Das Leben geht weiter

Die nächsten drei Tage gingen schnell an Harry vorbei, er bemerkte gar nicht, wie die Zeit voranschritt. Er freute sich einfach zu sehr auf den Fuchsbau, achtete aber durchaus darauf seine Freude nicht öffentlich zu zeigen, schließlich könnte es üble Folgen haben, denn die Dursleys konnten einen glücklichen Harry noch weniger ausstehen als wenn er unglücklich wäre. Seine Koffer hatte Harry für den Notfall schon gepackt zumindest das, was nicht weggesperrt war. Am vierten Abend nach seinem Geburtstag kam endlich die erhoffte Nachricht von Ron, welche besagte, dass er am nächsten Tag um 11 Uhr vormittags abgeholt werde. Wieder konnte er seine euphorische Stimmung kaum unterdrücken. Er blickte auf seine Uhr: 10 Uhr abends. Also nur noch 13 Stunden in dieser "Hölle", bis er endlich hier weg konnte, bis er endlich wieder anfangen konnte zu leben und, was ihm am wichtigsten erschien, bis er endlich seine Freunde wiedersehen konnte.

'Wie sie mich diesmal wohl abholen?' fragte sich Harry, 'Noch mal durch den Kamin kommen sie bestimmt nicht.' Bei den Erinnerungen an das letzte Jahr konnte Harry sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. 'Und mit dem Auto werden die mich bestimmt auch nicht abholen, das wird nämlich schwer, weil sie gar keines mehr besitzen. Hmm, also wie dann?' Harry begann zu grübeln. 'Na ja ist ja auch egal, die werden sicherlich eine Möglichkeit finden.'

Während Harry noch ein wenig nachdachte, vor allem über die Weasleys und den Fuchsbau, kam ihm in den Sinn, dass er schon längere Zeit nichts über Sirius gehört hatte, was ja eine der Fragen Rons war, ob dies der Fall sei. Doch in seiner damaligen Euphorie hat er das nicht weiter beachtet. Jetzt allerdings fiel ihm auf, dass er, seitdem Professor Dumbledore Sirius damals weggeschickt hatte, kein weiteres Lebenszeichen von ihm gehört hatte. Er war sich nicht sicher, ob er das als gutes oder schlechtes Zeichen deuten solle. Obwohl, wenn ihm wirklich was zugestoßen wäre, dann hätte sich Professor Dumbledore schon längst bei ihm gemeldet, redete Harry sich ein. Sich selber zufrieden gestellt machte sich Harry an einen noch unvollständigen Aufsatz, den er noch schreiben musste und unbedingt heute noch beenden wollte, da er nicht damit rechnete, im Fuchsbau genug Zeit dafür zu finden.

Am nächsten Morgen wachte Harry recht früh auf. Schon um 7 Uhr öffnete er die Augen, als er aber die Uhrzeit realisierte, fluchte er leise, denn das bedeutete, dass er noch vier Stunden warten musste. So blieb er noch eine Stunde ungeduldig im Bett liegen, bis es an der Tür klopfte, obwohl hämmerte ein besserer Ausdruck wäre, und eine leicht genervte Stimme, die Harry Tante Petunia zuordnete, ihm befahl, das Frühstück herzurichten. Widerwillig fügte sich Harry seinem Schicksal, stand auf und ging nach unten, um eben Befohlenes zu bewerkstelligen. Unten angekommen wurde er sogleich von seinem Onkel Vernon angenurrt, dass er ihm den Kaffee bringen soll. Als Harry gerade dabei war den Kaffee einzuschenken, fragte er so ganz beiläufig: "Ach Onkel Vernon, kannst du gleich mal den Schrank aufschließen, wo meinen Sachen drin sind? Ich wird in ein paar Stunden nämlich abgeholt und wollte bis dahin schon mal alles gepackt haben."

Onkel Vernons Gesicht wurde mit einmal blasser. "Diese ... diese...," er atmete tief ein, "...dieses abnormale Pack wird doch nicht schon wieder hier auftauchen?"

Harry nickte: "Doch!" war seine schlichte Antwort.

"Und wie gedenken sie hier zu erscheinen? Doch nicht wieder durch den Kamin? Wenn ja können sie diesmal vor Platzmangel ersticken, noch mal entfernst du die Bretter vom Kamin nicht."

"Ich denke nicht, dass sie den gleichen Fehler noch mal machen werden. Sie werden bestimmt einen anderen Weg wählen und sei unbesorgt, sie werden keine Methode wählen, die ungewöhnlich in Augen Außenstehender erscheint, schließlich versuchen wir unsere Welt vor der Muggelwelt geheim zu halten." Beim Wort Muggelwelt hätte sich Harry am liebsten auf die Zunge gebissen, doch Onkel Vernon schien nicht weiter darauf einzugehen.

"So denkst du? Ich will es für dich hoffen. Sollte aber auch nur die kleinste Abnormalität zu sehen sein, dann wage es nicht noch mal vor meine Augen zu treten. Haben wir uns verstanden?" fragte er in einem recht ärgerlichen Ton.

Harry nickte wieder nur, setzte sich an den Tisch und verschlang sein sehr mageres Frühstück. Zu seinem Erstaunen schloss ihm Onkel Vernon nach dem Frühstück wirklich den Schrank auf, so dass Harry auch den Rest seiner Sachen einpacken konnte, wobei er gleich mal die Besentasche, das Geschenk von Ron, ausprobieren konnte, welche optimal für seinen Feuerblitz war.

11 Uhr näherte sich langsam, viel zu langsam wie es Harry erschien, doch irgendwann sprang die Uhr im Wohnzimmer auf Punkt 11 und sogleich klingelte es auch an der Tür. Onkel Vernon, der diesmal darauf verzichtete einen Anzug anzuziehen, um Eindruck zu schinden, er beschloss dieses Abnormale Pack diesmal einfach zu ignorieren, guckte Harry mit einem Blick an, der ihm zeigen soll, dass er zusehen solle, um so schnell wie möglich hier zu verschwinden. Sofort sprang Harry auf und ging zu Tür, welche er auch öffnete.

"Percy. Ähm, Hallo." Harry war doch etwas erstaunt, als er sah, wer ihn abholte.

"Hallo Harry. Schön dich zu sehen. Bist du bereit? Ich wurde angewiesen so schnell wie möglich mit dir zurück zu kehren," sagte Percy in seiner wie immer korrekten und formalen Art und Weise.

"Ja wir können sofort los," sagte Harry und holte darauf seine Koffer und den Käfig mit Hedwig.

"Moment," sagte Percy, trat ein und schloss die Tür, "wegen deines Gepäcks..." er zog seinen Zauberstab, murmelte einen Zauberspruch, worauf sich das Gebäck einschließlich des Käfigs verkleinerte und er die einzelne Gepäckstücke in eine kleine Tasche tun konnte. Harry schaute sofort zur Tür, die ins Wohnzimmer führte und hoffte, dass Onkel Vernon jetzt nicht erschien, schließlich mochte dieser es überhaupt nicht, wenn in seinem Haus gezaubert wurde. Aber zu Harrys Glück ließ dieser sich nicht blicken.

"OK lass uns los," sagte Percy und öffnete die Tür. Harry folgte Percy nach draußen und die beiden gingen einige Straßen weiter. Irgendwann hielt Percy vor einer Seitengasse an, schaute sich um und deutete Harry ihm schnell zu folgen. Kurz darauf fanden sich beide in dieser Seitengasse wieder. Percy begann in einer kleinen Holzkiste rumzuwühlen.

"Ah da ist er ja. Harry, du kennst doch sicherlich Portschlüssel?" Harry nickte. "Dieser wird sich in genau zwei Minuten aktivieren, er wird uns ein paar Meter vom Fuchsbau entfernt transportieren."

Sie warteten eine kleine Weile bis Percy sagte: "Noch ein paar Sekunden, dann beide gleichzeitig anfassen." Harry zuckte zusammen, ihm kam urplötzlich die Szene im Labyrinth wieder in den Kopf, auch da wollten Cedric und er den Pokal gleichzeitig anfassen, was besonders für Cedric fatale Folgen hatte. Harry wurde blass und rührte sich kein bisschen, auch nicht als Percy begann von drei rückwärts zu zählen. Doch zu seinem Glück bemerkte Percy das und brach ab: "Harry alles in Ordnung?" Harry erwachte aus seiner Starre und wurde wieder Herr seiner Sinne: "Ja es ist nichts, lass uns los!"

"OK bereit? Gut. Drei, zwei, eins, LOS"

Beide griffen nach dem Portschlüssel, der diesmal ein alte Konservenbüchse war. Doch da Harry wusste, wie sich eine Reise mit einem Portschlüssel anfühlt, war er diesmal etwas vorbereiteter und so fand er sich einen Augenblick später auf einer Wiese wieder, die ihm nicht fremd erschien, denn es war eine Wiese, die er schon früher vom Fuchsbau aus gesehen hatte. Er wollte sich gerade umschauen, als er Percys Stimmer vernahm: "Komm Harry, da vorne ist der Fuchsbau, ein paar Schritte haben wir noch zu laufen."

Harry folgte Percy wieder und sie gingen gemeinsam zum Fuchsbau

***

Ginny konnte es immer noch nicht glauben. Hatte sie ihren Vater eben richtig verstanden? Harry kommt morgen in den Fuchsbau? Wie ist es ihm in den Ferien bei seinen Verwandten ergangen? Oh mein Gott. Ginnys Kopf war auf einmal so leer, aber irgendwie doch gefüllt mit unzähligen Gedanken, ungeordnet und verwirrend. Sie konnte nicht mehr klar denken, sie starrte verwirrt umher. Zu ihrem Glück hatte sie es schon in ihr Zimmer geschafft und war deshalb von fragenden Blicken ihrer Brüder und Eltern verschont.

Wieder kam ihr diese grünen Augen in den Kopf und sie versuchte angestrengt die Augen mit Leben zu füllen. Sie hoffte, dass diese Augen in der Realität wieder mit Leben gefüllt sind. Sie hoffte..

Ja, Hoffnung, sie hoffte, dass sie ihn morgen endlich wieder lachen sehen würde, sie wünschte es sich so sehr, ihn glücklich sehen, es gab nichts anderes was sie sich wünschte, was würde sie nicht alles dafür geben. Sie konnte sich es nicht erklären, aber auf einmal war sie sich so sicher wie noch nie, dass sie morgen einen glücklichen Harry sehen würde. Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen, es waren Freudentränen. Einen glücklichen Harry, diese Vorstellung verursachte in ihr eine unbeschreibliche Freude, welche sich in Freudentränen ausdrückte. In ihrer unbeschreiblichen Freude gelang es ihr dann endlich, sie schaffte es den grünen Augen, die in ihrem Kopf schwirrten, Leben einzuflößen.

Ginny begann zu träumen...

Am nächsten Morgen war Ginny so aufgeregt wie lange nicht mehr. Ungeduldig wartete sie in ihrem Zimmer bis Percy endlich aufbrach, um Harry abzuholen, doch irgendwann hielt sie die Warterei nicht mehr aus. Sie ging nach draußen und begann nervös immer wieder ums Haus zu laufen. Sie konnte es einfach nicht mehr abwarten. Nach unzähligen Umrundungen erschien auch der Rest der Familie, bis auf Mr. Weasley, der im Ministerium war. Ron, Fred, George und Mrs. Weasley gesellten sich zu ihr nach draußen, denn es war kurz nach 11, Percy musste also jeden Moment mit Harry wieder zurückkehren.

Plötzlich sagte Ron: "Ich glaub dahinten kommen sie."

Ginny zuckte zusammen und schaute in die Richtung, in die Ron zeigte. Tatsächlich, da kamen zwei Personen auf den Fuchsbau zu. Der eine war unverkennbar Percy, das erkannte sie an den roten Haaren, und die andere Person konnte nur Harry sein. Von dem Moment an war es Ginny unmöglich sich zu rühren.

***

"Wie du siehst erwarten dich schon alle," sagte Percy. Harry grinste. Seine Laune wurde jede Sekunde besser. Kurz darauf konnte er alle Mitglieder der Weasleys erkennen. Als sie den Garten betraten, kam Mrs. Weasley schon auf ihn zugerannt und nahm ihn auch sofort in den Arm: "Harry, Gott sei Dank geht es dir gut. Du glaubst gar nicht, welche Sorgen wir uns um dich gemacht haben.

Harry, der darauf achtete, dass Mrs. Weasley ihn nicht erdrückte, musste leicht grinsen. Irgendwie hatte er diese Worte von ihr erwartet. Aber er machte ihr deswegen keinen Vorwurf. Jemand der sieben Kinder groß zieht, macht sich halt um alles und jeden Sorgen.

"Mum, nun lass ihn doch mal wieder aus deiner Umklammerung, sonst bekommt er keine Luft mehr," hörte Harry Fred im Hintergrund sagen.

"Genau, nachher hat sich Percy noch umsonst die Mühe gemacht ihn abzuholen und du weißt doch, wie ungern Percy Zeit verschwendet," ergänzte George, worauf dieser einen missbilligenden Blick von Percy kassierte.

Mrs. Weasley lockerte kurz darauf ihre Umarmung und ließ den Rest der Familie Harry begrüßen.

"Na Alter, wie geht's?" fragte Ron und klopfte ihm auf die Schultern. Fred und George traten auch zu ihnen und taten es Ron gleich. Nachdem einige nette Worte ausgetauscht wurden, begaben sich alle in Richtung Haus. Auf dem Weg dorthin trafen sie auf eine immer noch nicht sich rührende Ginny.

Harry blieb kurz vor ihr stehen, schaute ihr in Gesicht und sagte dann mit einem Lächeln: "Hallo, Ginny."

Ginnys Kopf begann darauf wie wild zu arbeiten, als sie sein Lächeln war. Es war kein gespieltes oder gezwungenes Lächeln. Es war ein ehrliches Lächeln, dass sein Freude ausdrückte und dieses Lächeln galt ihr. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Und mit einem Mal konnte sie sich wieder rühren. Im nächsten Augenblick fand sie sich Harry ganz nahe wieder. Sie hatte ihr Arme um Harrys Hals geworfen, zog sich soweit wie es nur ging an ihn ran und begann leise in seine Schulter zu weinen.

Harry war natürlich sehr überrascht von Ginnys Aktion, aber er zögerte nicht lange bis er ihre Umarmung erwiderte und seine Arme um sie schloss. Es war irgendwie eine ganz andere Umarmung als bei Mrs. Weasley empfand Harry. Während er bei diesen Umarmung immer die mütterlichen Sorgen in ihr spürte, auch wenn sie gar nicht seine Mutter war, war Ginnys Umarmung etwas ganz anderes. Er spürte eine Zuneigung, die von Ginny ausging, die er noch nie vorher zu spüren bekam und irgendwie gefiel es ihm.

Sie standen einige Sekunden nun da, der Rest der Weasleys beobachtete die Szenerie, sagte aber nichts, selbst Fred und George unterließen jeden Kommentar. Dann begann sich Ginny sich langsam etwas zu lösen und auch wenn ihre Augen noch mit Tränen gefüllt waren, konnte sie wieder das Lächeln in Harrys Gesicht erkennen. Auch sie begann zu lächeln. Sie versuchte etwas zu sagen, aber sie brachte nur ein: "Hallo, Harry," heraus.

Langsam lösten sich beide aus der Umarmung, wobei Harry noch mal leicht ihre Hand drückte.

Nun meldete sich Mrs. Weasley wieder zu Wort: "Harry, du hast doch sicherlich Hunger, bestimmt hast du wieder zu wenig zu essen bekommen bei deinen Verwandten. Am besten du bringst erst einmal dein Gepäck in Rons Zimmer. Percy? Du hast doch noch sein Gepäck, oder?"

Percy nickte und allmählich begaben sich alle langsam ins Haus. Auch Harry, nachdem er Ginny noch mal in die Augen blickte, betrat den Fuchsbau und dachte dabei: 'Endlich, mein Leben geht weiter.'