Heero sah, wie Duos Gundam für einen Moment stillstand und ahnte nichts Gutes.
Was war mit dem Piloten los, dass er mitten im Kampf einfach stockte, sich schutzlos dem Gegner auslieferte?
Und dann passierte es auch. Tallgeese II fuhr seine Energie hoch und ein gleißender Lichtstrahl umhüllte Deathscythe.
Heeros Augen weiteten sich vor Schock und er bemerkte kaum seinen eigenen verzweifelten Schrei.
Nein, NEIN! Das....das kann nicht sein....Duo...kann doch nicht..... Sein Gehirn weigerte sich den Gedanken weiterzudenken, doch insgeheim wusste Heero, dass es keine Möglichkeit gab, dieser Energiemenge lebend zu entkommen. Sie würde Deathscythe in Stücke reißen, einfach so, sie in Millionen kleinster Partikelchen zersprengen, nichts, aber auch gar nichts von seinem Partner übriglassen, sie....
HÖR VERDAMMT NOCHMAL AUF!, fuhr Heero seinen Geist außer sich vor Wut an. Ich AKZEPTIERE Duos Tod nicht, niemals! Das kann nicht sein, das ist nur ein Traum!
Die leise Hoffnung in ihm verflüchtigte sich, verschwand schließlich ganz, als Heero rationaler Verstand siegte und ihm kühl sagte:
Du bist ein Soldat, und Soldaten müssen damit rechnen, die Menschen, die sie gern haben, im Krieg zu verlieren. Du wurdest so erzogen, du DARFST dir das nicht zu Herzen nehmen. Er war nur ein entbehrlicher Mensch, nichts weiter. Ein Pilot, den man ersetzen kann. Jeder ist ersetzbar, Heero, jeder!
NEIN! Nein, verdammt noch mal, nein! Das geht nicht! Er ist nicht ersetzbar! Er.....ich....ich hätte ihn niemals auf diese Mission schicken sollen! Ich hätte wissen müssen, dass er so reagiert! Gott, nein, das ist alles meine Schuld! MEINE SCHULD! Duo...wie soll es jetzt weitergehen? WIE?
Das beißend weiße Licht wurde schwächer und gab den Blick auf den Kampfplatz wieder frei. Heero sah das Monster, das seinen Partner getötet hatte dort stehen und grenzenlose, unbändige Wut füllte seinen Blick.
"Du SCHEIßKERL! SCHWEIN! Ich töte dich!", brüllte er wutentbrannt und stürzte sich auf Tallgeese II.
"Überlass ihn mir."
"NEIN!", zischte Heero wütend und wollte zu einem Angriff ansetzen, als er stockte.
"Ich sagte, du sollst ihn mir überlassen!"
Heeros Finger flogen hastig über seine Steuerung als er sich zur Seite drehte und zwei Gundams erblickte.
Du träumst, das ist ein Trugbild! Er kann es nicht sein. Er ist TOT! Du wirst verrückt, Heero!
Nein, nein, das ....das stimmt nicht...kann einfach nicht stimmen....auch wenn ich es mir wünsche...auch wenn....
"Heero, mach den verdammten Weg frei und lass mich das erledigen!"
"DUO?!", brachte er nun endlich krächzend hervor. "Wie?!"
"Durch mich", schaltete sich eine andere Stimme ein und Heero zuckte zusammen.
Einen Moment war es still, bevor Wufei als einziger lächelte und sagte:
"Zechs, wie schön, dass du auch kommen konntest."
"Zechs?!", bekam er dreistimmig zur Antwort, was jedoch durch Duos abruptes Aufbrechen in Treizes Richtung unterbrochen wurde.
*
Duo hatte gesehen, wie ein unbändiger, weißer Energiestrahl auf ihn zukam, unfähig, sich in irgendeiner Weise zu bewegen.
Es ist vorbei, dachte er, nicht die Gefahr realisierend und schloss seine Augen, als er plötzlich spürte, wie ihn etwas zur Seite und somit von der tödlichen Energiewelle wegzog. Er fuhr ruckartig hoch und keuchte entsetzt auf.
Tallgeese?! Wie...wie war das möglich? Er...er war doch zerstört worden...und auch wenn...wer zur Hölle war sein Pilot?!
Und jetzt stürzte sich auch noch Heero auf Kushrenada. Das musste er auf jeden Fall verhindern! Duo checkte fliegend alle Funktionen und seufzte.
Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung. Eine kleine Welle an Energie hatte seine Deathscythe getroffen und somit einige Instrumente schwer beschädigt.
Aber nicht die wirklich Wichtigen!, dachte er grimmig und stürzte sich nach vorne. Sein Energielimit war noch lange nicht erreicht, also konnte er noch eine Weile weiterkämpfen!
Seine Unsicherheit war etwas anderem, viel Machtvollerem gewichen: unbändigem Hass auf die Kreatur, die ihm das angetan hatte. Und dieser Hass trieb ihn nun wie Ambrosia an, nährte ihn, beflügelte ihn, bis er schließlich sein Ziel erreichte und Tallgeese II durch einen gezielten Stoß bewegungsunfähig machte.
Duos lächelte grausam, seinen leeren Blick auf das Ziel vor sich richtend und es nicht einen Moment aus den Augen lassend.
Jetzt, genau jetzt ist es mein Spiel! Jetzt bestimme ich die Regeln und niemand anders!
Duo hob seine Sense, ließ sie durch die Luft schwingen und köpfte den Gundam mit einem Ruck. Doch damit nicht genug, er powerte seine Energiesequenzen hoch und schoss eine gewaltige Salve auf seinen Gegner ab.
*
Heero sah nur, wie Duo Tallgeese II nun mit seiner Energie einhüllte, hörte einen Moment später das vertraute metallische Knacken zerberstenden Gundaniums und sah, wie sich der feindliche Gundam in Abermillionen kleiner Teilchen auflöste. Und sein Pilot mit ihm.
*
Duo atmete schwer. Er...er hatte es getan...er hatte Kushrenada getötet. Er hatte sich gerächt...doch...doch warum fühlte er sich dann so elend? War das der Nachgeschmack der Rache? Und wieso war er nicht süß? Wieso nicht, er hatte sich doch gerächt!
Er ballte die Hände zu Fäusten und ließ sie blind auf sein Armaturenbrett niederfahren.
Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr!, dachte er verzweifelt. Wieso hört es denn nicht auf? Wieso, Gott? Wird er mich denn noch bis zu meinem Tod verfolgen?
Duos Blick verschleierte sich, er merkte kaum, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
Wenn...wenn es nichts hilft, dann bleibt mir nur noch eine Möglichkeit....nur noch eine...
Wie unter Zwang straffte er sich, gab den Zugangscode für seine Selbstzerstörung ein, wartete einen Moment und drückte dann den kleinen, vertraulich roten Knopf.
Heero stand da, immer noch bewegungsunfähig. Das, was er gerade erlebt, was er gehört hatte, schockte ihn zutiefst.
Das...das war es also gewesen...
Heero schluckte die Übelkeit herunter, die in ihm aufstieg.
Wie...wie kann man einem Menschen so etwas antun...? Selbst in diesen Zeiten.....
Er richtete seinen Blick wieder auf die Com-Unit neben sich und sah, wie Duo den fünfstelligen Zahlencode für die Selbstzerstörung eingab.
Duo....warum?, fragte er den amerikanischen Piloten stumm. Warum willst du nicht, dass wir dir helfen?
Duo drückte den roten Knopf und Heero schloss die Augen.
Als Duo mit seinem...mit ihm gekämpft hatte, hatte er nichts gesagt, nichts, bis auf einen Satz.
Heero zuckte zusammen, als er an die hasserfüllten Worte dachte, die sein Partner dem OZ-General entgegengeschleudert hatte. Er war sich sicher, dass die anderen es nicht gehört hatten, da Duo von sich aus die Kommunikation abgebrochen hatte. Er selbst hatte sich jedoch unbemerkt in Duos Com-Unit eingeloggt und den Kampf mitverfolgt.
Und nicht nur das, dachte Heero bitter, als er den Blick wieder auf den amerikanischen Jungen richtete. Warum lässt du dir nicht helfen, Duo? Warum vertraust du uns nicht, fragte er sich wieder und wieder.
Der japanische Pilot bemerkte, wie sich der Blick seines Partners verdunkelte, sich mit Hass füllte und er einen hilflosen Fluch ausstieß, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
Der gleiche Gesichtsausdruck, notierte Heeros Geist abwesend. Diese ohnmächtige Wut, die Enttäuschung, dass es nun doch nicht vorbei ist, dass das Gefühl nicht verschwindet.
Und plötzlich leuchteten wie eingebrannt Duos Worte in seinem Kopf.
"Du hättest mich töten sollen, nachdem du mich gefickt hast!"
Hatte er dem General höhnisch entgegengeschleudert, bevor er ihm den Rest gab und zufrieden auf Kushrenadas Schrei lauschte.
Heero schlug plötzlich eine Hand vor den Mund, als ihm die Tragweite dieser Worte klar wurde. Er erstickte das Entsetzen, das sich seinen Weg nach draußen bahnen wollte und zwang sich, ruhig und klar zu denken. Es würde niemandem nützen, wenn er selbst die Kontrolle verlor, denn jeden Augenblick konnte Verstärkung von OZ´ Seite kommen und sie vernichtend schlagen.
Auch Wufei hatte den Ernst der Lage erkannt und rief kühl:
"Wollt ihr hier noch länger bleiben und euch von OZ gefangennehmen lassen? Los jetzt, wir müssen abhauen!"
Zustimmendes Brummen war die Antwort, doch Heero stockte kurz.
"Duo! Komm! Wir müssen hier weg!"
"Ach, müssen wir das?"
Heero erstarrte. Diese Gleichgültigkeit in Duos Stimme. Er sah die absolut leeren Augen vor sich und straffte sich entschlossen.
"Oder willst du dich wieder von OZ verhaften lassen?", fragte er und legte soviel Betonung in diesen Satz, dass Duo unmöglich überhören konnte, dass er es wusste.
Keine Antwort.
Mein Gott, DUO! Ich weiß, dass du gerade versucht hast, dich umzubringen! ICH WEIß ES! Und es bricht mir das Herz, dich so zu sehen, geschlagen, kraftlos! Ich will dir helfen! Und werde dir helfen, darauf kannst du dich verlassen!, schwor er sich insgeheim.
"Quatre, Trowa, ihr müsst Deathscythe stützen, Duo hat nicht mehr genug Energie für einen Flug!", befahl er den beiden Piloten knapp und fuhr dann selbst seine Sequenzen hoch.
Duo leistet überhaupt keinen Widerstand. Er saß in seinem Cockpit und starrte apathisch vor sich hin, immer noch nicht begreifend, warum diese Leere, diese Wut, dieser Hass nicht verschwanden. Er hatte sich doch gerächt, da....da musste ...es doch.....
Die sechs Piloten stießen sich vom Boden ab, um kurz darauf in die Atmosphäre einzutreten und Richtung Erde zu fliegen, wo sie schließlich im versteckten Hangar des Winner estates andockten und ihre Gundams verließen.
Während Heero aus seinem Gundam stieg, sah er, wie Duo mit leeren Blick in Richtung Gebäude ging und folgte ihm hastig.
"Duo!", rief er und der amerikanische Pilot blieb stehen.
"Was willst du?", fragte er tonlos.
Heero blieb für einen Moment still.
Was sollte er Duo sagen? `Ich habe gehört, was du zu Kushrenada gesagt hast´? Nein, das wäre nicht gut. Aber was denn dann?
"Wolltest du noch irgendetwas, Yuy oder kann ich jetzt gehen?", unterbrach Duos immer noch ausdruckslose Stimme seine Gedankengänge.
"Nein, bleib!", sagte Heero unsicher und zog sich damit die überraschten Blicke der restlichen Anwesenden zu. Er wandte sich an die vier Piloten und sagte leise:
"Würdet ihr uns bitte alleine lassen."
Er sah, wie ihn vier überraschte Blicke trafen und fügte hinzu:
"Ich habe noch etwas zu regeln. Mit dir spreche ich dann später, Zechs!"
Damit drehte er sich von den Piloten weg und Duo zu, der ihm mit einem steinernen Blick musterte.
Als sie alleine waren, begann Heero sanft:
"Ich...habe deine Kommunikation während des Gefechtes mitgehört, Duo...."
Ein zweifelnder Blick traf ihn.
"Kannst du gar nicht, Yuy, ich habe sie abgeschaltet."
"Ich habe dagegen dementsprechende Vorkehrungen getroffen, sodass ich die ganze Zeit Audio- und Videokontakt mit dir hatte."
Es dauerte einen Augenblick, bis Duo den eigentlichen Sinn von Heeros Worten verstand, und das schien ihn mehr als alles andere zu treffen.
"Du...hast....", begann er fassungslos und schlug eine Hand vor den Mund.
Heero sah das plötzlich Entsetzen in den Augen seines Partners und wollte einen Schritt auf ihn zugehen, als Duo zurückwich, den Kopf schüttelte und immer wieder murmelte:
"Nein, nein, das kannst du nicht gehört haben! Das geht nicht, das ist unmöglich!"
"Doch Duo!", erwiderte der japanische Junge aufgebracht. "Ich habe alles gehört, verstehst du, ALLES! Oh Gott, Duo......warum hast du es mir nicht gesagt? Wieso lässt du dir nicht helfen?"
Das Entsetzen in Duos Augen verwandelte sich abrupt in Kälte, als er wütend erwiderte:
"Ich brauche keine Hilfe, Yuy, und schon gar nicht von dir. Ich komme alleine damit klar!"
"Ach ja? Und warum hast du dann versucht, dich mit Deathscythe in die Luft zu jagen?"
Es dauerte einen kleinen Moment, bis Duo begriff, doch dann schoss er vor und gab Heero eine schallende Ohrfeige.
"DU hast es getan! DU hast das Selbstzerstörungssystem ausgeschaltet! Du MISTKERL!", presste er zitternd vor mühsam unterdrückter Wut zwischen den Zähnen hervor.
"Hätte ich zulassen sollen, dass du dich umbringst?! Hätte ich das, Maxwell?", erwiderte Heero jetzt ebenfalls wütend und funkelte den amerikanischen Jungen an.
"Es war eine Kurzschlussreaktion, Yuy! Nichts weiter. Mir geht es wirklich gut!"
"Das sehe ich, schon die ganze Zeit! Dir geht es wirklich prächtig!", schnaubte Heero verächtlich und handelte sich damit ein wütendes Fauchen Duos ein.
"Wenn du es wagen solltest, Yuy, irgendeinem der anderen Piloten etwas darüber zu erzählen", sagte er gefährlich ruhig. "Bringe ich dich um, hast du mich verstanden? Ich werde damit alleine klarkommen!"
Damit drehte sich Duo weg, marschierte aus dem Hangar und ließ einen verstörten Heero Yuy zurück.
Ich glaube ihm nicht! Ich glaube ihm das nicht! Was, wenn er versucht, sich etwas anzutun? Was, wenn er es letztendlich doch schafft, sich umzubringen? Das darf ich nicht zulassen!
Heero schüttelte widerwillig den Kopf. Er musste alle unwichtigen Gedanken aus seinem Gehirn vertreiben und sich dem Wichtigsten widmen, sich seiner neuen Mission widmen.
Und das war nun mal Duo.
Der japanische Pilot straffte seine Schultern, verließ ebenfalls den Hangar und brachte seine Sachen auf sein neues Zimmer. Während er die letzten Missionsberichte schrieb, kamen ihm immer wieder Gedanken über das Vergangene in den Sinn.
Jetzt verstehe ich alles! Seinen verängstigten Blick, seine Zurückhaltung, den Mord an dem Soldaten...alles! Oh Gott, Duo, wie kann ich dir nur helfen?,. fragte er sich zum bestimmt tausendsten Mal. Wie kann ich das ungeschehen machen, was sie dir angetan haben?
Gar nicht, erwiderte plötzlich die Stimme in seinem Kopf. Er wird nicht vergessen! Und er wird seine Erinnerungen mit ins Grab nehmen.
Wie meinst du das?, wollte Heero misstrauisch wissen und zog seinen Augenbrauen zusammen.
So wie ich es gesagt habe und nicht anders.
Na wunderbar.
Damit kappte Heero die Verbindung seines Laptops, stand auf und ging in den Salon, um den anderen Piloten einen Besuch abzustatten und mit Zechs zu sprechen.
Vor allem um mit Zechs zu sprechen, erinnerte ihn sein Geist. Oder kommt es dir nicht komisch vor, dass einer von OZ´ besten Männern plötzlich auf eurer Seite steht.
Nun, in gewisser Weise eigentlich nicht, aber so ganz traue ich ihm nicht.
Heero erreichte den Salon, trat ein und nickte kurz zur Begrüßung. Obwohl es mitten in der Nacht war, waren sie alle vollzählig anwesend. Alle, bis auf Duo, notierte Heero für sich und ein ungutes Gefühl überkam ihn. Ich muss das hier schnellstens hinter mich bringen und mich dem amerikanischen Piloten widmen, dachte er rational und wandte sich den übrigen Piloten zu.
"Was willst du, Zechs?", fragte er abrupt und der blonde Mann lächelte leicht.
"Ich habe euch geholfen. Ist das so schlimm?", fragte der mild.
"Hast du uns geholfen, weil du den Krieg beenden willst oder nur Wufei zuliebe?"
Zwei überraschte Köpfe fuhren ruckartig in Wufeis Richtung und Quatre fragte ungläubig:
"Zechs und du...ihr seid ein Paar?"
"Ja", erwiderte der chinesische Junge knapp und errötete leicht, was ein noch bezaubernderes Lächeln auf Zechs´ Gesicht erschienen ließ.
"Auf wessen Seite stehst du, Zechs?", fragte Heero kühl weiter.
"Auf Wufeis Seite", erwiderte dieser vollkommen ruhig. "Auf der richtigen Seite."
"Das heißt, du hilfst uns, den Krieg zu beenden."
"Ja, so gut ich es kann."
Heero nickte zum Zeichen seines Einverständnisses und wandte sich dann an den blonden Araber.
"Quatre, weißt du wo Duo ist?"
Der Sandrock-Pilot überlegte einen Augenblick und nickte dann.
"Er sagte, er wolle noch etwas spazieren gehen. Wieso fragst du?"
Weil er sich umbringen wollte, deshalb frage ich!, schrie eine Stimme in ihm. Oh Gott, wenn er alleine losgezogen ist, dann...
"Nur...nur so", brachte der japanische Pilot mühsam hervor, stand hastig auf und verließ den Salon ohne auf die entsetzten Gesichter hinter sich zu achten.
Gut....wenn ich Glück habe, und bei Gott, ich hoffe es, kann ich ihn noch abhalten, das zu tun! Mist, wie lange ist er schon da draußen?
Heero verließ das Gut und sah sich suchend um.
Jetzt erst einmal logisch denken, ermahnte er sich selbst. Wir sind in Schottland. Was für Möglichkeiten gäbe es, Duo zu finden. Und vor allen Dingen, wo?
Heero analysierte kurz die Umgebung und fand heraus, dass das Haus unweit von Klippen mitten in einem Waldstück errichtet worden war.
Er erinnerte sich daran, dass Duo ihm irgendwann einmal gesagt hatte, dass er solche Klippen liebe, schon alleine der Brandung wegen.
Ich HOFFE, dass ich ihn dort finde, betete Heero und schlich sich durch den Wald an die großen Felsgesteine heran.
Als er auf ungefähr fünf Meter herankommen war, sah er, wie eine zusammengekauerte Gestalt im Gras hockte.
DUO!, rief er innerlich völlig erleichtert. Und er lebt!
Heero warf einen Blick auf den schon türkisfarbenen Streifen am Horizont.
Die Sonne wird gleich aufgehen, dachte er und schlich sich noch näher an seinen Partner heran.
Schließlich nahe genug, sah er, dass Duo anscheinend einen Discman bei sich trug, Kopfhörer aufhatte und in voller Lautstärke ein Lied hörte.
Ich kenne dieses Lied, stellte Heero verwundert fest, und versuchte, den Text zu hören. Schließlich gelang es ihm über die rauschende Brandung hinweg ein paar Worte zu verstehen.
"You were fighting, everyday, so hard to hide the pain,
I know you never said good bye, I have so much left to say....", sang Heero unbewusst leise mit und näherte sich seinem Partner.
"One last song given to an angel's son, as soon as you were gone,
as soon as you were gone..."
Heero lief ein leichter Schauer über den Rücken. Er wusste, was das Lied bedeutete, was es Duo bedeutete. Der amerikanische Junge hatte ihm irgendwann einmal erläutert, warum er den Song so mochte. Es war die ganze Stimmung dieses Liedes, die ihm aus der Seele zu sprechen schien.
Heero hatte es damals als unwichtig abgetan, es als nutzlose Gefühle verbannt, doch nun verstand er. Jedes Wort, jede Zeile machte ihm den Schmerz, den Duo in sich trug, bewusst, sie offenbarten ihm die Qualen einer Seele, die nie erlöst wurde.
Heero stand einen Schritt von Duo entfernt, als er plötzlich sah, wie sich der Arm seines Gegenübers hob und....
Oh mein Gott, das ist eine Waffe!, realisierte Heero innerhalb von Sekundenbruchteilen und schoss vor.
Life is changing, I can't go on without you,
Rearranging, I will be strong, I'll stand by you
Duo glitt ein spöttisches Lächeln über die Lippen.
Natürlich...ich bin stark.....sicher....
Er war nicht stark, war es nie gewesen und nun stand er auf dem Trümmerhaufen seiner selbst. Er hatte sich immer eingeredet, Shinigami zu sein, doch was brachte es ihm letztendlich? Nichts, gar nichts. Er hatte versagt. Und das konnte er nicht wieder gut machen.
One last song, given to an angel's son, as soon as you were gone,
as soon as you were gone...
Wahrscheinlich komme ich nicht mal dahin.
Wieder ein bitteres Lächeln.
Ich bin verflucht. Schon mein ganzes verdammtes Leben lang.
Duo zögerte nur eine Sekunde, bevor er seine Waffe an die Schläfe hob und abdrückte.
Dass nichts passierte, realisierte Duo erst nach einigen Augenblicken und merkte dann jedoch, dass sehr wohl etwas anderes geschah. Die Waffe wurde von seiner Schläfe weggerissen und sanft aus seiner Hand genommen. Völlig perplex ließ der amerikanische Pilot los und wandte seinen Kopf nach rechts.
Und sah Heero. Während ihm immer noch das Lied in den Ohren schallte, sah er den Wingpiloten nur stumm an, nicht dazu fähig, sich in irgendeiner Weise zu rühren.
Schließlich war es Heero, der seinem Partner die Kopfhörer abnahm, den Discman ausschaltete und ihn neben der Waffe ins weiche Gras warf. Er kniete sich zu Duo und fragte leise:
"Warum, Duo, warum?"
Es dauerte einen kleinen Moment, bis Duo aus seiner Starre erwachte und schluckte.
"Geh, geh bitte, Heero. Ich...ich muss das zu Ende bringen."
Oh Gott, er soll gehen!, bat der amerikanische Junge verzweifelt in seinen Gedanken. Sonst schaffe ich es nicht! Wenn ich diese Augen noch einmal vor mir sehe, kann ich es nicht! Wenn ich diesen Blick auf mir spüre....
"Nein, das werde ich nicht!"
Dieser ruhige Satz, dieses Versprechen ließ Duo allen Widerstand vergessen und stürzte ihn wieder in die Tiefen seiner eigenen Qualen.
Ich will nicht, dass er so ist! Ich will kein Mitleid! Ich brauche es nicht! Ich darf es nicht brauchen! Habt Mitleid um mich, wenn ich tot bin, doch nicht JETZT!
Oh Gott, Heero, ich flehe dich an, GEH! Mach es mir nicht noch schwerer. Lass es mich doch einfach nur zu Ende bringen!
"Ich flehe dich an, Heero, geh", wisperte der amerikanische Junge verzweifelt und wandte seinen Kopf wieder zum Meer hinaus, damit Heero nicht die Tränen sah, die seinen Wangen hinunterliefen.
Für einen Moment war es ruhig, doch dann spürte Duo, wie der japanische Pilot sich neben ihm ins Gras setzte und ihn ruhig betrachtete.
"Warum willst du dich umbringen, Duo? Warum?", fragte er in einer vollkommen ungewohnt ruhigen Tonlage.
Der amerikanische Junge zuckte ob dieser Worte zusammen und brauchte einen Moment, um leise flüsternd hervorzubringen:
"Du kennst den Grund, hast ihn selbst gehört."
"Ja, das habe ich", erwiderte Heero ebenso leise. "Aber warum lässt du nicht zu, dass ich dir helfe?"
Duo schnaubte kurz und brachte dann mit schmerzlich verzogenen Lippen hervor:
"Du hasst mich, Heero. Wieso solltest du mir helfen wollen?"
Der japanische Pilot zuckte wie unter einem Schlag zusammen und fragte scharf:
"Wieso sollte ich dich hassen, Duo? Wie kommst du darauf."
Ein weiteres Schnauben.
"Weil ich schwach bin. Und du hasst Schwäche! Du bist der perfekte Soldat, der solche Gefühle nicht kennt!"
Heeros Augen weiteten sich um Millimeter, als Duo diese Worte aussprach. War es das, was der langhaarige Junge über ihn dachte? War das der Grund, warum er sich so kalt und abweisend ihm gegenüber benahm? Wollte er ihm etwa BEWEISEN, dass er stark war?
Heero überbrückte die Distanz zwischen ihnen ein wenig, indem er vorsichtig an den Deathscythepiloten heranrutschte und ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte.
"Duo....das stimmt nicht! Auf keinen Fall denke ich so von dir! Und ich bin nicht perfekt! Ich habe auch Schwächen! Ich akzeptiere die Schwächen anderer Leute, Duo! Ich akzeptiere DEINE Schwächen, hörst du!"
Duos Gesicht wandte sich vom Meer ab und ihm ruckartig zu, während ihm Tränen über die Wangen liefen und er hilflos zitterte.
Heero sah, wie der amerikanische Junge praktisch vor seinen Augen zerbrach und spürte nun ebenfalls dieses schreckliche Stechen in seiner Brust. Er wollte seinem Partner mit all seiner Kraft helfen, wusste aber nicht im Geringsten wie und wenn er es tatsächlich schaffte, mit welcher Dauer.
Duo sah ihm immer noch vollkommen verstört in die Augen und begann dann, sich leise hin und her zu wiegen, während er wieder und wieder die gleichen Phrasen murmelte:
"Ich bin schwach, ich bin schwach, du hasst mich...."
"Willst du das glauben, Duo? Damit du dich umbringen kannst?"
Der amerikanische Junge beachtete seinen Partner einfach nicht, sondern schüttelte nur abwesend den Kopf und murmelte die beiden Sätze vor sich hin, die Knie bis zur Brust hochgezogen ohne seine Bewegungen unterbrechend.
Oh mein Gott, dachte Heero entsetzt, als er die elende Gestalt vor sich betrachtete. Ich kann es nicht! Ich kann es einfach nicht! Wie soll ich, der von uns allen am Wenigsten in der Lage ist, menschliche Kontakte zu pflegen, Duo helfen, über die Vergewaltigung hinwegzukommen? Ich hab Angst, dass ich es nicht schaffe! Ich habe Angst, ohne ihn leben zu müssen!
Lass ihn deine Nähe spüren.
Heero zuckte zusammen. Die Stimme in seinem Kopf wieder.
Willst du dich wieder über mich lustig machen?, fragte er erbost und zog die Augenbrauen zusammen.
Nein, dieses Mal meine ich es ernst.
Aber wie....?
Das musst du selbst herausfinden.
Heero seufzte in sich hinein und rückte unauffällig noch ein Stück näher, während er leise und sanft Duos Namen flüsterte.
Als das nichts half, berührte er den amerikanischen Jungen an der Schulter, wohl das panische Zusammenzucken seines Gegenübers bemerkend und doch nicht zurückweichend.
"Keine Angst, Duo. Ich werde dir nicht wehtun. Ich möchte nur, dass du mit mir redest!"
Das leise Schluchzen steigerte sich in einen Weinkrampf.
"Reden.....tut weh!", brachte Duo völlig fertig hervor. "Daran denken tut weh! Und ich will keine Schmerzen mehr! Ich will, dass es aufhört!!"
"Duo...nein...nicht!", bat Heero sanft und verstärkte seinen Griff um die zitternden, schmalen Schultern seines Partners.
"Bitte....mach du es...töte du mich....!"
Duo sah auf und richtete seine Augen direkt auf Heeros stahlblaue. Das, was der japanische Pilot darin erkannte, war Hoffnung. Eine Hoffnung, die ihm Schauer über den Rücken jagte.
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das werde ich nicht tun", erwidert er nur scheinbar ruhig, jedoch innerlich fröstelnd.
Die Hoffnung in Duos Blick zerschlug sich und machte wieder der Verzweiflung Platz.
"Aber warum bist du dann hier? WARUM? Wenn du mir nicht helfen willst, wieso bist du mir nachgekommen, und hast mir die Waffe weggenommen?", fragte der langhaarige Junge bitter, sich nachlässig mit dem Handrücken über die Wangen wischend.
"Ich will dir helfen, darüber hinwegzukommen, Duo. Deshalb bin ich hier, nicht um dir Vorwürde zu machen!"
"Nein...nein...ich bin alleine...schwach...wertlos...niemand sorgt sich um mich....niemand", hauchte Duo und grub seine Nägel in seine Unterarme bis kleine Bluttropfen hervorquollen und die weiße vernarbte Haut hinunterliefen.
Heero sah es mit Schrecken und griff nach Duos Händen, hielt sie in einem eisernen Griff und sagte eindringlich:
"Hör auf! Das darfst du nicht, Duo! Hör auf, dich zu verletzen!"
"Nein! Der Schmerz...soll weg! Er soll raus aus mir!! Aber...aber ich schaffe es nicht...."
Heero bemerkte, wie ihm selbst eine winzige Träne seine Wange hinunterrann. Das war doch alles nicht möglich. Hier saß er nun, noch vor kurzer Zeit erfreut darüber, dass sein Partner noch lebte, doch jetzt absolut nicht wissend, wie er ihm helfen konnte. Zu sehen, wie ein Mensch direkt vor seinen Augen zerbrach, war selbst für ihn zuviel und machte ihn mehr fertig als es jede Folter der Welt konnte.
Spende ihm Trost.
Aber wie? Wie kann ich das?
Körperliche Nähe.
Heero zuckte zusammen. Er hatte so etwas noch nie getan und das aus gutem Grund. Er fürchtete sich vor den Gefühlen, die darauf folgten, wollte nicht, dass sie ihn angriffen. Doch jetzt war er gezwungen, dass zu tun. Um Duos Willen musste er es.
Der japanische Pilot überbrückte den letzten Abstand zwischen ihnen und schloss den zitternden Jungen in seine Arme. Er wiegte den zerbrechlichen Körper sanft hin und her, während er beruhigend flüsterte:
"Shhh....beruhige dich, Duo.....ich bin ja da...ich bin für dich da...alles wird gut..."
Heero kamen die Worte so falsch, so lächerlich vor, doch er wusste instinktiv, dass sie eine beruhigende Wirkung auf Duo hatten, so fuhr er weiter fort, den vor verzweifelten Schluchzern geschüttelten Körper des Jungen zu wiegen, bis die Schluchzer schließlich leiser wurden und zu immer noch über die Wangen laufenden Tränen versiegten.
Es dauerte einen Augenblick, bis Heero es wagte, die in diesem Moment wichtigste Frage zu stellen.
"Möchtest....möchtest du mit mir darüber sprechen..?", fragte er heiser und strich beruhigend über die seidigen Haare, als er merkte, dass Duo sich anspannte und wieder anfing zu schluchzen.
"Ich...möchte es nicht!!", bekam er heftig zur Antwort. "Aber....wenn ich es nicht mache, habe ich das Gefühl...daran zu ersticken...darin zu versinken...."
Duo krallte sich mit seinen Händen an Heeros Shirt fest, als er den Kopf an seiner Brust verbarg.
"Ich werde dir zuhören, Duo...."
Er spürte, wie Duo zusammenzuckte.
"Warum? Warum willst du mir zuhören, Heero? Warum hasst du mich nicht?"
Der japanische Pilot stockte. Warum ich ihn nicht hasse?
Vielleicht weil du ihn liebst?
Was soll ich? Ihn lieben? Aber...aber das geht doch nicht...ich bin...
Der perfekte Soldat? Das warst du vielleicht einmal, bevor er sich in dein Herz geschlichen hat, mein Lieber. Du liebst ihn und merkst es nicht, weil du dieses Gefühl nie kennengelernt hast!
Aber...ich kann es ihm doch nicht sagen...nicht jetzt...nicht nachdem ihm so etwas angetan wurde!
Heero hätte schwören können, dass die Stimme in ihm mit den Schultern zuckte.
Wer weiß, das musst du selbst herausfinden....
Der japanische Pilot seufzte innerlich und richtete seinen Blick wieder auf die zusammengekauerte Gestalt in seinen Armen.
"Duo...", begann er, noch nicht fähig, das auszusprechen, was er eigentlich für den amerikanischen Jungen empfand.
"Ich...", setzte er erneut an, dieses Mal sicherer. "Du bist mir sehr wichtig, Duo. Und deshalb will ich nicht, dass du leidest!"
Der amerikanische Junge sah auf und ihn mit rotgeränderten, tiefblauen Augen stumm an. Dann senkte er den Blick und schien mit sich selbst zu ringen. Schließlich schloss er seine saphirgleichen Augen wieder, verkrampfte sich merklich und begann mit leiser, stockender Stimme zu erzählen:
"Ich....ich...hatte nicht damit gerechnet...dass es Schwierigkeiten geben würde auf der Mission...es schien alles so...normal...so routiniert...doch dann waren sie plötzlich da...eine ganze Abteilung...ich hatte keine Chance..."
Duo stockte für einen Augenblick, als sammle er die Kraft zum Weitersprechen und fuhr dann fort:
"Sie...haben mich gefangengenommen und in eine Zelle gesteckt...es war so dunkel dort, Heero....ich habe doch Angst im Dunkeln....ich...ich weiß nicht, wieviel Zeit schon vergangen war, als...als plötzlich die Tür aufging..."
Heero bemerkte, wie sich das Zittern von Duos zerbrechlichem Körper beinahe ins Unermessliche steigerte. Er wiegte seinen Partner stumm um ihn so etwas zu beruhigen.
"Ich....ich...musste wohl eingeschlafen sein...denn ich hab ihn erst bemerkt, als er in der Zelle stand...und plötzlich...war es so gleißend hell....ich konnte sehen, wie er mich anstarrte...einfach nur anstarrte..."
Duo stockte wieder und Heero konnte genau die Qualen in seinem Gesicht erkennen, als er sich an das Vergangene erinnerte. Als der langhaarige Junge weitersprach, waren seinen Augen weit aufgerissen.
"Ich...ich...wusste nicht, was ich davon halten sollte...und...und bevor ich reagieren konnte kam er auf mich zu und...und....schlug mich...solange...bis ich dachte, dass ich sterben würde....dann...hörte er auf...ich weiß, dass ich versucht habe mich aufzurichten, um zu sehen, was er jetzt vorhatte, doch dann...hat er mich auf den Bauch gedreht...ich habe versucht, gegen ihn zu kämpfen, Heero, wirklich, ich wollte es nicht...doch er war stärker als ich und...und hat....hat mich...."
Duo würgte, nicht in der Lage dieses eine Wort auszusprechen, so fügte Heero leise ein:
"Er hat dich vergewaltigt."
Ein konvulsivisches Zittern durchfuhr den amerikanischen Piloten, als er seine Hände auf den Mund legte, um einen gepeinigten Schmerzensschrei zu unterdrücken. Heero zog seinen Partner beruhigend noch enger an sich und wiegte ihn weiter sanft hin und her, während er beschwichtigend murmelte:
"Shh...es ist okay. Er ist tot und kann dir nichts mehr tun, Duo."
"Er...", wurde Heero heftig von Duo unterbrochen. "Er...als er in mich eingedrungen ist....es tat so weh, Heero, es hat mich zerrissen...ich dachte...ich müsste sterben....er hat immer wieder zugestoßen...immer wieder...bis er dann schließlich..."
Heero hatte langsam das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Er sah den zerbrochenen Jungen vor sich, sah das, was man ihm angetan hatte, und fühlte sich vollkommen hilflos. Er wollte diese Schweine dafür büßen lassen, dass sie ihm so etwas angetan hatten, wollte alle von ihnen töten, und konnte es nicht. Er ballte eine Hand vor hilfloser Wut zur Faust, als Duo wieder weitersprach:
"Ich....dachte...er wäre fertig...doch dann drehte er mich um...und...und fragte...ob es mir gefallen hätte...ob...es seinem kleinen Spielzeug...gefallen hätte...seiner Hure....Heero, es hat mir nicht gefallen, niemals, das musst du mir glauben!!!", warf er verzweifelt ein und der japanische Pilot nickte geschockt.
"Duo...ich glaube es dir, jedes Wort", erwiderte er sanft und schloss Duo noch beschützender in seine Arme.
"Ich...ich...habe versucht, ihn wegzustoßen...ihn anzugreifen....doch...er war stärker...und hat mich auf den Boden geschleudert...er hat gelacht und gefragt...ob ich noch nicht genug hätte...und dann...und dann...hat er...hat er mich nocheinmal...ich weiß nicht...wie oft er sich...an mir ..vergangen hat...bevor...er endlich genug hatte und mich auf dem kalten Steinboden liegen ließ...", presste Duo mühsam hervor und schluchzte verzweifelt.
"Ich wollte sterben, Heero!! Ich konnte diesen Schmerz...diese Leere nicht ertragen...ich bin wertlos...das hat er mir immer wieder gesagt...wertlos und sein Spielzeug, seine Hure..."
Heero bemerkte, wie eine weitere Träne seine Wange hinunterlief.
"Duo..."
Doch der amerikanische Junge unterbrach ihn hastig:
"Ich weiß nicht, wie lange ich dort auf dem Boden lag...bevor ich...bevor...ich mich wieder angezogen habe...und...und zur Pritsche gekrochen bin...bis...bis sie dann kamen..."
Wieder zögerte Duo, bevor er stockend und leise weitersprach:
"Sie brachten mich zu Treize...in seine Privatgemächer...er begrüßte mich freundlich...bat mir einen Stuhl an...und fragte, wie es mir ginge. Ich konnte kaum aufrecht laufen, mein ganzer Körper schmerzte, ich blutete, und er fragte mich, wie es mir ginge. Er begann ein Gespräch, fragte mich unwichtige Dinge, ließ mich ruhiger werden. Dann fragte er, woher ich die Blutergüsse hätte...ich sagte ihm...von einem seiner Offiziere. Er...fragte mich, warum ich mich nicht gewehrt hätte...ich wusste nicht, was ich ihm darauf antworten sollte, so stand er auf...ging um mich herum...bevor ich reagieren konnte, hat er mich hochgezogen...und...und mir mein Shirt vom Körper gerissen. Ich war so perplex...ich habe gar nicht realisiert, dass er einen Strick genommen hat und mich..."
Duo stockte erneut, suchte nach den richtigen Worten.
"Er sagte zu mir...dass...dass...Ungehorsam bestraft werden müsse...und..."
Heero wartete einen Moment, bis das Zittern nachgelassen hatte und fragte dann sanft:
"Was hat er dir angetan, Duo?"
Doch der amerikanische Junge antwortete nicht. Er rückte nur ein wenig aus der engen Umarmung, nestelte an dem schwarzen Stoff seines Shirts, knöpfte es schließlich auf und ließ es zu Boden gleiten.
"Duo?", fragte Heero stirnrunzelnd, doch der Deathscythepilot drehte sich von ihm weg und zeigte ihm seinen Rücken. Und mit ihm das rote Narbengeflecht, das sich ganz darüber zog.
Heero keuchte entsetzt auf und flüsterte bestürzt.
"Er...hat dich ausgepeitscht?!"
Duo nickte fast unmerklich, den Blick immer noch starr zu Boden gewandt, nicht den Mut dazu habend, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen.
Heero fuhr sacht eine der kaum verheilten Narben nach und schluckte. Dann nahm er den schwarzen Stoff hoch, legte ihn Duo um die Schultern und ließ ihm Zeit, sich wieder anzuziehen.
Es brauchte einen Moment, bis Duo sich wieder soweit gefangen hatte, dass er weitersprechen konnte.
"Es...es tat so weh...doch ich hoffte, dass er es dabei belassen würde....dass er nicht auch noch...doch als er aufhörte, löste er die Fesseln...und zog mich zum Bett, wo er...wo er....Oh Gott, Heero, es tat so weh! Und alles war voller Blut!! Ich dachte, ich müsste sterben und ich wollte es!!", schluchzte Duo verzweifelt und krallte sich hilfesuchend an dem japanischen Jungen fest, immer wieder durch Weinkrämpfe geschüttelt.
Heero presste seinen Partner fest an sich und murmelte leise beruhigende Phrasen.
Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt, noch nie hatte er einen stärkeren Drang verspürt, jemanden mit der ganzen Kraft seines Körpers und seines Herzens zu beschützen, noch nie hatte er so starke Zuneigung und Liebe zu einem Menschen verspürt.
"Shht...Duo, es ist gut. Du bist in Sicherheit und die Beiden sind tot. Sie werden dir nichts mehr antun!", redete er beruhigend auf die zitternde Gestalt in seinem Armen ein.
"Aber sie kommen in meinen Träumen zu mir und lassen mich das alles noch mal erleben! Ich halte das nicht mehr aus, Heero! Ich kann diese Schmerzen nicht mehr ertragen! Ich will nicht mit diesen Erinnerungen leben!", fuhr Duo verzweifelt auf.
"Es gibt aber keine andere Möglichkeit, Duo. Du musst lernen, damit zu leben und damit umzugehen. Lass es hinter dir, überwinde es. Ich werde dir dabei helfen, Duo, das verspreche ich dir!"
Der bezopfte Junge sah auf und ihm direkt in die Augen. Heero bemühte sich, dem angst- und entsetzensdurchsetzten Blick standzuhalten und strich seinem Partner sanft eine der kastanienbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"Warum?", flüsterte Duo fast lautlos. "Warum machst du das für mich? Warum wendest du dich nicht ab? Ich bin wertlos, beschmutzt..."
"Nein!", schnitt Heero seinem Partner abrupt das Wort ab. "Das bist du niemals, Duo! Ganz im Gegenteil, hörst du! Du bist das Wertvollste, was ich je kennengelernt habe! Du bist für mich das Wichtigste, was es gibt auf der Welt! Und daran wird DAS nichts ändern, hörst du!"
Die violett-blauen Augen hüllten sich in Unglauben und Duo rückte etwas von Heero ab.
"Meinst...meinst du das wirklich ernst, Heero?", flüsterte Duo beinahe verzweifelt und der japanische Pilot nickte lächelnd.
"Ernster als alles, was ich je gesagt habe, Duo."
Einen Moment lang herrschte Stille, in der sich die Blicke der beiden Piloten ineinander verfingen, doch dann flüsterte Heero leise:
"Ich möchte, dass du mir etwas versprichst, Duo, und dass du dieses Versprechen auch hältst."
Duo sah ihn mit tränenbenetzten Wangen an und fragte:
"Was soll ich dir versprechen?"
"Ich will, dass du mir dein Wort gibst zu leben! Ich will, dass du versuchst, damit fertigzuwerden und ein neues Leben zu beginnen. Ich will, dass du mir versprichst, nie wieder zu versuchen, dich umzubringen!"
Einen Augenblick lang herrschte gespannte Stille und Heero hatte schon die panische Befürchtung, Duo würde ihm diese Bitte ausschlagen, doch nach einer schier endlosen Zeit hob der amerikanische Junge seinen Blick, sah Heero fest in die Augen und hauchte:
"Ich verspreche es dir. Ja, ich verspreche es dir. Aber sag mir eins. Warum?"
Heeros Herz machte bei diesen Worten beinahe einen Satz und er lächelte, dann besann er sich auf Duos Frage und sah in das vom Sonnenaufgang blutrot angestrahlte Gesicht seines Partners.
Zum ersten Mal hörte er nun bewusst die Geräusche der Natur um sie herum: das sanfte Rauschen des Meeres unter ihnen, das Rascheln der Blätter neben ihnen, der Gesang der ersten Vögel. Und all dies schien ihm sagen zu wollen:
Los, mach schon, sag es ihm.
Heero überwand seine Angst vor Duos Ablehnung, nahm sein Gesicht sanft in beide Hände und zog es zu sich heran.
Er hauchte einen stillen Kuss auf Duos Lippen und flüsterte behutsam:
"Weil ich dich liebe, Duo. Weil ich dich mehr als alles auf der Welt liebe!"
Dann rückte er wieder etwas von ihm ab und suchte nach Anzeichen von Entsetzen im Gesicht seines Partners. Und fand nur eine einzige Träne, die langsam Duos Wange hinunterlief.
"Ist das wirklich war?", flüsterte der langhaarige Junge bewegt, lächelte dann und schloss seine Arme um den japanischen Piloten.
Heero erwiderte die Umarmung zärtlich und sah dann in das wundervolle Farbenspiel des Sonnenaufgangs, einen weiteren stillen Kuss auf das seidig weiche Haar seines Freundes hauchend.
Was war mit dem Piloten los, dass er mitten im Kampf einfach stockte, sich schutzlos dem Gegner auslieferte?
Und dann passierte es auch. Tallgeese II fuhr seine Energie hoch und ein gleißender Lichtstrahl umhüllte Deathscythe.
Heeros Augen weiteten sich vor Schock und er bemerkte kaum seinen eigenen verzweifelten Schrei.
Nein, NEIN! Das....das kann nicht sein....Duo...kann doch nicht..... Sein Gehirn weigerte sich den Gedanken weiterzudenken, doch insgeheim wusste Heero, dass es keine Möglichkeit gab, dieser Energiemenge lebend zu entkommen. Sie würde Deathscythe in Stücke reißen, einfach so, sie in Millionen kleinster Partikelchen zersprengen, nichts, aber auch gar nichts von seinem Partner übriglassen, sie....
HÖR VERDAMMT NOCHMAL AUF!, fuhr Heero seinen Geist außer sich vor Wut an. Ich AKZEPTIERE Duos Tod nicht, niemals! Das kann nicht sein, das ist nur ein Traum!
Die leise Hoffnung in ihm verflüchtigte sich, verschwand schließlich ganz, als Heero rationaler Verstand siegte und ihm kühl sagte:
Du bist ein Soldat, und Soldaten müssen damit rechnen, die Menschen, die sie gern haben, im Krieg zu verlieren. Du wurdest so erzogen, du DARFST dir das nicht zu Herzen nehmen. Er war nur ein entbehrlicher Mensch, nichts weiter. Ein Pilot, den man ersetzen kann. Jeder ist ersetzbar, Heero, jeder!
NEIN! Nein, verdammt noch mal, nein! Das geht nicht! Er ist nicht ersetzbar! Er.....ich....ich hätte ihn niemals auf diese Mission schicken sollen! Ich hätte wissen müssen, dass er so reagiert! Gott, nein, das ist alles meine Schuld! MEINE SCHULD! Duo...wie soll es jetzt weitergehen? WIE?
Das beißend weiße Licht wurde schwächer und gab den Blick auf den Kampfplatz wieder frei. Heero sah das Monster, das seinen Partner getötet hatte dort stehen und grenzenlose, unbändige Wut füllte seinen Blick.
"Du SCHEIßKERL! SCHWEIN! Ich töte dich!", brüllte er wutentbrannt und stürzte sich auf Tallgeese II.
"Überlass ihn mir."
"NEIN!", zischte Heero wütend und wollte zu einem Angriff ansetzen, als er stockte.
"Ich sagte, du sollst ihn mir überlassen!"
Heeros Finger flogen hastig über seine Steuerung als er sich zur Seite drehte und zwei Gundams erblickte.
Du träumst, das ist ein Trugbild! Er kann es nicht sein. Er ist TOT! Du wirst verrückt, Heero!
Nein, nein, das ....das stimmt nicht...kann einfach nicht stimmen....auch wenn ich es mir wünsche...auch wenn....
"Heero, mach den verdammten Weg frei und lass mich das erledigen!"
"DUO?!", brachte er nun endlich krächzend hervor. "Wie?!"
"Durch mich", schaltete sich eine andere Stimme ein und Heero zuckte zusammen.
Einen Moment war es still, bevor Wufei als einziger lächelte und sagte:
"Zechs, wie schön, dass du auch kommen konntest."
"Zechs?!", bekam er dreistimmig zur Antwort, was jedoch durch Duos abruptes Aufbrechen in Treizes Richtung unterbrochen wurde.
*
Duo hatte gesehen, wie ein unbändiger, weißer Energiestrahl auf ihn zukam, unfähig, sich in irgendeiner Weise zu bewegen.
Es ist vorbei, dachte er, nicht die Gefahr realisierend und schloss seine Augen, als er plötzlich spürte, wie ihn etwas zur Seite und somit von der tödlichen Energiewelle wegzog. Er fuhr ruckartig hoch und keuchte entsetzt auf.
Tallgeese?! Wie...wie war das möglich? Er...er war doch zerstört worden...und auch wenn...wer zur Hölle war sein Pilot?!
Und jetzt stürzte sich auch noch Heero auf Kushrenada. Das musste er auf jeden Fall verhindern! Duo checkte fliegend alle Funktionen und seufzte.
Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung. Eine kleine Welle an Energie hatte seine Deathscythe getroffen und somit einige Instrumente schwer beschädigt.
Aber nicht die wirklich Wichtigen!, dachte er grimmig und stürzte sich nach vorne. Sein Energielimit war noch lange nicht erreicht, also konnte er noch eine Weile weiterkämpfen!
Seine Unsicherheit war etwas anderem, viel Machtvollerem gewichen: unbändigem Hass auf die Kreatur, die ihm das angetan hatte. Und dieser Hass trieb ihn nun wie Ambrosia an, nährte ihn, beflügelte ihn, bis er schließlich sein Ziel erreichte und Tallgeese II durch einen gezielten Stoß bewegungsunfähig machte.
Duos lächelte grausam, seinen leeren Blick auf das Ziel vor sich richtend und es nicht einen Moment aus den Augen lassend.
Jetzt, genau jetzt ist es mein Spiel! Jetzt bestimme ich die Regeln und niemand anders!
Duo hob seine Sense, ließ sie durch die Luft schwingen und köpfte den Gundam mit einem Ruck. Doch damit nicht genug, er powerte seine Energiesequenzen hoch und schoss eine gewaltige Salve auf seinen Gegner ab.
*
Heero sah nur, wie Duo Tallgeese II nun mit seiner Energie einhüllte, hörte einen Moment später das vertraute metallische Knacken zerberstenden Gundaniums und sah, wie sich der feindliche Gundam in Abermillionen kleiner Teilchen auflöste. Und sein Pilot mit ihm.
*
Duo atmete schwer. Er...er hatte es getan...er hatte Kushrenada getötet. Er hatte sich gerächt...doch...doch warum fühlte er sich dann so elend? War das der Nachgeschmack der Rache? Und wieso war er nicht süß? Wieso nicht, er hatte sich doch gerächt!
Er ballte die Hände zu Fäusten und ließ sie blind auf sein Armaturenbrett niederfahren.
Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr!, dachte er verzweifelt. Wieso hört es denn nicht auf? Wieso, Gott? Wird er mich denn noch bis zu meinem Tod verfolgen?
Duos Blick verschleierte sich, er merkte kaum, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
Wenn...wenn es nichts hilft, dann bleibt mir nur noch eine Möglichkeit....nur noch eine...
Wie unter Zwang straffte er sich, gab den Zugangscode für seine Selbstzerstörung ein, wartete einen Moment und drückte dann den kleinen, vertraulich roten Knopf.
Heero stand da, immer noch bewegungsunfähig. Das, was er gerade erlebt, was er gehört hatte, schockte ihn zutiefst.
Das...das war es also gewesen...
Heero schluckte die Übelkeit herunter, die in ihm aufstieg.
Wie...wie kann man einem Menschen so etwas antun...? Selbst in diesen Zeiten.....
Er richtete seinen Blick wieder auf die Com-Unit neben sich und sah, wie Duo den fünfstelligen Zahlencode für die Selbstzerstörung eingab.
Duo....warum?, fragte er den amerikanischen Piloten stumm. Warum willst du nicht, dass wir dir helfen?
Duo drückte den roten Knopf und Heero schloss die Augen.
Als Duo mit seinem...mit ihm gekämpft hatte, hatte er nichts gesagt, nichts, bis auf einen Satz.
Heero zuckte zusammen, als er an die hasserfüllten Worte dachte, die sein Partner dem OZ-General entgegengeschleudert hatte. Er war sich sicher, dass die anderen es nicht gehört hatten, da Duo von sich aus die Kommunikation abgebrochen hatte. Er selbst hatte sich jedoch unbemerkt in Duos Com-Unit eingeloggt und den Kampf mitverfolgt.
Und nicht nur das, dachte Heero bitter, als er den Blick wieder auf den amerikanischen Jungen richtete. Warum lässt du dir nicht helfen, Duo? Warum vertraust du uns nicht, fragte er sich wieder und wieder.
Der japanische Pilot bemerkte, wie sich der Blick seines Partners verdunkelte, sich mit Hass füllte und er einen hilflosen Fluch ausstieß, während ihm Tränen über die Wangen liefen.
Der gleiche Gesichtsausdruck, notierte Heeros Geist abwesend. Diese ohnmächtige Wut, die Enttäuschung, dass es nun doch nicht vorbei ist, dass das Gefühl nicht verschwindet.
Und plötzlich leuchteten wie eingebrannt Duos Worte in seinem Kopf.
"Du hättest mich töten sollen, nachdem du mich gefickt hast!"
Hatte er dem General höhnisch entgegengeschleudert, bevor er ihm den Rest gab und zufrieden auf Kushrenadas Schrei lauschte.
Heero schlug plötzlich eine Hand vor den Mund, als ihm die Tragweite dieser Worte klar wurde. Er erstickte das Entsetzen, das sich seinen Weg nach draußen bahnen wollte und zwang sich, ruhig und klar zu denken. Es würde niemandem nützen, wenn er selbst die Kontrolle verlor, denn jeden Augenblick konnte Verstärkung von OZ´ Seite kommen und sie vernichtend schlagen.
Auch Wufei hatte den Ernst der Lage erkannt und rief kühl:
"Wollt ihr hier noch länger bleiben und euch von OZ gefangennehmen lassen? Los jetzt, wir müssen abhauen!"
Zustimmendes Brummen war die Antwort, doch Heero stockte kurz.
"Duo! Komm! Wir müssen hier weg!"
"Ach, müssen wir das?"
Heero erstarrte. Diese Gleichgültigkeit in Duos Stimme. Er sah die absolut leeren Augen vor sich und straffte sich entschlossen.
"Oder willst du dich wieder von OZ verhaften lassen?", fragte er und legte soviel Betonung in diesen Satz, dass Duo unmöglich überhören konnte, dass er es wusste.
Keine Antwort.
Mein Gott, DUO! Ich weiß, dass du gerade versucht hast, dich umzubringen! ICH WEIß ES! Und es bricht mir das Herz, dich so zu sehen, geschlagen, kraftlos! Ich will dir helfen! Und werde dir helfen, darauf kannst du dich verlassen!, schwor er sich insgeheim.
"Quatre, Trowa, ihr müsst Deathscythe stützen, Duo hat nicht mehr genug Energie für einen Flug!", befahl er den beiden Piloten knapp und fuhr dann selbst seine Sequenzen hoch.
Duo leistet überhaupt keinen Widerstand. Er saß in seinem Cockpit und starrte apathisch vor sich hin, immer noch nicht begreifend, warum diese Leere, diese Wut, dieser Hass nicht verschwanden. Er hatte sich doch gerächt, da....da musste ...es doch.....
Die sechs Piloten stießen sich vom Boden ab, um kurz darauf in die Atmosphäre einzutreten und Richtung Erde zu fliegen, wo sie schließlich im versteckten Hangar des Winner estates andockten und ihre Gundams verließen.
Während Heero aus seinem Gundam stieg, sah er, wie Duo mit leeren Blick in Richtung Gebäude ging und folgte ihm hastig.
"Duo!", rief er und der amerikanische Pilot blieb stehen.
"Was willst du?", fragte er tonlos.
Heero blieb für einen Moment still.
Was sollte er Duo sagen? `Ich habe gehört, was du zu Kushrenada gesagt hast´? Nein, das wäre nicht gut. Aber was denn dann?
"Wolltest du noch irgendetwas, Yuy oder kann ich jetzt gehen?", unterbrach Duos immer noch ausdruckslose Stimme seine Gedankengänge.
"Nein, bleib!", sagte Heero unsicher und zog sich damit die überraschten Blicke der restlichen Anwesenden zu. Er wandte sich an die vier Piloten und sagte leise:
"Würdet ihr uns bitte alleine lassen."
Er sah, wie ihn vier überraschte Blicke trafen und fügte hinzu:
"Ich habe noch etwas zu regeln. Mit dir spreche ich dann später, Zechs!"
Damit drehte er sich von den Piloten weg und Duo zu, der ihm mit einem steinernen Blick musterte.
Als sie alleine waren, begann Heero sanft:
"Ich...habe deine Kommunikation während des Gefechtes mitgehört, Duo...."
Ein zweifelnder Blick traf ihn.
"Kannst du gar nicht, Yuy, ich habe sie abgeschaltet."
"Ich habe dagegen dementsprechende Vorkehrungen getroffen, sodass ich die ganze Zeit Audio- und Videokontakt mit dir hatte."
Es dauerte einen Augenblick, bis Duo den eigentlichen Sinn von Heeros Worten verstand, und das schien ihn mehr als alles andere zu treffen.
"Du...hast....", begann er fassungslos und schlug eine Hand vor den Mund.
Heero sah das plötzlich Entsetzen in den Augen seines Partners und wollte einen Schritt auf ihn zugehen, als Duo zurückwich, den Kopf schüttelte und immer wieder murmelte:
"Nein, nein, das kannst du nicht gehört haben! Das geht nicht, das ist unmöglich!"
"Doch Duo!", erwiderte der japanische Junge aufgebracht. "Ich habe alles gehört, verstehst du, ALLES! Oh Gott, Duo......warum hast du es mir nicht gesagt? Wieso lässt du dir nicht helfen?"
Das Entsetzen in Duos Augen verwandelte sich abrupt in Kälte, als er wütend erwiderte:
"Ich brauche keine Hilfe, Yuy, und schon gar nicht von dir. Ich komme alleine damit klar!"
"Ach ja? Und warum hast du dann versucht, dich mit Deathscythe in die Luft zu jagen?"
Es dauerte einen kleinen Moment, bis Duo begriff, doch dann schoss er vor und gab Heero eine schallende Ohrfeige.
"DU hast es getan! DU hast das Selbstzerstörungssystem ausgeschaltet! Du MISTKERL!", presste er zitternd vor mühsam unterdrückter Wut zwischen den Zähnen hervor.
"Hätte ich zulassen sollen, dass du dich umbringst?! Hätte ich das, Maxwell?", erwiderte Heero jetzt ebenfalls wütend und funkelte den amerikanischen Jungen an.
"Es war eine Kurzschlussreaktion, Yuy! Nichts weiter. Mir geht es wirklich gut!"
"Das sehe ich, schon die ganze Zeit! Dir geht es wirklich prächtig!", schnaubte Heero verächtlich und handelte sich damit ein wütendes Fauchen Duos ein.
"Wenn du es wagen solltest, Yuy, irgendeinem der anderen Piloten etwas darüber zu erzählen", sagte er gefährlich ruhig. "Bringe ich dich um, hast du mich verstanden? Ich werde damit alleine klarkommen!"
Damit drehte sich Duo weg, marschierte aus dem Hangar und ließ einen verstörten Heero Yuy zurück.
Ich glaube ihm nicht! Ich glaube ihm das nicht! Was, wenn er versucht, sich etwas anzutun? Was, wenn er es letztendlich doch schafft, sich umzubringen? Das darf ich nicht zulassen!
Heero schüttelte widerwillig den Kopf. Er musste alle unwichtigen Gedanken aus seinem Gehirn vertreiben und sich dem Wichtigsten widmen, sich seiner neuen Mission widmen.
Und das war nun mal Duo.
Der japanische Pilot straffte seine Schultern, verließ ebenfalls den Hangar und brachte seine Sachen auf sein neues Zimmer. Während er die letzten Missionsberichte schrieb, kamen ihm immer wieder Gedanken über das Vergangene in den Sinn.
Jetzt verstehe ich alles! Seinen verängstigten Blick, seine Zurückhaltung, den Mord an dem Soldaten...alles! Oh Gott, Duo, wie kann ich dir nur helfen?,. fragte er sich zum bestimmt tausendsten Mal. Wie kann ich das ungeschehen machen, was sie dir angetan haben?
Gar nicht, erwiderte plötzlich die Stimme in seinem Kopf. Er wird nicht vergessen! Und er wird seine Erinnerungen mit ins Grab nehmen.
Wie meinst du das?, wollte Heero misstrauisch wissen und zog seinen Augenbrauen zusammen.
So wie ich es gesagt habe und nicht anders.
Na wunderbar.
Damit kappte Heero die Verbindung seines Laptops, stand auf und ging in den Salon, um den anderen Piloten einen Besuch abzustatten und mit Zechs zu sprechen.
Vor allem um mit Zechs zu sprechen, erinnerte ihn sein Geist. Oder kommt es dir nicht komisch vor, dass einer von OZ´ besten Männern plötzlich auf eurer Seite steht.
Nun, in gewisser Weise eigentlich nicht, aber so ganz traue ich ihm nicht.
Heero erreichte den Salon, trat ein und nickte kurz zur Begrüßung. Obwohl es mitten in der Nacht war, waren sie alle vollzählig anwesend. Alle, bis auf Duo, notierte Heero für sich und ein ungutes Gefühl überkam ihn. Ich muss das hier schnellstens hinter mich bringen und mich dem amerikanischen Piloten widmen, dachte er rational und wandte sich den übrigen Piloten zu.
"Was willst du, Zechs?", fragte er abrupt und der blonde Mann lächelte leicht.
"Ich habe euch geholfen. Ist das so schlimm?", fragte der mild.
"Hast du uns geholfen, weil du den Krieg beenden willst oder nur Wufei zuliebe?"
Zwei überraschte Köpfe fuhren ruckartig in Wufeis Richtung und Quatre fragte ungläubig:
"Zechs und du...ihr seid ein Paar?"
"Ja", erwiderte der chinesische Junge knapp und errötete leicht, was ein noch bezaubernderes Lächeln auf Zechs´ Gesicht erschienen ließ.
"Auf wessen Seite stehst du, Zechs?", fragte Heero kühl weiter.
"Auf Wufeis Seite", erwiderte dieser vollkommen ruhig. "Auf der richtigen Seite."
"Das heißt, du hilfst uns, den Krieg zu beenden."
"Ja, so gut ich es kann."
Heero nickte zum Zeichen seines Einverständnisses und wandte sich dann an den blonden Araber.
"Quatre, weißt du wo Duo ist?"
Der Sandrock-Pilot überlegte einen Augenblick und nickte dann.
"Er sagte, er wolle noch etwas spazieren gehen. Wieso fragst du?"
Weil er sich umbringen wollte, deshalb frage ich!, schrie eine Stimme in ihm. Oh Gott, wenn er alleine losgezogen ist, dann...
"Nur...nur so", brachte der japanische Pilot mühsam hervor, stand hastig auf und verließ den Salon ohne auf die entsetzten Gesichter hinter sich zu achten.
Gut....wenn ich Glück habe, und bei Gott, ich hoffe es, kann ich ihn noch abhalten, das zu tun! Mist, wie lange ist er schon da draußen?
Heero verließ das Gut und sah sich suchend um.
Jetzt erst einmal logisch denken, ermahnte er sich selbst. Wir sind in Schottland. Was für Möglichkeiten gäbe es, Duo zu finden. Und vor allen Dingen, wo?
Heero analysierte kurz die Umgebung und fand heraus, dass das Haus unweit von Klippen mitten in einem Waldstück errichtet worden war.
Er erinnerte sich daran, dass Duo ihm irgendwann einmal gesagt hatte, dass er solche Klippen liebe, schon alleine der Brandung wegen.
Ich HOFFE, dass ich ihn dort finde, betete Heero und schlich sich durch den Wald an die großen Felsgesteine heran.
Als er auf ungefähr fünf Meter herankommen war, sah er, wie eine zusammengekauerte Gestalt im Gras hockte.
DUO!, rief er innerlich völlig erleichtert. Und er lebt!
Heero warf einen Blick auf den schon türkisfarbenen Streifen am Horizont.
Die Sonne wird gleich aufgehen, dachte er und schlich sich noch näher an seinen Partner heran.
Schließlich nahe genug, sah er, dass Duo anscheinend einen Discman bei sich trug, Kopfhörer aufhatte und in voller Lautstärke ein Lied hörte.
Ich kenne dieses Lied, stellte Heero verwundert fest, und versuchte, den Text zu hören. Schließlich gelang es ihm über die rauschende Brandung hinweg ein paar Worte zu verstehen.
"You were fighting, everyday, so hard to hide the pain,
I know you never said good bye, I have so much left to say....", sang Heero unbewusst leise mit und näherte sich seinem Partner.
"One last song given to an angel's son, as soon as you were gone,
as soon as you were gone..."
Heero lief ein leichter Schauer über den Rücken. Er wusste, was das Lied bedeutete, was es Duo bedeutete. Der amerikanische Junge hatte ihm irgendwann einmal erläutert, warum er den Song so mochte. Es war die ganze Stimmung dieses Liedes, die ihm aus der Seele zu sprechen schien.
Heero hatte es damals als unwichtig abgetan, es als nutzlose Gefühle verbannt, doch nun verstand er. Jedes Wort, jede Zeile machte ihm den Schmerz, den Duo in sich trug, bewusst, sie offenbarten ihm die Qualen einer Seele, die nie erlöst wurde.
Heero stand einen Schritt von Duo entfernt, als er plötzlich sah, wie sich der Arm seines Gegenübers hob und....
Oh mein Gott, das ist eine Waffe!, realisierte Heero innerhalb von Sekundenbruchteilen und schoss vor.
Life is changing, I can't go on without you,
Rearranging, I will be strong, I'll stand by you
Duo glitt ein spöttisches Lächeln über die Lippen.
Natürlich...ich bin stark.....sicher....
Er war nicht stark, war es nie gewesen und nun stand er auf dem Trümmerhaufen seiner selbst. Er hatte sich immer eingeredet, Shinigami zu sein, doch was brachte es ihm letztendlich? Nichts, gar nichts. Er hatte versagt. Und das konnte er nicht wieder gut machen.
One last song, given to an angel's son, as soon as you were gone,
as soon as you were gone...
Wahrscheinlich komme ich nicht mal dahin.
Wieder ein bitteres Lächeln.
Ich bin verflucht. Schon mein ganzes verdammtes Leben lang.
Duo zögerte nur eine Sekunde, bevor er seine Waffe an die Schläfe hob und abdrückte.
Dass nichts passierte, realisierte Duo erst nach einigen Augenblicken und merkte dann jedoch, dass sehr wohl etwas anderes geschah. Die Waffe wurde von seiner Schläfe weggerissen und sanft aus seiner Hand genommen. Völlig perplex ließ der amerikanische Pilot los und wandte seinen Kopf nach rechts.
Und sah Heero. Während ihm immer noch das Lied in den Ohren schallte, sah er den Wingpiloten nur stumm an, nicht dazu fähig, sich in irgendeiner Weise zu rühren.
Schließlich war es Heero, der seinem Partner die Kopfhörer abnahm, den Discman ausschaltete und ihn neben der Waffe ins weiche Gras warf. Er kniete sich zu Duo und fragte leise:
"Warum, Duo, warum?"
Es dauerte einen kleinen Moment, bis Duo aus seiner Starre erwachte und schluckte.
"Geh, geh bitte, Heero. Ich...ich muss das zu Ende bringen."
Oh Gott, er soll gehen!, bat der amerikanische Junge verzweifelt in seinen Gedanken. Sonst schaffe ich es nicht! Wenn ich diese Augen noch einmal vor mir sehe, kann ich es nicht! Wenn ich diesen Blick auf mir spüre....
"Nein, das werde ich nicht!"
Dieser ruhige Satz, dieses Versprechen ließ Duo allen Widerstand vergessen und stürzte ihn wieder in die Tiefen seiner eigenen Qualen.
Ich will nicht, dass er so ist! Ich will kein Mitleid! Ich brauche es nicht! Ich darf es nicht brauchen! Habt Mitleid um mich, wenn ich tot bin, doch nicht JETZT!
Oh Gott, Heero, ich flehe dich an, GEH! Mach es mir nicht noch schwerer. Lass es mich doch einfach nur zu Ende bringen!
"Ich flehe dich an, Heero, geh", wisperte der amerikanische Junge verzweifelt und wandte seinen Kopf wieder zum Meer hinaus, damit Heero nicht die Tränen sah, die seinen Wangen hinunterliefen.
Für einen Moment war es ruhig, doch dann spürte Duo, wie der japanische Pilot sich neben ihm ins Gras setzte und ihn ruhig betrachtete.
"Warum willst du dich umbringen, Duo? Warum?", fragte er in einer vollkommen ungewohnt ruhigen Tonlage.
Der amerikanische Junge zuckte ob dieser Worte zusammen und brauchte einen Moment, um leise flüsternd hervorzubringen:
"Du kennst den Grund, hast ihn selbst gehört."
"Ja, das habe ich", erwiderte Heero ebenso leise. "Aber warum lässt du nicht zu, dass ich dir helfe?"
Duo schnaubte kurz und brachte dann mit schmerzlich verzogenen Lippen hervor:
"Du hasst mich, Heero. Wieso solltest du mir helfen wollen?"
Der japanische Pilot zuckte wie unter einem Schlag zusammen und fragte scharf:
"Wieso sollte ich dich hassen, Duo? Wie kommst du darauf."
Ein weiteres Schnauben.
"Weil ich schwach bin. Und du hasst Schwäche! Du bist der perfekte Soldat, der solche Gefühle nicht kennt!"
Heeros Augen weiteten sich um Millimeter, als Duo diese Worte aussprach. War es das, was der langhaarige Junge über ihn dachte? War das der Grund, warum er sich so kalt und abweisend ihm gegenüber benahm? Wollte er ihm etwa BEWEISEN, dass er stark war?
Heero überbrückte die Distanz zwischen ihnen ein wenig, indem er vorsichtig an den Deathscythepiloten heranrutschte und ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte.
"Duo....das stimmt nicht! Auf keinen Fall denke ich so von dir! Und ich bin nicht perfekt! Ich habe auch Schwächen! Ich akzeptiere die Schwächen anderer Leute, Duo! Ich akzeptiere DEINE Schwächen, hörst du!"
Duos Gesicht wandte sich vom Meer ab und ihm ruckartig zu, während ihm Tränen über die Wangen liefen und er hilflos zitterte.
Heero sah, wie der amerikanische Junge praktisch vor seinen Augen zerbrach und spürte nun ebenfalls dieses schreckliche Stechen in seiner Brust. Er wollte seinem Partner mit all seiner Kraft helfen, wusste aber nicht im Geringsten wie und wenn er es tatsächlich schaffte, mit welcher Dauer.
Duo sah ihm immer noch vollkommen verstört in die Augen und begann dann, sich leise hin und her zu wiegen, während er wieder und wieder die gleichen Phrasen murmelte:
"Ich bin schwach, ich bin schwach, du hasst mich...."
"Willst du das glauben, Duo? Damit du dich umbringen kannst?"
Der amerikanische Junge beachtete seinen Partner einfach nicht, sondern schüttelte nur abwesend den Kopf und murmelte die beiden Sätze vor sich hin, die Knie bis zur Brust hochgezogen ohne seine Bewegungen unterbrechend.
Oh mein Gott, dachte Heero entsetzt, als er die elende Gestalt vor sich betrachtete. Ich kann es nicht! Ich kann es einfach nicht! Wie soll ich, der von uns allen am Wenigsten in der Lage ist, menschliche Kontakte zu pflegen, Duo helfen, über die Vergewaltigung hinwegzukommen? Ich hab Angst, dass ich es nicht schaffe! Ich habe Angst, ohne ihn leben zu müssen!
Lass ihn deine Nähe spüren.
Heero zuckte zusammen. Die Stimme in seinem Kopf wieder.
Willst du dich wieder über mich lustig machen?, fragte er erbost und zog die Augenbrauen zusammen.
Nein, dieses Mal meine ich es ernst.
Aber wie....?
Das musst du selbst herausfinden.
Heero seufzte in sich hinein und rückte unauffällig noch ein Stück näher, während er leise und sanft Duos Namen flüsterte.
Als das nichts half, berührte er den amerikanischen Jungen an der Schulter, wohl das panische Zusammenzucken seines Gegenübers bemerkend und doch nicht zurückweichend.
"Keine Angst, Duo. Ich werde dir nicht wehtun. Ich möchte nur, dass du mit mir redest!"
Das leise Schluchzen steigerte sich in einen Weinkrampf.
"Reden.....tut weh!", brachte Duo völlig fertig hervor. "Daran denken tut weh! Und ich will keine Schmerzen mehr! Ich will, dass es aufhört!!"
"Duo...nein...nicht!", bat Heero sanft und verstärkte seinen Griff um die zitternden, schmalen Schultern seines Partners.
"Bitte....mach du es...töte du mich....!"
Duo sah auf und richtete seine Augen direkt auf Heeros stahlblaue. Das, was der japanische Pilot darin erkannte, war Hoffnung. Eine Hoffnung, die ihm Schauer über den Rücken jagte.
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das werde ich nicht tun", erwidert er nur scheinbar ruhig, jedoch innerlich fröstelnd.
Die Hoffnung in Duos Blick zerschlug sich und machte wieder der Verzweiflung Platz.
"Aber warum bist du dann hier? WARUM? Wenn du mir nicht helfen willst, wieso bist du mir nachgekommen, und hast mir die Waffe weggenommen?", fragte der langhaarige Junge bitter, sich nachlässig mit dem Handrücken über die Wangen wischend.
"Ich will dir helfen, darüber hinwegzukommen, Duo. Deshalb bin ich hier, nicht um dir Vorwürde zu machen!"
"Nein...nein...ich bin alleine...schwach...wertlos...niemand sorgt sich um mich....niemand", hauchte Duo und grub seine Nägel in seine Unterarme bis kleine Bluttropfen hervorquollen und die weiße vernarbte Haut hinunterliefen.
Heero sah es mit Schrecken und griff nach Duos Händen, hielt sie in einem eisernen Griff und sagte eindringlich:
"Hör auf! Das darfst du nicht, Duo! Hör auf, dich zu verletzen!"
"Nein! Der Schmerz...soll weg! Er soll raus aus mir!! Aber...aber ich schaffe es nicht...."
Heero bemerkte, wie ihm selbst eine winzige Träne seine Wange hinunterrann. Das war doch alles nicht möglich. Hier saß er nun, noch vor kurzer Zeit erfreut darüber, dass sein Partner noch lebte, doch jetzt absolut nicht wissend, wie er ihm helfen konnte. Zu sehen, wie ein Mensch direkt vor seinen Augen zerbrach, war selbst für ihn zuviel und machte ihn mehr fertig als es jede Folter der Welt konnte.
Spende ihm Trost.
Aber wie? Wie kann ich das?
Körperliche Nähe.
Heero zuckte zusammen. Er hatte so etwas noch nie getan und das aus gutem Grund. Er fürchtete sich vor den Gefühlen, die darauf folgten, wollte nicht, dass sie ihn angriffen. Doch jetzt war er gezwungen, dass zu tun. Um Duos Willen musste er es.
Der japanische Pilot überbrückte den letzten Abstand zwischen ihnen und schloss den zitternden Jungen in seine Arme. Er wiegte den zerbrechlichen Körper sanft hin und her, während er beruhigend flüsterte:
"Shhh....beruhige dich, Duo.....ich bin ja da...ich bin für dich da...alles wird gut..."
Heero kamen die Worte so falsch, so lächerlich vor, doch er wusste instinktiv, dass sie eine beruhigende Wirkung auf Duo hatten, so fuhr er weiter fort, den vor verzweifelten Schluchzern geschüttelten Körper des Jungen zu wiegen, bis die Schluchzer schließlich leiser wurden und zu immer noch über die Wangen laufenden Tränen versiegten.
Es dauerte einen Augenblick, bis Heero es wagte, die in diesem Moment wichtigste Frage zu stellen.
"Möchtest....möchtest du mit mir darüber sprechen..?", fragte er heiser und strich beruhigend über die seidigen Haare, als er merkte, dass Duo sich anspannte und wieder anfing zu schluchzen.
"Ich...möchte es nicht!!", bekam er heftig zur Antwort. "Aber....wenn ich es nicht mache, habe ich das Gefühl...daran zu ersticken...darin zu versinken...."
Duo krallte sich mit seinen Händen an Heeros Shirt fest, als er den Kopf an seiner Brust verbarg.
"Ich werde dir zuhören, Duo...."
Er spürte, wie Duo zusammenzuckte.
"Warum? Warum willst du mir zuhören, Heero? Warum hasst du mich nicht?"
Der japanische Pilot stockte. Warum ich ihn nicht hasse?
Vielleicht weil du ihn liebst?
Was soll ich? Ihn lieben? Aber...aber das geht doch nicht...ich bin...
Der perfekte Soldat? Das warst du vielleicht einmal, bevor er sich in dein Herz geschlichen hat, mein Lieber. Du liebst ihn und merkst es nicht, weil du dieses Gefühl nie kennengelernt hast!
Aber...ich kann es ihm doch nicht sagen...nicht jetzt...nicht nachdem ihm so etwas angetan wurde!
Heero hätte schwören können, dass die Stimme in ihm mit den Schultern zuckte.
Wer weiß, das musst du selbst herausfinden....
Der japanische Pilot seufzte innerlich und richtete seinen Blick wieder auf die zusammengekauerte Gestalt in seinen Armen.
"Duo...", begann er, noch nicht fähig, das auszusprechen, was er eigentlich für den amerikanischen Jungen empfand.
"Ich...", setzte er erneut an, dieses Mal sicherer. "Du bist mir sehr wichtig, Duo. Und deshalb will ich nicht, dass du leidest!"
Der amerikanische Junge sah auf und ihn mit rotgeränderten, tiefblauen Augen stumm an. Dann senkte er den Blick und schien mit sich selbst zu ringen. Schließlich schloss er seine saphirgleichen Augen wieder, verkrampfte sich merklich und begann mit leiser, stockender Stimme zu erzählen:
"Ich....ich...hatte nicht damit gerechnet...dass es Schwierigkeiten geben würde auf der Mission...es schien alles so...normal...so routiniert...doch dann waren sie plötzlich da...eine ganze Abteilung...ich hatte keine Chance..."
Duo stockte für einen Augenblick, als sammle er die Kraft zum Weitersprechen und fuhr dann fort:
"Sie...haben mich gefangengenommen und in eine Zelle gesteckt...es war so dunkel dort, Heero....ich habe doch Angst im Dunkeln....ich...ich weiß nicht, wieviel Zeit schon vergangen war, als...als plötzlich die Tür aufging..."
Heero bemerkte, wie sich das Zittern von Duos zerbrechlichem Körper beinahe ins Unermessliche steigerte. Er wiegte seinen Partner stumm um ihn so etwas zu beruhigen.
"Ich....ich...musste wohl eingeschlafen sein...denn ich hab ihn erst bemerkt, als er in der Zelle stand...und plötzlich...war es so gleißend hell....ich konnte sehen, wie er mich anstarrte...einfach nur anstarrte..."
Duo stockte wieder und Heero konnte genau die Qualen in seinem Gesicht erkennen, als er sich an das Vergangene erinnerte. Als der langhaarige Junge weitersprach, waren seinen Augen weit aufgerissen.
"Ich...ich...wusste nicht, was ich davon halten sollte...und...und bevor ich reagieren konnte kam er auf mich zu und...und....schlug mich...solange...bis ich dachte, dass ich sterben würde....dann...hörte er auf...ich weiß, dass ich versucht habe mich aufzurichten, um zu sehen, was er jetzt vorhatte, doch dann...hat er mich auf den Bauch gedreht...ich habe versucht, gegen ihn zu kämpfen, Heero, wirklich, ich wollte es nicht...doch er war stärker als ich und...und hat....hat mich...."
Duo würgte, nicht in der Lage dieses eine Wort auszusprechen, so fügte Heero leise ein:
"Er hat dich vergewaltigt."
Ein konvulsivisches Zittern durchfuhr den amerikanischen Piloten, als er seine Hände auf den Mund legte, um einen gepeinigten Schmerzensschrei zu unterdrücken. Heero zog seinen Partner beruhigend noch enger an sich und wiegte ihn weiter sanft hin und her, während er beschwichtigend murmelte:
"Shh...es ist okay. Er ist tot und kann dir nichts mehr tun, Duo."
"Er...", wurde Heero heftig von Duo unterbrochen. "Er...als er in mich eingedrungen ist....es tat so weh, Heero, es hat mich zerrissen...ich dachte...ich müsste sterben....er hat immer wieder zugestoßen...immer wieder...bis er dann schließlich..."
Heero hatte langsam das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Er sah den zerbrochenen Jungen vor sich, sah das, was man ihm angetan hatte, und fühlte sich vollkommen hilflos. Er wollte diese Schweine dafür büßen lassen, dass sie ihm so etwas angetan hatten, wollte alle von ihnen töten, und konnte es nicht. Er ballte eine Hand vor hilfloser Wut zur Faust, als Duo wieder weitersprach:
"Ich....dachte...er wäre fertig...doch dann drehte er mich um...und...und fragte...ob es mir gefallen hätte...ob...es seinem kleinen Spielzeug...gefallen hätte...seiner Hure....Heero, es hat mir nicht gefallen, niemals, das musst du mir glauben!!!", warf er verzweifelt ein und der japanische Pilot nickte geschockt.
"Duo...ich glaube es dir, jedes Wort", erwiderte er sanft und schloss Duo noch beschützender in seine Arme.
"Ich...ich...habe versucht, ihn wegzustoßen...ihn anzugreifen....doch...er war stärker...und hat mich auf den Boden geschleudert...er hat gelacht und gefragt...ob ich noch nicht genug hätte...und dann...und dann...hat er...hat er mich nocheinmal...ich weiß nicht...wie oft er sich...an mir ..vergangen hat...bevor...er endlich genug hatte und mich auf dem kalten Steinboden liegen ließ...", presste Duo mühsam hervor und schluchzte verzweifelt.
"Ich wollte sterben, Heero!! Ich konnte diesen Schmerz...diese Leere nicht ertragen...ich bin wertlos...das hat er mir immer wieder gesagt...wertlos und sein Spielzeug, seine Hure..."
Heero bemerkte, wie eine weitere Träne seine Wange hinunterlief.
"Duo..."
Doch der amerikanische Junge unterbrach ihn hastig:
"Ich weiß nicht, wie lange ich dort auf dem Boden lag...bevor ich...bevor...ich mich wieder angezogen habe...und...und zur Pritsche gekrochen bin...bis...bis sie dann kamen..."
Wieder zögerte Duo, bevor er stockend und leise weitersprach:
"Sie brachten mich zu Treize...in seine Privatgemächer...er begrüßte mich freundlich...bat mir einen Stuhl an...und fragte, wie es mir ginge. Ich konnte kaum aufrecht laufen, mein ganzer Körper schmerzte, ich blutete, und er fragte mich, wie es mir ginge. Er begann ein Gespräch, fragte mich unwichtige Dinge, ließ mich ruhiger werden. Dann fragte er, woher ich die Blutergüsse hätte...ich sagte ihm...von einem seiner Offiziere. Er...fragte mich, warum ich mich nicht gewehrt hätte...ich wusste nicht, was ich ihm darauf antworten sollte, so stand er auf...ging um mich herum...bevor ich reagieren konnte, hat er mich hochgezogen...und...und mir mein Shirt vom Körper gerissen. Ich war so perplex...ich habe gar nicht realisiert, dass er einen Strick genommen hat und mich..."
Duo stockte erneut, suchte nach den richtigen Worten.
"Er sagte zu mir...dass...dass...Ungehorsam bestraft werden müsse...und..."
Heero wartete einen Moment, bis das Zittern nachgelassen hatte und fragte dann sanft:
"Was hat er dir angetan, Duo?"
Doch der amerikanische Junge antwortete nicht. Er rückte nur ein wenig aus der engen Umarmung, nestelte an dem schwarzen Stoff seines Shirts, knöpfte es schließlich auf und ließ es zu Boden gleiten.
"Duo?", fragte Heero stirnrunzelnd, doch der Deathscythepilot drehte sich von ihm weg und zeigte ihm seinen Rücken. Und mit ihm das rote Narbengeflecht, das sich ganz darüber zog.
Heero keuchte entsetzt auf und flüsterte bestürzt.
"Er...hat dich ausgepeitscht?!"
Duo nickte fast unmerklich, den Blick immer noch starr zu Boden gewandt, nicht den Mut dazu habend, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen.
Heero fuhr sacht eine der kaum verheilten Narben nach und schluckte. Dann nahm er den schwarzen Stoff hoch, legte ihn Duo um die Schultern und ließ ihm Zeit, sich wieder anzuziehen.
Es brauchte einen Moment, bis Duo sich wieder soweit gefangen hatte, dass er weitersprechen konnte.
"Es...es tat so weh...doch ich hoffte, dass er es dabei belassen würde....dass er nicht auch noch...doch als er aufhörte, löste er die Fesseln...und zog mich zum Bett, wo er...wo er....Oh Gott, Heero, es tat so weh! Und alles war voller Blut!! Ich dachte, ich müsste sterben und ich wollte es!!", schluchzte Duo verzweifelt und krallte sich hilfesuchend an dem japanischen Jungen fest, immer wieder durch Weinkrämpfe geschüttelt.
Heero presste seinen Partner fest an sich und murmelte leise beruhigende Phrasen.
Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt, noch nie hatte er einen stärkeren Drang verspürt, jemanden mit der ganzen Kraft seines Körpers und seines Herzens zu beschützen, noch nie hatte er so starke Zuneigung und Liebe zu einem Menschen verspürt.
"Shht...Duo, es ist gut. Du bist in Sicherheit und die Beiden sind tot. Sie werden dir nichts mehr antun!", redete er beruhigend auf die zitternde Gestalt in seinem Armen ein.
"Aber sie kommen in meinen Träumen zu mir und lassen mich das alles noch mal erleben! Ich halte das nicht mehr aus, Heero! Ich kann diese Schmerzen nicht mehr ertragen! Ich will nicht mit diesen Erinnerungen leben!", fuhr Duo verzweifelt auf.
"Es gibt aber keine andere Möglichkeit, Duo. Du musst lernen, damit zu leben und damit umzugehen. Lass es hinter dir, überwinde es. Ich werde dir dabei helfen, Duo, das verspreche ich dir!"
Der bezopfte Junge sah auf und ihm direkt in die Augen. Heero bemühte sich, dem angst- und entsetzensdurchsetzten Blick standzuhalten und strich seinem Partner sanft eine der kastanienbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"Warum?", flüsterte Duo fast lautlos. "Warum machst du das für mich? Warum wendest du dich nicht ab? Ich bin wertlos, beschmutzt..."
"Nein!", schnitt Heero seinem Partner abrupt das Wort ab. "Das bist du niemals, Duo! Ganz im Gegenteil, hörst du! Du bist das Wertvollste, was ich je kennengelernt habe! Du bist für mich das Wichtigste, was es gibt auf der Welt! Und daran wird DAS nichts ändern, hörst du!"
Die violett-blauen Augen hüllten sich in Unglauben und Duo rückte etwas von Heero ab.
"Meinst...meinst du das wirklich ernst, Heero?", flüsterte Duo beinahe verzweifelt und der japanische Pilot nickte lächelnd.
"Ernster als alles, was ich je gesagt habe, Duo."
Einen Moment lang herrschte Stille, in der sich die Blicke der beiden Piloten ineinander verfingen, doch dann flüsterte Heero leise:
"Ich möchte, dass du mir etwas versprichst, Duo, und dass du dieses Versprechen auch hältst."
Duo sah ihn mit tränenbenetzten Wangen an und fragte:
"Was soll ich dir versprechen?"
"Ich will, dass du mir dein Wort gibst zu leben! Ich will, dass du versuchst, damit fertigzuwerden und ein neues Leben zu beginnen. Ich will, dass du mir versprichst, nie wieder zu versuchen, dich umzubringen!"
Einen Augenblick lang herrschte gespannte Stille und Heero hatte schon die panische Befürchtung, Duo würde ihm diese Bitte ausschlagen, doch nach einer schier endlosen Zeit hob der amerikanische Junge seinen Blick, sah Heero fest in die Augen und hauchte:
"Ich verspreche es dir. Ja, ich verspreche es dir. Aber sag mir eins. Warum?"
Heeros Herz machte bei diesen Worten beinahe einen Satz und er lächelte, dann besann er sich auf Duos Frage und sah in das vom Sonnenaufgang blutrot angestrahlte Gesicht seines Partners.
Zum ersten Mal hörte er nun bewusst die Geräusche der Natur um sie herum: das sanfte Rauschen des Meeres unter ihnen, das Rascheln der Blätter neben ihnen, der Gesang der ersten Vögel. Und all dies schien ihm sagen zu wollen:
Los, mach schon, sag es ihm.
Heero überwand seine Angst vor Duos Ablehnung, nahm sein Gesicht sanft in beide Hände und zog es zu sich heran.
Er hauchte einen stillen Kuss auf Duos Lippen und flüsterte behutsam:
"Weil ich dich liebe, Duo. Weil ich dich mehr als alles auf der Welt liebe!"
Dann rückte er wieder etwas von ihm ab und suchte nach Anzeichen von Entsetzen im Gesicht seines Partners. Und fand nur eine einzige Träne, die langsam Duos Wange hinunterlief.
"Ist das wirklich war?", flüsterte der langhaarige Junge bewegt, lächelte dann und schloss seine Arme um den japanischen Piloten.
Heero erwiderte die Umarmung zärtlich und sah dann in das wundervolle Farbenspiel des Sonnenaufgangs, einen weiteren stillen Kuss auf das seidig weiche Haar seines Freundes hauchend.
