Heero wachte mit einem Gefühl vollkommenster Zufriedenheit auf. Es war warm, sie hatten keine Mission, er konnte sich noch enger in sein Kissen kuscheln.

Kissen?, bemerkte es da schon hämisch und Heero schreckte auf.

Duo!

Der japanische Pilot riss erschrocken die Augen auf und sah erst nur eine wirre Haarmasse vor sich, bis er dann Duos friedliche Gesichtszüge entdecken konnte, die bis vor kurzem noch an seine Brust gepresst waren.

Er sind wunderschön aus, wenn er schläft, entfuhr es Heero in Gedanken verträumt und er seufzte leise.

Denn auch wenn es im Moment so friedlich schien, würde spätestens beim Aufwachen diese Stille vorbei sein. Dann würde das Leid zurückkehren, Duo würde sich wieder übergeben müssen, würde wieder in seinen alten Zustand verfallen.

Gott....warum habe ich all diese Gefühle nicht früher erkannt? Warum musste er so leiden?

Es ist nicht deine Schuld, Heero.

Ach nein? Ich hätte ihn eher retten müssen, hätte ihn davor bewahren können! Ich bin es doch, der gewartet hat, nachdem Duo mir die Daten überspielt hatte. Ich war es, der gedacht hat, dass es schon nicht so schlimm sei. Und da soll ich nicht schuldig sein?

Heero sah erneut auf seinen Partner herab und bemerkte zum ersten Mal, wie eng sie eigentlich beieinander lagen. Duo hatte seine Fötalstellung von der vorherigen Nacht aufgegeben und sich nun eng an seinen Körper geschmiegt, die Hände wie zum Schutz vor seiner Brust, den Kopf gesenkt, die Gesichtszüge friedlich und entspannt. Nichts von der doch sonst so allgegenwärtigen Angst war zu sehen oder zu spüren.
Ein Bein des Deathscythepiloten hatte sich mit Heeros verfangen, sodass der kurzhaarige Junge die kleinen Härchen spürte, die ihn an seinem Bein kitzelten. Bei diesem Gefühl musste er unwillkürlich lächeln und drückte seinen Freund etwas enger an sich, was dieser mit einem leisen Laut quittierte und sich dann leicht bewegte, woraufhin er schließlich aufwachte.

Erst seine Umgebung, dann seinen Partner verwirrt anschauend, richtete Duo sich schließlich ein wenig auf und fragte :

"Wie bin ich hierhin gekommen?"

Heero seinerseits runzelte die Stirn und antwortete leise:

"Du hattest anscheinend einen Alptraum und bist dann in mein Zimmer gekommen. Ist das nicht okay?"

Nach einem kurzen Zögern schüttelte der amerikanische Pilot seinen Kopf und erwiderte:

"Nein....nein....es ist nur......dieser fürchterliche Traum.....ich hatte solche Angst.....Heero...solche Angst.....", flüsterte Duo, während ihm plötzlich Tränen angesichts der Erinnerung über die Wangen liefen. "Und dann....dachte ich mir....dass ich bei dir sicher sein würde...."

Heeros Augen weiteten sich vor Erstaunen.

"Und...und das war ich auch....du hast mich vor meinen Alpträumen beschützt, Heero!"

Der Wingpilot sah auf seinen Partner herab und bemerkte, dass Duo lächelte. Er lächelte tatsächlich! Wenn auch schwach, aber dennoch! Und obwohl dieses Lächeln so gar nicht zu den Tränen passte, faszinierte diese kleine Muskelbewegung den Japaner von Grund auf.

Selbst in diesem wunderbaren Zauber gefangen, löste Heero eine Hand und strich damit zärtlich über Duos Wange, für ewig dieses ehrliche, stille Lächeln einfangen wollend.

Er ist wunderschön, bemerkte ein Teil in Heeros Seele verwundert. So schön, dass es schon fast schmerzt. Wie kann nur jemand dieses Wesen zerstören wollen? Wie kann jemand es so verletzen?

Er löste dann seine Hand von dieser zarten Wange und ersetzte sie mit seinen Lippen, um dem langhaarigen Jungen blitzschnell einen kaum spürbaren und dennoch präsenten Kuss auf die Stirn zu geben, was mit einem leisen Seufzen belohnt wurde.

Er vertraut mir, sagte Heero erleichtert zu sich selbst. Er zuckt nicht zurück. Nach all dieser Zeit und all diesen Ereignissen gibt er seine selbstgewählte Isolierung auf und vertraut mir.

Heero lächelte glücklich und strich Duo dann ein paar Haare aus dem Gesicht, nur um hoffnungsvollen, blau schimmernden Augen zu begegnen.

"Du lächelst viel in letzter Zeit, Heero", stellte der amerikanische Pilot verwundert fest. "Ganz anders als früher."

"Früher?"

Duo legte leicht den Kopf schief und musterte seinen Partner dann prüfend.

"Früher warst du so....kalt....so abweisend...."

Das stimmt, antwortete Heero mehr sich selbst als Duo in seinen Gedanken und stellte dann fest, dass es das erste Mal in den vergangenen Wochen war, dass Duo so etwas zu ihm gesagt hatte. Das ihm die Veränderung in Heeros Wesen aufgefallen war.

Soll das bedeuten, er kommt mehr und mehr aus seinem Schneckenhaus heraus und interessiert sich wieder für seine Umwelt?

Heero nahm eine von Duos Händen und hauchte einen feinen Kuss auf die wunden Knöchel.

"Und nun bin ich es nicht mehr?", fragte er neckend, worauf ein minimales Kichern ertönte und den amerikanischen Piloten ein Schauder des Entzückens durchlief.

"Zu mir nicht", erwidert Duo und bewegte spielerisch seine Finger in Heeros Hand.

"Du bist auch etwas Besonderes."

Die Finger gaben ihr bezauberndes Spiel auf und entspannten sich.

"Du bist der Erste, der das zu mir sagt", erwiderte Duo plötzlich ernst und sah seinem Freund direkt in die Augen. "Und der Erste, dem ich es glaube."

Heero wusste sofort, was für eine ungeheure Bedeutung diese Worte hatten und er nickte ruhig.

"Duo, du bist das Wichtigste auf der Welt für mich und wirst es auch immer bleiben. Ich werde dir nie wehtun, versprochen!"

Duo senkte den Kopf und schauderte leicht, doch dieses Mal aufgrund des Versprechens, das Heero ihm gegeben hatte.

Was ist, wenn er es nicht hält? Wenn er dich genauso missbraucht? Was dann?, schrie seine innere Stimme panisch, doch er schüttelte nur ruhig den Kopf.

Nein, ich WEIß, dass er das nicht machen wird. Er liebt mich, er ist bereit, mir zu helfen, auch wenn es heißt, dass er dafür seine Bedürfnisse zurückstellen muss.

"Danke Heero", erwiderte er schlicht und wollte sich gerade wieder entspannt zurücklehnen, als der Griff um seine Finger sich festigte und er hörte, wie sein Gegenüber scharf die Luft einzog.

"Heero?", fragte Duo vorsichtig und wollte seine Hand der festen Umklammerung entziehen, was ihm aber nicht gelang und ihm einen gewissen Stich von Panik versetzte.

Was um alles in der Welt hatte der japanische Junge?

"Duo....warum?"

Es lag soviel Unverständnis in dieser kleinen Frage, dass es Duo beinahe das Herz einschnitt.

Er sah auf und bemerkte, dass Heero genau auf die Schnitte auf seinen Armen starrte. Die frischen Schnitte.

Stahlblaue, ungläubige Augen sahen auf, blickten in violette, tränenverschleierte.

"Heero...ich musste es tun....", brachte Duo plötzlich kaum mehr hervor und rückte ein Stück von seinem Partner ab, immer noch seine Hand in Heeros gefangen.

"Der Schmerz.....wenn ich nicht rauslasse...Heero. Er bringt mich um, zerstört mich......"

Die plötzliche Zärtlichkeit in Heeros Augen brachte ihn mehr zum Schweigen als der Finger auf seinen Lippen.

"Wir werden eine andere Lösung finden, Duo. Versprochen", antwortete er ruhig und beschwichtigend, während er schnell aufstand und in seiner Tasche kramte.

Duo sah ihm erschrocken dabei zu, wagte es jedoch nicht, sich zu rühren oder irgendetwas zu sagen.

Was meinte der Wingpilot damit und viel schlimmer, was hatte er vor?

"Das ist es!", rief Heero plötzlich triumphierend und drehte sich wieder zu seinem Partner, leicht lächelnd und ein kleines Kästchen von der Größe einer Schatulle hochhaltend.

Duo zuckte unwillkürlich zurück und betrachtete wachsam den Gegenstand in Heeros Hand, als dieser wieder auf ihn zukam, sich vor niederkniete und die Schatulle öffnete.

Ein Verbandskasten?, stellte der langhaarige Pilot überrascht fest, als er verschiedenste Salben, Medikamente und Bandagen erkannte, während Heero seinen linken Arm nahm, ihn gründlich säuberte, mit einer Wundheilsalbe einrieb und schließlich bandagierte. Das gleiche machte er dann mit dem entgegengesetzen Arm und lächelte seinen Partner zum Schluss ruhig an.

"So, fertig. War doch gar nicht so schlimm, oder?"

Duo schüttelte stumm den Kopf und erinnerte sich plötzlich an die Zeit, die die beiden in dem kleinen Apartment nach Duos Befreiung durch Heero und Flucht verbracht hatten. Da hatte Heero ihn auch verarztet und ihn gefragt, ob es schlimm gewesen sei. Damals hatte Duo nichts darauf erwidert, war zu sehr in seinen eigenen schmerzvollen Erinnerungen gefangen gewesen, um das Mitleid und die Hilfsbereitschaft des Wingpiloten auch nur ansatzweise zu bemerken. Doch heute wusste er, wie es gemeint war und war glücklich darüber. Er wusste, dass Heero ihm helfen würde, die Erinnerungen zu bewältigen und sie zu überwinden. Er musste nur Vertrauen haben.

Wie ein Blitz tauchten plötzlich Bilder aus seiner Vergangenheit vor seinen Augen auf und ließen ihn schmerzerfüllt zusammenzucken. Bilder, die ihn schon seit Wochen quälten und ihn nicht mehr losließen.
Duo spürte die beinahe schon vertraute Übelkeit in sich aufsteigen, als er hochfahren und aus dem Bett ins Bad stürzen wollte, wobei er jedoch von seinem Partner zurückgehalten wurde.

Aufschreckend sah er in Heeros besorgte Augen und hörte:

"Duo, kämpfe dagegen an! Ich bitte dich, versuch ruhig einzuatmen! Du darfst dem nicht nachgeben! Bitte Duo!"

Doch der langhaarige Junge schüttelte panisch den Kopf, wehrte sich gegen Heeros unnachgiebigen Griff und rief dann verzweifelt:

"Nein! Lass mich los, Heero! Bitte, ich kann nicht! Es geht einfach nicht!"

Heeros Blick härtete sich ein wenig, als er eisern erwiderte:

"Nein! Ich werde dich nicht gehen lassen! Du musst dagegen ankämpfen, Duo! Du musst stark sein!"

"Aber ich war nie stark!", schrie Duo plötzlich und starrte seinen Partner verzweifelt an, während er leise hinzufügte:

"Und ich werde es nie sein."

Heero unterdrückte das starke Bedürfnis, Duo für diesen Satz eine ordentliche Ohrfeige zu geben und begnügte sich damit, sich langsam zu beruhigen und zu erwidern:

"Duo, du BIST stark! Mehr als jeder andere Mensch! Sag nie wieder, du wärest schwach! Ich weiß, dass du es schaffen kannst, die Erinnerungen zu besiegen! Und dazu brauchst du Stärke! Stärke, die du in dir trägst!"

Duo glaubte, diese Übelkeit nicht mehr aushalten zu können. Er würgte trocken, versuchte noch verzweifelter, sich von Heero loszumachen. Dann spürte er plötzlich, wie der japanische Pilot ihn sacht in seine Arme zog und sanft wiegte.

"Shhht.....versuch dich zu beruhigen, Duo. Vertrau mir, es wird weggehen, wenn du nur ruhig einatmest und ausatmest."

Duo gab es auf, sich zu wehren und lauschte der beruhigenden Stimme, während er unbewusst genau das befolgte, was Heero ihm gesagt hatte und merkte, wie das akute Brechgefühl verschwand und durch eine leichte, aber zu ertragende Übelkeit ersetzt wurde.
Langsam wagte er es, seine Augen zu öffnen und tiefer zu atmen bevor er Heero direkt in die Augen und in ein erleichtertes Stahlblau sah.

"Duo....?", begann Heero fragend, nicht in der Lage, das auszusprechen, was ihm auf dem Herzen lag, angesichts dieses hoffnungsvollen Blickes.

"Es geht, Heero", flüsterte der amerikanische Junge fast lautlos. "Ich muss nicht....."

Erleichterte löste Heero seinen engen Griff um den Deathscythepiloten und ließ ihm somit Raum, sich umzudrehen und aufzurichten.

Duo merkte, wie nach und nach auch das leichte Unwohlsein nachließ und atmete auf. In den vergangenen Wochen hatte er nicht gewusst, wie er dieses Gefühl hatte aufhalten können, wie er sich davor hätte schützen können. Doch nun hatte er es geschafft und wusste, dass er es wieder schaffen konnte. Weil Heero ihm geholfen hatte. Durch seine Sturheit und seinen Willen hatte er Duo dazu gebracht, die Kontrolle über seinen Körper und seine Gedanken wieder zu erringen.

Duo lächelte. Das war ein guter Anfang.

"Wollen wir nach unten gehen, Duo? Zu den Anderen?"

Überrascht ob diesem plötzlichen Themawechsel sah der langhaarige Pilot seinen Freund an und erwiderte nach einer kurzen Pause zögernd:

"Wenn du es möchtest...."

Doch Heero schüttelte entschlossen den Kopf und sagte fest:

"Nein, Duo! DU musst es wollen! Es geht um DEINE Meinung!"

Duo seufzte leise und senkte seinen Blick, während er leise hervorbrachte:

"Ja....aber...aber ich habe keinen Hunger...."

Duo sank in Erwartung einer strengen Antwort in sich zusammen und verknotete seine Finger ineinander, um dann angestrengt auf die mittlerweile schon weißen Knöchel zu starren.

"Es ist okay, Duo."

Der amerikanische Junge hob überrascht seinen Blick und begegnete einem ehrlichen, ruhigen Lächeln.

"Wenn du es nicht willst, Duo, kann und werde ich dich nicht dazu zwingen. Aber du wirst sehen, dass Essen doch etwas sehr Schönes an sich haben kann."

Duo lächelte schief ob diesem Kommentar.

"Das weiß ich jetzt auch schon, Heero."

Ein wohlgemeintes Schulterzucken war das Einzige, was er darauf als Antwort vermerken konnte, so stand er auf, griff sich seine Sachen und ging ins Bad, um sich dort anzuziehen und wenigstens kurz frisch zu machen.

Du siehst schrecklich aus, sagte ihm sein blasses Spiegelbild, als er sich seine lange Mähne durchkämmte und dabei immer wieder das Gesicht vor Schmerzen verzog, wenn er auf Knoten und sonstige Hindernisse traf.

Das weiß ich selbst!, erwiderte Duo gehässig und fluchte nun schon zum zehnten Mal, weil die Bürste sich in einem ganzen Nest von Knoten verfangen hatte.

Wie wär´s, wenn du Heeros Rat befolgst? Komm schon, früher hast du auch schon alles in dich hineingestopft, was du bekommen konntest.

Nein! Nicht jetzt! Ich habe KEINEN Hunger!, schimpfte Duo wütend und fuhr sich mit der Bürste besonders resolut durch die Haare, wobei er- wie konnte es auch anders sein- dieses Mal nicht nur ein Nest an Gewusel erwischte und sich beinahe ein Büschel von Haaren herauszog.

Ahhh.....Schmerz!, fauchte er mittlerweile schon mehr als wütend und schmiss die Bürste weit von sich in die nächste Ecke, während er laut mehr zu seinen Haaren als zu sich selbst fluchte:

"Jetzt reicht´s! Ihr seid ab! Wenn ich eine Schere finde, könnt ihr was erleben!"

Duo wühlte in allen Schränken und Fächern nach dem begehrten Objekt, immer noch die Haare und deren Knoten verwünschend, als er sich plötzlich triumphierend aufrichtete und schadenfroh bemerkte:

"Ha! So...das habt ihr nun davon!"

Duo wollte gerade schon mit der Schere ansetzen, als er Heeros Bild im Spiegel sah und bemerkte, dass dieser ihn entsetzt bis ungläubig anstarrte.

"Duo....?", fragte er geschockt und war mit einem Satz bei seinem Partner, um ihm die Schere abzunehmen und sanft auf ihn einzureden:

"Mache nichts, was dir später leid tun könnte, Duo! Bitte!"

Doch der amerikanische Pilot knurrte nur böse und erwiderte wütend:

"Da wird mir gar nichts leid tun! Ich habe es satt, mich mit diesem....Monster auseinandersetzen zu müssen!"

Es dauerte einen Moment, bis Heero in der Lage war, darauf zu reagieren, doch dann überzog eine Schicht von Schalk seine besorgten Augen und er sagte lachend:

"Dann werde ich dich kämmen!"

Die Wut aus Duos Blick wich fast augenblicklich Erstaunen und einer gehörigen Spur Misstrauen.

"DU? Du willst MICH kämmen?"

Heero nickte.

"Hast du früher mit Puppen gespielt, Heero?", fragte Duo skeptisch und erntete sich so einen entrüsteten Blick von Seiten Heeros ein.

"Darf ich denn nicht?"

Duo seufzte.

Komm schon, Duo. Du hast schon andere Foltermethoden überstanden, da wirst du Heero doch auch gegenüberstehen können! Nutze deine innere Stärke, bemerkte seine innere Stimme schadenfroh grinsend.

Gut..., gab Duo schließlich nach und erinnerte sich, als Heero einmal versucht hatte, seine Haare auseinander zu klamüsern. Damals war er eine lange Zeit krank gewesen, und während der japanische Pilot sich um ihn gekümmert hatte, musste er feststellen, dass die Haare seines Gegenübers vollkommen verfilzt und verknotet gewesen waren. Was Heero natürlich nicht hatte zulassen können und sich somit die Bürste geschnappt um Duos Mähne zu bearbeiten.

Es war das grausamste Erlebnis, das Duo abgesehen von ein paar anderen Kleinigkeiten je hatte.

Hoffentlich würde der perfekte Soldat dieses Mal seine Mission etwas sanfter als beim letzten Mal verfolgen um an sein Ziel zu kommen.

Duo seufzte erneut und ging dann ergeben ins Schlafzimmer, wo er sich auf die Bettkante setzte und darauf wartete, dass Heero mit der Bürste aus dem Bad kam und anfing. Was auch zwei Sekunden später geschah.

Duo wollte schon beim ersten Bürstenstrich zusammenzucken, als er merkte, dass Heero sanft und auf das Äußerste darauf bedacht, ihm nicht wehzutun, durch seine Haare fuhr, dabei leise brummte und ganz versunken in seine Tätigkeit war.

Auch Duo lullten die beruhigenden Bewegungen nach und nach ein, er ließ sich von den leisen Geräuschen Heeros immer weiter wegtreiben, bis er merkte, wie das Ziehen an seinen Haaren wieder stärker wurde.

Duo öffnete die Augen und bemerkte nach und nach, dass der japanische Pilot seinen Haare wieder zum Zopf flocht und mit einem zufriedenen "Fertig!" die Masse wieder freigab.

Duo stand auf, ging dann zum Spiegel um sich das Meisterwerk anzusehen und stellte schließlich fest, dass Heero wohl doch mit Puppen gespielt haben musste, um so einen Zopf hinzubekommen. Doch das sprach er lieber nicht aus, sondern lächelte nur kurz dankbar, worauf Heero elegant mit den Schultern zuckte und erwiderte:

"Das wollte ich immer schon mal machen!"

Duo erwiderte nichts, sondern ging kopfschüttelnd und immer noch lächelnd aus dem Zimmer, seinen Freund dicht hinter ihm um die anderen Piloten unten im Salon zu treffen.

Die anderen Piloten und Zechs.

Duo zuckte zusammen und blieb wie angewurzelt stehen. Zechs! Das hatte er vollkommen vergessen! Wie konnte er dem OZ-Offizier gegenübertreten? Nach so einem Traum? Genaugenommen hatte er Angst. Angst vor dem blonden Mann selbst, vor der Tatsache, dass er zu OZ gehörte, und davor, dass er Treizes´ Freund gewesen war.

Kushrenada......

Duo schlang plötzlich hilfesuchend die Arme um seinen Oberkörper.

Bitte nicht schon wieder! Nicht schon wieder die grausamen Erinnerungen daran! Ich will endlich in Frieden leben, ohne diese Angst, ohne diese Träume!

"...uo?"

Der amerikanische Pilot fuhr hoch und sah Heero entsetzt an.

"Was ist mit dir, Duo?", wiederholte dieser seine Frage und machte besorgt einen Schritt auf seinen Freund zu, der fast augenblicklich zurückwich und verstört den Kopf schüttelte.

"Nichts, nichts, Heero, alles okay", brachte er zitternd hervor, während er versuchte, die Gedanken und Erinnerungen auszusperren und nicht an sich heranzulassen.

Hure! Du bist mein Spielzeug! Nichts weiter!

Nein, schrie Duo verzweifelt in seinen Gedanken. Nein, niemals!

"Duo!!", durchbrach Heeros Stimme erneut die finsteren Gedankengänge des Deathscythepiloten, worauf Duo entsetzt auffuhr und aufschluchzte.

"Heero....ER ist es......Ich komme davon nicht los!"
Heero sah, wie sein Freund praktisch vor ihm zusammenbrach und in seine Erinnerungen verfiel.

Gott, ich muss ihm helfen! Aber wie, verdammt, wie kann ich das erreichen?, fragte er sich beinahe verzweifelt und wartete darauf, dass IRGENDETWAS kam. Doch nichts passierte. Nicht einmal die Stimme in ihm antwortete.

Verflucht seiest du! Sonst mischst du dich immer ein, doch nun...warum schweigst du ausgerechnet jetzt?!

Nichts...nur Stille und Duos verzweifeltes Schluchzen. So tat der japanische Pilot das Einzige, was ihm in dieser Situation einfiel: er schritt schnell auf seinen Partner zu, nahm ihn dann eng und schützend in seine Arme und wiegte ihn sanft, während er immer wieder murmelte:

"Ist gut, das wird vorbei gehen. Du musst nur stark sein. Beruhige dich, Duo, shhh....ganz ruhig."

Und so geschah es dann auch. Nach und nach hörte das Zittern und Schluchzen auf und Duo kam langsam wieder zu sich, wurde sich seiner Umgebung wieder bewusst.
Schließlich sah er mit geröteten Wangen zu seinem Partner auf und wischte sich die Tränen von den Wangen, sich an einem winzigen Lächeln versuchend.

"Danke", flüsterte er beinahe lautlos und rückte dann ein Stück von Heero ab. "Es...es wir gehen..."

Heero zog misstrauisch die Brauen zusammen.
Er war nicht davon überzeugt, dass Duo mit der Situation so schnell fertig geworden war und besonders die Tatsache, dass Zechs wahrscheinlich unten im Salon war, gab ihm kein gutes Gefühl, ganz im Gegenteil.

"Duo.....sollen wir wirklich nach unten gehen? Wir müssen nicht, wenn du nicht willst!", erwiderte er skeptisch, doch sein Gegenüber schüttelte plötzlich entschlossen den Kopf.

"Nein...ich kann nicht ewig vor ihm davon laufen. Das muss mal ein Ende haben!"

Heero sah auf und direkt in die von einem starken Willen gekennzeichneten violetten Augen seines Partners. Er wusste, Duo würde schon alleine aufgrund seiner Sturheit schaffen. Und das beruhigte Heero ungemein.

"Wollen wir?", fragte Duo und wandte sich zur Treppe, Heero dicht hinter ihm.

Ich hoffe, es geht alles gut, dachte er, als er die Hand auf die Türklinke des Salons legte, sie hinunterdrückte und dem amerikanischen Piloten folgte.
"Guten Morgen!", rief Quatre wie immer strahlend, als Duo und Heero eintraten, was die beiden mit einem weniger fröhlichen "Morgen" retuschierten.

"Setzt euch!", fuhr er lächelnd fort und schnappte sich die Kaffeekanne. "Kaffee?"

Ein zweifaches kurzes Nicken war die Antwort und Quatre verzweifelte langsam. In der letzten Zeit war der Gemütszustand sowohl von Duo als auch von Heero sehr beunruhigend. Duo, der sonst so fröhliche junge Mann war auffallend still und traurig geworden und Heero, im Gegensatz zu vorher, fürsorglich und schon beinahe zärtlich dem Deathscythepiloten gegenüber.
Duo sah auf und bemerkte, dass wirklich alle anwesend waren. Sowohl die fünf Piloten als auch....Zechs. Der amerikanische Pilot schluckte und beschwor sich selbst, nicht in Panik zu geraten, sondern die Situation nüchtern und realistisch zu sehen. Das, was er vergangene Nacht geträumt hatte, stimmte in keinem Fall mit der Realität überein. Zechs hatte ihn nicht....

Duo schluckte.

So sehr er sich auch anstrengte, dieses Wort konnte und wollte er nicht hervorbringen. Zu viele schmerzvolle und grausame Erinnerungen hingen daran.

Der amerikanische Pilot bemerkte, wie der Blick des blonden Mannes besorgt und sanft auf ihm ruhte und brachte sich dazu, ein kleines Lächeln hervorzubringen, um sich schließlich hinzusetzen und Quatres dargebotene Tasse Kaffee anzunehmen.

Was auch das Einzige war, das er diesen Morgen zu sich nehmen konnte.

*
"Hast du Dr. J schon davon berichtet?", fragte Zechs nachdem sie alle gefrühstückt hatten und der Tisch abgeräumt worden war.

"Nein, es hätte ihm nicht gefallen."

"Was, dass ich übergelaufen bin?"

Heero nickte langsam und sah in die Runde.

"Ich will auch nicht, dass er es in der vorläufigen Zeit erfährt, da wir nicht wissen, wie er darauf reagieren wird. Das gilt auch für die anderen Wissenschaftler, habt ihr das verstanden?"

Die anderen Piloten nickten kurz und stumm, so fuhr Zechs mit seinem Bericht fort:
Die anderen Piloten nickten kurz und stumm, so fuhr Zechs mit seinem Bericht fort:

"Ich habe streng geheimen Berichten zufolge gehört, dass General Quinze die Nachfolge von Treize übernommen hat. Ich kenne ihn, er ist ein mehr als grausamer Mann, der alles daran setzten wird, die Verräter zu fangen und zu exekutieren, was es auch kostet. Sagen wir, er ist das männliche Gegenstück zu Lady Une. Was aber am Schlimmsten ist: er weiß, dass ihr von den Kolonien kommt und wird sie somit als Druckmittel gegen euch einsetzen. Sollte das Menschenleben kosten, würde ihn das nicht interessieren. Ich habe Vorlagen, dass er verstärkt OZ-Soldaten auf den Kolonien platzieren will, um sie dann nachher mit Sprengstoff zu versehen und wenn möglich in die Luft zu sprengen. Er wird euch damit erpressen. Entweder ihr liefert euch ihm aus, oder ihr habt den Tod Millionen von unschuldigen Menschen zu verantworten. Und genau das gilt es zu verhindern. Wir müssen sein Versteck ausfindig machen, ihn umbringen, und was noch wichtiger ist, wir müssen versuchen, die wichtigsten OZ-Offiziere auf unsere Seite zu ziehen. Es nützt nichts, wenn wir nur ihn töten, er ist ersetzbar. Wir müssen dem Ganzen die Basis entziehen."

Zechs schaute sich kurz um und bemerkte, dass ihn alle anderen Piloten ernst ansahen, jeder zu sehr in dem Schreckensszenario der ihnen bevorstehenden Zukunft versunken. Nur Duo schaute ihm mit klaren, aber hasserfüllten Blick in die Augen.

"Und wie sollen WIR mit OZ-Offizieren kooperieren? Wir sind Gundampiloten! WIR kämpfen für die gute Seite!"

Jeder von ihnen hörte genau die Worte heraus, die Duo nicht ausgesprochen hatte. Jeder wusste, wie sehr er Abneigung gegen OZ hegte, auch wenn nur Heero den wahren Grund dafür kannte.

"Darum kümmere ich mich", erwiderte Zechs gelassen. "Und glaube mir, Duo, es gibt mehr gute OZ-Offiziere, als du glauben magst."

"So? Nenn mir welche!"

"Mich."

Dieser mit solcher Selbstsicherheit ausgesprochene Satz schien Duo in gewisser Weise zu überzeugen, denn für einen Moment sah er dem blonden Mann nur prüfend in die Augen, dann nickte er jedoch langsam und erwiderte:

"Schon mal einer. Das ist ein Anfang."

Zechs lächelte und wollte noch etwas sagen, als Heero sich leise aber bestimmt räusperte und somit das Gespräch auf sich lenkte.

"Und WIE genau sollen wir ihn töten?"

Zechs lachte kurz und freudlos auf.

"DAS muss ich mir erst noch zurechtlegen und ich wäre dankbar, wenn du mir dabei helfen würdest. Ihr seid die Spezialisten im Infiltrieren, ihr müsst wissen, wo man an welche Informationen herankommt."

Der japanische Pilot nickte bedächtig.

"Ja, das dürfte sich zwar als schwierig herausstellen, aber nicht als unmöglich. Ich werde sehen, was ich tun kann."

"Es gibt nur noch ein Problem."

Heero runzelte besorgt die Stirn.

"Und das wäre?", fragte er misstrauisch.

"Wie wollt ihr die Missionen, die euch von den Wissenschaftlern gestellt werden, mit dieser vereinbaren?"

Das saß. Das hatte noch niemand berücksichtigt. Und es war eine gute Frage. Eine Frage, auf die es im Moment anscheinend noch keine Antwort gab. Selbst Heero betete ja schon für einen längeren freien Zeitraum, damit er Duo helfen konnte, wieder ein normales Leben zu führen. Und um ehrlich zu sein hatte er große Angst davor, dass Duo eine neue Mission nicht überstehen würde, eher psychisch als physisch. Die Art, wie er auf OZ reagierte, ließ Heero nichts Gutes ahnen.

"Ich weiß es nicht, Zechs", gab Heero ehrlich zu und seufzte. "Aber ich werde das regeln. Irgendwie."

"Das sieht dir aber nicht ähnlich, Yuy", mischte sich Wufei stirnrunzelnd ein und sah dem Wingpiloten kritisch in die Augen. "Normalerweise weißt du immer vorher, was du tust und musst es dir nicht noch überlegen!"

"Was willst du damit sagen?", fragte der japanische Pilot scharf und wollte gerade noch etwas nachsetzen, als es an der Tür klopfte und eine der Bediensteten eintrat, während sie zögerlich hervorbrachte:

"Master Yuy, Besuch für Sie. Er wartet im Studierzimmer."

Heero hob leicht eine Augenbraue.

"Für MICH?", fragte er misstrauisch. "Wer ist es?"

"Das weiß ich nicht. Mir wurde nur mitgeteilt, dass Sie Besuch erwartet, sonst nichts."

Der japanische Pilot seufzte und nickte dann ergeben.

"Gut, ich komme."

Mit den Worten wollte er schon aufstehen und dem Dienstmädchen folgen, als er eine federleichte Berührung auf seinem Arm spürte du überrascht sah, dass Duo ihn beschwichtigend anschaute.

"Es ist bestimmt wieder Relena. Lass dich nicht verärgern."

Erstaunen überzog die Gleichgültigkeit der stahlblauen Augen und Heero nickte erleichtert.

"Ganz bestimmt nicht", erwiderte mit einem minimalsten Lächeln und verließ dann den Raum, um sich dem ominösen Besuch zu stellen.

*
Heero schluckte, als er sah, dass es nicht Relena war, die ihn erwatet hatte. Nein, noch viel schlimmer. Es war jemand, dem er jetzt überhaupt nicht begegnen wollte, doch wie es das Schicksal sah, musste er es anscheinend.

Keinen Meter vor ihm entfernt stand Dr. J, wütend, zornesbleich und anscheinend schon über die Geschehnisse bescheid wissend.

"Dr. J", bemerkte Heero kalt und musterte seinen Vorgesetzten ohne jede Regung. "Was führt Sie hierher?"

Hoffentlich weiß er noch nichts über Zechs, betete er insgeheim. Dann wird er ausrasten.

Was er auch tat.

"BIST DU VOLLKOMMEN ÜBERGESCHNAPPT?!", brüllte der Wissenschaftler ihn außer sich vor Wut an. "DU HAST JA WOHL DEN VERSTAND VERLOREN!"

Heero runzelte leicht die Stirn, sagte jedoch nichts, was den älteren Mann noch mehr zu verärgern schien.

"Wie kommst du dazu, dich meinen Befehlen zu widersetzen, dich über EIN PAAR TAGE nicht mehr zu melden und dann noch ein OZ-OFFIZIER NAMENS ZECHS MARQUISE in eines unserer wichtigsten Hauptquartiere mitzunehmen?!", schrie er und kam bedrohlich auf Heero zu, der immer noch regungslos dastand und gelassen antwortete:

"Ich hielt es für richtig. Sogar für das einzig Richtige, was ich tun konnte."

*
Duo seufzte leise in die Totenstille hinein, als er plötzlich ein lautes Schreien und Poltern von Nebenraum her hörte.

Was zum Teufel?! Und diese Stimme.....woher kannte er sie? War es etwa.....DR. J?!

"Dr. J!", wiederholt er laut und sah die anderen Piloten erschrocken an, als sein Blick auf Zechs hängenblieb. Duo überlegte keine Sekunde, bis er hastig zu dem Tallgeesepiloten sagte:

"Raus hier, er darf dich auf keinen Fall hier sehen!", und dann selbst aus dem Zimmer stürmte, um seinem Freund Hilfe zu leisten, falls dieser welche benötigte.

*
Heero hörte nur ein merkwürdiges Zischen, als er auch schon benommen auf dem Boden landete. Zuerst war er gar nicht in der Lage zu begreifen, was gerade passiert war, doch dann überkam es ihn mit schrecklicher Klarheit: Dr. J war gerade dabei, ihn grün und blau zu schlagen und er konnte, durfte sich noch nicht einmal wehren. Wenn er es doch täte.....

Heero erschauderte, als er ein paar Jahre zurückdachte.

Weitere Schläge folgten, und wie nebenbei bemerkte der japanische Pilot, wie immer mehr der kostbaren Inneneinrichtung zu Bruch ging.

Ich wusste gar nicht, dass dieser schmächtige Mann so stark ist, dachte er benommen und war schon nahe an der Bewusstlosigkeit, als er hörte wie die Tür aufging und jemand hineingestürmt kam.

"AUFHÖREN!", schrie Duo außer sich, als er sah, wie Dr. J den Wingpiloten geradewegs ins Gesicht schlagen wollte und der Wissenschaftler stoppte mitten in seiner Bewegung.

"Raus, Maxwell! Du hast damit nichts zu tun! Verschwinde von hier!"

Duo knurrte abgrundtief und schüttelte wild den Kopf.

"NEIN! Lassen Sie ihn los! Er hat NICHTS getan!"

Ein höhnisches Lachen antwortete ihm.

"Er hat mir den Gehorsam verweigert! Und das muss bestraft werden!"

Duo zog scharf die Luft ein und wollte gerade einen Satz auf den schmächtigen Mann zu machen, als er die Präsenz der anderen Piloten inklusive Zechs hinter sich spürte.

"Sie haben kein Recht, ihn dafür zusammen zu schlagen! Außerdem hat er nach eigenem Gewissen gehandelt, was auch gut so war! Ich vertraue ihm und das sollten Sie auch!"

"Vertrauen? In ein Kind? In einen perfekten Soldaten, der plötzlich Gefühle hat? Dass ich nicht lache!", schnaubte er verächtlich und kam bedrohlich nahe auf Duo zu. "Gefühle, die er wegen dir hat, Maxwell! Nur wegen deiner LÄCHERLICHEN Vergewaltigung hat er seine Professionalität aufgegeben! DU bist an allem Schuld! Du....."

Die Welt blieb stehen. Zumindest in Duos Augen. WAS hatte er da gerade gesagt? Woher....woher wusste er das? Woher....konnte er das wissen....? Lächerlich? Die Vergewaltigung war lächerlich? Und ER sollte Schuld an Heeros Zustand sein?

Vage war sich Duo bewusst, dass die anderen Piloten hinter ihm entsetzt aufkeuchten.

Jetzt wissen sie es auch. Jeder weiß es.

Der amerikanische Junge bemerkte kaum, wie er rückwärts taumelte, hörte nur nebenbei Heeros verzweifelten Schrei nach ihm, fühlte sich dann merkwürdig taub, als er an den anderen Jungen vorbei und nach oben stürmte, wo er sich in seinem Zimmer einschloss, ins Bad flüchtete und sich übergab.
*
Heeros Herz hatte bei dem so wütend ausgesprochenen Satz des Wissenschaftlers einen Moment ausgesetzt. WAS hatte er gesagt? Woher in aller Welt wusste er von dem, was Duo passiert war? Wie konnte er es wissen?

Nicht auf seinen eigenen angeschlagenen Körper achtend, kämpfte der Wingpilot sich mit eisernem Willen von Boden hoch, stieß seinen Mentor ohne Rücksicht zur Seite und jagte seinem Freund hinterher nach oben, immer wieder scharf die Luft einziehend.

Oh Gott, Duo.....bitte, mach nichts Unüberlegtes! Ich flehe dich an!, rief er verzweifelt in Gedanken und erreichte das Zimmer des Deathscythepiloten.

Abgeschlossen!

"Duo! Duo, mach die Tür auf! Ich bin es, Heero! Komm schon!", rief der japanische Junge laut und schlug mit der Faust gegen die robuste Eichentür, doch nichts tat sich.

Er wird doch nicht etwa.......?

Heero überlegte nicht lange, sondern rannte in sein Zimmer und fand nach einigem Suchen den Dietrich, mit dem er schon Tage zuvor in Duos Zimmer eingebrochen war.
Zurück vor Duos Tür, schaffte er es innerhalb von einer Minute, das Schloss zu knacken und hastig ins Zimmer zu stürmen, wo sich jedoch keine Spur des langhaarigen Jungen fand.
Heero wollte gerade schon wieder hinauslaufen, als er aus dem Bad unterdrücktes Würgen und Schluchzen hörte.
Er stürmte auf die Tür zu und musste zu seinem Horror feststellen, dass sie abgeschlossen war und dass er nicht die Möglichkeit hatte, das Schloss aufzubrechen, da sich die Badtür nur von innen abschließen ließ.

"Oh Gott, Duo! Mach die Tür auf!", rief Heero ängstlich und versuchte, sich der Sinnlosigkeit wohl bewusst, wieder und wieder die Tür zu öffnen. "Duo...ich bin es, Heero! Ich flehe dich an, lass mich dir helfen!"

Die Geräusche hörten für einen Moment auf, dann vernahm der japanische Pilot ein wütendes:

"Verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen!"

Heeros Augen weiteten sich ungläubig angesichts dieser Worte und er schluckte den großen Kloß, der sich auf einmal in seinem Hals gebildet hatte, herunter.

"Duo?!", fragte er verständnislos, doch nur ein Schluchzen antwortete ihm.

*
Duo stürmte ins Bad und verschloss mehrfach die Tür hinter sich.

Niemand sollte ihm hierher folgen. Niemand.

Er beugte sich über die Toilettenschüssel und erbrach sich, während ihm unzählige Tränen die Wangen hinunterliefen.

Wieso zum Teufel wusste Dr. J davon? Woher konnte er es wissen? Oder war es etwa....?

Duo zuckte zusammen angesichts dieser Erkenntnis. Es gab nur eine einzig wirklich plausible Erklärung, wie es der Doktor hatte erfahren können: durch Heero!

Oh Gott nein! Das darf nicht sein! Heero würde so etwas nie tun! Oder....?

Und wenn doch?, antwortete eine spöttische Stimme in ihm. Was, wenn er der perfekte Soldat ist und es seinem Vorgesetzten gemeldet hat? Hinter deinem Rücken? Wenn er dich belogen hat? Seine Gefühle für dich vorgespielt hat? Was dann? Wie naiv bist du eigentlich?

Duo presste verzweifelt seine Hände auf die Ohren.

HÖR AUF! Das ist nicht wahr! Das kann nicht sein!

Natürlich kann es das! Oder hast du eine andere Erklärung dafür?

Duo schwieg stumm. Nein, die hatte er nicht, wenn er es ehrlich zugab. Und wenn er es wirklich überdachte, war die einzige Möglichkeit, wie es der Wissenschaftler hätte erfahren können, Heero Yuy.

Und ich hatte geglaubt, er liebt mich, dachte Duo bitter und sank gegen die kalte Fliesenwand, immer noch Tränen auf seinen Wangen.

Er spürte, wie Hass in ihm aufstieg. Sowohl auf sich selbst als auch auf den Jungen, der ihn so bitter verraten hatte.

Nie wieder!, schwor er sich. Nie wieder......

"Duo!", durchbrach da plötzlich die Stimme eben dieses Piloten seine Gedanken und Duo sah verschreckt auf.

Nein! Geh weg! Verschwinde aus meinem Leben! Ich will dich nicht mehr sehen!

Und genau das warf er seinem Partner jetzt laut an den Kopf, sich selbst für die Tränen, die ihm dabei über die Wangen liefen verfluchend. Duo hörte das geschockte Aufkeuchen seines Freundes und presste die Hände vor den Mund um nur ja kein verräterisches Schluchzen entkommen zu lassen.
Anstelle dessen entschied er sich, genau das auszusprechen, was er dachte.

"DU warst es, Yuy! DU hast ihm gesagt, was sie mit mir gemacht haben! Wie konntest du nur? WIE?!", schrie er verzweifelt und krümmte sich zu einem kleinen Ball zusammen.

*

Heero erstarrte, als er diesen ungeheuren Vorwurf hörte.

Wie um alles in der Welt kam Duo darauf, dass ausgerechnet ER Dr. J das gesagt hat?

"Duo, das ist nicht war! Niemals! Er weiß es nicht von mir, das musst du mir glauben! Oh Gott, Duo, so etwas würde ich nie machen! So glaub mir doch, bitte!"

"NEIN!", schrie Duo hysterisch und schluchzte verzweifelt. "DU warst es! Du!"

Heero spürte die Tränen, die aus seinen Augen traten erst, als sie seine Wangen benetzen. Das alles war zuviel für ihn. Er konnte es nicht ertragen, dass Duo sich von ihm abwendete, ihm die Schuld gab und ihm nicht einmal mehr die Chance ließ, das Gegenteil zu beweisen.

Noch während er das dachte, hörte er, wie Duo hektisch in einer Schublade kramte, anscheinend etwas fand und dann....

Heero keuchte entsetzt auf.

Er war schon zu lange Soldat, als dieses kleine, fast unhörbare Geräusch nicht zu kennen. Als er begriff, was Duo sich gerade antat, schlug er verzweifelt mit den Fäusten gegen die Tür und schrie:

"Duo, NEIN! Nicht, bitte! Lass mich zu dir! Oh Gott, ich flehe dich an, leg die Klinge weg!!!"

Doch der amerikanische Pilot hörte nicht auf ihn, sondern fuhr immer weiter damit fort, sich tiefe Verletzungen an seinen Unterarmen zuzufügen.

Heero suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Tür aufzubrechen, irgendwie zu seinem Partner durchzukommen, doch er fand rein gar nichts. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich wirklich hilflos und vollkommen klein. Er wusste, er musste Duo helfen, sah aber keine Möglichkeit, als die anderen um Rat zu fragen. Zum ersten Mal musste er sich auf andere verlassen, konnte mit seinen eigenen Fähigkeiten nicht weiter kommen.

Heero wandte sich ruckartig um und stürzte aus dem Zimmer. Im Moment konnte er sowieso nichts für den amerikanischen Piloten tun, also musste er die anderen Piloten um Hilfe bitten.
Heero war grenzenlos erleichtert, als er sie am Treppenansatz fand, jeder von ihnen bleich und mit schreckensgeweiteten Augen. Sie hatten ohne Zweifel mitbekommen, was oben geschehen war und sahen ihn nun erschrocken an.

Nicht auf seinen eigenen schlimmen Zustand achtend, rief Heero vollkommen außer sich:

"Verdammt, steht nicht so rum und helft mir! Duo wird sich etwas antun!"

Damit stürmte er wieder nach oben, zurück in Duos Zimmer und ein paar Sekunden später standen auch die anderen Gundampiloten neben ihm.

"Was ist mit Duo?", fragte Quatre besorgt und griff sich mit einer Hand an sein Herz.

"Er...er denkt, dass ich....ich es Dr. J gesagt habe......", brachte Heero niedergeschlagen hervor, straffte sich dann aber und fuhr die anderen Jungen an:

"Aber das ist jetzt nicht wichtig, ich muss ins Bad, aber....aber....es geht nicht......Duo hat sich eingeschlossen....."

Und plötzlich begriffen sie.

"Oh mein Gott!", flüsterte Quatre entsetzt und stürmte nach draußen. "Ich hole Rashid!"

Heero seufzte beinahe erleichtert. Ja, Rashid würde ihnen helfen können.
Kurze Zeit später kehrte der arabische Pilot auch schon mit seinem Leibwächter zurück, der ein ebenso besorgtes Gesicht trug wie alle anderen im Raum. Anscheinend hatte Quatre ihm schon das, was er selbst wusste, erzählt, denn der große Mann stellte keine Fragen, sondern machte sich sofort daran, die Tür aufzubrechen, indem er sich immer wieder gegen sie warf und schließlich Erfolg hatte mit dem, was er tat.

Sobald der Weg frei war, stürzte Heero in das kleine Bad und sah seinen Partner am Boden liegen. Inmitten von Blut und kastanienbraunen Haarsträhnen, die wie ein Schleier über ihn selbst und die kalten Fliesen verteilt waren.

"Duo, nein!", rief Heero geschockt und prüfte mit klopfendem Herzen, ob der amerikanische Pilot mit irgendeinem der Schnitte die Pulsadern getroffen hatte. Gott sei Dank war das nicht so. Die Verletzungen waren zwar stellenweise gefährlich tief, doch nie bestand die Gefahr, dass Duo verbluten würde. Dafür machte Heero etwas anderes Sorgen: als er die Stirn seines Partners streifte, merkte er, wie hohes Fieber der langhaarige Junge hatte. Und das war im Moment viel bedenklicher als die Schnittwunden auf den Unterarmen.

Heero hob seinen Freund vorsichtig hoch und trug ihn in sein Zimmer. Er brauchte medizinische Versorgung und das dringend. Das Problem war jedoch, dass sie den Deathscythepiloten in kein Hospital bringen konnten, da die Gefahr einer Entdeckung zu groß war. Also musste Heero seinen Partner selbst versorgen, hatte aber wie nie zuvor Angst, es zu tun, irgendetwas falsch zu machen, das Leben seines Freundes zu riskieren.

Er atmete tief ein und schälte Duo dann aus seinen klammen Sachen, schließlich vorsichtig eine Decke über ihn ausbreitend und sich an Trowa wendend.

"Trowa, sieh nach, ob Paracetamol vorhanden ist. Wenn nicht, fahr in die Stadt und besorg welches, egal wie und woher! Duo braucht es! Dringend!"

Der Heavyarmspilot nickte wie gewohnt stumm und verließ dann das Zimmer um schließlich mit dem Jeep Richtung Edinburgh zu fahren.
Hoffentlich beeilt er sich, dachte Heero bange, als er die ungesunden Rotfärbung im Gesicht seines Partners wahrnahm. Mit einem schnellen Berühren der Wange merkte er, dass das Fieber erneut gestiegen war und der amerikanische Pilot sich in Träumen unruhig hin und herwarf.

"Halt durch, Duo! Du schaffst das! Ich stehe dir bei", flüsterte Heero erstickt und ergriff die Hand seines Partners, in der vagen Hoffnung, dass dieser ihn hörte.

"Heero...", ertönte es da plötzlich hinter ihm und der Wingpilot fuhr ruckartig herum, beruhigte sich dann jedoch, als er Quatre bemerkte.

"Was ist?"

"Ist....ist das wirklich wahr....? Das, was Dr. J gesagt hat?", fragte der blonde Araber, während ihm Tränen in die Augen traten. "Ist das der Grund, warum ihr beiden euch so verändert habt?"

Für einen Moment starrte Heero sein Gegenüber nur wortlos an und erwiderte dann mit niedergeschlagenem Blick:

"Ja. Ist es."

Quatre schluchzte unterdrückt. Er konnte nicht verstehen, wie Menschen in der Lage waren, anderen so etwas grausames und brutales anzutun. Er selbst war in einer Welt voller Liebe und Zuneigung aufgewachsen und wusste erst durch die Tätigkeit als Gundampilot, dass es solche Grausamkeit und solchen Hass gab. Aber SO ETWAS? Und dann noch Duo.....der sonst so fröhliche Junge......nein, das durfte doch alles nicht wahr sein!

"Wer war es?", mischte sich da Zechs ein, der unbemerkt von Heero und Quatre den Raum betreten hatte.

Heero lächelte bitter.

"Zum einen Treize und zum anderen ein OZ-Offizier."

Zechs starrte seinen sonstigen Rivalen sprachlos an, dann schüttelte er leicht den Kopf und murmelte:

"Zwei? Er wurde von zwei....? Und dann noch Treize?", fragte er ungläubig und Heero nickte kurz.

"Und deswegen hatte er auch solch eine Angst vor mir?"

Wiederum nickte der Wingpilot stumm und wandte sich wieder seinem Partner zu.

Stille beherrschte den Raum. Keiner der Anwesenden sagte ein Wort. Sie alle waren zu gefangen in den schrecklichen Erkenntnissen und den Sorgen um ihren Freund. Nur Duo gab hin und wieder leise Laute der Verzweiflung von sich, worauf Heero ihm jedes Mal beruhigend über die Wange strich und leise, besänftigende Geräusche von sich gab.

Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis Trowa abgehetzt wiederkam und Heero die Medikamente reichte. Als der japanische Pilot dankbar nickte, sagte Trowa allerdings ernst:

"Sie hatten das Paracetamol aber nicht als Tabletten da, Heero."

Heero runzelte verständnislos die Brauen und besah sich dann das Medikament etwas genauer.

"Zäpfchen?", fragte er ungläubig und Trowa nickte. "Es war das Einzige, was ich bekommen konnte."

Es dauerte einen Moment, bis Heero aus seinen Gedanken auftauchte und abwesend nickte.

"Würdet...ihr wohl bitte den Raum verlassen", bat er leise und die anderen drei Piloten taten, was er gesagt hatte.

Als Heero schließlich alleine war, seufzte er hilflos auf. Zäpfchen war das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Sowohl Duo als auch er, denn Heero war überzeugt, dass sein Partner, obwohl in Fieberträumen und bewusstlos, mitbekommen würde, was er hier tat und das würde nicht gerade zuträglich für sein Wohlbefinden sein.
Außerdem war ihm selbst nicht ganz wohl dabei, denn Heero hatte keinerlei Erfahrungen in diesem Gebiet, geschweige denn hatte er selbst irgendwann einmal Zäpfchen gebraucht.

Und wenn er sich es ehrlich zugestand, trieb ihm schon der Gedanke, dieses Medikament einzuführen, die Schamesröte ins Gesicht.

Ach ne, denkst du, beim Sex ist es anders, oder was?, meldete sich da schon eine gehässige Stimme in seinem Hinterkopf und Heero knurrte unterdrückt.

Natürlich nicht! Es ist nur.....beim Sex wissen beide Partner, was passiert....doch Duo weiß im Moment nicht, dass ich es bin.....er wird mich für einen der Männer halten, die....., entgegnete Heero unsicher und senkte leicht den Kopf.

Für einen Moment starrte er die fiebergeschüttelte Gestalt auf dem Bett stumm an, dann straffte er jedoch entschlossen seine Schultern und sagte zu sich selbst:

"Aber irgendjemand muss es machen. Wenn nicht ich, wer dann?"

Heero wollte sich gerade aufrichten, als eine ihm sehr bekannte Frauenstimme einwarf:

"ICH könnte es machen, wie wär´s damit?"

Der japanische Pilot drehte sich ruckartig um und fragte überrascht:

"Sally?!"

Die ehemalige OZ-Offizierin nickte lächelnd und kam ein paar Schritte näher.

"Warst du so in Gedanken, dass du mich nicht gehört hast?", fragte sie erstaunt und ihr Gegenüber nickte, so fuhr sie fort:

"Wufei hat mich angefunkt, ob ich auf der Erde wäre und ihm helfen könnte. Ich muss zugeben, ich hätte ihn zwar gerne dafür umgebracht, dass er mich aus einer....wichtigen Besprechung hat rufen lassen, doch er meinte, dass es absolute Priorität hätte, da es um Duo und seinen Zustand ginge."

Heero konnte nichts anders machen, als nur wieder stumm zu nicken und auf das Bett zu deuten.

"Er hat hohes Fieber und Schnittwunden an den Unterarmen. Trowa hat schon Paracetamol besorgt, allerdings in Zäpfchenform."

Die Ärztin lächelte und stellte ihre Tasche neben das Bett.

"Nun...wenn du es nicht fertig bringst, kann ich es gerne machen. Ich habe Erfahrungen damit, Patienten Medikamente auf diesem Weg zu verabreichen."

Und zu Sallys Überraschung nickte der japanische Pilot fast augenblicklich.

"Gut", schloss sie lächelnd und griff in ihre Tasche, um dann ein Paar medizinischer Latexhandschuhe herauszuholen und überzuziehen, sich schließlich ein Zäpfchen schnappend.

"Heero, würdest du Duo bitte auf den Bauch drehen und ihm seine Boxershorts ausziehen", wandte sie sich an den Wingpiloten und dieser befolgte gehorsam den Befehl, wenn auch mit nun wieder sehr brennenden Wangen. Er hatte Duo noch nie zuvor nackt gesehen und ihm war absolut nicht wohl bei dem Gedanken, dass dies das "erste Mal" sein sollte, zumal Duo auch nichts davon bewusst mitbekam.

Dafür ist jetzt keine Zeit!, sagte er sich selbst streng, als er sich wieder aufrichtete und Sally ausdruckslos ansah.

"Na dann wollen wir mal", sagte sie zuversichtlich und begann mit ihrer Arbeit.

Doch wie Heero es erwartet hatte, schien es Duo sehr unangenehm zu sein, denn sobald sie das Zäpfchen einführte, wurde er unruhig, warf seinen Kopf hin und her und murmelte verzweifelt Phrasen, die weder sie noch Heero verstehen konnten.

Die Brauen besorgt zusammenziehend, beeilte Sally sich mit ihrer Arbeit fertig zu werden, was ihr auch schließlich gelang, die Unruhe des Deathscythepiloten jedoch keineswegs milderte.

Sie zog sich die Handschuhe aus, wandte sich dann an Heero und fragte stirnrunzelnd:

"Heero, was soll das? Was hat er?"

Der Wingpilot zögerte zu antworten. Konnte er es zulassen, dass noch mehr Menschen von Duos Trauma erfuhren? Der amerikanische Pilot hätte das bestimmt nicht gewollt, doch hatte er irgendeine Wahl? Sally war Ärztin und darauf ausgebildet, Menschen zu helfen und sie zu heilen.

Er atmete schwer aus und sah dann hoch.

"Er...er wurde vergewaltigt......"

Die Stille, die darauf folgte, war schon beinahe ohrenbetäubend. Das Einzige, was man hin und wieder vernehmen konnte, waren Duos Schluchzer und sein unruhiges Umherwerfen.

"Wer?", fragte Sally erstickt und richtete ihren Blick instinktiv auf die bewusstlose Gestalt.

"Treize....und....und....ein anderer Offizier....."

Die Ärztin schluckte schwer.

"Wann?"

"Vor anderthalb Monaten."

"Hat er ärztliche und psychologische Hilfe bekommen?"

Heero schüttelte fast unmerklich den Kopf und fühlte sich plötzlich mehr als schuldig. Was maßte er sich eigentlich an? Die Situation besser als ein Psychologe handhaben zu können?

Aber...er wollte keine fremde Hilfe!, warf Heero schwach ein. Selbst meine Hilfe hat er ja erst nach einigem Zögern angenommen.

"Er...wollte keine Hilfe", wiederholte Heero kläglich seine Gedanken und sah das wütende Funkeln in Sallys Augen.

"Das heißt doch nichts! Manchmal wissen die Menschen nicht, was gut für sie ist! Ebenso Duo! Er hätte SOFORT Hilfe bekommen müssen!"

"Die hat er!", warf Heero heftig ein, wurde dann jedoch ruhiger. "ICH helfe ihm und wir werden es schaffen!"

Die Wut ins Sallys Blick schien jeden Moment überzukochen, so dunkel waren ihre Augen bereits, doch dann hob sie erstaunt eine Augenbraue.

"Du liebst ihn, nicht wahr?", fragte sie leise und Heero nickte, so seufzte sie leise und drehte sich dann von ihm weg zu der unruhigen Gestalt auf dem Bett.

"Ich hoffe, du kannst ihm helfen."

Sally strich Duo beruhigend mit einer Hand über die Wange, als der Deathscythepilot heftig zusammenfuhr, sich krümmte und schmerzvoll schrie. Die Ärztin zuckte ob dieser Reaktion kurz zurück, dann beugte sie sich erneut vor und flüsterte leise und beruhigend:

"Shhh.....es wird alles gut, Duo. Ich bin ja da. Niemand wird dir etwas tun!"

Und es schien, als ob es funktionieren würde, denn nach und nach beruhigte der langhaarige Junge sich, nur noch ein Wimmern und die Tränenspuren auf seinen Wangen blieben zurück.

"Mama.....bist du das?", flüsterte er rau und warf seinen Kopf in Sallys Richtung, die Augen immer noch fest geschlossen.

"Ja, ich bin hier, Baby. Ruh dich aus", gab Sally im gleichen Ton zurück und strich ihm erneut eine der verschwitzten Fransen aus dem Gesicht, worauf der amerikanische Junge hilfesuchend die Hand nach ihr ausstreckte und weinend hauchte:

"Lass mich bitte nicht allein, Mama. Nicht schon wieder! Ich brauche dich doch!"

"Ich bleibe bei dir, mein Schatz!", erwiderte Sally zärtlich und wandte sich dann lautlos an Heero.

"Es ist komisch, aber die meisten Waisen richten sich in Fieberträumen an ihre Eltern. Ich habe so etwas schon oft erlebt", erläuterte sie flüsternd, immer noch Duos Hand und seine heiße Wange streichelnd.

Der Wingpilot nickte kaum merklich. Auch ihm war überhaupt nicht wohl zu mute, auch er hatte das Gefühl, gleich in Tränen auszubrechen, so sehr gingen ihm die ganzen Ereignisse zu Herzen.

Und so straft sich das Bildnis vom perfekten Soldaten, bemerkte eine Stimme in ihm und er musste ihr Recht geben.

"Willst du übernehmen?", durchbrach Sallys Stimme seine Gedanken und er nickte stumm, so tauschten die Beiden die Plätze und Heero nahm Duos Hand zärtlich in die seine.

"Das Fieber wird, wenn nichts Unerwartetes dazwischen kommt, morgen oder übermorgen gefallen sein. Bis dahin würde ich vorschlagen, dass du oder einer von den anderen Piloten bei ihm am Bett bleibt und über ihn wacht, wenn er wieder unruhig wird. Ich werde in der Zwischenzeit Paracetamol in Form von Tabletten besorgen, die er dann pünktlich alle vier Stunden einnimmt. Und Heero, achte darauf, dass er viel trinkt!"

Damit nickte sie kurz, verschloss ihre Tasche wieder und begab sich dann in Richtung Ausgang.

Heero seufzte kurz, als er wieder allein war und ließ seinen Blick dann über die schlafende Gestalt vor sich gleiten.

Duo, was machst du bloß?, fragte Heero sich hilflos und berührte leicht die verbundenen Arme. Was tust du dir bloß an? Und wieso glaubst du, ich wäre es gewesen, der dich verraten hätte? Warum hast du kein Vertrauen in mich?

Mit diesen Gedanken glitt Heero vom Stuhl, nicht auf seinen eigenen, angeschlagenen Gesundheitszustand achtend und legte seinen Kopf neben Duos Arm auf die Matratze, darauf wartend, dass irgendetwas passierte, dass der amerikanische Junge wieder aufwachte und mit ihm sprach.
Ich werde es ihm erklären müssen, wenn er wieder aufwacht...., dachte Heero schwach und schloss seine Augen um dann schließlich in einen halb bewusstlosen Schlaf zu fallen, der jedoch immer wieder von Duos Alpträumen unterbrochen wurde.

*

Heero gähnte ausgiebig und streckte seine mittlerweile schon fast unerträglich schmerzenden Glieder.

Es war nun schon zwei Tage her, dass Duo im Bad zusammengebrochen war und er war immer noch nicht aufgewacht. Obwohl sein Schlaf sich beruhigt hatte und die Temperatur fast bis auf 38° gesunken war, war der amerikanische Pilot immer noch nicht aufgewacht. So war es dann, dass Heero die vollen zwei Tage an dem Bett seines Partners gesessen, ihm bei Alpträumen gut zu geredet und immer wieder beruhigend gestreichelt hatte, die eigenen Schmerzen wie so oft einfach nicht beachtend.
Von Dr. J hatte er nichts mehr gehört, wusste aber von Quatre, dass der Wissenschaftler noch da war. Anscheinend wollte er sich gedulden, bis Heero das Zimmer verließ, um ihn dann erneut zusammenzuschlagen. Wie er es schon so oft getan hatte.

Der Wingpilot seufzte unterdrückt.

Ach Duo, wenn du doch endlich aufwachen würdest!, bat er nun schon zum hundertsten Mal stumm und strich seinem Partner über die trockene, seidig weiche Wange.

Ich will mich endlich den Vorwürfen stellen können, die er mir gemacht hat!

"Heero........"

Der japanische Junge schreckte auf und starrte die schlafende Gestalt vor sich an.

"Duo?", fragte er ungläubig und sein Gegenüber stöhnte leise auf.

"Heero....hilf mir!"

Dieser hilfesuchende, fast verzweifelte Satz ließ etwas in Heero zerbrechen, wie so oft in den letzten zwei Tagen, denn vieles, was der Deathscythepilot in seinen Träumen gesagt hatte, hatte seinen Partner tief verletzt. Er war sich nicht sicher, aber Duo schien auch einige Träume gehabt zu haben, in denen er selbst ihn......

"Duo...komm zu dir! Ich bin hier! Du musst nur aufwachen!"

Ein mutloser Laut entwich Duos Kehle und er warf seinen Kopf herum.

Er träumt wieder, zerstörte Heero seine Hoffnungen selbst und senkte den Kopf.

"Heero?"

Der Satz, so ungewöhnlich klar ausgesprochen, veranlasste den Wingpiloten, überrascht den Kopf zu heben und in ungetrübte, blau-violette Augen zu sehen, die ihn fragend anschauten.

"Duo, du bist wach!", rief er erfreut und nahm eine Hand seines Partners, um sie freudig zu streicheln.

Die blauen Augen verdunkelten sich angesichts dieser Geste und Duo fragte kalt:

"Was machst du hier?"

Heero wusste zuerst nichts mit Duos plötzlichem Stimmungswechsels anzufangen, doch dann erinnerte er sich an ihr letztes Gespräch, den Streit und an das, was Duo ihm an den Kopf geworfen hat.

"Duo....", begann Heero zögernd, wurde dann jedoch sicherer. "Ich war es nicht. ICH habe es Dr. J nicht gesagt, bitte glaube mir das!"

"Ach, tatsächlich?", war die kalte Antwort und Heero zuckte unter dem nun eisigen Blick zusammen. Er nickte schwach und wollte sich gerade verteidigen, als eine Stimme in seinem Rücken ruhig bemerkte:

"Er war es wirklich nicht, Duo. Dafür gibt es sogar Beweise."

Beide, sowohl Duo als auch Heero, drehten sich erschrocken zu der Stimme um und sahen Zechs, wie er gelassen im Türrahmen stand und leicht lächelte. Er kam zu ihnen, stellte dann die für Duo gedachte Wasserflasche auf dem Tisch ab und wandte sich an Heero:

"Würdest du uns wohl bitte kurz alleine lassen?"

Nach kurzem Zögern und einem erstaunten Blick tat Heero das, was man vom ihm verlangt hatte und schloss die Tür hinter sich, sich an die gegenüberliegende Wand stützend und dem stillen Haus lauschend.

*

"Hallo Duo!", sagte der blonde Mann freundlich und setzte nahm den Stuhl, der an Duos Bett stand, um sich neben dem amerikanischen Piloten zu setzen, während er immer noch im Plauderton fortfuhr:

"Wie geht es dir?"

Es dauerte einen Moment, bis Duo reagierte, dann fragte er kalt:

"Was willst du, Zechs?"

Der Tallgeesepilot lächelte kurz und freudlos.

"Ich habe mit Dr. J gesprochen. Über dich."

Zechs bemerkte, wie sich darauf die Wut in den violetten Augen ins beinahe Unermessliche steigerte.

"Du hast WAS?", zischte der Jüngere und richtete sich mühsam auf, die Hände zu Fäusten geballt, die Knöchel vor Anspannung weiß. Doch Zechs ging darauf nicht ein, sondern fuhr gelassen und unbeirrt fort:

"Heero hat es dem verrückten Alten nicht verraten, das schwöre ich dir. Es ist vielmehr...."

Duo war bei dem letzten Satz hellhörig geworden und sah nun direkt auf Zechs´ niedergeschlagene Augen.

Heero war es nicht gewesen?, dachte er benommen, nicht fähig, diesen Gedanken zu verarbeiten, doch als er es endlich geschafft hatte, breitete sich ein wohltuendes Gefühl von Erleichterung in ihm aus. Jedoch Erleichterung mit dem Stich, wer es denn sonst gewesen sein könnte.

"Wer dann?", sprach Duo seine Gedanken aus und wartete einen Moment, bevor Zechs ihm stockend antwortete:

"Es...es gibt ein Tape....von einer Überwachungskamera....von der Zelle...."

Duo fuhr zusammen.

Nein....nein...nicht auch noch das....das durfte nicht sein....., dachte er schwach und spürte, wie Tränen seine Wangen hinunterliefen. Er schlug verzweifelt eine Hand vor den Mund, um den Schmerzenslaut zu unterdrücken, der sich seinen Weg an die Oberfläche bahnen wollte.

"Wer....wer hat es gesehen? Die....Wissenschaftler...? Die anderen Piloten....? Du? Und etwa....etwa....HEERO?"

Der blonde Mann schüttelte sanft den Kopf.

"Soweit ich weiß, niemand von ihnen außer Dr. J selbst. Er hat gesagt, dass er es niemandem sonst gezeigt hätte."

Duo schluchzte verzweifelt und gleichzeitig erleichtert auf. Er könnte es nicht ertragen, könnte ihre Blicke voll von Mitleid nicht ertragen, ihre hilflosen Versuche, ihm zu helfen.

Er kauerte sich zusammen, immer noch schluchzend und sich hin und her wiegend, bis er plötzlich starke Arme spürte, die ihn umschlangen und sanfte Worte hörte, die Zechs ihm ins Ohr flüsterte, so als ob er ein Kind beruhigen würde. Und so sehr sich Duo darüber wunderte, so sehr half es, denn nach und nach wurde er ruhiger, das Zittern ließ nach, während ihm nur noch stumme Tränen über die Wangen liefen.

"Soll ich schauen, ob Yuy noch da ist?", fragte Zechs leise und sah, dass Duo nickte, kaum sichtbar, fast unmerklich, aber er nickte.

Oh Gott, ich hoffe, dass er mich nicht verlassen hat.....

*

Nach einiger Zeit hörte Heero, wie sich die Tür öffnete und Zechs heraustrat.

"Am Besten, du gehst wieder zu ihm", bemerkte er schlicht und verschwand dann in Richtung Wufeis Zimmer.

Heero folgte Zechs´ Rat und betrat das vom Krankengeruch geprägte Zimmer, seine Augen an
dem weinenden Deathscythepiloten geheftet.

"Duo...was ist los?", fragte er besorgt und sein Gegenüber hob überrascht den Kopf.

"Du bist noch da?", fragte Duo überrascht und Heero nickte perplex.

"Warum sollte ich nicht?"

"Ich dachte....ich hatte Angst, du wärst weg.....oh Heero...es tut mir so leid!", schluchzte der langhaarige Junge. "Ich wollte dich nicht verdächtigen! Ich wollte nicht...aber es erschien so logisch....so verdammt logisch!"

Heero war mit einem Satz bei seinem Freund und nahm ihn beschützend in seine Arme.
"Ist ja gut, niemand sagt etwas. Ich am Wenigsten. Du hattest alles Recht dazu, Duo! Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen!"

"Zechs hat mir alles erzählt!", brachte er vollkommen aufgelöst hervor. "WIE Dr. J es erfahren hat. Er...er meinte....es gibt ein....Tape....von einer Überwachungskamera...."

Heeros Herz blieb stehen.

Nein, NEIN! Wieso zur HÖLLE musste der langhaarige Junge immer noch so leiden?! Warum, verdammt?!

"Duo....wir werden das Tape finden und es zerstören, damit es keiner sieht!", versuchte der japanische Pilot seinen Partner zu beruhigen, hatte aber wenig Erfolg damit.

"Aber....aber es haben schon so viele gesehen! Sie alle haben gesehen, wie ich....wie er mich...."

"Shhhhh...Duo...ganz ruhig. Ich verspreche dir, es werden nicht viele sein, und wenn, dann werden wir sie finden und dafür büßen lassen!"

Heero wusste nicht, ob dieses lächerliche und kaum durchführbare Versprechen eine Wirkung auf seinen Partner haben würde, doch nach und nach versiegten die Tränen und der amerikanische Junge sah hoffnungsvoll lächelnd auf.

"Wir können es versuchen", flüsterte er und sank schwer gegen die Arme seines Partners, der im ersten Moment schon befürchtete, dass Duo einen weiteren fiebrigen Anfall hätte, doch dann eines besseren belehrt wurde, als er seine Atemzüge und Temperatur prüfte und feststellte, dass alles normal und im ungefährlichen Bereich war.

Erleichtert seufzte Heero auf, hob die Bettdecke an und legte sich zu seinem Partner unter die kuschelig weiche Decke, um dann schließlich mit um ihn geschlungenen Armen ebenfalls friedlich und erlöst einzuschlafen.