen Kinder, sie sind bestimmt verwirrt von der vielen Aufregung... sie verwechseln bestimmt einiges... Snape ist ein böser Death Eater, keine Frage! Er wird für seine Verbrechen bezahlen!

Remus hat sein Pensieve dem Ministerium zur Verfügung gestellt, um Severus zu entlasten. Doch wer glaubt schon einem Werwolf... vor allem, wenn man ja gar niemandem glauben will...

Lucius Malfoys guter Ruf wurde nicht in Frage gestellt, er behauptet gegenüber dem Ministerium und den Medien, er sei von Lord Voldemort unter dem Imperiusfluch gehalten worden, und trage keine Verantwortung für seine Taten. Klar, dass das Ministerium diese Version glaubt... immerhin sind es ja seine Freunde, die dort arbeiten...

Seit etwa einer Stunde sitze ich hier oben am Astronomieturm. Ich bin vor der Feier hier herauf geflohen. Hier ist es still, und die Sterne am klaren Nachthimmel vermitteln ein Gefühl der Ruhe. Hier kann ich meinen Gedanken nachhängen...

„Hermione..." Eine leise Stimme durchbricht die Stille. Harry. Er tritt durch die niedrige Tür heraus auf die Plattform und setzt sich neben mich. Lange sagt keiner ein Wort. Endlich bricht er das Schweigen. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten bei der Feier. Immer nur ‚Mr. Potter, bitte lächeln! Das Foto erscheint noch in der Abendausgabe des Tagesprophet!' und ‚Toll gemacht, Harry Potter! Der Junge-der-schon-wieder-überlebt-hat'. Bitte ein Autogramm!, oder ‚Was sagen Sie dazu, dass Sie jahrelang von dem Death Eater Severus Snape unterrichtet wurden?' – ich dreh noch durch! Die spinnen alle!" Er schnaubt zornig. Etwas leiser fügt er hinzu „Wir müssen ihm helfen. Hast du eine Idee?"

„Nein, Harry. Ich bin ratlos... ich habe alles versucht, doch niemand will auf mich hören! Wenn doch Dumbledore wieder zu Bewusstsein käme!" Eine Träne rinnt mir über die Wange, bevor ich es verhindern kann.

Harry starrt regungslos in die dunkle Nacht. Plötzlich steht er auf und reicht mir die Hand. „Komm, Hermione. Lass uns zu Dumbledore gehen. Vielleicht dürfen wir ihn kurz besuchen."

Er hat recht, wir müssen etwas tun! Und zwar schnell, bevor es zu spät ist...

Gemeinsam steigen wir die vielen Stufen des Astronomieturms hinab bis zum Ausgang im 4. Stock. Harry geht voran und hält mir die Tür auf. Der Lärm der ausgelassenen Feier dröhnt durch das ganze Schloss... Zügig gehen wir den Gang entlang und um die Ecke bis zum Eingang zur Krankenstation. Die Tür ist verschlossen, also klopfe ich kurz an.

„Verschwindet!", hören wir eine zornige Stimme kreischen.

Harry und ich blicken uns fragend an. Was ist hier los? Ich klopfe noch einmal an, diesmal jedoch etwas vorsichtiger. Hastige Schritte ertönen, und wir machen beide instinktiv einen Schritt zurück, als die Tür von innen aufgerissen wird und eine kleine Hexe mit erhobenem Zauberstab böse auf uns blickend herausspringt. Madam Pomfrey. Sie ist zornrot im Gesicht, und ihre Augen funkeln wild.

Als sie uns jedoch erkennt, beruhigt sie sich rasch. „Ach, ihr seid es! Bitte entschuldigt, ich dachte... nun ja, kommt schnell rein." Hastig schiebt sie uns in den Vorraum und verschließt sofort die Tür hinter uns mit ihrem Zauberstab. Erklärend dreht sie sich wieder zu uns um. „Schon seit Stunden kommen pausenlos Reporter, die ein Exklusivinterview mit Albus wollen. Oder wenigstens ein Foto. Als ob ich keine anderen Sorgen hätte! Hier drinnen herrscht Ruhe, hier kommt mir kein Reporter rein!"

Da klopft es erneut an der Tür, laut und ununterbrochen. „Das ist doch nicht zu fassen! Haut ab!!!" Madam Pomfreys springt wütend auf. Als das Klopfen nicht aufhört, hebt sie erneut den Zauberstab: „Silentium! - Die ewige Unruhe ist schlecht für die Patienten."

Meine Augen fixieren sie, als ich leise frage: „Wie geht es dem Direktor?"

Die alte Hexe seufzt und reibt sich die geröteten Augen. Sie hat offenbar seit dem Kampfbeginn keine Stunde Schlaf bekommen... „Sein Zustand ist nun stabil, aber er ist noch immer ohne Bewusstsein. Ich weiß nicht, ob er je wieder zu sich kommt."

Harry schluckt schwer. „Und...Draco?"

„Da bin ich mit meiner Weisheit am Ende. Offenbar hat Professor Snape irgendeinen Schutzzauber ausgeführt, anscheinend mit Handmagie. Doch ich habe keine Ahnung, was ich tun kann, um Draco aus seiner Erstarrung zu holen..." Tränen schimmern in ihren Augen, als sie fortfährt: „Es ist eine Schande, was sie mit Severus gemacht haben! Nach Askaban! Wie einen Verbrecher! Nach allem, was er für uns alle getan hat!... Wie oft habe ich ihn nach Voldemorts Attacken geheilt, seine schweren Wunden versorgt, seine Krämpfe gelindert... Dieser Mann ist ein Held! Und nun das..."

Wie wahr... „Sie glauben uns nicht. Wir haben beide unsere Aussagen gemacht, dass wir bezeugen können, dass er unschuldig ist, aber niemand nimmt uns ernst!"

Madam Pomfrey nickt traurig. „Ich weiß. Auch mir glauben sie kein Wort... wenn doch der Direktor bald zu sich käme, er könnte Severus helfen..."

Leise räuspere ich mich, und blicke die Medihexe bittend an: „Dürfen wir kurz zu Direktor Dumbledore?"

Sie überlegt kurz, nickt dann jedoch zustimmend. „Kommt. Ich denke, euer Besuch tut ihm vielleicht gut."

Sie führt uns durch den Krankensaal vorbei an vielen belegten Betten. Ich erkenne einige verletzte Schüler... Seamus Finnigan, Colin Creevy und viele mehr. Wir gehen leise weiter, denn alle schlafen tief. Madam Pomfrey öffnet die Tür zu einem Extrazimmer. Hier befinden sich nur zwei Betten. Im ersten liegt Draco, absolut regungslos. Seine Augen sind geschlossen. Ich verharre kurz an seiner Seite, bevor ich Harry und Madam Pomfrey zum anderen Bett folge.

Dumbledores Gesicht ist blass... fast so weiß wie die Bezüge der Bettwäsche... seine Augen sind geschlossen, aber er atmet ruhig und regelmäßig. Wir nehmen auf den Sesseln neben dem Bett Platz und beobachten ihn einige Zeit schweigend, bevor ich leise zu sprechen beginne. Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen im Koma, und etwas Ähnliches ist das hier, hören, was man ihnen erzählt. Manchmal kann man sie so herausreißen aus ihrem Zustand. Also erzähle ich ihm: „Direktor... Voldemort ist tot! Sie haben es geschafft! Direktor...Albus... Sie müssen unbedingt wach werden, wir brauchen Sie! Es ist etwas Entsetzliches geschehen! Minister Fudge hat Professor Snape verhaften lassen und nach Askaban verfrachtet! Albus! Bitte, wachen Sie auf! Nur Sie können ihn retten!"

Madam Pomfrey steht neben mir und beobachtet den alten Zauberer aufmerksam. „Da! Er hat geblinzelt! Offenbar hört er euch! Redet weiter!"

Harry und ich sprechen abwechselnd auf ihn ein, doch der Direktor wacht nicht auf. Er blinzelt zwar noch mehrmals, aber offenbar ist er noch zu tief im Koma. Doch wir geben nicht auf und bleiben weiter an seiner Seite.

Nach mehreren Stunden schickt Madam Pomfrey uns zu Bett, mit dem Versprechen, uns sofort zu wecken, wenn sich sein Zustand ändert. Am Nachmittag dürfen wir wiederkommen und ihm weiter erzählen.

Ich bin erschöpft, als ich endlich in mein Bett falle. Draußen geht schon die Sonne auf an diesem schönen, klaren Wintertag, doch meine Gedanken sind bei Professor Snape. Ich hoffe, dass sie ihn fair behandeln... Severus...wie geht es ihm wohl?

***

Die Wochen vergehen... Täglich verbringen wir viele Stunden an Dumbledores Bett und erzählen ihm oder lesen aus Büchern vor. Er macht langsam Fortschritte, aber ist noch immer nicht aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht.

Weihnachten kommt und geht, ohne dass ich es so richtig mitbekomme, und das Neue Jahr beginnt mit Kälte und Schnee. Alle unsere Versuche, Professor Snape zu helfen, sind am Widerstand des Ministeriums gescheitert. Ich mache mir große Sorgen um ihn... 

A/N:

Carina: Sorry, Deine letzte Review und mein Update haben sich offenbar überschnitten. Darum erst jetzt ein Dankeschön für Dein Lob, es spornt immer mehr an. Ja, Lucius hängt wirklich sein Mäntelchen nach dem Wind...  Was mit Severus passiert? Da musst Du noch ein wenig warten, im Augenblick geht es ihm leider nicht so gut...

cherry15: Ja, Fudges Leute sind wirklich fies. Und Draco: dieses Geheimnis ist ja inzwischen gelüftet, er ist nicht tot. Aber was nun wohl weiter passiert? Abwarten...*smile*

mia mondragon: Hi! Schön, dass es Dir gefällt! Du hast genau das beschrieben, was ich mit dem letzten Kapitel vermitteln wollte, und ich bin froh, dass es mir offenbar gelungen ist.

Danke für Eure Reviews! Eure Rückmeldungen sind für mich sehr wichtig! Gerade bei der ersten Fanfiction ist man gespannt, ob die Leser auch alles so empfinden, wie man es geplant hat.

Liebe Grüße

Eure SlytherinWitch1