Nach einer Weile bemerkte Heero die Gänsehaut auf seinen Armen und wurde sich gewahr, dass es doch recht frisch war. Er löste sich ein wenig von seinem Freund und wollte ihm gerade etwas sagen, als er bemerkte, dass der langhaarige Junge eingeschlafen war.
Ein kleines Lächeln stahl sich über Heeros Lippen, als er nun entgültig aufstand, seinen Freund hochhob und zum Gut zurücktrug, wo er ihn in sein Zimmer brachte.
"Schlaf gut, Duo!", flüsterte er sanft, hauchte dem Deathscythepiloten einen zarten Kuss auf die Stirn und setzte sich in einen der bequemen Sessel, die in der Nähe des Bettes standen um kurz darauf ebenfalls einzunicken.
"Nein...bitte nicht...."
Heero erwachte langsam aus seinem Tiefschlaf, noch nicht so ganz wissend, wo er war.
"NEIN!"
Der verzweifelte Schrei ließ ihn ruckartig hochfahren und sich an alles erinnern. Er wandte seinen Kopf der unruhigen Gestalt, die sich verzweifelt herumwarf, zu.
Duo! Er träumt wieder! Ich muss ihm helfen, dachte Heero entsetzt und schnellte aus dem Sessel, um einen Bruchteil einer Sekunde später bei seinem Freund zu sein und ihn sanft an der Schulter zu berühren.
"Duo! Wach auf, du bist in Sicherheit! Du träumst nur!", rief er eindringlich, hatte jedoch nur den Erfolg, dass Duo sich jetzt noch verzweifelter herumwarf und ihm wieder Tränen über die Wangen liefen.
"DUO!", rief Heero nun fast ängstlich, zog den zitternden Deathscythepiloten in eine sitzende Position hoch und schüttelte ihn kräftig.
Es wirkte. Duo kam qualvoll langsam zu sich und sah dann mit tränenverschleierten Augen zu Heero hoch, der erleichtert lächelte.
"Gott sei Dank, da bist du ja", flüsterte er bewegt und löste seinen festen Griff um die Schultern des amerikanischen Jungen.
Duo versuchte zurückzulächeln, was ihm jedoch kläglich misslang.
"Ich...hatte wieder...diesen Traum....", hauchte er kaum hörbar und sah auf die Bettdecke, wo sich seine Finger zu Fäusten ballten und verkrampften.
Heero sah es und zog besorgt die Augenbrauen zusammen. Er strich seinem Partner vorsichtig über die Schulter und erwiderte leise:
"Shhh.....es ist vorbei. Für immer, Duo! Sie können dich nicht mehr verletzen, hörst du!"
Furchtsame, blau-violette Augen sahen ihn an, dann nickte Duo leicht und schluckte.
"Ich will, dass du es sagst, Duo! Sag, dass sie tot sind und dir nichts mehr antun können!"
Der amerikanische Junge starrte seinen Partner ungläubig an, dann schüttelte er schon beinahe panisch den Kopf.
"Das...das kann ich nicht! Heero, bitte, das geht nicht!"
"Doch, Duo! Du kannst das! Ich weiß es! Du musst es einfach sagen!"
Der langhaarige Junge zögerte einen Augenblick, sah Heero ängstlich in die Augen und brachte dann leise und stockend hervor:
"Sie...sie...sind tot..."
Als er schwieg, fragte der Wingpilot sanft nach:
"Und...."
"Und....sie...können mir nichts mehr antun", brachte Duo schließlich hastig hervor und sah wieder auf die Bettdecke, die Finger mittlerweile vollkommen verkrampft.
"Danke, Duo", lächelte Heero und seufzte leise.
"Siehst du, du kannst es!"
Nach einer Weile nickte Duo zögerlich und räusperte sich.
"Wie....wie sind wir überhaupt hierhin gekommen? Ich weiß noch, dass ich eingeschlafen bin und dann..."
"...habe ich dich ins Haus getragen", vollendete Heero den Satz. "Es wurde kalt."
Er sah, dass Duo errötete und dann den Blick hob.
"Warst du die ganze Zeit hier?"
Heero nickte.
Meine Güte, er wirkt so verängstigt, so eingeschüchtert, dachte Heero, als er die zusammengesunkene Gestalt vor sich sah. Er hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr von dem alten, fröhlichen Jungen an sich, dachte der japanische Pilot erschüttert.
Er wusste, so sehr er auch Duo Glauben machte, dass die Beiden tot wären, so sehr er auch an seine Worte glaubte, so sehr wünschte er sich, dass dem nicht so wäre. Dass er diese Mistkerle erledigen könnte. Ganz langsam, viel grausamer als sie selbst würde er sie töten, sie dafür büßen lassen, was sie seinem Freund angetan hatten, was sie aus ihm gemacht hatten.
Heero machte sich Vorwürfe. Vorwürfe, weil er nicht gleich gewusst hatte, was mit Duo los war. Die Anzeichen waren doch so offensichtlich gewesen! Und dennoch hatte er sie übersehen, jedes einzelne! Er hatte gesehen, dass der Deathscythepilot Angst vor ihm hatte, sich total veränderte, aber er war verdammt noch mal nicht in der Lage gewesen, den Grund dafür zu erkennen. Wer weiß, wenn er es rechtzeitig geschafft hätte....dann hätte Duo sich nicht auch noch mit einem Mord belasten müssen.
Hätte, wäre, wenn....., mischte sich eine spöttische Stimme in seinem Kopf ein. Es ist etwas spät, um darüber nachzudenken, nicht wahr? Geschehenes ist geschehen. Lass es ruhen und hilf ihm dabei, darüber hinwegzukommen! DAS ist wichtig!
Aber....was ist mit dieser unbändigen Wut, die ich jedes Mal verspüre? Sie lässt sich nicht einfach so abstellen! Was, bitte schön, soll ich damit machen?
Sie überwinden? Unterdrücken? Nicht beachten? Hilf lieber deinem Freund!
Heero seufzte. Die Stimme hatte Recht. Duo besaß in diesem Augenblick die höchste Priorität.
"Heero...", unterbrach plötzlich eben dieser amerikanische Pilot seine Gedankengänge zaghaft und der kurzhaarige Junge sah auf.
Fast ängstliche blau-violette Augen fingen seinen Blick ein, während der langhaarige Pilot leise fragte:
"Würdest...würdest du heute Nacht bei mir bleiben...bitte...ich...", Duos Stimme erstarb solange, bis sie nur noch als Flüstern zu hören war. "Ich...habe Angst, dass....vor...."
Er schwieg. Konnte die Worte nicht herausbringen, die ihn so quälten, ihn immer weiter vernichteten. Was, wenn Heero ablehnte, ihn für schwach hielt?
Aber....er liebt mich, dass hat er selbst gesagt! Er liebt mich! Oder?
Ein leises Lachen antwortete ihm und er sah ruckartig auf.
Machte Heero sich etwa über ihn lustig?
Nein, bitte, das ertrage ich nicht! Bitte, Heero!
Doch das kaum merklich Lachen war voller Wärme, nicht Bosheit und die Augen des Wingpiloten strahlten nur so vor Güte.
"Natürlich bleibe ich bei dir, Duo! Wie könnte ich dich alleine lassen?", fragte er sanft und streckte eine Hand aus, um dem anderen Jungen zart über die Wange zu streifen.
Ich will ihn fragen, so dringend, dass es wehtut, dachte Duo, als er dem federleichten Gefühl auf seiner Wange lauschte. Doch ich habe solche Angst vor der Antwort! Was ist, wenn er mich verabscheut, mich nicht mehr will? Was?
Duo nahm all seinen Mut, um die Wörter herauszubringen, die ihn so quälten. Er holte tief Luft und fragte dann in einem Atemzug:
"Liebst du mich wirklich, Heero? Auch nachdem DAS geschehen ist?"
Einen Moment herrschte Stille, in der es nur Heeros stahlblaue Augen zu geben schien, die ihn ruhig ansahen und für einen schrecklichen Augenblick dachte der langhaarige Pilot, dass er mit seinen Zweifeln recht gehabt hatte. Dass sein Gegenübers sich von ihm abwenden wollte, ihn wieder den Dämonen überließ, die ihn heimsuchten und folterten.
Doch dann hörte die Zeit auf, stillzustehen und Heero antwortete ernst:
"Ich werde es immer tun, Duo! Egal, was passiert ist! Ich werde zu dir stehen, was auch geschieht, hörst du? Das ist ein Versprechen!"
Duo nickte langsam. Jetzt erst wurde er sich der ganzen Tragweite dieser Worte bewusst und es versetzte ihm ein beruhigendes Gefühl, das der allgegenwärtigen Panik in seiner Seele entgegenwirkte.
Er schlug seine Augen nieder. Er hatte Angst, wahnsinnige Angst vor den Träumen, den Schatten, die ihn holen wollten, die das nachholten, was die Beiden jetzt nicht mehr mit ihm machen konnten.
Heero sah, wie der Körper des Jungen vor ihm sich verkrampfte und sein Partner so klein wie möglich zu werden versuchte.
Oh...Duo....warum? Warum musst du so leiden? Ich wünschte, ich könnte dir all das abnehmen, diese Tat ungeschehen machen, doch was mir übrig bleibt ist der zaghafte Versuch, dir das wiederzugeben, was man dir genommen hat: dein Vertrauen. Und glaub mir, ich würde eher sterben, als dass ich es missbrauchen würde.
Er seufzte leise und fragte dann:
"Soll ich hier im Sessel bleiben?"
Duo hob seinen Blick und sah ihn für einen Moment scheu an. Dann überlegte er kurz, schien mit sich zu ringen.
"Ich werde dich nicht bedrängen, Duo", fügte der Wingpilot sanft hinzu und setzte sich ein Stück zurück.
Einen Moment herrschte Stille, bevor Duo sich räusperte und leise flüsterte:
"Wenn du möchtest....kannst du auch....zu mir kommen....das Bett ist groß genug....."
Heero verstand Duos Wunsch, ihm nicht zu nahe zu kommen sofort und nickte.
"Gut, dann werden wir doch mal sehen, ob wir diese Geister nicht vertreiben können, nicht wahr, Duo?", fragte er und öffnete seine Jeans, um sie auszuziehen, als er ein entsetztes Keuchen hörte und erschrocken hochfuhr.
"Duo...was?", begann Heero mit klopfendem Herzen, genau in die violetten Seen voller Angst und Entsetzen blickend.
Na, WAS wohl?, tönte auch prompt die spöttische Stimme in seinem Kopf. Dreimal darfst du raten, was der Offizier getan hat, bevor er ihn vergewaltigt hat, du großer Held! Aber nein, Mr. Perfect Soldier hat ja nichts besseres zu tun, als es ihm nachzuahmen!
Heero schoss ob diesem Vorwurf die Röte in die Wangen und er sagte hastig zu Duo:
"Ganz ruhig! Wenn....es dir nicht recht ist, dass ich in Boxershorts neben dir schlafe....dann....dann musst du es sagen...Duo..."
Mein Gott! Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt wie jetzt, nein, wie in der letzten Zeit. Darauf hat mich mein Training bei Doktor J nicht vorbereitet.
Heero sah, wie dem langhaarigen Jungen wieder Tränen in die Augen traten und er anfing zu zittern.
"Nein....nein...", brachte er stockend hervor. "Ich....das galt nicht dir....ich dachte nur für einen Moment...du wärst er...und du würdest..."
Duo schluckte und brachte es nicht fertig, das auszusprechen, was ihm angetan worden war. Heero machte ihm daraus auch keinen Vorwurf, nein, ganz im Gegenteil. Er ging langsam und ruhig auf ihn zu und legte ihm schließlich eine Hand auf die Wange.
"Ist ja gut, Duo. Ist ja gut. Shhh....es ist doch nicht schlimm....niemand macht dir daraus einen Vorwurf....."
Blau-violette Augen sahen mit einer unheimlichen Verletzlichkeit zu ihm auf.
"Ich....", mehr brachte der amerikanische Pilot nicht hervor, bevor er die Hände vors Gesicht schlug, hemmungslos weinte und sich von Heero in einer sanften Umarmung sachte wiegen ließ.
Eine Weile hörte man nur das stille Weinen des langhaarigen Jungen, doch dann flüsterte Duo verzweifelt:
"Bitte...bitte....lass mich nicht los....hilf mir, Heero....."
Heero nickte unter Tränen und brachte schließlich ein heiseres "Ja" hervor, während er den schmächtigen Körper in seinen Armen enger an sich drückte.
"Nie, Duo, nie werde ich das tun, versprochen."
Der amerikanische Pilot sah auf und schniefte, bevor er sich zitternd die Tränen mit dem Handrücken abwischte und sich in einem Lächeln versuchte, was ihm aber kläglich missglückte.
"Sollen wir schlafen gehen?!", flüsterte Heero leise lächelnd und sein Gegenüber nickte, so löste er sich aus der Umarmung und kroch dann zu seinem Partner unter die wohlig warme Bettdecke.
Duo rückte ein Stück von ihm ab und wisperte dann:
"Du...wirst auf.....mich aufpassen...oder? Dass...dass sie nicht kommen und...."
Heero nickte und nahm dann hauchzart Duos Hand. Er strich ihm noch ein letztes Mal über die Wange und antwortete:
"Bei mir bist du sicher, Duo."
Insgeheim musste Heero ob dieser kindlichen Logik lächeln, doch in Duos Fall schien sie wahre Wunder zu wirken, denn der Deathscythepilot beruhigte sich allmählich und schloss die Augen.
Heero wusste, er würde kurze Zeit später vor Erschöpfung eingeschlafen sein.
Nun bin ich auch noch ein Wächter der Träume, dachte er und machte sich dann ebenfalls für eine tiefen, hoffentlich traumlosen Schlaf
Ein drückender Schmerz in seiner rechten Hand ließ Heero plötzlich hochfahren und sich verwirrt umschauen. Für einen Moment wusste er nicht, was passiert war, doch dann gewann er seine Orientierung wieder und blickte neben sich auf die unruhig schlafende Gestalt, die im Traum seine Hand verzweifelt gedrückt hatte und sich nun leise schluchzend herumwarf.
Er träumt wieder....nein, es sind Alpträume, dachte Heero bedrückt und berührte den amerikanischen Jungen an der Schulter.
"D...", wollte er gerade ansetzen als sein Gegenüber auch schon die Augen aufschlug und erst langsam in die Realität zurückkehrte.
"Geht es wieder?", fragte der japanische Pilot sanft und Duo nickte stumm.
"Willst du mir davon erzählen?", fragte er weiter, bekam jedoch für ein paar Momente keine Antwort. Schließlich, nach einer gespannten Stille, antwortete Duo:
"Es...es ist immer wieder das Selbe. Sie..."
Duo würgte und brachte es nicht fertig, den Satz zu Ende zu sprechen, so beruhigte Heero ihn leise und strich ihm tröstend über die Wange. Er ließ sich nicht anmerken, wie stark ihn das Ganze selbst betraf. Nichts, aber auch wirklich gar nichts hatte ihn auf so etwas vorbereitet, vorbereiten können. Er fühlte sich so vollkommen hilflos, so überfordert mit der Situation und wusste doch mit Sicherheit, dass er im Moment der Einzige war, dem Duo vertraute, dem er sich öffnete.
Heero kamen Quatres Worte in den Sinn. "Duo öffnet sich dir gegenüber, er vertraut dir und erwartet sogar Hilfe von dir" hatte der arabische Pilot gesagt und doch hatte Heero es ihm da nicht glauben wollen. Aber nun tat er es, aus vollster Seele. Er verstand Duos Verhalten, verstand seinen Freund und alles, was in ihm vorging. Und dennoch fand er für diesen Vorgang keine Parameter, die er einsetzen konnte, um die Gleichung zu lösen.
Eine Gleichung mit unbekannten Parametern. Sie zu lösen war schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Nein! Nein, es darf nicht unmöglich sein!, schalt Heero sich selbst. Ich darf nicht so negativ denken, sonst bin ich Duo am Ende überhaupt keine Hilfe. Und das darf keineswegs geschehen. Ich habe es ihm versprochen, also werde ich mein Versprechen auch halten!
Heero seufzte leise und nahm den amerikanische Jungen leicht in seine Arme.
"Ach, Duo...", begann er langsam, wusste aber nicht weiter.
Was sollte er ihm denn sagen? Sie werden nicht wiederkommen? Falsch, denn genau das taten sie ja. Du kannst darüber hinwegkommen? Natürlich. Das sagt sich auch so leicht, wenn man das nicht durchgemacht hat. Ich werde dich immer beschützen? Das klang pathetisch.
Es entspricht aber der Wahrheit, erwiderte Heero seiner inneren Stimme und sah auf die kleine, immer noch zitternde Gestalt in seinen Armen.
Gott, wenn nicht ein Wunder geschieht, dann weiß ich nicht, was ich machen soll.
Heero spürte plötzlich, wie Duo unruhig wurde und sich von ihm löste, um ihn darauf entschuldigend anzusehen und leise zu flüstern:
"Es...tut mir leid, Heero...Aber ich kann nicht....die Nähe...."
Der japanische Junge verstand und löste sich ganz von seinem Partner.
"Ist schon okay, Duo. Du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen!", murmelte er ebenso leise und lächelte kurz und beruhigend.
"Danke...", hauchte sein Gegenüber und schloss erschöpft die Augen um Sekunden später wieder eingenickt zu sein.
Heero beobachtete die schlafende Gestalt vor ihm noch eine Weile, dann legte er seinen Kopf wieder auf die weiche Matratze und schloss die Augen.
Hoffentlich können wir in Ruhe bis morgen durchschlafen, dachte er noch, bevor auch er sich Mephistos Bruder übergab und in das Reich der Träume eintauchte.
*
Als Heero schließlich wieder von seinem komaähnlichen Schlaf zu sich kam, fühlte er sich absolut elend. Seine Zunge war pelzig und ausgedörrt, als hätte er tagelang nichts getrunken, seine Glieder fühlten sich vollkommen steif an und seine Sachen klebten vollkommen klamm an seinem Körper. Alles in allem trug das gerade nicht zur Besserung seiner Laune hinzu, zumal er sich auch jetzt wieder überdeutlich an die Geschehnisse des letzten Tages und der letzten Nacht erinnerte. Duo...sein angeblicher Tod während der Mission, sein Selbstmordversuch, die Verzweiflung, die nun auch auf ihn selbst übergegriffen hatte, die Hilflosigkeit und Wut. All das ließ ihn schier verzagen.
Heero hörte neben sich ein leises Geräusch und wandte seinen Kopf nach links.
Duo, schoss es ihm durch den Kopf. Gott, er sieht ja noch schlimmer aus als ich mich fühle mit seinen hohlen Wangen, den Augenrändern und der bleichen Haut. Wie ein Skelett, ein Schatten seiner selbst.
Der Deathscythepilot öffnete langsam seine Augen und sah sein Gegenüber erst mit einem vernebelten, dann jedoch klaren Augen an.
"Heero?", krächzte er stirnrunzelnd und hustete.
Heero lächelte leicht und gab ebenso leise zurück:
"Wie fühlst du dich heute morgen, Duo?"
Der amerikanische Junge war ein paar Augenblicke lang in der Lage, seinen Blick zu erwidern, dann senkte er jedoch seine Lider und nickte leicht.
"Es...geht...", brachte er stockend heraus, dann richtete er sich mühsam auf und schwankte in Richtung Bad, ein "Mir ist schlecht" murmelnd.
"Duo!", rief Heero besorgt und sprang ebenfalls aus dem Bett, kurz darauf jedoch seine Ungeschicktheit verwünschend, als er sich beinahe in der Decke verwickelte und auf dem Boden aufschlug. Dann konnte er sich fangen und hastete seinem Freund hinterher, ihn kurz vor der Badezimmertür am Atm erwischend und eisern festhaltend.
"Duo....versuch dagegen anzukämpfen! Bitte!", flehte er und traf auf einen vollkommen verzweifelten Blick, während der amerikanische Junge schon fast panisch den Kopf schüttelte und mit tränengefüllten Augen erwiderte:
"Bitte Heero...bitte....lass mich...ich kann es nicht aufhalten...es geht einfach nicht...."
Dabei wehrte er sich wie verrückt gegen den Griff seines Partners, versuchte ihm seine Handgelenke wegzureißen und somit ins Bad zu kommen, doch Heero gab nicht nach.
"Duo....ich flehe dich an....kämpfe dagegen! Bitte!"
Ein panisches Kopfschütteln war das einzige, was er als Antwort bekam, als er erschrocken sah, dass immer weitere Tränen über Duos Wangen liefen und er trocken würgte.
"Lass mich bitte! Heero......bitte....erspar mir die Demütigung, auch noch....", schluchzte der Deathscythepilot verzweifelt und sah seinem Partner in die Augen.
Heero war nicht zwei Sekunden in der Lage, diesem Blick voller Schmerz und Entsetzen Stand zu halten, so senkte er Seinen und lockerte den Griff um Duos Handgelenke, welcher sich sofort losriss und ins Bad stürmte.
"Duo! Nein!", setzte er noch mal an und rannte dem langhaarigem Jungen hinterher, der sich schon über die Toilettenschüssel gebeugt hatte und sich mit tränenüberströmten Gesicht erbrach.
"Nein....nicht Duo", flüsterte Heero entsetzt und kniete sich ebenfalls auf die kalten Steinfliesen, während er ein Handtuch nahm, es mit kaltem Wasser befeuchtete und seinem Freund damit vorsichtig erst die schweißnasse Stirn kühlte und ihm schließlich das Gesicht abwischte.
"Shh....ruhig....ganz ruhig.....", versuchte er das Zittern, das durch den Körper des Deathscythepiloten lief, abzumildern und ihn zu beruhigen, was ihm aber nur teilweise gelang.
"Es...es tut mir leid, Heero! Ich...ich wollte das nicht....!", schluchzte Duo verzweifelt und schlang die Arme um Heero, barg seinen Kopf in der Schulterbeuge seines Freundes, benetzte damit seinen Nacken.
"Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen", erwiderte dieser so sanft wie möglich und wiegte den zitternden Jungen hin und her. "Für gar nichts, Duo, für gar nichts. Du bist nicht Schuld, hörst du. An gar nichts."
"Doch!", fuhr der langhaarige Junge heftig auf. "Doch! Ich...ich hätte das nicht geschehen lassen dürfen! Ich hätte mich wehren müssen...."
Heeros Augen weiteten sich ungläubig angesichts dieser schrecklichen Worte. Er konnte selbst nicht fassen, dass der Deathscythepilot so von sich dachte. Wenn jemanden überhaupt keine Schuld traf, dann war es doch wohl Duo!
Verdammt, knurrte er wütend in seinen Gedanken. Wieso verfolgt ihr ihn auch jetzt noch? Habt ihr ihm nicht schon genug angetan? Hat er nicht schon genug leiden müssen?
"Duo!", sagte Heero lauter als beabsichtigt und rückte etwas von dem zitternden Jungen ab, der ihn nun mit großen, angstgefüllten Augen ansah. "Du bist NICHT Schuld! An GAR NICHTS! Dieser Offizier und Kushrenada, sie haben Strafe verdient, du aber nicht, Duo! Du bist unschuldig! Sieh doch ein, dass du nichts gegen sie ausrichten konntest, dass du es gegen deinen Willen hast über dich ergehen lassen müssen! Und genau deshalb trifft dich keine Schuld!"
Die Angst in den violetten Augen milderte sich etwas ab und wandelte sich in Ungläubigkeit. Dann fragte der langhaarige Junge leise:
"Ist...ist das wirklich wahr? Aber ich fühle mich so...."
"Duo, dich trifft nicht im Geringsten irgendeine Schuld!", unterbrach Heero seinen Freund und zog ihn wieder zu sich, um ihn sanft zu umarmen.
Dann, langsam aber sicher, ebbte das stetige Zittern ab und der Junge in seinen Armen beruhigte sich.
"Ich bin nicht schuld", flüsterte Duo leise und wiederholte den Satz dann lauter, bis er das Zittern ganz aus seiner Stimme heraushalten konnte und Heero direkt in die Augen sah.
"Ich bin nicht schuld", sagte er noch ein letztes Mal fast scheu und wischte sich mit einer Hand über die Wangen, um auch die letzen Spuren der Tränen zu beseitigen.
Heero lächelte dankbar und fragte dann ebenso ungewohnt zurückhaltend:
"Sollen....wir nach unten gehen? Zu den Anderen?"
Einen Moment schien es, als ob er damit etwas Falsches gesagt hätte, denn der amerikanische Pilot senkte seinen Kopf und versteifte sich unmerklich.
"Wenn...wenn du bei mir bleibst, dann ja", brachte er schließlich hastig hervor und sah dem Wingpiloten scheu in die stahlblauen Augen.
Heero nickte erleichtert und befreite sich dann vorsichtig aus dem Griff seines Gegenübers.
Er stand auf, streckte ihm die Hand entgegen und sagte aufmunternd:
"Wollen wir?"
Nach kurzem Zögern ergriff Duo sie und kam ebenfalls auf die Beine. Er wollte schon das Bad verlassen, als er stockte und sich noch einmal zu seinem Freund umdrehte.
"Ich zieh mir nur schnell was anderes an", bemerkte er, senkte leicht den Kopf und begann, in seinem Kleiderschrank nach etwas Geeignetem zu kramen.
Heero sah derweil an sich herunter und bemerkte, dass auch er nicht gerade zum Besten aussah und sich auch nicht zum Besten fühlte in den klammen Sachen, die er gerade am Körper trug.
"Ich geh mich eben umziehen", rief er dem Deathscythepiloten zu und war schon aus Duos Zimmer verschwunden, um sich selbst eine frische Jeans und einen Pulli anzuziehen. Später war für Duschen schließlich noch Zeit genug.
Heero betrachtete sich im Spiegel, als er sein verworrenes Haar glättete.
Was wird nun? Was wird aus ihm? Aus mir? Wie kann ich ihm helfen? Wie kann ich ihm helfen, ein neues Leben zu beginnen und all diese schrecklichen Dinge hinter sich zu lassen? ausgerechnet ich, der perfekte Soldat, der bislang keine Gefühle kannte?
Heero bemerkte auf einmal, wie schwach und blass sein Zwilling im Spiegel war.
Mir ist noch nie aufgefallen, dass ich so klein, so hilflos wirke. Bin ich das denn? Oder bin ich eine Kriegsmaschine, darauf getrimmt zu töten?
Wohl beides, oder?, ertönte da die spöttische Stimme in seinem Hinterkopf wieder. Auf der einen Seite tötest du Menschen, hättest sogar ihn schon oft fast getötet. Und auf der anderen Seite bist du immer noch das kleine hilflose Kind, das damals seine Ausbildung begonnen hat und jede Nacht geweint hat, weil es nicht mehr bei Mama und Papa sein konnte.
Ich bin kein Kind mehr, knurrte Heero erbost. Damals ist damals und somit vergangen. Um meine Eltern weine ich schon lange nicht mehr!
Aber um Duo, bemerkte die Stimme gehässig und zog sich dann wieder zurück, so plötzlich, wie sie gekommen war.
"Ich weine um Duo", echote der japanische Pilot leise und starrte auf sein Ebenbild. "Ich liebe Duo", fügte er schließlich noch hinzu, straffte dann seine Schultern und verließ sein Zimmer, um dann Duo auf dem Gang zu treffen, der ihm ein scheues Lächeln zuwarf.
Ja, ich liebe ihn. Mehr als mein Leben.
"Wollen wir?", fragte er den bezopften Jungen und der nickte, so gingen sie gemeinsam hinunter in den Salon, wo sie vor zwei Tagen noch angespannt vor der Mission gesessen hatten und Heero noch nicht einmal geahnt hatte, was mit Duo passiert war.
*
Quatre und Trowa saßen gerade am Frühstückstisch, als die Tür aufging und Heero hineinkam.
Nein, falsch, Yuy und Maxwell, berichtigte Trowa sich in Gedanken und brummte ein "Guten Morgen", während Quatre gleich voller Freude aufsprang und die beiden strahlend begrüßte.
Trowa runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber ganz gewaltig. Dieses Irgendetwas hieß Duo Maxwell und schlich wie ein Schatten seiner selbst hinter dem japanischen Piloten her. Zudem schien es....
Trowas Augenbrauen schossen in die Höhe.
In den letzten Tagen war es meist so gewesen, dass Duo Heero angegiftet hatte, auch wenn er das unbemerkt tat. Doch nun schien das bereinigt zu sein, vielmehr schien Yuy den langhaarigen Jungen zu beschützen. Seine Art, sich vor ihn zu stellen, den Jungen hinter seinem Rücken zu beschützen. Und es war, als ob Duo diesen Schutz auch dankbar annahm.
Er sieht aber auch schlecht aus, gestand sich der Heavyarmspilot ein. Ich hatte ihn nicht so dünn in Erinnerung. Und wo ist sein obligatorisches Grinsen geblieben, dass er sonst immer trug?
Trowa beobachtete gerade, wie sein Freund Duo übermütig zum Tisch zog und ihn auf einen Stuhl niederdrückte, dann erneut lachte und sich wieder neben ihm selbst auf seinen Platz fallen ließ.
"Na, ihr Beiden habt aber lange geschlafen!", lachte er augenzwinkernd und begegnete zwei mehr oder minder ausdruckslosen Blicken.
"Habt ihr uns nicht etwas mitzuteilen?", fragte Quatre munter weiter und sah von Duo zu Heero und wieder zurück.
Trowa bemerkte, wie Duo sichtbar zusammenzuckte und in sich zusammenzufallen schien. Er gab einen Laut der Überraschung von sich, der jedoch von Quatres munterer Frage nach Kaffee oder Tee übertönt wurde.
Irre ich mich, oder macht sich Yuy Sorgen um den Jungen?, fragte Trowa sich unwillkürlich, als er sah, wie Heero sich leicht zu Duo beugte und Quatre einen finsteren Blick zuwarf.
Der blonde Araber wollte gerade schon weiter munter drauflos plappern, als Trowa ihn beim Arm fasste und leise wisperte:
"Quatre....hör besser auf....den Beiden geht´s nicht gut!"
Ein Paar blau-grüner Augen traf ihn in völliger Überraschung.
"Wie meinst du das?", flüsterte er zurück und sah auf ein Kopfnicken Trowas hin in Duos Richtung, der den Kopf gesenkt hatte und verkrampft irgendeinen Punkt auf der Tischfläche fixiert hatte.
Duo....
Quatre seufzte leise und fragte schließlich sanft:
"Duo, Heero, was möchtet ihr essen?"
Die beiden Angesprochenen sahen abrupt auf und schwiegen einen Moment, dann antwortete Duo leise:
"Danke...ich....ich habe keinen Hunger."
Heero schwieg ganz, er hatte nur seinen besorgten Blick auf den amerikanischen Piloten gerichtet, der seinen Kopf wieder gesenkt hatte und nicht dazu bereit schien, noch irgendwelche anderen Fragen zu beantworten.
Quatre jedoch war überhaupt nicht geneigt, den langhaarigen Jungen so einfach davon kommen zu lassen. Er seufzte auf und setzte dann noch einmal an:
"Aber warum, Duo? Ein Brötchen wird doch nicht schaden! Oder Cornflakes, die isst du doch so gerne!"
Wiederum einen Moment Stille.
"Duo ist nicht gut. Er hat sich heute morgen erbrochen."
Drei Augenpaare starrten Heero Yuy mehr oder minder überrascht an, dann räusperte sich Quatre vernehmlich und erwiderte freundlich lächelnd:
"Aber Duo, das ist doch kein Grund sich so schlecht zu fühlen. Das vergeht wieder. Nimm einen anständigen Schluck Tee, dann wird es dir besser gehen."
Der Angesprochene hob langsam seinen Kopf und sah sein Gegenüber mit stumpfen Augen an. Dann erwiderte er mechanisch:
"Danke, Quatre. Ich werde es versuchen."
Trowa war davon überzeugt, dass Duo es auf keinen Fall versuchen würde, und schon gar nicht in ihrer Gegenwart. Auch wenn er nicht wusste, wieso und was mit dem Deathscythepiloten genau passiert war, spürte er, dass es besser war, die Beiden alleine zu lassen. Auch wenn Yuy so kalt wie ein Eisblock war, schien Duo dennoch Vertrauen in ihn zu haben. Mehr Vertrauen als in Quatre oder ihn selbst, stellte Trowa rational fest und wandte sich an seinen Freund.
"Quatre, ich denke, wir sollten die Beiden alleine lassen, wir sind ja schließlich auch schon fertig!", bemerkte er, stand auf und zog seinen Freund mit sich aus dem Zimmer, bevor noch irgendjemand etwas dazu sagen oder sich über sein Benehmen wundern konnte.
Duo und Heero starrten dem doch etwas ruckartigem Abgang des Heavyarmspiloten verwundert hinterher. Schließlich wandte Heero sich an seinen Partner und sagte leise:
"Versuch es doch wenigstens mit einem trockenen Brötchen, Duo. Du wirst sehen, es wird dir helfen."
Der langhaarige Amerikaner sah ihn kläglich an und schüttelte dann den Kopf.
"Nein, wird es nicht. Ich kann morgens nie etwas essen....mir wird immer schlecht davon..."
"Es gab auch eine Zeit, da wurde dir von fünf Schüsseln Cornflakes nicht schlecht", bemerkte Heero trocken und sah ihn herausfordernd an.
"Da....habe ich auch nicht.....haben sie auch nicht......", versuchte Duo herauszubringen, scheiterte aber und fiel wieder in seine Stille.
Na wunderbar, klasse. Feingefühl wie ein NILPFERD. Oder schlimmer: TYRANNOSAURUS!, spottete eine ihm mittlerweile wohlbekannte Stimme in seinem Kopf.
Du kannst es aber auch nicht lassen, Heero, oder? Musst ihn immer wieder darauf bringen, daran zu denken. Steckt da ein kleiner Sadist in dir, hm?
HALT´S MAUL, fauchte Heero wütend in seinen Gedanken. Das ist alles nicht wahr! Ich will ihn nur dazu bringen, dass er sich damit auseinandersetzt, sich mit MIR darüber auseinandersetzt. Er soll es nicht in sich verschließen, sondern es rauslasen, alles, was ihn bedrückt. Das ist es, was ich von ihm will! Und wage es nicht, mich einen Sadisten zu nennen!
Wie pathetisch.....
Das Murmeln wurde leiser, verschwand schließlich gänzlich und ließ einen vor Erleichterung aufatmenden Heero zurück. Als er zur Seite blickte, spürte er, wie Duos Blick fragend auf ihm ruhte und er rang sich ein kleines Lächeln ab.
"Ich war in Gedanken", entschuldigte sich Heero sanft bei seinem Partner und nahm das vorherige Gesprächsthema wieder auf.
"Duo...ich bitte dich...versuch es wenigstens. Für mich okay?"
Der Deathscythepilot sah ihn für einen langen Moment einfach nur an, dann seufzte er seinerseits und griff langsam zu einem der Brötchen, die in einem geflochtenen Brotkorb in der Mitte des Tisches lagen. Einen Augenblick lang besah er sich das eigenartige Kunstwerk aus Wasser, Hefe und Mehl, dann biss er vorsichtig ein kleines Stück ab und kaute gedankenverloren darauf herum. Schließlich hob Duo seinen Blick, begegnete Heeros ruhigem Blick mit der gleichen Intonation und sagte:
"Es...geht...mir ist nicht schlecht...nicht so sehr...."
Der japanische Pilot lächelte daraufhin und schenkte seinem Freund einen Schluck Tee in die hauchzarte Tasse ein.
"Hier.....das wird die Übelkeit mindern", bemerkte er und trank aus seiner eigenen Tasse, die jedoch randvoll mit Kaffee gefüllt war.
Duo nahm gehorsam die Tasse an und setzte gerade zu einem Schluck an, als hinter ihm die Tür aufging und fröhliches Lachen in den vollkommen stillen Raum schallte.
Sowohl Duo als auch Heero drehten sich ruckartig um und erblickten zwei Personen, die gerade den Raum betreten hatten.
Der amerikanische Pilot erbleichte und ließ vor Entsetzen seine Tasse fallen, als er die Hände vor den Mund schlug und erstickt flüsterte:
"Nein...oh Gott, nein....."
Ein kleines Lächeln stahl sich über Heeros Lippen, als er nun entgültig aufstand, seinen Freund hochhob und zum Gut zurücktrug, wo er ihn in sein Zimmer brachte.
"Schlaf gut, Duo!", flüsterte er sanft, hauchte dem Deathscythepiloten einen zarten Kuss auf die Stirn und setzte sich in einen der bequemen Sessel, die in der Nähe des Bettes standen um kurz darauf ebenfalls einzunicken.
"Nein...bitte nicht...."
Heero erwachte langsam aus seinem Tiefschlaf, noch nicht so ganz wissend, wo er war.
"NEIN!"
Der verzweifelte Schrei ließ ihn ruckartig hochfahren und sich an alles erinnern. Er wandte seinen Kopf der unruhigen Gestalt, die sich verzweifelt herumwarf, zu.
Duo! Er träumt wieder! Ich muss ihm helfen, dachte Heero entsetzt und schnellte aus dem Sessel, um einen Bruchteil einer Sekunde später bei seinem Freund zu sein und ihn sanft an der Schulter zu berühren.
"Duo! Wach auf, du bist in Sicherheit! Du träumst nur!", rief er eindringlich, hatte jedoch nur den Erfolg, dass Duo sich jetzt noch verzweifelter herumwarf und ihm wieder Tränen über die Wangen liefen.
"DUO!", rief Heero nun fast ängstlich, zog den zitternden Deathscythepiloten in eine sitzende Position hoch und schüttelte ihn kräftig.
Es wirkte. Duo kam qualvoll langsam zu sich und sah dann mit tränenverschleierten Augen zu Heero hoch, der erleichtert lächelte.
"Gott sei Dank, da bist du ja", flüsterte er bewegt und löste seinen festen Griff um die Schultern des amerikanischen Jungen.
Duo versuchte zurückzulächeln, was ihm jedoch kläglich misslang.
"Ich...hatte wieder...diesen Traum....", hauchte er kaum hörbar und sah auf die Bettdecke, wo sich seine Finger zu Fäusten ballten und verkrampften.
Heero sah es und zog besorgt die Augenbrauen zusammen. Er strich seinem Partner vorsichtig über die Schulter und erwiderte leise:
"Shhh.....es ist vorbei. Für immer, Duo! Sie können dich nicht mehr verletzen, hörst du!"
Furchtsame, blau-violette Augen sahen ihn an, dann nickte Duo leicht und schluckte.
"Ich will, dass du es sagst, Duo! Sag, dass sie tot sind und dir nichts mehr antun können!"
Der amerikanische Junge starrte seinen Partner ungläubig an, dann schüttelte er schon beinahe panisch den Kopf.
"Das...das kann ich nicht! Heero, bitte, das geht nicht!"
"Doch, Duo! Du kannst das! Ich weiß es! Du musst es einfach sagen!"
Der langhaarige Junge zögerte einen Augenblick, sah Heero ängstlich in die Augen und brachte dann leise und stockend hervor:
"Sie...sie...sind tot..."
Als er schwieg, fragte der Wingpilot sanft nach:
"Und...."
"Und....sie...können mir nichts mehr antun", brachte Duo schließlich hastig hervor und sah wieder auf die Bettdecke, die Finger mittlerweile vollkommen verkrampft.
"Danke, Duo", lächelte Heero und seufzte leise.
"Siehst du, du kannst es!"
Nach einer Weile nickte Duo zögerlich und räusperte sich.
"Wie....wie sind wir überhaupt hierhin gekommen? Ich weiß noch, dass ich eingeschlafen bin und dann..."
"...habe ich dich ins Haus getragen", vollendete Heero den Satz. "Es wurde kalt."
Er sah, dass Duo errötete und dann den Blick hob.
"Warst du die ganze Zeit hier?"
Heero nickte.
Meine Güte, er wirkt so verängstigt, so eingeschüchtert, dachte Heero, als er die zusammengesunkene Gestalt vor sich sah. Er hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr von dem alten, fröhlichen Jungen an sich, dachte der japanische Pilot erschüttert.
Er wusste, so sehr er auch Duo Glauben machte, dass die Beiden tot wären, so sehr er auch an seine Worte glaubte, so sehr wünschte er sich, dass dem nicht so wäre. Dass er diese Mistkerle erledigen könnte. Ganz langsam, viel grausamer als sie selbst würde er sie töten, sie dafür büßen lassen, was sie seinem Freund angetan hatten, was sie aus ihm gemacht hatten.
Heero machte sich Vorwürfe. Vorwürfe, weil er nicht gleich gewusst hatte, was mit Duo los war. Die Anzeichen waren doch so offensichtlich gewesen! Und dennoch hatte er sie übersehen, jedes einzelne! Er hatte gesehen, dass der Deathscythepilot Angst vor ihm hatte, sich total veränderte, aber er war verdammt noch mal nicht in der Lage gewesen, den Grund dafür zu erkennen. Wer weiß, wenn er es rechtzeitig geschafft hätte....dann hätte Duo sich nicht auch noch mit einem Mord belasten müssen.
Hätte, wäre, wenn....., mischte sich eine spöttische Stimme in seinem Kopf ein. Es ist etwas spät, um darüber nachzudenken, nicht wahr? Geschehenes ist geschehen. Lass es ruhen und hilf ihm dabei, darüber hinwegzukommen! DAS ist wichtig!
Aber....was ist mit dieser unbändigen Wut, die ich jedes Mal verspüre? Sie lässt sich nicht einfach so abstellen! Was, bitte schön, soll ich damit machen?
Sie überwinden? Unterdrücken? Nicht beachten? Hilf lieber deinem Freund!
Heero seufzte. Die Stimme hatte Recht. Duo besaß in diesem Augenblick die höchste Priorität.
"Heero...", unterbrach plötzlich eben dieser amerikanische Pilot seine Gedankengänge zaghaft und der kurzhaarige Junge sah auf.
Fast ängstliche blau-violette Augen fingen seinen Blick ein, während der langhaarige Pilot leise fragte:
"Würdest...würdest du heute Nacht bei mir bleiben...bitte...ich...", Duos Stimme erstarb solange, bis sie nur noch als Flüstern zu hören war. "Ich...habe Angst, dass....vor...."
Er schwieg. Konnte die Worte nicht herausbringen, die ihn so quälten, ihn immer weiter vernichteten. Was, wenn Heero ablehnte, ihn für schwach hielt?
Aber....er liebt mich, dass hat er selbst gesagt! Er liebt mich! Oder?
Ein leises Lachen antwortete ihm und er sah ruckartig auf.
Machte Heero sich etwa über ihn lustig?
Nein, bitte, das ertrage ich nicht! Bitte, Heero!
Doch das kaum merklich Lachen war voller Wärme, nicht Bosheit und die Augen des Wingpiloten strahlten nur so vor Güte.
"Natürlich bleibe ich bei dir, Duo! Wie könnte ich dich alleine lassen?", fragte er sanft und streckte eine Hand aus, um dem anderen Jungen zart über die Wange zu streifen.
Ich will ihn fragen, so dringend, dass es wehtut, dachte Duo, als er dem federleichten Gefühl auf seiner Wange lauschte. Doch ich habe solche Angst vor der Antwort! Was ist, wenn er mich verabscheut, mich nicht mehr will? Was?
Duo nahm all seinen Mut, um die Wörter herauszubringen, die ihn so quälten. Er holte tief Luft und fragte dann in einem Atemzug:
"Liebst du mich wirklich, Heero? Auch nachdem DAS geschehen ist?"
Einen Moment herrschte Stille, in der es nur Heeros stahlblaue Augen zu geben schien, die ihn ruhig ansahen und für einen schrecklichen Augenblick dachte der langhaarige Pilot, dass er mit seinen Zweifeln recht gehabt hatte. Dass sein Gegenübers sich von ihm abwenden wollte, ihn wieder den Dämonen überließ, die ihn heimsuchten und folterten.
Doch dann hörte die Zeit auf, stillzustehen und Heero antwortete ernst:
"Ich werde es immer tun, Duo! Egal, was passiert ist! Ich werde zu dir stehen, was auch geschieht, hörst du? Das ist ein Versprechen!"
Duo nickte langsam. Jetzt erst wurde er sich der ganzen Tragweite dieser Worte bewusst und es versetzte ihm ein beruhigendes Gefühl, das der allgegenwärtigen Panik in seiner Seele entgegenwirkte.
Er schlug seine Augen nieder. Er hatte Angst, wahnsinnige Angst vor den Träumen, den Schatten, die ihn holen wollten, die das nachholten, was die Beiden jetzt nicht mehr mit ihm machen konnten.
Heero sah, wie der Körper des Jungen vor ihm sich verkrampfte und sein Partner so klein wie möglich zu werden versuchte.
Oh...Duo....warum? Warum musst du so leiden? Ich wünschte, ich könnte dir all das abnehmen, diese Tat ungeschehen machen, doch was mir übrig bleibt ist der zaghafte Versuch, dir das wiederzugeben, was man dir genommen hat: dein Vertrauen. Und glaub mir, ich würde eher sterben, als dass ich es missbrauchen würde.
Er seufzte leise und fragte dann:
"Soll ich hier im Sessel bleiben?"
Duo hob seinen Blick und sah ihn für einen Moment scheu an. Dann überlegte er kurz, schien mit sich zu ringen.
"Ich werde dich nicht bedrängen, Duo", fügte der Wingpilot sanft hinzu und setzte sich ein Stück zurück.
Einen Moment herrschte Stille, bevor Duo sich räusperte und leise flüsterte:
"Wenn du möchtest....kannst du auch....zu mir kommen....das Bett ist groß genug....."
Heero verstand Duos Wunsch, ihm nicht zu nahe zu kommen sofort und nickte.
"Gut, dann werden wir doch mal sehen, ob wir diese Geister nicht vertreiben können, nicht wahr, Duo?", fragte er und öffnete seine Jeans, um sie auszuziehen, als er ein entsetztes Keuchen hörte und erschrocken hochfuhr.
"Duo...was?", begann Heero mit klopfendem Herzen, genau in die violetten Seen voller Angst und Entsetzen blickend.
Na, WAS wohl?, tönte auch prompt die spöttische Stimme in seinem Kopf. Dreimal darfst du raten, was der Offizier getan hat, bevor er ihn vergewaltigt hat, du großer Held! Aber nein, Mr. Perfect Soldier hat ja nichts besseres zu tun, als es ihm nachzuahmen!
Heero schoss ob diesem Vorwurf die Röte in die Wangen und er sagte hastig zu Duo:
"Ganz ruhig! Wenn....es dir nicht recht ist, dass ich in Boxershorts neben dir schlafe....dann....dann musst du es sagen...Duo..."
Mein Gott! Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt wie jetzt, nein, wie in der letzten Zeit. Darauf hat mich mein Training bei Doktor J nicht vorbereitet.
Heero sah, wie dem langhaarigen Jungen wieder Tränen in die Augen traten und er anfing zu zittern.
"Nein....nein...", brachte er stockend hervor. "Ich....das galt nicht dir....ich dachte nur für einen Moment...du wärst er...und du würdest..."
Duo schluckte und brachte es nicht fertig, das auszusprechen, was ihm angetan worden war. Heero machte ihm daraus auch keinen Vorwurf, nein, ganz im Gegenteil. Er ging langsam und ruhig auf ihn zu und legte ihm schließlich eine Hand auf die Wange.
"Ist ja gut, Duo. Ist ja gut. Shhh....es ist doch nicht schlimm....niemand macht dir daraus einen Vorwurf....."
Blau-violette Augen sahen mit einer unheimlichen Verletzlichkeit zu ihm auf.
"Ich....", mehr brachte der amerikanische Pilot nicht hervor, bevor er die Hände vors Gesicht schlug, hemmungslos weinte und sich von Heero in einer sanften Umarmung sachte wiegen ließ.
Eine Weile hörte man nur das stille Weinen des langhaarigen Jungen, doch dann flüsterte Duo verzweifelt:
"Bitte...bitte....lass mich nicht los....hilf mir, Heero....."
Heero nickte unter Tränen und brachte schließlich ein heiseres "Ja" hervor, während er den schmächtigen Körper in seinen Armen enger an sich drückte.
"Nie, Duo, nie werde ich das tun, versprochen."
Der amerikanische Pilot sah auf und schniefte, bevor er sich zitternd die Tränen mit dem Handrücken abwischte und sich in einem Lächeln versuchte, was ihm aber kläglich missglückte.
"Sollen wir schlafen gehen?!", flüsterte Heero leise lächelnd und sein Gegenüber nickte, so löste er sich aus der Umarmung und kroch dann zu seinem Partner unter die wohlig warme Bettdecke.
Duo rückte ein Stück von ihm ab und wisperte dann:
"Du...wirst auf.....mich aufpassen...oder? Dass...dass sie nicht kommen und...."
Heero nickte und nahm dann hauchzart Duos Hand. Er strich ihm noch ein letztes Mal über die Wange und antwortete:
"Bei mir bist du sicher, Duo."
Insgeheim musste Heero ob dieser kindlichen Logik lächeln, doch in Duos Fall schien sie wahre Wunder zu wirken, denn der Deathscythepilot beruhigte sich allmählich und schloss die Augen.
Heero wusste, er würde kurze Zeit später vor Erschöpfung eingeschlafen sein.
Nun bin ich auch noch ein Wächter der Träume, dachte er und machte sich dann ebenfalls für eine tiefen, hoffentlich traumlosen Schlaf
Ein drückender Schmerz in seiner rechten Hand ließ Heero plötzlich hochfahren und sich verwirrt umschauen. Für einen Moment wusste er nicht, was passiert war, doch dann gewann er seine Orientierung wieder und blickte neben sich auf die unruhig schlafende Gestalt, die im Traum seine Hand verzweifelt gedrückt hatte und sich nun leise schluchzend herumwarf.
Er träumt wieder....nein, es sind Alpträume, dachte Heero bedrückt und berührte den amerikanischen Jungen an der Schulter.
"D...", wollte er gerade ansetzen als sein Gegenüber auch schon die Augen aufschlug und erst langsam in die Realität zurückkehrte.
"Geht es wieder?", fragte der japanische Pilot sanft und Duo nickte stumm.
"Willst du mir davon erzählen?", fragte er weiter, bekam jedoch für ein paar Momente keine Antwort. Schließlich, nach einer gespannten Stille, antwortete Duo:
"Es...es ist immer wieder das Selbe. Sie..."
Duo würgte und brachte es nicht fertig, den Satz zu Ende zu sprechen, so beruhigte Heero ihn leise und strich ihm tröstend über die Wange. Er ließ sich nicht anmerken, wie stark ihn das Ganze selbst betraf. Nichts, aber auch wirklich gar nichts hatte ihn auf so etwas vorbereitet, vorbereiten können. Er fühlte sich so vollkommen hilflos, so überfordert mit der Situation und wusste doch mit Sicherheit, dass er im Moment der Einzige war, dem Duo vertraute, dem er sich öffnete.
Heero kamen Quatres Worte in den Sinn. "Duo öffnet sich dir gegenüber, er vertraut dir und erwartet sogar Hilfe von dir" hatte der arabische Pilot gesagt und doch hatte Heero es ihm da nicht glauben wollen. Aber nun tat er es, aus vollster Seele. Er verstand Duos Verhalten, verstand seinen Freund und alles, was in ihm vorging. Und dennoch fand er für diesen Vorgang keine Parameter, die er einsetzen konnte, um die Gleichung zu lösen.
Eine Gleichung mit unbekannten Parametern. Sie zu lösen war schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Nein! Nein, es darf nicht unmöglich sein!, schalt Heero sich selbst. Ich darf nicht so negativ denken, sonst bin ich Duo am Ende überhaupt keine Hilfe. Und das darf keineswegs geschehen. Ich habe es ihm versprochen, also werde ich mein Versprechen auch halten!
Heero seufzte leise und nahm den amerikanische Jungen leicht in seine Arme.
"Ach, Duo...", begann er langsam, wusste aber nicht weiter.
Was sollte er ihm denn sagen? Sie werden nicht wiederkommen? Falsch, denn genau das taten sie ja. Du kannst darüber hinwegkommen? Natürlich. Das sagt sich auch so leicht, wenn man das nicht durchgemacht hat. Ich werde dich immer beschützen? Das klang pathetisch.
Es entspricht aber der Wahrheit, erwiderte Heero seiner inneren Stimme und sah auf die kleine, immer noch zitternde Gestalt in seinen Armen.
Gott, wenn nicht ein Wunder geschieht, dann weiß ich nicht, was ich machen soll.
Heero spürte plötzlich, wie Duo unruhig wurde und sich von ihm löste, um ihn darauf entschuldigend anzusehen und leise zu flüstern:
"Es...tut mir leid, Heero...Aber ich kann nicht....die Nähe...."
Der japanische Junge verstand und löste sich ganz von seinem Partner.
"Ist schon okay, Duo. Du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen!", murmelte er ebenso leise und lächelte kurz und beruhigend.
"Danke...", hauchte sein Gegenüber und schloss erschöpft die Augen um Sekunden später wieder eingenickt zu sein.
Heero beobachtete die schlafende Gestalt vor ihm noch eine Weile, dann legte er seinen Kopf wieder auf die weiche Matratze und schloss die Augen.
Hoffentlich können wir in Ruhe bis morgen durchschlafen, dachte er noch, bevor auch er sich Mephistos Bruder übergab und in das Reich der Träume eintauchte.
*
Als Heero schließlich wieder von seinem komaähnlichen Schlaf zu sich kam, fühlte er sich absolut elend. Seine Zunge war pelzig und ausgedörrt, als hätte er tagelang nichts getrunken, seine Glieder fühlten sich vollkommen steif an und seine Sachen klebten vollkommen klamm an seinem Körper. Alles in allem trug das gerade nicht zur Besserung seiner Laune hinzu, zumal er sich auch jetzt wieder überdeutlich an die Geschehnisse des letzten Tages und der letzten Nacht erinnerte. Duo...sein angeblicher Tod während der Mission, sein Selbstmordversuch, die Verzweiflung, die nun auch auf ihn selbst übergegriffen hatte, die Hilflosigkeit und Wut. All das ließ ihn schier verzagen.
Heero hörte neben sich ein leises Geräusch und wandte seinen Kopf nach links.
Duo, schoss es ihm durch den Kopf. Gott, er sieht ja noch schlimmer aus als ich mich fühle mit seinen hohlen Wangen, den Augenrändern und der bleichen Haut. Wie ein Skelett, ein Schatten seiner selbst.
Der Deathscythepilot öffnete langsam seine Augen und sah sein Gegenüber erst mit einem vernebelten, dann jedoch klaren Augen an.
"Heero?", krächzte er stirnrunzelnd und hustete.
Heero lächelte leicht und gab ebenso leise zurück:
"Wie fühlst du dich heute morgen, Duo?"
Der amerikanische Junge war ein paar Augenblicke lang in der Lage, seinen Blick zu erwidern, dann senkte er jedoch seine Lider und nickte leicht.
"Es...geht...", brachte er stockend heraus, dann richtete er sich mühsam auf und schwankte in Richtung Bad, ein "Mir ist schlecht" murmelnd.
"Duo!", rief Heero besorgt und sprang ebenfalls aus dem Bett, kurz darauf jedoch seine Ungeschicktheit verwünschend, als er sich beinahe in der Decke verwickelte und auf dem Boden aufschlug. Dann konnte er sich fangen und hastete seinem Freund hinterher, ihn kurz vor der Badezimmertür am Atm erwischend und eisern festhaltend.
"Duo....versuch dagegen anzukämpfen! Bitte!", flehte er und traf auf einen vollkommen verzweifelten Blick, während der amerikanische Junge schon fast panisch den Kopf schüttelte und mit tränengefüllten Augen erwiderte:
"Bitte Heero...bitte....lass mich...ich kann es nicht aufhalten...es geht einfach nicht...."
Dabei wehrte er sich wie verrückt gegen den Griff seines Partners, versuchte ihm seine Handgelenke wegzureißen und somit ins Bad zu kommen, doch Heero gab nicht nach.
"Duo....ich flehe dich an....kämpfe dagegen! Bitte!"
Ein panisches Kopfschütteln war das einzige, was er als Antwort bekam, als er erschrocken sah, dass immer weitere Tränen über Duos Wangen liefen und er trocken würgte.
"Lass mich bitte! Heero......bitte....erspar mir die Demütigung, auch noch....", schluchzte der Deathscythepilot verzweifelt und sah seinem Partner in die Augen.
Heero war nicht zwei Sekunden in der Lage, diesem Blick voller Schmerz und Entsetzen Stand zu halten, so senkte er Seinen und lockerte den Griff um Duos Handgelenke, welcher sich sofort losriss und ins Bad stürmte.
"Duo! Nein!", setzte er noch mal an und rannte dem langhaarigem Jungen hinterher, der sich schon über die Toilettenschüssel gebeugt hatte und sich mit tränenüberströmten Gesicht erbrach.
"Nein....nicht Duo", flüsterte Heero entsetzt und kniete sich ebenfalls auf die kalten Steinfliesen, während er ein Handtuch nahm, es mit kaltem Wasser befeuchtete und seinem Freund damit vorsichtig erst die schweißnasse Stirn kühlte und ihm schließlich das Gesicht abwischte.
"Shh....ruhig....ganz ruhig.....", versuchte er das Zittern, das durch den Körper des Deathscythepiloten lief, abzumildern und ihn zu beruhigen, was ihm aber nur teilweise gelang.
"Es...es tut mir leid, Heero! Ich...ich wollte das nicht....!", schluchzte Duo verzweifelt und schlang die Arme um Heero, barg seinen Kopf in der Schulterbeuge seines Freundes, benetzte damit seinen Nacken.
"Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen", erwiderte dieser so sanft wie möglich und wiegte den zitternden Jungen hin und her. "Für gar nichts, Duo, für gar nichts. Du bist nicht Schuld, hörst du. An gar nichts."
"Doch!", fuhr der langhaarige Junge heftig auf. "Doch! Ich...ich hätte das nicht geschehen lassen dürfen! Ich hätte mich wehren müssen...."
Heeros Augen weiteten sich ungläubig angesichts dieser schrecklichen Worte. Er konnte selbst nicht fassen, dass der Deathscythepilot so von sich dachte. Wenn jemanden überhaupt keine Schuld traf, dann war es doch wohl Duo!
Verdammt, knurrte er wütend in seinen Gedanken. Wieso verfolgt ihr ihn auch jetzt noch? Habt ihr ihm nicht schon genug angetan? Hat er nicht schon genug leiden müssen?
"Duo!", sagte Heero lauter als beabsichtigt und rückte etwas von dem zitternden Jungen ab, der ihn nun mit großen, angstgefüllten Augen ansah. "Du bist NICHT Schuld! An GAR NICHTS! Dieser Offizier und Kushrenada, sie haben Strafe verdient, du aber nicht, Duo! Du bist unschuldig! Sieh doch ein, dass du nichts gegen sie ausrichten konntest, dass du es gegen deinen Willen hast über dich ergehen lassen müssen! Und genau deshalb trifft dich keine Schuld!"
Die Angst in den violetten Augen milderte sich etwas ab und wandelte sich in Ungläubigkeit. Dann fragte der langhaarige Junge leise:
"Ist...ist das wirklich wahr? Aber ich fühle mich so...."
"Duo, dich trifft nicht im Geringsten irgendeine Schuld!", unterbrach Heero seinen Freund und zog ihn wieder zu sich, um ihn sanft zu umarmen.
Dann, langsam aber sicher, ebbte das stetige Zittern ab und der Junge in seinen Armen beruhigte sich.
"Ich bin nicht schuld", flüsterte Duo leise und wiederholte den Satz dann lauter, bis er das Zittern ganz aus seiner Stimme heraushalten konnte und Heero direkt in die Augen sah.
"Ich bin nicht schuld", sagte er noch ein letztes Mal fast scheu und wischte sich mit einer Hand über die Wangen, um auch die letzen Spuren der Tränen zu beseitigen.
Heero lächelte dankbar und fragte dann ebenso ungewohnt zurückhaltend:
"Sollen....wir nach unten gehen? Zu den Anderen?"
Einen Moment schien es, als ob er damit etwas Falsches gesagt hätte, denn der amerikanische Pilot senkte seinen Kopf und versteifte sich unmerklich.
"Wenn...wenn du bei mir bleibst, dann ja", brachte er schließlich hastig hervor und sah dem Wingpiloten scheu in die stahlblauen Augen.
Heero nickte erleichtert und befreite sich dann vorsichtig aus dem Griff seines Gegenübers.
Er stand auf, streckte ihm die Hand entgegen und sagte aufmunternd:
"Wollen wir?"
Nach kurzem Zögern ergriff Duo sie und kam ebenfalls auf die Beine. Er wollte schon das Bad verlassen, als er stockte und sich noch einmal zu seinem Freund umdrehte.
"Ich zieh mir nur schnell was anderes an", bemerkte er, senkte leicht den Kopf und begann, in seinem Kleiderschrank nach etwas Geeignetem zu kramen.
Heero sah derweil an sich herunter und bemerkte, dass auch er nicht gerade zum Besten aussah und sich auch nicht zum Besten fühlte in den klammen Sachen, die er gerade am Körper trug.
"Ich geh mich eben umziehen", rief er dem Deathscythepiloten zu und war schon aus Duos Zimmer verschwunden, um sich selbst eine frische Jeans und einen Pulli anzuziehen. Später war für Duschen schließlich noch Zeit genug.
Heero betrachtete sich im Spiegel, als er sein verworrenes Haar glättete.
Was wird nun? Was wird aus ihm? Aus mir? Wie kann ich ihm helfen? Wie kann ich ihm helfen, ein neues Leben zu beginnen und all diese schrecklichen Dinge hinter sich zu lassen? ausgerechnet ich, der perfekte Soldat, der bislang keine Gefühle kannte?
Heero bemerkte auf einmal, wie schwach und blass sein Zwilling im Spiegel war.
Mir ist noch nie aufgefallen, dass ich so klein, so hilflos wirke. Bin ich das denn? Oder bin ich eine Kriegsmaschine, darauf getrimmt zu töten?
Wohl beides, oder?, ertönte da die spöttische Stimme in seinem Hinterkopf wieder. Auf der einen Seite tötest du Menschen, hättest sogar ihn schon oft fast getötet. Und auf der anderen Seite bist du immer noch das kleine hilflose Kind, das damals seine Ausbildung begonnen hat und jede Nacht geweint hat, weil es nicht mehr bei Mama und Papa sein konnte.
Ich bin kein Kind mehr, knurrte Heero erbost. Damals ist damals und somit vergangen. Um meine Eltern weine ich schon lange nicht mehr!
Aber um Duo, bemerkte die Stimme gehässig und zog sich dann wieder zurück, so plötzlich, wie sie gekommen war.
"Ich weine um Duo", echote der japanische Pilot leise und starrte auf sein Ebenbild. "Ich liebe Duo", fügte er schließlich noch hinzu, straffte dann seine Schultern und verließ sein Zimmer, um dann Duo auf dem Gang zu treffen, der ihm ein scheues Lächeln zuwarf.
Ja, ich liebe ihn. Mehr als mein Leben.
"Wollen wir?", fragte er den bezopften Jungen und der nickte, so gingen sie gemeinsam hinunter in den Salon, wo sie vor zwei Tagen noch angespannt vor der Mission gesessen hatten und Heero noch nicht einmal geahnt hatte, was mit Duo passiert war.
*
Quatre und Trowa saßen gerade am Frühstückstisch, als die Tür aufging und Heero hineinkam.
Nein, falsch, Yuy und Maxwell, berichtigte Trowa sich in Gedanken und brummte ein "Guten Morgen", während Quatre gleich voller Freude aufsprang und die beiden strahlend begrüßte.
Trowa runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber ganz gewaltig. Dieses Irgendetwas hieß Duo Maxwell und schlich wie ein Schatten seiner selbst hinter dem japanischen Piloten her. Zudem schien es....
Trowas Augenbrauen schossen in die Höhe.
In den letzten Tagen war es meist so gewesen, dass Duo Heero angegiftet hatte, auch wenn er das unbemerkt tat. Doch nun schien das bereinigt zu sein, vielmehr schien Yuy den langhaarigen Jungen zu beschützen. Seine Art, sich vor ihn zu stellen, den Jungen hinter seinem Rücken zu beschützen. Und es war, als ob Duo diesen Schutz auch dankbar annahm.
Er sieht aber auch schlecht aus, gestand sich der Heavyarmspilot ein. Ich hatte ihn nicht so dünn in Erinnerung. Und wo ist sein obligatorisches Grinsen geblieben, dass er sonst immer trug?
Trowa beobachtete gerade, wie sein Freund Duo übermütig zum Tisch zog und ihn auf einen Stuhl niederdrückte, dann erneut lachte und sich wieder neben ihm selbst auf seinen Platz fallen ließ.
"Na, ihr Beiden habt aber lange geschlafen!", lachte er augenzwinkernd und begegnete zwei mehr oder minder ausdruckslosen Blicken.
"Habt ihr uns nicht etwas mitzuteilen?", fragte Quatre munter weiter und sah von Duo zu Heero und wieder zurück.
Trowa bemerkte, wie Duo sichtbar zusammenzuckte und in sich zusammenzufallen schien. Er gab einen Laut der Überraschung von sich, der jedoch von Quatres munterer Frage nach Kaffee oder Tee übertönt wurde.
Irre ich mich, oder macht sich Yuy Sorgen um den Jungen?, fragte Trowa sich unwillkürlich, als er sah, wie Heero sich leicht zu Duo beugte und Quatre einen finsteren Blick zuwarf.
Der blonde Araber wollte gerade schon weiter munter drauflos plappern, als Trowa ihn beim Arm fasste und leise wisperte:
"Quatre....hör besser auf....den Beiden geht´s nicht gut!"
Ein Paar blau-grüner Augen traf ihn in völliger Überraschung.
"Wie meinst du das?", flüsterte er zurück und sah auf ein Kopfnicken Trowas hin in Duos Richtung, der den Kopf gesenkt hatte und verkrampft irgendeinen Punkt auf der Tischfläche fixiert hatte.
Duo....
Quatre seufzte leise und fragte schließlich sanft:
"Duo, Heero, was möchtet ihr essen?"
Die beiden Angesprochenen sahen abrupt auf und schwiegen einen Moment, dann antwortete Duo leise:
"Danke...ich....ich habe keinen Hunger."
Heero schwieg ganz, er hatte nur seinen besorgten Blick auf den amerikanischen Piloten gerichtet, der seinen Kopf wieder gesenkt hatte und nicht dazu bereit schien, noch irgendwelche anderen Fragen zu beantworten.
Quatre jedoch war überhaupt nicht geneigt, den langhaarigen Jungen so einfach davon kommen zu lassen. Er seufzte auf und setzte dann noch einmal an:
"Aber warum, Duo? Ein Brötchen wird doch nicht schaden! Oder Cornflakes, die isst du doch so gerne!"
Wiederum einen Moment Stille.
"Duo ist nicht gut. Er hat sich heute morgen erbrochen."
Drei Augenpaare starrten Heero Yuy mehr oder minder überrascht an, dann räusperte sich Quatre vernehmlich und erwiderte freundlich lächelnd:
"Aber Duo, das ist doch kein Grund sich so schlecht zu fühlen. Das vergeht wieder. Nimm einen anständigen Schluck Tee, dann wird es dir besser gehen."
Der Angesprochene hob langsam seinen Kopf und sah sein Gegenüber mit stumpfen Augen an. Dann erwiderte er mechanisch:
"Danke, Quatre. Ich werde es versuchen."
Trowa war davon überzeugt, dass Duo es auf keinen Fall versuchen würde, und schon gar nicht in ihrer Gegenwart. Auch wenn er nicht wusste, wieso und was mit dem Deathscythepiloten genau passiert war, spürte er, dass es besser war, die Beiden alleine zu lassen. Auch wenn Yuy so kalt wie ein Eisblock war, schien Duo dennoch Vertrauen in ihn zu haben. Mehr Vertrauen als in Quatre oder ihn selbst, stellte Trowa rational fest und wandte sich an seinen Freund.
"Quatre, ich denke, wir sollten die Beiden alleine lassen, wir sind ja schließlich auch schon fertig!", bemerkte er, stand auf und zog seinen Freund mit sich aus dem Zimmer, bevor noch irgendjemand etwas dazu sagen oder sich über sein Benehmen wundern konnte.
Duo und Heero starrten dem doch etwas ruckartigem Abgang des Heavyarmspiloten verwundert hinterher. Schließlich wandte Heero sich an seinen Partner und sagte leise:
"Versuch es doch wenigstens mit einem trockenen Brötchen, Duo. Du wirst sehen, es wird dir helfen."
Der langhaarige Amerikaner sah ihn kläglich an und schüttelte dann den Kopf.
"Nein, wird es nicht. Ich kann morgens nie etwas essen....mir wird immer schlecht davon..."
"Es gab auch eine Zeit, da wurde dir von fünf Schüsseln Cornflakes nicht schlecht", bemerkte Heero trocken und sah ihn herausfordernd an.
"Da....habe ich auch nicht.....haben sie auch nicht......", versuchte Duo herauszubringen, scheiterte aber und fiel wieder in seine Stille.
Na wunderbar, klasse. Feingefühl wie ein NILPFERD. Oder schlimmer: TYRANNOSAURUS!, spottete eine ihm mittlerweile wohlbekannte Stimme in seinem Kopf.
Du kannst es aber auch nicht lassen, Heero, oder? Musst ihn immer wieder darauf bringen, daran zu denken. Steckt da ein kleiner Sadist in dir, hm?
HALT´S MAUL, fauchte Heero wütend in seinen Gedanken. Das ist alles nicht wahr! Ich will ihn nur dazu bringen, dass er sich damit auseinandersetzt, sich mit MIR darüber auseinandersetzt. Er soll es nicht in sich verschließen, sondern es rauslasen, alles, was ihn bedrückt. Das ist es, was ich von ihm will! Und wage es nicht, mich einen Sadisten zu nennen!
Wie pathetisch.....
Das Murmeln wurde leiser, verschwand schließlich gänzlich und ließ einen vor Erleichterung aufatmenden Heero zurück. Als er zur Seite blickte, spürte er, wie Duos Blick fragend auf ihm ruhte und er rang sich ein kleines Lächeln ab.
"Ich war in Gedanken", entschuldigte sich Heero sanft bei seinem Partner und nahm das vorherige Gesprächsthema wieder auf.
"Duo...ich bitte dich...versuch es wenigstens. Für mich okay?"
Der Deathscythepilot sah ihn für einen langen Moment einfach nur an, dann seufzte er seinerseits und griff langsam zu einem der Brötchen, die in einem geflochtenen Brotkorb in der Mitte des Tisches lagen. Einen Augenblick lang besah er sich das eigenartige Kunstwerk aus Wasser, Hefe und Mehl, dann biss er vorsichtig ein kleines Stück ab und kaute gedankenverloren darauf herum. Schließlich hob Duo seinen Blick, begegnete Heeros ruhigem Blick mit der gleichen Intonation und sagte:
"Es...geht...mir ist nicht schlecht...nicht so sehr...."
Der japanische Pilot lächelte daraufhin und schenkte seinem Freund einen Schluck Tee in die hauchzarte Tasse ein.
"Hier.....das wird die Übelkeit mindern", bemerkte er und trank aus seiner eigenen Tasse, die jedoch randvoll mit Kaffee gefüllt war.
Duo nahm gehorsam die Tasse an und setzte gerade zu einem Schluck an, als hinter ihm die Tür aufging und fröhliches Lachen in den vollkommen stillen Raum schallte.
Sowohl Duo als auch Heero drehten sich ruckartig um und erblickten zwei Personen, die gerade den Raum betreten hatten.
Der amerikanische Pilot erbleichte und ließ vor Entsetzen seine Tasse fallen, als er die Hände vor den Mund schlug und erstickt flüsterte:
"Nein...oh Gott, nein....."
