"Wir sollen eine OZ-Basis infiltrieren und anschließend zerstören. Der Zeitpunkt ist noch nicht genau festgelegt, wir müssen auf weitere Anweisungen warten."

Wieder Stille. Heero war sich nicht sicher, ob Duo wirklich an diesen Information interessiert war, oder ob er nur versucht hatte, ihn davon abzulenken, dass er nichts mehr aß.

"Wir haben den Auftrag, General Kushrenada zu eliminieren, wenn wir die Gelegenheit dazu bekommen. Die Zerstörung der Basis hat jedoch Vorrang."

Außer einem ruckartigem Emporschnellen von Duos Blick und einem unidentifizierbaren Laut der Überraschung, bekam Heero keine Resonanz auf seine Aussage, die vorhandene Reaktion reichte jedoch schon vollkommen aus, um seinen Partner misstrauisch anzusehen und zu fragen:

"Duo? Geht es dir gut?"

Der amerikanische Pilot reagierte nicht, sondern wandte seinen Blick schlussendlich ab, stand auf um wieder ins Wohnzimmer zugehen und sich vor den Vid-Screen zu setzen. Heero sah ihm stirnrunzelnd hinterher, beschloss aber, dass diese Sache Zeit bis später hatte und aß zuerst einmal auf. Nachdem er fertig war, räumte er die Sachen in kleine Küche, spülte sie ab und verstaute sie in den Schränken.

Anscheinend hat Duo seine Angst vom Vortag abgelegt, dachte er, während er seinen Partner durch den Türspalt zum Wohnzimmer hin beobachtete. Doch diese Angst ist einer Ausdruckslosigkeit gewichen, die mir wiederum Angst macht. So kenne ich ihn gar nicht. Oder ist das vielleicht seine wahre Seite und diese fast schon psychopathische Fröhlichkeit nichts weiter als eine Maske, ein Selbstschutz. Doch wer, wenn es denn so ist, hat es geschafft, diese Maske abzureißen? Und vor allen Dingen womit?

Vom Wohnzimmer her erklang jetzt eine wilde Schießerei, die Heero augenblicklich zusammenfahren ließ. Er sah sich ruckartig um und entdeckte, dass Duo zwar die Flimmerkiste wieder an hatte, aber keineswegs zusah. Nein, er starrte gedankenverloren aus dem Fenster und schien sehr angestrengt über etwas nachzudenken.

Na los, geh schon zu ihm, red mit ihm, widme ihm deine Aufmerksamkeit. Du weißt doch eh nicht mehr, was du machen sollst. Du hast Langeweile, bemerkte die Stimme in ihm hämisch und lachte nun wirklich schadenfroh. Wenn er die ganze Zeit um dich herumwuselt, ist es dir nicht recht, weil er dich in deiner Konzentration stört, doch wenn er nichts sagt, weißt du nicht, was du machen sollst. Mein Lieber, du..... "Halt´s Maul, verdammt!", knurrte Heero wütend und wurde erst einen Moment später gewahr, dass er den Satz laut ausgesprochen hatte und dass Duo ihn fragend ansah. Eine leichte Röte überfuhr seine Wangen, während er schon fast hastig bemerkte:

"Du warst nicht gemeint, Duo. Ich....habe mit mir selbst gesprochen!"

Da schau einer an.....nun wird man auch noch rot. Und das als perfekter Soldat, der keine Gefühle kennt. Tststs....

Heero wollte diese Stimme wirklich zum Schweigen bringen, doch er hatte das untrügliche Gefühl, dass er sich erst umbringen musste, um das zu erreichen. Er sah wieder zu Duo, der ihn schon längst nicht mehr beachtete.

Wenn du ehrlich bist, willst du nicht, dass er so gleichgültig ist. Du magst es, wenn er um dich herumschwirrt, also tu endlich was und löse ihn aus seiner Lethargie!

Heero seufzte innerlich und gab sich der Stimme in seinem Inneren geschlagen. Irgendwie hatte sie ja auch recht.

"Ich gehe spazieren. Kommst du mit?"

Keine Reaktion.

"Duo!"

Ein quälend langsames Kopfdrehen in seine Richtung. Schließlich der Ansatz eines Schüttelns, den Heero jedoch energisch unterbrach.

"Du kommst. Bewegung schadet nicht, besonders nicht dir. Also los!"

Er wartete nicht Duos Kommentar ab, sondern zog ihn einfach aus dem Sessel, schaltete den Vid-Screen ab und verließ mit Duo das Apartment.

Sie betraten das Dorf, das punktgenau Ähnlichkeit mit einer alten Siedlung aus den schottischen Highlands hatte. Überall fanden sich kleine, schiefe Häuser, die bei jedem Windstoß umzufallen schienen, aber dennoch erstaunlich robust mit ihren Backsteinen waren. Die Dorfstraße war nicht mehr als ein breiter, sandiger Weg, der sich quer durch das Dorf erstreckte.

Heero sah sich kurz um und beschloss dann, dass sie zum See gehen würden, der sich in einiger Entfernung des Dorfes erstreckte und der malerisch in dicht bewaldete Berge eingebettet war. Kaum hatten sie das Dorf verlassen, dehnten sich bis zum See saftig grüne Wiesen mit Hasenglöckchen, die einen stechend violett-blauen Kontrast dazu boten, aus. Hier und da konnte man auch vereinzelt Schafe blöken hören, die wahrscheinlich zur Komplettisierung der Landschaft dienen sollten.

Ohne es genau zu wollen, atmete Heero tief ein. Er fühlte sich hier wohl, es erinnerte ihn an seine Kindheit. Ein schönes Detail unter vielen schrecklichen.

Nach ein paar Minuten kamen sie am See an. Heero betrachtete die sich leicht kräuselnde Oberfläche, die einen perfekten Spiegel des Himmels bot. Man konnte nur erahnen, wie tief das Gewässer wirklich war, sah es doch so bodenlos tief aus.

Es gibt sicher viele Legenden, die sich hierum ranken, dachte Heero und wandte sich Duo zu, der mit unbewegtem Blick neben ihm stand.

Berührt ihn das denn gar nicht?

Heero ließ seinen Blick einen Moment auf seinem Partner ruhen, während ihm der starke Wind durch die Haare fuhr. Er sah zum Himmel auf. Die für Schottland so typisch dunklen Wolkenberge verhießen nichts gutes. Sicher würde es bald Regen geben.

Heero fiel auf, dass er immer noch Duos Arm umfasst hielt und ließ ihn los.

"Wie gefällt es dir?", brachte Heero nur leise und stockend hervor. Diese Gespräche waren nicht gerade seine Stärke, besonders, da er im Moment praktisch sein Ebenbild vor sich hatte, stur, apathisch, nicht bereit mit anderen Menschen zu kommunizieren, nicht fähig zu leben, sondern einfach um zu existieren.

Er hatte genügend Zeit zu beobachten, wie der Wind mit Duos langen Haaren spielte, bevor der Junge sich zu ihm umdrehte und ihn ansah.

Der amerikanische Pilot bedachte sein Gegenüber mit einem ausdruckslosen Blick, bevor er sich wegdrehte und näher an den Rand des Sees trat.

Heero sah ihm nach, machte dann noch einen entschlossenen Versuch, die Konversation anzukurbeln, indem er fragte:

"Willst du darüber reden?"

Wieder dauerte es einen Moment, bis sein Partner reagierte und sich zu ihm umdrehte.

"Worüber?", erkundigte er sich schließlich.

Heero sah auf, überrascht, überhaupt eine Reaktion bekommen zu haben.

"Über das, was passiert ist. Über deinen Zustand gestern. Einfach reden, wie du es sonst auch immer machst."

Es schien, als hätte Duo den deutlichen Vorwurf in der Aussage gehört. In seinen Augen flackerte kurz etwas auf, bevor er antwortete:

"Nein, und wenn, dann nicht mit dir."

Das saß. Das war keiner von Duos üblichen Scherzen, er meinte es völlig ernst.

"Warum nicht mit mir?"

Duo schnaubte verächtlich und drehte sich wieder zum See.

Der Wind hatte sich inzwischen intensiviert und kleine Tropfen fielen auf die beiden nieder. Als aus den kleinen Tropfen wahre Schauer wurden, bemerkte Heero leise:

"Wir sollten uns auf den Rückweg machen, bevor wir vollkommen durchnässt werden."



Als sie schließlich wieder in ihrem Apartment ankamen, waren sie vollkommen klatschnass. Duo zog sich fast augenblicklich ins Bad zurück, schloss ab und gab Heero somit Zeit zum Nachdenken.

Warum redet er nicht mit mir? Was habe ich ihm getan, dass er sich so von mir abkapselt?

Du hast ihn zu schlecht behandelt, erwiderte die Stimme in seinem Inneren plötzlich und der japanische Pilot zuckte zusammen.

DU schon wieder? Geh weg, lass mich in Ruhe, ich kann dich jetzt wirklich nicht gebrauchen!

Ach...wann, wenn nicht jetzt? Du schaffst es doch noch nicht mal, ihn zum Reden zu bringen! Und du willst keine Hilfe? Mach dich nicht lächerlich!

Heero grollte wütend und marschierte in die Küche, wo er Wasser für Tee aufsetzte und anschließend seine Mails kontrollierte. Quatre hatte ihm geschrieben.

Hey Heero! Ich weiß, ich sollte eigentlich nicht schreiben, doch ich wüsste nur zu gerne, wie es euch beiden geht! Ist Duo wohl auf und nervt dich wieder? Bye, Quatre, las Heero laut vor und seufzte in sich hinein.

Nein, Duo ist weder wohlauf noch nervt er mich. Leider.....

HA! Da haben wir´s! Endlich hast du´s zugegeben!!!, meldete sich die Stimme schadenfroh und Heero stieß einen empörten Schrei aus.

"Das ist doch nicht wahr!", sagte er laut, ohne sich dessen bewusst zu sein.

"Was ist nicht wahr?", kam auch prompt die Frage von der Tür her und Heero fuhr herum.

"Nichts, Duo."

Besagter Pilot drehte sich bei diesen Worten um und wollte zurück ins Wohnzimmer, als Heero ihn zurückhielt.

"Post von Quatre", erklärte er kurz, mit dem Resultat, dass Duo zu ihm zurückkam, die Mail durchlas und schließlich antwortete:

Oi Quatre! Yep, uns geht´s bestens! Außerdem nerve ich Heero nicht, ich unterhalte mich mit ihm! Bye, Quatre-chan und grüß deinen Schatzi von mir! Duo

Heeros rechte Augenbraue hob sich um Zentimeter. Duo unterhielt sich mit ihm? Das war ja was ganz neues. Duo ging es gut? Wohl eher nicht, so wie er sich benahm.

"Duo...."

Ein violett-blaues Augenpaar traf ihn in perfekter Gleichgültigkeit.

"Was sollte das gerade? Warum hast du Quatre angelogen?"

"Habe ich das?"

Der amerikanische Pilot drehte sich bei diesen Worten um und setzte sich wieder vor den Vid-Screen.

Heero beschloss, sich schlafen zu legen. Es hatte doch keinen Sinn, weiter darauf zu hoffen, dass Duo mit ihm sprach. Außerdem war er erschöpft genug um drei Tage lang durchzuschlafen.

Vielleicht sollte ich das auch machen, dann vergeht die Zeit schneller, dachte er und gähnte ausgiebig. Als er sich fünf Minuten später in die Decke kuschelte, war er schon eingeschlafen.