A/N: Ihr werdet euch freuen und dann enttäuscht sein, wenn ich euch sage, daß wir hiermit zur heißesten Stelle DIESER Story kommen. Natürlich kann (und wird) sich das in der folgenden noch ändern. Aber die beiden sind ja so schüchtern … *ähem* Ich glaub, ich laß euch lieber lesen. ^^"

Da ich heute nicht so viel schwafele, möchte ich mich statt dessen mal ganz kräftig bei allen Reviewern bedanken. *allesamt auf einmal feste drück* Huch … na na, ihr müßt doch nicht gleich den Atem anhalten vor Verlegenheit. ^.~ Und vielen Dank *amlugwen einzeln umarm* für die ganzen tollen Fragen und *Khair ed Din einzeln umarm* für die zahlreichen Reviews und *Sally Tse Schiep einzeln umarm* die supernetten Mails! *strahl* (bin sonst eher nicht so kontaktfreudig … nun ja ^^" hoffentlich stört euch das nicht)

Übrigens hat Khair ed Din einige interessante Theorien Osuldar betreffend, und ich verrate für die ganze Denkanstrengung jetzt: Eine davon ist HALBWEGS richtig. – Bin ich nicht nett, mal wieder? :-P Und zu der Rechenaufgabe: 'Mein' Alter basiert nicht auf dieser Angabe, da das tatsächliche Alter des Elben im Buch leider nie erwähnt wird und ich nur danach gehe. Vielleicht war ich mit dem sechsten Kapitel etwas voreilig: Ihr habt zwar jetzt alle Zahlen, die ihr braucht, aber euch fehlt wohl noch die entscheidende Info, um sie richtig zusammen zu setzen. Also, falls ihr die nicht erraten könnt, müßt ihr nach dem letzten Kapitel (wo ich sie liefere) noch mal dahin zurück, und dann klappt's. *grins*

Oh weh, doch wieder geschwafelt … ach, was soll's, dafür ist das Kapitel mal nicht so lang. ^^

Disclaimer: Legolas' Dasein gehört Tolkien, sein Körper Orlando Bloom, und ich bin beiden zu tiefstem Dank verpflichtet, daß sie uns all das zur Verfügung stellen. *bis zum Boden verbeug* (*zur Seite* Hm, wie bitte? Oh … *Inuel auf Kopf tätschel* Jaja, dir dank ich auch, Kleiner. *^.^*)

Rating: PG-13 (endlich mal zu Recht: für EXTREM mangelhafte Bekleidung *hehe* und Andeutung auf körperliche Gewalt – ach ja, und bitte zügelt eure Phantasie, in Ordnung? ^.~ NOCH NICHT!)

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Früchte der Furcht

Kapitel Sieben

Am achten Morgen erwachte Prinz Legolas durch ein Geräusch, auf welches er tagelang vergebens gelauscht hatte. Schon vor einigen Stunden hatte er am Rande seiner Wahrnehmung das Nachlassen des ständigen Regens bemerkt, und nun sangen die ersten Vögel fröhlich von der bald aufsteigenden Sonne. Ihre Erwartung steckte Legolas an, so daß er unruhig aufsprang und aus der in dieser Woche viel zu eng gewordenen Höhle trat.

Noch zeigte sich keine Blässe am östlichen Horizont, doch die schweren Wolken hatten sich völlig verzogen und gaben den Blick auf einen sternklaren Himmel frei. Legolas sog die nun saubergewaschene, vom Duft frischen Lebens erfüllte Luft tief in seine Lungen und hielt sie dort eine Weile, um ihre Energie voll aufzunehmen, ehe er sie langsam, fast beschwörend wieder aus seinem Körper entließ.

Das wiederholte er mehrmals, bis seine Gedanken sich entwirrten und sein unruhiges Gemüt besänftigt wurde. Denn in den letzten Tagen hatte die einschränkende Enge, die andauernde Lichtlosigkeit, die unheimliche Anwesenheit eines Geistes und nicht zuletzt Inuels zuweilen penetrante Gesellschaft seiner Beherrschung stark zugesetzt. Mehr als einmal hatte er den Jungen scharf angefahren, meistens mit Grund, doch gelegentlich riß ihm einfach der Geduldsfaden bei der einen oder anderen Frage. Anfangs hatte Inuel geschwiegen, dann begann er, passende Beleidigungen ebenso hart zurückzugeben, und vor drei Nächten schließlich hatte er seine Matte gepackt und war in Celabons Lager umgezogen. Legolas hoffte nur inständig, daß er seinen unsichtbaren Freund mitgenommen hatte.

In Gedanken versunken betrachtete der Elb die Sterne, und lange bevor sie im ersten Dämmerlicht verblaßten, hatte ihr heiteres Glitzern und Funkeln ein Lächeln auf sein Antlitz gezaubert und seine düstere Stimmung hinfort gefegt. Als sich endlich die ersten Sonnenstrahlen über die Hügelkuppen wölbten und mit zärtlicher Wärme auf Legolas' blasse Haut fielen, breitete er in einer überschwenglichen Geste beide Arme aus, streckte sich kurz und rannte los.

Der Prinz lief in einem gemütlichen Tempo den Pfad hinab, durch den Wald entlang bis zur Siedlung und frohgelaunt zur Höhle zurück – nicht, um die Gegend zu überprüfen (was er dennoch nebenbei tat), sondern einfach, weil er es konnte. Er genoß die Bewegung in vollen Zügen, freute sich an der steten Brise, welche ihm bei schnellerem Rennen durch die Haare fuhr und drehte sich immer wieder für ein paar Schritte um, damit die Sonne ungehindert auf sein Gesicht schien.

Als er das Lager wieder erreichte, trat er munter in die Höhle und betrachtete von Ehrfurcht erfüllt den Anblick, der ihn begrüßte: Hatte am ersten Abend schon der helle Mond eine zauberhafte Atmosphäre geschaffen, so verlegte das blendende Strahlen der Morgensonne den Ort scheinbar in eine andere Welt. Eine Welt erfüllt von in allen Farben glitzernden Lichtfäden, deutlich sichtbar in der leicht staubigen Luft, welche sich von einer Höhlenwand zur anderen zogen, dort auf immer mehr Kristalle trafen und neue Strahlen in anderen Farben an weitere Stellen schickten. So spannte sich ein leuchtendes Lichtgespinst durch die gesamte Höhle, mit hellen weißen Punkten, wo sich mehrere Strahlen mit bestimmter Färbung trafen; und mit der Bewegung der Sonne verschoben sie sich, verblaßten und ließen ständig neue weiße Lichtkugeln entstehen.

Eilig schätzte Legolas den Winkel der Sonne ab und berechnete, daß das Schauspiel in etwa einer halben Stunde vorüber sein würde. Inuel muß das vorher noch sehen! beschloß er in einem gutgelaunten Anfall von Edelmut, entzündete eine Fackel und hastete damit durch die Passage den jetzt im Dunkel liegenden Gang entlang. Als er um die letzte Ecke ins Lager bog, stellte er verdutzt fest, daß auch hier kein Licht brannte. Die Fackeln am Eingang waren völlig kalt, aber etwas abgenutzt und äußerlich brüchig: Sie waren nicht neu, hatten allerdings seit Tagen nicht gebrannt.

Hat er etwa die ganze Zeit hier im Dunkeln verbracht? Legolas schüttelte mißbilligend den Kopf. Sollte mich wohl abschrecken, oder was? Dabei hätte er, wie jetzt – wenn er es wirklich gewollt hätte – jederzeit herkommen und die Fackeln selbst entfachen können. Dummes Kind. Er suchte und fand Inuels Matte ganz hinten, direkt neben der Sargkiste Celabons. Wie makaber, dachte Legolas und hielt eine Hand über die leere Matte. Keine Wärme stieg davon auf, und der Prinz schloß, daß Inuel schon eine ganze Weile auf war.

Vermutlich war auch er nach draußen gegangen, während Legolas unterwegs war. Na gut, seufzte der Elb, unsicher ob er darüber erfreut oder enttäuscht war, daß er den Jungen nicht zu Gesicht bekam. Dann hat er wohl auch das Schauspiel schon gesehen. Diesmal ohne Eile ging er zurück und schaute sich um. Nein, der Staub am Boden war unberührt. Hm … ob Celabon ihm das leichte Gehen beigebracht hat? Denkbar wäre es ja.

Seit zwei Tagen war Inuel nicht einmal nach vorne gekommen, woran Legolas durch seinen knurrenden Magen erinnert wurde. Zwar hatte er Lembas gegessen, aber nie sehr viel davon – immer in der Hoffnung, der Junge würde vor Hunger schließlich aufgeben und zum Feuer kommen, um etwas zu kochen. Natürlich gab es sicher auch hier genügend getrocknete Nahrung, ebenso jede Menge Lembas, doch irgendwie war der Prinz davon ausgegangen, daß der ungeduldige und immer hungrige Junge damit nicht zufrieden wäre. Offensichtlich hatte er sich wieder getäuscht. An der Feuerstelle war nicht eine Kleinigkeit verrückt.

Schließlich zuckte Legolas die Schultern, griff nach seiner Seife und der zweiten Kleidung und beschloß, erst einmal ein Bad zu nehmen. Vielleicht tauchte ja Inuel inzwischen wieder auf. Mit leichtem Schritt begab er sich zum dritten Mal durch den Gang, wobei er diesmal kaum noch einen Gedanken an die Dunkelheit darin verschwendete. Womöglich gewöhne ich mich allmählich daran, sinnierte er. Was für ein furchtbarer Gedanke!

Dann trat er aus dem hohen Tor zum See, sprang leichtfüßig die lange, gewundene Treppe hinab, plazierte die hier in der erleuchteten Höhle unnötige Fackel in der letzten, noch leicht feuchten Halterung und trat auf den breiten Kiesstrand. Von dort aus ließ er seinen Blick langsam schweifen. Sehr weit links von ihm sah er das Felsloch, welches er für den natürlichen Hauptzufluß des Sees gehalten hatte. Allerdings tröpfelten daraus jetzt nur noch winzige Rinnsale, welche sicherlich in nächster Zeit auch versiegen würden, sobald das Land draußen trocknete. Die übrigen drei Wasserfälle waren schon völlig versiegt.

So, überlegte Legolas, ist dies also kein ständig vorhandener See? Denn normalerweise müßte es einen ständigen Nachschub von Wasser geben, um den Abfluß am anderen Ende auszugleichen. Es sei denn … Der Prinz ließ seinen Blick leicht nach rechts schweifen, wo er ein weiteres dunkles Loch entdeckte, direkt über der Wasseroberfläche. Ach so ist das, dachte er, während er die restlichen Wände von links nach rechts forschend absuchte.

Hier und da bemerkte er kleinere und größere dunkle Stellen. Das Wasser fließt nicht in einem Strom zu und ab, sondern verläßt die Höhle nur über diese Spalten und trifft sich vermutlich erst später zu einem neuen Strom. Das heißt, sobald der Wasserstand unter den letzten Abfluß fällt, steht das Gewässer und verdunstet nur noch langsam, bis der nächste Regen es wieder etwas auffüllt. Und von der Ruhe der Oberfläche zu urteilen, war dieser Zustand schon fast erreicht; andernfalls müßte Legolas zumindest Strudel an den Rändern entdecken.

Inzwischen hatte er sechs oder sieben Spalten gezählt, als sein Blick auf die letzte, größte Öffnung fiel. Es war ein enormes Loch, vielleicht der Hauptabfluß, direkt unter dem Vorsprung, welcher den Eingang bildete. Unerwartet schimmerte darin etwas Helles auf, und Legolas kniff die Augen zusammen. Neugierig ging er einige Schritte in diese Richtung, bis er es wieder sah – und erstarrte.

"Oh nein", seufzte er leise, als sein Verstand einige Teile des kleinen Puzzles an ihren rechtmäßigen Platz schob. Noch erkannte er nichts außer einem kleinen Fleck aus dem scharfen Winkel, ein Fleck, welcher vielleicht ein Arm sein konnte – was eine äußerst weitreichende Vermutung wäre. Und dennoch sagte ein innerer Instinkt für Wahrscheinlichkeiten und Zufälle dem Prinzen, daß nur einer sich selbst in eine solche Lage manövrieren konnte: "Inuel."

*******

Geschwind entkleidete sich Legolas und trat fast lautlos ins Wasser. Nach einigen Schritten stieß er sich ab und bewegte sich mit langen Zügen vorwärts, ohne daß das Wasser plätscherte. Erst unterwegs fiel ihm Inuels peinlich berührte Reaktion beim letzten Mal ein, und er hielt inne um zu erwägen, sich wieder anzukleiden. Doch dann bedachte er, daß der Junge sehr wahrscheinlich ebenfalls nackt wäre und entschied, daß diese Tatsache schlicht und einfach keine Rolle spielte.

Als er sich der Öffnung näherte und nun direkt hineinschauen konnte, zeigte ihm die Realität ein Bild nicht unähnlich dem in seiner Vorstellung: Die Unterseite des Loches lag nur eine Handbreit über dem Wasserspiegel, und die Öffnung selbst reichte etwas über einen Meter hoch. Sie war auch nicht viel breiter, und dicht hinter dem Eingang ragte eine hohe, vom häufigen Strom vorn beinahe glatt geschliffene Säule vom Boden bis zur Decke.

Daneben lag Inuels wie erwartet nackter Körper ausgestreckt auf dem Boden. Er lag auf dem Bauch und hatte beide Arme um den Pfeiler verschränkt, und obwohl der Junge schlief oder ohne Bewußtsein war, standen die Muskeln in seinen Armen noch immer unter höchster Anspannung, und seine Finger krampften sich weiß um die Ellbogen. Das war es, was Legolas vom Strand aus gesehen hatte.

Allerdings war ihm bisher niemals aufgefallen, wie mager und ausgezehrt Inuels Gestalt wirklich war. Seine weite, lumpige Kleidung verbarg die deutlich sichtbaren Knochen unter der dünnen, fettarmen Haut. Und die Muskeln und Sehnen, obwohl nicht besonders ausgeprägt, konnte man praktisch einzeln zählen. Außerdem … auf allen Vieren kroch der Prinz näher.

"Bei allen Valar", wisperte Legolas geschockt, als er den bleichen Rücken des Jungen betrachtete. Unzählige Narben zogen sich darüber, blasse Vertiefungen oder dunkle verwachsene Erhebungen und auch jüngere, dick mit Schorf bedeckte Striemen, die sich noch nicht entschieden hatten, zu welcher Kategorie sie gehören wollten. Quer verliefen von Schultern zu Becken sich überkreuzende Furchen mit leicht hochstehenden, geraden Rändern, wie kraftvolle Peitschenhiebe sie typischerweise verursachten. Mehrere daumdicke Kreise kündeten vom Einschlag gehärteter Holzpfeile, umgeben und überlagert von grob verheilten Brandwunden und ganz frischen, fast noch blutigen Kratzern.

Es war völlig unmöglich, daß Inuel sich diese Verletzungen in seiner Tolpatschigkeit selbst zugefügt hatte, und für den Heeresdienst war er noch etwas zu jung. Außerdem – solche Wunden holte man sich nicht in der Schlacht; das wußte Legolas aus eigener Erfahrung. Jemand hatte ihm das absichtlich zugefügt, über eine sehr lange Zeit hinweg, und um die Wunden hatte sich nie jemand gekümmert, denn sonst wären sie besser verheilt und von den meisten keine Narben zurückgeblieben.

Als er bedrückt die längste, vielleicht älteste Erhebung nachfuhr, zuckte die rosige Haut unter seinen Fingern. Anschließend beobachtete Legolas fasziniert, wie ein Schauer von der Stelle zu Inuels Hals hinaufwanderte und eine leichte Gänsehaut auf seinem Weg zurückließ. Dann stellten sich die feinen Härchen in Inuels Nacken auf, und seine Augenlider flatterten.

Dem Prinzen erschien es, er hätte die normale Reaktion jeder Person auf Berührungen gerade in Zeitlupe gesehen, und er fragte sich amüsiert, ob Inuel in allen Dingen so langsam war. Doch als die Augen sich öffneten, eine Weile ins Leere blickten und schließlich ziellos zu wandern begannen, verflog seine Belustigung. Ohne den Kopf zu bewegen könnte Inuel ihn aus diesem Winkel nicht sehen, da Legolas an seiner abgewandten Seite kniete.

Also versuchte er, Inuel auf den Rücken zu drehen, scheiterte aber an seinem verkrampften Griff um die Säule. Und offenbar erschreckte den Jungen die Berührung, so daß er sich dichter an den Stein klammerte. Stumm blickte er vom See zum finsteren Ende des Loches, seufzte und zog sich endlich an der Säule in eine sitzende Position. Er ließ sie zwar nicht los, drehte sich durch die Bewegung aber so, daß er den Prinzen neben ihm entdeckte. Zuerst musterte er Legolas verwirrt, dann zogen in rascher Folge Erleichterung, Hoffnung, Erschöpfung und zu guter Letzt Ärger über seine Züge, ehe sie versteinerten wie der Pfeiler, an welchen er sich so verzweifelt klammerte, und eine deutlich rote Färbung annahmen.

Legolas erwiderte die peinliche Stille Schweigen für Schweigen, wobei sein Blick auf Inuels flache Brust fiel. Viel anders als der Rücken sah sie nicht aus, doch die Brand- und Peitschenwunden fehlten. Statt dessen stachen drei fast kreisrunde, vier Finger breite dunkle Flecke unter seinen Rippen soforts ins Auge. Und die Schnittwunden … ungläubig beugte der Prinz sich näher … formten seltsame Muster. Hier gab es mehr der frischen Kratzer, von denen Legolas vermutete, daß sie von Geröll im Wasser stammten. Während er noch auf die Narben starrte, hob und senkte ein tiefes Atmen die Haut über den dünnen Rippen, ehe Inuel seinen Oberkörper hinter der Säule versteckte, zusammen mit seinem Gesicht.

"Inuel", flüsterte Legolas und streckte eine Hand aus.

Unwillkürlich wich der Junge weiter zurück. "Ich wollte mich waschen", begann er zu babbeln. "Und dich nicht stören, weil … du warst so sauer, da dachte ich … und die Seife ist reingefallen, und ich hab sie nicht gesehen, da hab ich reingefaßt, es war aber zu tief."

Legolas krabbelte unbemerkt näher, während Inuel nervös fortfuhr, ohne ihn anzusehen. "Ich wäre lieber duschen gegangen, aber ich hab mich nicht getraut, und dabei ist es so staubig im Lager …" Er achtete nicht auf Legolas' erhobene Hand, schluckte und murmelte: "Aber hier war ja Wasser, und ziemlich viel – dann ging es mir über denn Kopf …"

Hastiges Atmen verschlug ihm kurz die Sprache, doch Inuel fing sich, ehe der Prinz etwas sagen konnte. "Dann war der Boden weg." Ein Wimmern, welches Legolas' Herz zusammenzog. "Und zu essen hab ich auch nichts mitgebracht" – hier rollte Legolas aus Gewohnheit die Augen – "und ich bin gegen was gestoßen und hab mich festgehalten aber es war so kalt und mein Kopf ist immer schwerer geworden und das Wasser war so stark und ich glaub mich hat was gebissen aber irgendwann hat's aufgehört …"

Inuel plapperte automatisch immer weiter, während er verängstigt den großen Elb anstarrte, der immer noch näher kam und eine Hand ausstreckte, und Inuel konnte sich nicht weiter zurücklehnen, ohne den Pfeiler loszulassen – wozu er sich einfach nicht durchringen konnte, stellte doch die Säule seine einzige Sicherheit dar vor dem Wasser, das in seiner Vorstellung jederzeit wieder auf ihn losstürzen konnte.

Allerdings hatte er gerade jetzt ebenso große Angst vor Legolas, der sicher noch wütend war – oder vielleicht sogar mehr als vorher, weil Inuel so lange weg war, daß er suchen mußte? Also quasselte Inuel ununterbrochen und merkte kaum, wie seine Gedanken sich selbst in die Rede flochten: "… und ich war doch so müde da bleib weg bin ich eingeschlafen und all das Wasser das wollte ich nicht da hatte habichdochsoAngst bitte nicht hauen ich mach's auch nicht wieder waswillstduvonmir?nicht–"

"Verzeih."

Die ruhige Bitte und die sanfte Hand an seiner Wange unterbrachen Inuels Wortschwall effektiv, zusammen mit seiner Atmung und seinem Herzschlag, als er in ernste, bedauernde blaue Augen blickte, deren Tiefe sogar noch stärker um Entschuldigung bat als das gesprochene Wort. Er verharrte reglos, bis die Augen sich etwas weiteten und die sanfte Berührung sich in ein beruhigendes Tätscheln verwandelte.

"Bitte atme", bat der Prinz.

Prinz ist Prinz, nackt oder sonstwie. Inuel gehorchte und sog vorsichtig die feuchte, nach Moos und Algen riechende Luft ein. "Wo-wofür?" fragte er heiser.

Legolas lächelte. "Ich war nicht wirklich sauer auf dich. Nur etwas … gereizt. Du hättest nicht gehen müssen."

"Aber", der Junge runzelte die Stirn, "du hast –"

"Ja, das war dumm von mir", gestand Legolas ein. "Ich hätte dich nicht wegjagen sollen. Aber warum hast du denn gedacht, du dürftest durch die Höhle nicht nach draußen gehen?"

Inuel schwieg kurz, ehe er den Prinzen leise erinnerte: "Du wolltest mich nicht noch mal sehen."

"Oh", meinte der Erwachsene und musterte den Jüngeren wie ein kleines Kind. "Manches muß man nicht so wörtlich nehmen, Inuel. Außerdem …"

Legolas stoppte sich selbst und blickte direkt in die naiven grünen Augen vor ihm. Soll ich es sagen? Wenn er es täte, gäbe er ein Stück seiner Sicherheit auf, als entferne er ein sicherndes Netz unter dem Hochseil, auf welchem seine Seele balancierte. Vielleicht würde es durch ein stabileres Netz ersetzt, welches die vertrauenden Augen Inuels versprachen, doch ebensogut könnte er alles verlieren. Was würde er tun? Ist es das Risiko wert?

Der Junge schaute ihn erwartungsvoll an. Plötzlich erinnerte sich der Prinz an alles, was er schon mit ihm angestellt hatte, und wie oft er den Kleinen mehr oder weniger absichtlich verletzt hatte. Dennoch hielten die schimmernden grünen Augen keine Abneigung gegen ihn, keine versteckten Rachegedanken, nichts außer einem unergründlichen Zutrauen zu ihm, Legolas.

Dessen Blick erneut auf die Narben fiel. Sie erzählten von Mißhandlung und Gewalt, nicht gerade eine Basis, aufgrund derer man zu Fremden leicht Vertrauen aufbaute. Aber Inuel hatte sein Sicherheitsnetz vor langer Zeit gekappt und sich in die Hände des Prinzen übergeben. Erst jetzt wurde Legolas klar, daß es auch ihn Überwindung gekostet haben mußte. Und er entschied sich.

"Außerdem sind wir doch Freunde." Suchend hielt er Inuels Blick. "Nicht wahr?" Mit nur dem Hauch eines Zweifels.

Nach einem verdutzten Blinzeln hellte sich das Gesicht des Jungen auf, als schiene mit einem Mal die Sonne darauf, und er nickte begeistert, wenngleich zur Abwechslung mal wortlos. Ohne Vorwarnung gab er die zweifelhafte Sicherheit der Steinsäule auf und umklammerte statt dessen Legolas, der sich mit einem resignierten Seufzen ergab und die Umarmung unbeholfen erwiderte.

Und erstaunt erkannte, als er im Geiste in die Abgründe unter seinem Seil blickte, daß auch er sein Netz schon vor Tagen ausgetauscht hatte.

Nach einigen Minuten klopfte er Inuel auf den Rücken und grübelte, was er sagen konnte, um die zunehmende Spannung etwas abzubauen. "Ach ja", schmunzelte er, "ich bin übrigens stolz auf dich."

Das veranlaßte den Jungen, seinen Griff zu lockern und den Kopf zurückzulehnen, um dem Prinzen ins Gesicht sehen zu können. "Stolz?" fragte er neugierig.

Legolas, abgelenkt von dieser neuen, unerwarteten Haltung, welche Inuels große Augen und seine weichen Lippen unglaublich nah an sein Gesicht brachte, schloß einen Moment die Lider, um sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Und nicht nur sein Herz.

"Ähm … naja …" Was wollt ich denn nur sagen, verdammt? Ich hab's total vergessen; das gibt's doch gar nicht … wenn er doch nur etwas auf Abstand ginge! Obwohl – Legolas stellte sich vor, wie sein sowieso schon halb erregter Körper auf das Bild reagieren würde. Das wäre vielleicht keine so gute Idee. Als er die Augen wieder öffnete, schmollte Inuel. Seine Unterlippe stand hervor, und seine Augen funkelten. Das macht er absichtlich! schrie seine Selbstkontrolle hysterisch. Nein, konterte der Verstand, er ist wütend. Aber der heiße Blick und die geschürzten Lippen verfehlten ihre Wirkung bei Legolas, oder besser gesagt: Sie bewirkten das Falsche. Konzentrier dich! Wieso ist er jetzt sauer? Was hab ich gesagt? Was wollte ich sagen?

"Stolz?" fragte Inuel noch einmal.

"Äh, ja!" rief Legolas dankbar und erleichtert. "Genau! Weil du dich festgehalten hast." Und mit ruhigerer Stimme: "Du hast unter Wasser nicht aufgegeben." Anders als ich in der Höhle.

"Oh", murmelte Inuel. "Ich war nur ganz kurz unter Wasser." Nicht so lange wie du in der Höhle.

Sie schauten einander lange an, verstanden und akzeptierten die nicht ausgesprochenen Gedanken und zwinkerten sich lachend zu. "Und, denkst du", fragte der Prinz schließlich, "daß du das noch einmal kannst?"

"Was meinst du?" Inuel war völlig entgangen, daß er sich noch immer am falschen Ende des Sees befand.

Behutsam drehte Legolas den Kopf des Jungen so, daß er zum Wasser blickte, und sah die fröhliche Miene augenblicklich fallen. Und seltsam, auch sein eigener Magen verkrampfte sich. "Du hast es schon einmal geschafft", versuchte er Inuel aufzumuntern.

Der Junge nickte, doch noch während er mit der Bewegung begann, verwandelte sie sich in ein entschiedenes Kopfschütteln. Bevor seine Angst überhand nehmen konnte, beschloß Legolas, den Schwächeren einfach so schnell wie möglich ins Wasser und an den sicheren Strand zu befördern. Ohne große Worte packte er Inuel um Schulter und Knie, hob ihn hoch und rutschte auf seinen Knien zur Öffnung. Sobald er Inuel über die leichten Wellen hielt, verkrampfte sich der Junge, und Legolas' Magenschmerzen verstärkten sich.

Ich hätte vielleicht doch etwas mehr essen sollen, überlegte er und überdachte schnell die Situation. Wenn ich ihn loslasse, fällt er rein und geht unter. Schlechter Plan. Wenn ich ihn nicht loslasse, komme ich nur mit einem Kopfsprung rein, das heißt, er geht ebenfalls unter. Schlechter Plan. Wenn ich mich umdrehe und rückwärts fallen lasse, gehen wir beide unter. Schlechter Plan. Wenn ich rückwärts langsam reingehe, wird er wahrscheinlich ausreißen. Nicht so guter Plan. Hm … Na gut, dann anders.

Legolas ließ Inuels Knie los und faßte ihn statt dessen sicher unter beiden Armen, so daß er bis zur Brust im See hing, während der Prinz seinen Kopf über Wasser hielt. "Hier, halt dich an der Kante fest." Der Junge starrte verständnislos drein, viel zu verängstigt, um zu widersprechen oder an Flucht zu denken, aber auch zu verkrampft, um der Aufforderung nachkommen zu können.

Mit der rechten Hand Inuels Arme am Rand haltend, versuchte Legolas, neben dem Jungen ins Wasser zu gleiten, doch eine unvermutete Strömung ergriff ihn und zog ihn nach unten. Seine Hand rutschte ab; zuletzt hatte er gespürt, daß die Arme des Jungen ebenfalls abwärts glitten. Und noch ehe er sich richtig orientiert hatte, rollte eine Welle der Panik über ihn, welche Legolas in ihrer Plötzlichkeit die Luft aus den Lungen trieb und ihn beinahe paralysierte.

Doch er bekämpfte sie und arbeitete sich zurück an die Oberfläche, wobei er unterwegs den sinkenden Inuel an den Haaren packte und mitzog, zurück zur Kante des Loches.

"Huh", keuchte er, als sie durch die Wasserdecke brachen, "da muß noch irgendwo ein Loch im Boden sein. Bist du in Ordnung?" Dumme Frage, Legolas. Du hast doch selbst gespürt, daß … Abrupt brachen seine Gedanken ab, während er den letzten überprüfte. Ja, das stimmt, erkannte er verblüfft. Ich habe keine Angst unter Wasser, und eben auch nicht. Er forschte in den verschleierten Augen Inuels. Das warst du, nicht wahr? Wie hast du das gemacht?

"War keine Absicht", antwortete der Junge abwesend auf die nicht gestellte Frage.

"Was?" Die Augen des Prinzen sprangen weit auf und schleuderten seine Augenbrauen gegen den Haaransatz. "Kannst du etwa Gedanken lesen?"

Keine Antwort, nicht die kleinste Reaktion deutete an, ob Inuel ihn auch nur gehört hatte. Legolas sammelte seine Augenbrauen wieder ein und zog sie über der Nasenwurzel drohend zusammen, doch anscheinend wollten sie dazu nicht mißbraucht werden, sondern runzelten statt dessen seine Stirn. Mit dem linken Arm hielt der Prinz Inuel weiterhin eng an die Kante gepreßt, nutzte jetzt aber die rechte Hand, um sie vor Inuels Augen zu wedeln. Nichts.

Aber eben hast du doch geantwortet. Und ich hab nicht mal was gesagt!

Daraufhin bewegte der Junge den Kopf, ein leichtes Nicken, welches dem Prinzen entgangen wäre, hätte er nicht danach Ausschau gehalten.

Aha, so geht das also. Kannst du Gedanken lesen, Inuel?

Noch ein Nicken, und ein undeutliches Murmeln, das "manchmal" hätte heißen mögen.

Legolas beschloß, sich mit diesem neuen Aspekt später eingehend zu beschäftigen und ihn jetzt einfach zu nutzen. Wir schwimmen jetzt ans Ufer, in Ordnung? Es ist nur eine ganz kurze Strecke, und ich halte deinen Kopf über Wasser, also hab keine Angst.

"Ist gut." Kaum verständlich, aber Legolas' feines Gehör vernahm die Antwort noch.

Sie beunruhigte ihn durch ihre ausgesprochene Friedlichkeit. Du hast keine Angst, oder? fragte er still.

Ein Kopfschütteln, schwächer diesmal, und der Prinz setzte sich in Bewegung, bevor Inuels Ruhe sich wieder verflüchtigte. Warum nicht?

Er schwamm ein paar Züge und gab die Antwort schon auf, als sie wie ein Windhauch zu ihm durchdrang: "Du so gesagt."

Dann sah er, wie die Augen des Jungen zufielen, und auf weitere stille Fragen erhielt er keine Antwort. Aber er schaffte es sicher bis zum Strand, bevor Inuel wieder aufwachte, und zog ihn mit nachdenklicher Miene auf den unbequemen, aber zumindest trockenen Kies. Daß der Junge jederzeit in seine Gedanken eindringen konnte, behagte ihm gar nicht. Aber er hat manchmal gesagt, oder? Legolas versuchte sich zu erinnern, ob Inuel früher schon mal seine Gedanken erkannt hatte.

Beinahe sofort fiel ihm die Nacht auf dem Fleet ein, als er Inuel die Medizin gegen das Spinnengift gegeben hatte. Damals hatte der Junge was von Osuldar gemurmelt, was Legolas später zusammen mit den meisten anderen Erinnerungen an seinen Bruder einfach verdrängt hatte. Als der Junge ihm im Wahn vorgeprahlt hatte, was er alles könne – unter anderem Gedankenlesen – hatte Legolas das nur für Fieberphantasien gehalten.

Hm, im Wahn … ich frage mich … Jetzt kam ihm auch ihre erste Begegnung ins Gedächtnis, ebenso einige seltsame Bemerkungen von Inuel und auch diese unheimliche Fähigkeit, mit Toten zu reden. Nun, irgendwie sind ja auch Seelen nur Gedanken. Und als ich ihn zuerst in der Siedlung fand … Legolas zuckte zusammen bei dem Bild der grünen Augen, voller Terror, welches sich in seinem Gedächtnis formte. Er wußte es nicht, hatte Angst davor. Und er hat nie was gesagt, wenn er wach war … Vielleicht kann Inuel das nicht steuern.

Ja, das mußte es sein. Schließlich handelte es sich dabei nicht um etwas Erlerntes wie Kochen, sondern sowas wie einen Instinkt, wie die besondere Wahrnehmung der Umgebung bei Elben, über welche Menschen und Zwerge zum Beispiel nicht verfügten. Und wenn man sehr abgelenkt war, wurde dieser Sinn von anderem übertönt, besonders bei untrainierten Elben.

Inuel nun war völlig untrainiert und ständig abgelenkt. Ich denke, ich brauche mir vorerst keine Sorgen zu machen, schloß Legolas. Bei klarem Verstand kann er wahrscheinlich keine Gedanken lesen, und Geister nimmt er auch nur wahr, weil ihre Energien so außergewöhnlich stark sind. Überdies … scheint es in beide Richtungen zu funktionieren. Zwar hatte Legolas nicht Inuels gedachte Antworten gehört, dafür jedoch dessen Gefühle gespürt.

Womöglich entwickelte sich das durch ihre ständige Nähe, und er mußte sich später einmal tatsächlich darüber sorgen. Aber fürs erste brauchte er den Jungen nur abzulenken. Das sollte nicht allzu schwierig sein.

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A/N: Nun bin ich aber echt mal gespannt auf die Reaktionen. Soll ich in dieser Richtung weitermachen, oder bevorzugt ihr demnächst mal eine weibliche Einmischung? *unschuldig tu* Da ließe sich sicher was drehen. *heimlich gemeine Pläne schmied* Ich zerstör doch Romanzen so gerne … *heimtückisch ins Fäustchen grins*

*ähem* Sicher habt ihr auch Fragen zum Gedankenlesen, aber ich warte sie erst mal ab, ehe ich die Antwort komponiere. ^.^ Tja, und dann wäre da noch … (tut mir echt leid, daß ich ihn so zerschändet habe …) Inuels Körper. Ich habe es einigen schon persönlich geschrieben, aber jetzt noch mal für alle: In der zweiten Story wird es hauptsächlich um ihn und seine Erfahrungen in Düsterwald gehen, also wenn ihr nur wissen wollt, wie es zu den Narben kam, bitte geduldet euch noch ein klein wenig, ja?

Eure Mel