A/N: So...zweiter Teil ^_^. Was soll ich sagen? Ich hoffe, er gefällt!

Vielen Dank an skrya und cherry15 für´s Feedback! Über die Oneshots lässt sich reden, auch wenn ich im Moment eher noch zwei größere Geschichten geplant habe.

Also dann, viel Spaß und happy C&Cing!

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Aya atmete auf, als der schier unendliche Strom an aufgedrehten, quietschenden Mädchen endlich abnahm und ihnen ein wenig Ruhe gönnte. Er hatte sich schließlich auch zu seinen Teamkollegen gesellt, als diese mit dieser Masse nicht mehr fertig wurden und ein paar Momente später den Preis dafür bezahlt, als auch ihn seine Fangruppe umringte und mit Fragen konfrontierte, die zum Einen unsinnig waren und zum Anderen jenseits des Intelligenzquotienten eines Kitschromans lagen.

Aber gut, das war ihr Job.

Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken ständig zu seinem vergangenen Auftrag glitten. Der Auftrag, welcher ihn für einen Moment wirklich aus der Bahn geworfen hatte. Doch nun war er zurück, zusammen mit Weiß, seinem normalen Leben, seiner Schwester. Alles würde so weiter gehen, wie bisher.

Fast alles....fast.

"Guten Tag, Weiß."

Er sah auf und stockte mitten in der Bewegung. In der Tür stand Birman, als wenn nichts passieren wäre. Als wenn sie Kritiker nicht verraten hätte. Sie war also der Explosion entkommen. Aya überließ es seinen Teamkollegen, die Frau zu begrüßen und erwiderte den herausfordernden Blick der schwarzen Augen ruhig. Wusste sie von seinem Auftrag, sie umzubringen? Wusste sie, dass der Ring gesprengt worden war? Und das durch ihn?

"Schön zu sehen, dass du unversehrt von deiner Mission zurückgekehrt bist, Aya", lächelte sie und der rothaarige Mann wusste mit einem Schlag, dass sie sich all dessen sehr wohl bewusst war. "Und genau darüber wollte ich mit dir reden. Im Besprechungsraum."

Aya folgte ihr wortlos und schloss die Tür hinter sich, als sie sich auf die mondäne Ledergarnitur fallen ließ. Er erwiderte ihren mittlerweile taxierenden Blick vollkommen ruhig und emotionslos.

"Wie ich hörte, hast du deine Mission nicht ganz erfolgreich beendet, Abyssinian. Vielmehr hast du einen Teil dessen übergangen."

Aya hätte nicht gedacht, dass Birman mit der Tür ins Haus fallen würde. Zumal er nicht erwartet hatte, dass sie es wagte, ihn direkt darauf anzusprechen. Aber gut, dann würde er darauf einsteigen, wenn sie diese Spiel spielen wollte.

"Mit Absicht, Birman", lächelte er kalt. "Ich denke, wir wissen beide, dass wir dann hier nicht stehen würden."

Sie nickte wohlwollend. "Das mag stimmen, Aya."

"Warum hast du Kritiker verraten? All das Gute, für das wir stehen?"

Es war die entscheidende Frage. Es war das, was bisher wortlos zwischen ihnen geschwebt hatte, nun aber durch Aya selbst veräußert worden war. Er wollte ihr keine Gelegenheit geben, sie zu überrumpeln, er wollte Klarheit.

"Was soll ich verraten haben, Aya?", erwiderte sie mit ruhiger Stimme und maß seine Gestalt mit einem spöttischen Blick. "Perser? Sag mir, Aya, hältst du ihn für das Gute in Person? Da muss ich dich leider enttäuschen. Er ist Egoist und das mit Leidenschaft. Genau wie ich."

"Was du machst, ist gegen das Gesetz."

Birman lachte hell auf, während sie sich durch die kurzen, strubbeligen Haare strich. "Und das, was Weiß macht, nicht? Ihr mordet, Aya, wenn dir das noch nicht aufgefallen ist. Töten ist auch gegen das Gesetz."

"Wir töten im Namen der Gerechtigkeit."

Die ältere Frau schüttelte amüsiert den Kopf und schlug ihre schlanken Beine übereinander. "Und das rechtfertigt eine der Todsünden? Wie naiv, Aya. Wie äußerst naiv. Aber ich bin nicht gekommen, um mit dir darüber zu streiten, was Recht und Unrecht ist. Ich habe meinen Weg gefunden, so wie du deinen gehst. Weswegen ich gekommen bin, ist, dir einen Deal vorzuschlagen."

Aya schnaubte leise. "Was für einen Handel könntest du schon für mich haben, Birman? Was wäre es wert, dich nicht Perser zu übergeben oder meinen Auftrag gleich hier an Ort und Stelle zu beenden?"

"Deine Schwester, Ran. Die kleine, süße Aya, die sich im Moment bester Gesundheit erfreut."

Ayas Augen verengten sich augenblicklich zu Schlitzen, als der rothaarige Mann sich der Drohung gewahr wurde, die hinter dieser Aussage lag.

"Lass sie daraus, Birman, ich warne dich", sagte er mit eiskalter, äußerer Ruhe, die sich innerlich jedoch zu einem unkontrollierten Ausbruch zusammenstaute. Er könnte nicht für viel garantieren, wenn sie ihre Drohung weiter auf die Spitze trieb.

"Sehen wir es doch mal so, Abyssinian. Perser weiß nicht, dass ich dort war, er weiß nichts über meine Beziehung zu Lasgo. Und er wird es auch nicht erfahren, haben wir uns verstanden? Denn sonst...Ran, hast du niemanden mehr, für den du kämpfen musst. Denkst du, ich habe mich nicht vorbereitet? Deine Schwester befindet sich in meiner Obhut, wie du weißt. Und ich habe die Möglichkeit, sie jederzeit verlegen zu lassen. Ich habe Leute, die hinter mir stehen, Aya. Viele Leute. Keiner, auch Kritiker nicht, wird wissen, wo sie dann ist. Wenn du mir nicht gehorchen solltest, werden die Ärzte eines Morgens feststellen, dass sie nun doch ihrem komatösem Zustand erlegen ist, dass ihre Organe einfach aufgehört haben zu funktionieren. Welch tragische Wendung, meinst du nicht auch?"

Aya konnte für einen Moment nicht glauben, was er dort hörte, was Birman mit einem Lächeln aussprach. Wo es doch so offensichtlich war, seine Schwester als Druckmittel zu benutzen, hatte er naiv angenommen, seine Schwester wäre vollkommen sicher beschützt. Oder dass Kritiker zu mächtig waren, um so etwas einfach geschehen zu lassen.

Und dennoch war es nun eingetroffen...das Undenkbare. Das, was Schwarz und Schreiend nicht zu tun vermochten. Seine Schwester war in Gefahr. Er selbst war machtlos, konnte gegen Birman nichts ausrichten, nicht, wenn er nicht mit dem Leben Ayas spielen würde.

Aya verspürte mit wachsender Wut den Stich Gewalttätigkeit in ihm, der ihn fast hätte Crawford zerstören lassen. Doch nun war er anders....brutaler. Primitiver. Er wollte Birman tot sehen, wollte erleben, wie die Persersekretärin langsam an den Verletzungen starb, die er ihr zufügte. Hätte er sein Katana gehabt...wer weiß. Doch sie mit seinen bloßen Händen zu töten?

Nein....nein...das durfte nicht sein, schon seiner Schwester zuliebe nicht. Sie musste leben....für ihn. Er konnte sich Birman nicht widersetzen, solange er ihre Verbindungsleute nicht kannte, solange er nicht wusste, wer noch auf ihrer Seite war. Schachspiel. Ja....es war ein Schachspiel ihrerseits, das erkannte Aya nun. Sie war die Dame und durch verschiedenste Figuren geschützt, die er alleine nicht besiegen konnte. Und würde er seinen Platz verlassen, um sie zu töten, wäre der Weg auf seine Schwester freigegeben.

"Woher weiß ich, dass du sie nicht auch so tötest?", fragte er und spürte, wie sich bei diesen Worten ein eiserner Ring an Verzweiflung um seinen Hals legte, ihm praktisch die Luft abschnürte.

Birman stand auf und ließ ihren Blick durch das dämmrige Zimmer gleiten. Sie atmete schwer aus, so als ob sie sein jugendliches Ungestüm vollkommen unverständlich fand.

"Ich bin kein Unmensch, Aya. Ich mache nur das, was nötig ist und deine Schwester zu töten gehört nicht dazu. Allerdings nur solange, bis du mir gehorchst. Solltest du dich mir verweigern, Abyssinian, garantiere ich dir für nichts. Sieh es doch einfach mal so. Du hast einfach nur dein Herrchen und die Leine, an der du hängst, zweigeteilt."

Ein Knurren, war das Einzige, was ihr darauf entgegnet wurde, als Aya sich besiegt auf einen der Sessel niederließ und seine Stirn in seinen Hände vergrub. Für Aya....für seine Schwester. Nur für sie...

Birman musterte ihn für einen Moment, als sie sich nach vorne begab, sich vor ihn kniete und ihm sanft über die Wange strich. Eine Bewegung, die ihn zusammenzucken ließ. Die nicht gewünscht war, barg sie doch soviel an falscher Zärtlichkeit, die solch zerstörerische Kraft in sich trug.

"Es fällt mir nicht leicht, Aya. Ich mag dich und deine Schwester, das weißt du. Aber ich habe meine Interessen, und die setze ich durch. Daher...solltest du besser an das denken, was ich dir gesagt habe. Kein Wort zu Perser...und zu niemandem sonst."

Damit stand sie auf, strich ihm ein letztes Mal über seine feuerroten Haare und verließ das Zimmer, das leise Schließen der Tür wie ein Donnerschlag in der Stille des Raumes.

Und dazu passend Ayas Faust, die nun mit einem lauten Klatschen gegen die Wand prallte.

Einmal. Zweimal. Dreimal. Wieder und wieder.

~~**~~

"Hier?"

Crawford nickte wortlos. Sein Zustand hatte sich über die letzten paar Minuten der Fahrt wesentlich verschlechtert. Ihm war übel, sein ganzer Körper zitterte unmerklich vor Schmerz und Fieber, das eigentlich nicht da sein durfte. Seine Hände lagen ruhig auf den Oberschenkeln, waren aber klamm vor Schweiß.

Schuldig ließ den Wagen langsam ausrollen und parkte gekonnt auf einem der raren Plätze direkt vor der Praxis des Arztes. Sie lag etwas außerhalb von Tokio am Rande eines großen Parks, mit Ausblick auf einen größeren See.

"Warte hier", war das Einzige, was Crawford verlauten ließ, bevor er mit einiger Mühe das Auto verließ und aufrechten Ganges das kurze Stück zur Praxis hinter sich brachte. Entgegen dem Schwindelgefühl, was ihn nun beherrschte, entgegen dem allzu präsenten Zittern.

Doch dann lag seine Hand auf der messingbeschlagenen Klinke, drückte sie hinunter, während er die leere Praxis betrat. Der Arzt hatte sich ausschließlich auf die Behandlung von wohlhabenden Patienten spezialisiert und war dementsprechend teuer, was sich nur wenige leisten konnten.

Crawford war dankbar, dass ihn in diesem Moment nur die Arzthelferin am Empfang begrüßte und ihn freundlich anlächelte. Sie kannte ihn.

"Mr. Crawford, schön Sie zu sehen. Wie geht es Ihnen?"

Er erwiderte ihr Lächeln charmant, aber geschäftlich kalt. Für die junge, rundliche Frau war er ein einflussreicher, amerikanischer Geschäftsmann der Tokioer High Society, ein Bild, das er selbst erschaffen hatte, um seine wahre Tätigkeit zu verbergen. Und es funktionierte perfekt.

"Sehr gut. Und Ihnen, Ayako?"

Sie plauderten noch eine Weile über dies und jenes, über das Wetter und sonstige Nichtigkeiten. Crawford belastete das zumindest körperlich, ließ ihn sich unbemerkt an den Tresen klammern. Lange konnte er dem Bedürfnis seines Körpers, sich einfach abzuschalten und ihm Erlösung in Form von Bewusstlosigkeit zu schenken und das vollkommen selbstlos, nicht mehr widerstehen.

"Sagen Sie, ist Doktor Martinez anwesend?", beendete er abrupt ihren kleinen Flirt und war sich erst hinterher bewusst, wie gepresst das klingen musste. Ayako hatte es anscheinend auch gemerkt, denn ihr Blick fuhr abrupt zu seinem hoch, während sie schuldbewusst nickte und ihm erst einen Stuhl zuwies.

"Warten Sie bitte, ich benachrichtige den Doktor."

Crawford ließ sich mit einem nicht hörbaren Seufzen darauf gleiten und schloss für einen Moment die Augen, um das Flimmern aus seinem Sichtfeld zu vertreiben. Nicht mehr lange und er wäre wirklich zu Boden gegangen.

Doktor Allesandro Martinez....ein spanischer Arzt, der irgendwann vor zehn Jahren beschlossen hatte, nach Japan auszuwandern und hier ein neues Leben als Mediziner anzufangen. Sie hatten sich durch Zufall kennengelernt und seitdem hatte Crawford einen kompetenten, verschwiegenen Arzt weit ab von ß und seinem Team. Normalerweise hätte er seine Identität vor Schuldig geheimgehalten, doch heute ging es einfach nicht anders. Er hätte es nicht alleine bis zur Praxis geschafft.

"Mr. Crawford, kommen Sie bitte?"

Ihm wurde jetzt erst bewusst, dass sie englisch mit ihm sprach, seine Muttersprache. Wie aufmerksam...Er lächelte, erhob sich von seinem Stuhl und folgte ihr in einen der hellen Behandlungsräume, die ihm wie immer freundlich entgegenstrahlten. Doch das machte es nicht leichter für ihn, ebenso wie die Tatsache, dass ihn jemand untersuchen würde, dem er vertraute.

Das freundliche Gesicht des älteren Mannes tauchte vor ihm auf, lächelte ihn an und begrüßte ihn mit dem typischen schwer-spanischen Akzent. Crawford erwiderte diese Geste zurückhaltend wie immer, reichte seinem Gegenüber die Hand und ließ sich erneut nieder, nur um darauf zusammen zu zucken, als seine missbrauchten Muskeln sich gegen diese Beanspruchung wehrten.

Der Arzt wartete, bis Ayako den Raum verlassen hatte, bevor er mit zusammengezogenen Augenbrauen fragte:

"Was ist mit Ihnen, mein Herr? Sie sehen nicht ganz gesund aus."

Crawford musste unwillkürlich lächeln. Der Mann sprach Japanisch und das mit einer Intensität, die außergewöhnlich war. Auch wenn er sich meistens im Sprachgebrauch selber irrte und viel zu höflich war, so war es doch eine nette, verständliche Art der Kommunikation.

"Ich bin zu einer Rektaluntersuchung gekommen." Es fiel ihm schwer, dieses Wort auszusprechen, sich dem zu stellen, was passiert war und was noch geschehen würde. Schon alleine der Gedanke an seine entblößte Form, die er dem Anderen präsentieren musste, ließ ihn leicht schaudern. Doch es war nötig....er musste diese Schmerzen vernichten....

Martinez sah ihn mit erhobener Augenbraue an, sagte jedoch nichts, sondern deutete mit einer Hand zu einer der Türen. Als der Mann der Tat, der er war, verlor er keine Zeit, was Crawford in diesem Moment dankbar akzeptierte. Er wollte keine unnötigen Fragen, würde diese auch nicht beantworten. Die Beiden traten ein und Crawford ließ den Raum für einen Moment auf sich wirken, musste es, da er sonst nicht in der Lage gewesen wäre, den Blick auf die so unscheinbare Liege zu richten, die in der Mitte des Raumes stand, klinisch steril und metallen, mit Polsterungen für die Unterseite. Am Fußende dessen befanden sich zwei Beinstützen, die dem Arzt helfen sollten, die Untersuchung durchzuführen. Crawford wusste genau, wie es aussehen würde...er müsste sich hinter dem Paravent entkleiden, zumindest seinen Unterkörper, würde sich dann rücklings auf diese Liege legen, die Beine spreizen und in die dafür vorgesehenen Halterungen legen, um dem Arzt besseren Zugang zu gewähren.

Und genau das tat er jetzt.

Crawford richtete seinen Blick strikt gegen die Decke. Er wollte nichts davon sehen, was nun geschah. Er zuckte leicht zusammen, als der Arzt sein Glied berührte und es sacht zur Seite beugte. Wie erwartet, empfand er nur Ekel vor dieser Berührung. Ebenso, wie es ihn abstieß, als er leichten Druck gegen sein Rektum vernahm.

Ohne es zu wollen, sperrte sein Körper sich gegen diese Berührung, zuckte zusammen und ließ ihn einen Laut des Unwohlseins veräußern, auf den der Arzt sofort reagierte. Für einen Moment wusste Crawford nicht, was auf ihn zukam, doch dann wurde er es sich gewahr, als Martinez aufstand und sich zu ihm an das Kopfende der Liege begab, auf ihn hinab sah.

"Gibt es da etwas, was Sie mir sagen wollen, Bradley?"

Der Blick des amerikanischen Mannes verließ die Decke und kehrte zurück zu seinem Arzt, der nun mit einem ungewöhnlich weichen Zug um die Augen die Hand auf seinen Oberarm legte. Der es wagte, ihn bei seinem Vornamen zu nennen. Er schüttelte den Kopf.

"Nein...da gibt es nichts." Es war eine glatte Lüge angesichts der offensichtlichen Spuren des Missbrauchs, den Hämatomen an den Innenseiten seiner Oberschenkel, den sicherlich anderen, evidenten Anzeichen, die er selbst so nicht sehen konnte, die für den Arzt aber sicherlich Bände sprachen.

Der Arzt hob fragend eine Augenbraue, bestätigte Crawfords Verdacht, doch dieser ging nicht weiter darauf ein, so wandte sich Martinez seiner eigentlich Aufgabe zu, bis Crawford ihn noch ein letztes Mal daran hinderte, seine Arbeit zu tun.

"Ich würde sie allerdings darum bitten, mit Betäubung fortzufahren", wandte er sich an die Decke und wenig unterschwellig auch den Arzt, welcher ihn nun für einen Moment stumm betrachtete, dann jedoch einen der Schränke öffnete, der sich im Nachhinein als Kühllager entpuppte.

Er zog eine der Spritzen heraus und verschwand dann erneut aus Crawfords Sichtweite.

Und dann zuckte ein plötzlicher, heftig stechender Schmerz durch die Nervenbahnen des Orakels, als Martinez die Spritze setzte und ihren Inhalt dort hineingab, wo sie wirken sollte: in und um das Rektum seines Patienten. Eine durch und durch schmerzhafte Prozedur, die Crawford mit zusammengepresstem Kiefer und fest verschlossenen Augen ertrug. Doch bald...bald würden sämtliche Nerven der Region betäubt sein und er würde gar nichts mehr spüren....

"So....ein paar Minuten und das Mittel wirkt", richtete Martinez sich wieder an ihn und kam erneut an seine Seite. "Es gibt einen Grund dafür, dass Sie so plötzlich zu mir gekommen sind, richtig? Und dieser Grund ist alles andere als angenehm."

Crawford ließ seinen Blick für einen Moment über das Gesicht des älteren Mannes gleiten. Es waren nach wie vor ungewöhnlich ruhige, sanfte Züge. Dennoch verführten sie ihn nicht dazu, sich seinem Arzt anzuvertrauen. Zumindest nicht in Details. Martinez konnte sich so oder so denken, warum er zu ihm gekommen war, doch er musste ihm keine Hilfe anbieten. Crawford konnte alleine damit fertig werden.

"Ich weiß, dass die Akzeptanz dessen, was geschehen ist, in der Gesellschaft nicht vorhanden ist, auch Ihnen gegenüber nicht, das sage ich ganz offen. Daher ist es wichtig für Sie, dass Sie jemanden haben, dem Sie sich anvertrauen können. Jemand, mit dem Sie über das Erlebte sprechen können. Ich kann Ihnen Adressen geben, wenn Sie das möchten."

Crawford mochte diesen besorgten Blick nicht. Er war nicht hilflos und er brauchte keine Unterstützung, geschweige denn die Akzeptanz der Gesellschaft. Dennoch projizierte er nichts von seinen augenblicklichen Gedanken nach außen, als er nun mit einem distanzierten Lächeln erwiderte:

"Danke, aber ich brauche keine Hilfe, zumindest nichts, was sich nicht auf die medizinische Versorgung beschränkt."

Es war ein finaler Ton, Zeichen dafür, dass er es wirklich nicht wollte und dass ihn nichts dazu bringen würde, die Hilfe des älteren Mannes anzunehmen. Martinez wusste das und akzeptierte es. So nickte er nun auch nur und sah auf seinen Patienten hinab.

"Bis die Betäubung wirkt, kann ich Ihnen eben schnell Blut abnehmen, was halten Sie davon?"

Crawford nickte und horchte währenddessen tief in sich hinein. Er spürte bereits, wie der Schmerz nach und nach verschwand, ihm nichts als dumpfe Betäubung hinterließ. Es war ungewöhnlich, dass der Arzt selbst sich dazu bereit erklärte, Blutproben zu nehmen, eine Aufgabe, die sonst den Arzthelferinnen zustand. Doch Crawford ließ ihn gewähren, hätte es sogar als äußerst verstörend empfunden, wenn Ayako es erledigt hätte.

Er sah ausdruckslos zu, wie Martinez seinen Arm auf geeignete Venen absuchte, die hauchdünne Nadel ansetzte, seine Haut durchstach und drei Ampullen mit der blutroten, fast schon zähflüssigen Lebensessenz füllte.



Fast schon angenehme Stille erfüllte den Behandlungsraum, als Martinez sowohl Ampullen als auch Besteck zur Seite legte, verwahrte, den Einstich abtupfte, mit einem Pflaster bedachte und seinen Patienten schließlich ruhig ansah. Crawford wusste, der Arzt erwartete Antworten von ihm, ohne offen zu drängen. Doch diese Antworten....sie würde es nicht geben.

Seine Beine waren noch immer gespreizt.

"Die Betäubung wirkt. Wenn Sie bitte fortfahren würden", verweigerte Crawford nun endgültig seinem Arzt die Antworten und richtete seinen Blick stur an die Decke. Er schloss die Augen, wollte nicht sehen, was nun geschah.

Anscheinend schien auch Martinez seiner Meinung zu sein, denn er verließ seine Position an der Seite des amerikanischen Mannes und begann mit der Untersuchung. Crawford zuckte zusammen, als er trotz Betäubung spürte, wie ein sorgfältig eingecremter Finger in ihn glitt, sein Inneres untersuchte. Die Muskeln seines Unterleibes zogen sich zusammen, als sie angesichts dessen an etwas anderes, gewaltvolleres erinnert wurden.

"Entspannen Sie sich, Bradley. Es ist nicht das, was ihr Körper annimmt", tönte die beruhigende Stimme Martinez´ durch die aufkommende Panik, vermochte sie, für einen Moment zu beschwichtigen. Und schon wieder fiel sein Vorname. Der Name, den er ausschließlich für sich beanspruchte, von dem niemand das Recht hatte, ihn leichtfertig in den Mund zu nehmen.

Und dennoch hatten es in den letzten vier Tagen drei Männer getan: Lasgo, Aya und nun Martinez. Zwei Männer, die willentlich seine Autorität untergraben hatten, einer, der ihm selbstlos versuchte zu helfen.

Crawford ließ die Welle von Wut über sich hinwegschwemmen, die ihn angesichts der ungewohnten Hilflosigkeit über ihn kam. Noch nie, nicht einmal bei Rosenkreuz hatte es jemand gewagt, sich ihm zu widersetzen, geschweige denn, sich ihm aufzuzwingen....

Und nun...innerhalb dieser kurzen Zeit, schien es, als wenn er selbst nichts mehr wert war, als wenn sein Wille nebensächlich wäre.

Es war an der Zeit, diesen Umstand zu ändern...es war Zeit, seinem Umfeld zu zeigen, dass er immer noch der Alte war, der mitleidslose Assassin, Teamleader von Schwarz. Das Orakel. Das perfekte, fehlerlose Orakel. So fehlerlos, dass er sich hatte zweimal überwältigen lassen. Dass er zweimal in die Hände des gleichen Mannes gefallen war.

Anscheinend desinfizierte und rieb Martinez seine...Verletzung gerade ein, den Bewegungen des Arztes nach zu folgen. Crawford konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt, wollte nicht mehr seinen verräterischen Gedanken ausgesetzt sein. Den Gedanken, die seinen Körper, seinen Verstand als Assassin bekämpften.

Er schloss erneut für eine Weile die Augen, ließ die ungewohnte Erschöpfung über sich hinweg waschen. Er wartete. Auf das Ende der Behandlung. Wollte noch Hause.

Crawford strich sich über seine linke Hand, über den Ring aufgeschürfter Haut, der sich um sein Handgelenk schloss. Es tat weh, wenn er darüber fuhr.

"Fertig", ertönte es da sanft vor ihm und der dunkelhaarige Mann schlug die Augen auf. Endlich... "Ziehen Sie sich erst mal an, dann sprechen wir darüber, welche Schritte noch notwendig sein werden."

Crawford richtete sich auf und erlöste seine Schenkel mit einer schnellen Bewegung aus ihrer degradierenden Position. Viel zu ähnlich war diese mit der, in der er sich noch vor Stunden befunden hatte....

Mit unsicheren Beinen stand er auf und verschwand hinter dem großen Paravent, um sich vollkommen anzukleiden, um sich selbst ein Stück Sicherheit zurückzugeben. Es war das letzte Mal, dass ihn jemand so sehen würde. Nackt. Ausgeliefert. Entblößt. Wehrlos. Niemand mehr.

Schließlich trat er vollkommen bekleidet wieder hervor und sah Martinez erwartend an. Anscheinend schienen sowohl die inneren als auch äußeren Verletzungen nicht so gravierend zu sein, als dass eine Operation von Nöten war.

Martinez bestätigte ihm im nächsten Moment eben diese Vermutung mit einem Lächeln.

"Sie hatten....Glück, wenn ich das sagen darf. Natürlich haben Sie sich Verletzungen zugezogen, allerdings können wir diese so ausheilen lassen, wenn Sie sie jeden Tagen eincremen, sauber und elastisch halten. Ich werde Ihnen dazu noch diverse Salben verschreiben. Wegen dem Bluttest müssen wir schauen, das Ergebnis habe ich verständlicherweise noch nicht vorliegen. Kommen Sie in drei Wochen noch einmal wieder und dann kann ich Ihnen sagen, ob wir etwas in Ihrem Blut gefunden haben. Dann werden wir auch noch den Langzeittest machen. Wollen Sie noch Schmerzmittel?"

Crawford nickte stumm. Schwäche....

"Ich verschreibe Ihnen Tramal, ein stark wirkendes Mittel, das sie auf keinen Fall überdosieren sollten. Zwanzig bis vierzig Tropfen pro Tag reichen vollkommen aus. Zudem schreibe ich Ihnen noch ein Abführmittel auf, das Sie bitte die nächste Woche einnehmen."

Das Orakel nickte wiederum stumm. Das hatte er erwartet.

"Noch ein letzter Punkt....Sie sollten für ein paar Wochen Ihre Ernährung soweit umstellen, dass Sie vornehmlich Milchprodukte zu sich nehmen, keine ballaststoffartigen Nahrungsmittel. Konkret heißt das Weißbrot, Obst, geschälter Reis, aber lassen Sie Ihre Finger von Fleisch- und Körnerprodukten und scharfen Gewürzen. Es ist besser für Ihr Rektum."

Der amerikanische Mann erwiderte den sanften Blick der wissenden Augen nicht. Er war viel zu sehr damit beschäftigt sich auszurechnen, was dies für die nächsten Wochen hieß. Er würde nicht in der Lage sein, seiner Arbeit hundertprozentig nachzukommen, er musste sich einschränken, er würde Schwarz nicht adäquat leiten können. Selbst Farfarello war im Moment stärker als er selbst.

"Vielen Dank, Doktor. Sie wissen ja, wo Sie die Rechnung hinschicken müssen", beendete er die Behandlung von sich aus und erhob sich. Er wollte weg von hier, weg von dem Mann, der ihn so hilflos gesehen hatte.

"In Ordnung...aber lassen Sie sich noch einen Termin für die Blutergebnisse geben."

Martinez reichte ihm freundlich die Hand und nickte mit dem Kopf zum Ausgang, dort, wo Ayako an der Rezeption wartete. Und Crawford tat, wie ihm geheißen.

~~**~~

"Hat aber lange gedauert....."

Crawford ging nicht auf den gelangweilten Ton seines Gegenübers ein, als er wortlos in das Auto stieg und sich anschnallte. Im Moment ging es ihm besser, was zum guten Teil dem Betäubungsmittel zu verdanken war, was immer noch in seinen Nervenbahnen wirkte. Er senkte seinen Blick auf das zusammengefaltete Rezept in seiner Hand. Er kannte all diese Medikamente, hatte schon von ihnen gelesen, aber nie wirklich gedacht, dass er sie selbst einmal nehmen müsste.

"So. Was ist los?"

Crawford sah verwirrt auf. Was meinte Schuldig? Ach ja...seinen Zustand. Als wenn es den jüngeren Mann etwas anginge.

"Was soll sein?", erwiderte er kalt, in seinem vollen, sonstigem Ich. Er hatte gedacht, der Deutsche würde schnell aufgeben, sich mit der gestrigen Nicht-Erklärung zufrieden geben, doch anscheinend hatte er da falsch gelegen.

"Du siehst scheiße aus, Brad." Fast hätte Crawford diesen Satz nicht gehört, so leise, wie er ausgesprochen wurde. Das Radio schien mit einem Mal sehr viel lauter geworden zu sein als zuvor. Er lachte.

"Deine Komplimente waren auch schon mal blumiger, Schuldig."

"Ich meine das ernst, Brad." Das zweite Mal, dass der Telepath ihn Brad nannte. In weniger als einer Minute. "Schau dich doch an. Dein ganzes Gesicht ist blau, das, was du gestern anhattest, war Abyssinians Mantel, das Erste, was du heute gemacht hast, war zum Arzt zu gehen. Dich von MIR chauffieren zu lassen. Meinst du, mir würde der fiebrige Ausdruck in deinen Augen entgehen? Oder die Art, wie sich deine Muskeln zusammen ziehen? Brad, ich bin nicht blöd."

Ein drittes Mal. Langsam wurde es ihm zuviel. Er wandte sich Schuldig zu und bedachte ihn mit einem eiskalten Blick. Es war das, was jeder an ihm fürchtete. Das Versprechen auf einen grausamen Tod, auf den Tod überhaupt.

"Es geht dich nichts an." Flach, emotionslos, kalt. Drohend. Crawford wusste, dass Schuldig diese Warnung verstand, hatte er sie doch oft genug gehört.

Und Schuldig missachtete sie. "Bradley...."

"MEIN NAME IST CRAWFORD!!"

Er konnte sie einfach nicht mehr zurückhalten, die Wut, welche in seinem Inneren tobte und ihn nicht mehr losließ. Wie KONNTE Schuldig es wagen, ihn so zu missachten, seine Autorität wieder und wieder in Frage zu stellen? Er war kurz davor, seinem Teammitglied die Hände um den blassen Hals zu legen und zuzudrücken, zu sehen, wie die grünen, funkelnden Augen hervorquellten und sich vor Entsetzen weiteten, als ein leiser Satz durch den Orkan von Wut drang und seine rational denkenden Gehirnzellen erreichte.

"Natürlich.... -Crawford- ."

Das Orakel wusste, Schuldigs Einlenken war keinesfalls ein Fallenlassen des Themas. Im Gegenteil. Auf einen Schlag hatten sich alle von Schuldigs Vermutungen bestätigt. Crawford hatte noch NIE die Kontrolle so dermaßen verloren, noch nie hatte er so vehement darauf bestanden, nicht mit seinem Vornamen angesprochen zu werden.

"Takatori hat mich eben kontaktiert. Er will dich sehen", holte die Stimme des Deutschen ihn erneut aus seinen Gedanken und ließ ihn den Blick seines Gegenübers mit plötzlicher Geschäftskälte erwidern.

"Warum?"

"Keine Ahnung. Wir sollen auf der Stelle zu ihm fahren. Er will mit dir reden", erwiderte Schuldig ebenso sachlich und startete den Wagen. Zeit, hier wegzukommen. Zeit, sich dem Kampf zu stellen.

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By Coco

Allgemeine Anmerkung zur Geschichte: Das Verhalten des Arztes ist nicht das, was normaler Weise geläufig ist. Besonders männliche Vergewaltigungsopfer haben meist nichts zu lachen, was Mitgefühl und Verständnis für die eigene Lage angeht. Ungerecht, aber leider Normalität.

Dass Martinez so reagiert, liegt daran, dass er Crawford kennt und das schon über Jahre. Und natürlich, nicht zu vergessen, an seiner Einstellung dieser Thematik gegenüber, die hier aus verständlichen Gründen nicht näher erläutert wird.