Ich habe keine Lust, den Disclaimer zu schreiben - aber ich glaube, es weiß
jeder, wer wem gehört, oder?
Kapitel 14 - Remus VII
Mitte Dezember fand das zweite Quidditch-Spiel der Saison, Gryffindor gegen Slytherin, statt. Das Wetter war miserabel, obwohl der Schnee, der zu Halloween gelegen hatte, längst geschmolzen war und es seitdem auch nicht wieder geschneit hatte. Dafür war es stürmisch geworden und regnete viel bei empfindlich niedrigen Temperaturen. Remus und Peter standen zitternd in den Zuschauerrängen und bedauerten James und Sirius, die als Sucher und Treiber in der Mannschaft von Gryffindor spielten und bei diesen Bedingungen spielen mussten. Remus warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Er hatte heute nicht viel Zeit, spätestens um fünf, also in knapp zweieinhalb Stunden, musste er sich bei Madam Pomfrey im Krankenflügel melden, um von ihr wie üblich vor Vollmondnächten zur Heulenden Hütte begleitet zu werden. Aber nichts auf der Welt hätte ihn davon abhalten können, das Quidditch-Spiel zu sehen, solange es ging - weder sein starkes Zittern noch die eisige Kälte oder der Regen, der von scharfen Windböen über das Spielfeld getrieben wurde.
Remus richtete seine Aufmerksamkeit auf das Spielfeld, wo eben die Mannschaften ihre Besen bestiegen und dann auf einen Pfiff hin in die Luft sausten. Er erkannte kurz durch einen Regenschleier James und Sirius, dann drehte James eine Spirale nach oben und Remus konzentrierte sich auf die Gryffindor-Jäger, die sofort in Besitz des Quaffles gekommen waren und gerade auf das Slytherin-Tor zujagten, vor dem Snape, der in der Slytherin- Mannschaft den Hüter spielte, Wache hielt. Einer der Jäger - Remus konnte sein Gesicht nicht erkennen - warf den Quaffle, aber Snape wehrte ihn ab. Der nächste Jäger fing ihn, warf erneut und traf - zehn zu null für Gryffindor. In den folgenden zehn Minuten gewann das Spiel ein Tempo, das Remus bei diesem Wetter nicht erwartet hatte und dem man durch die schlechten Sichtverhältnisse kaum folgen konnte. Slytherin gelang ein Ausgleichstor, aber kurz darauf erzielte Gryffindor zwei weitere Treffer - dreißig zu zehn.
Remus versuchte, James und Sirius zu erkennen. Bei Sirius war das nicht weiter schwer, er musste nur auf den aggressivsten Klatscher achten und dann seine Flugbahn zurückverfolgen, James hingegen sauste auf seiner Suche nach dem Schnatz so blitzschnell von einer Ecke zur nächsten, dass er in dem Regentreiben kaum auszumachen war. Plötzlich rasten zwei schwarze Schatten im Sturzflug auf die Zuschauer zu - James und sein Slytherin- Gegenspieler, wobei James um eine Besenlänge in Führung lag. Kurz bevor sie die Tribünen erreicht hatten, riss James seinen Besen aus dem Sturzflug in die Höhe, während der Slytherin-Sucher beinahe in die Tribünen krachte. Nur mit äußerster Mühe konnte er seinen Besen noch zur Seite ziehen, geriet jedoch dadurch ins Trudeln und stürzte aus zwei Metern Höhe auf den durchweichten Boden. Er schien sich jedoch nicht weiter verletzt zu haben, denn er bestieg sofort wieder seinen Besen und hob ab, hinter James her.
Gleich darauf konnte einer der Slytherin-Jäger ein weiteres Tor schießen, weil der Gryffindor-Hüter von einem Klatscher abgelenkt war. Er konnte jedoch im Anschluss daran den Quaffle einem der Gryffindor-Jäger zuwerfen, und dieser schoss, gefolgt von Sirius, auf Snape zu. Ein Klatscher tauchte aus dem Nichts auf, wurde aber, bevor er den Jäger erreichen konnte, von Sirius in Richtung Snape geschlagen. Snape schaffte es, ihm auszuweichen, aber damit war auch der Weg zu den Torringen frei - vierzig zu zwanzig für Gryffindor. Um Remus herum johlten die anderen Gryffindors, und auch er und Peter schrien sich die Kehlen heiser, während sie ihre Mannschaft anfeuerten. Remus strich sich die nassen Haare aus den Augen und folgte Sirius mit den Blicken, der gerade den nächsten vom Gegner geschlagenen Klatscher abwehrte.
Remus blinzelte - war der Spieler schräg vor Sirius, den er gerade noch vor einem Treffer bewahrt hatte, James? Ja, diese riskanten Flugmanöver konnten nur von James stammen, und da war auch wieder der andere Sucher, der verzweifelt versuchte, James einzuholen - zu spät. James ging plötzlich erneut in den Sturzflug, aber dieses Mal war es kein Bluff - Remus konnte trotz der schlechten Sicht in etwa zehn Metern Höhe etwas kleines, goldenes glitzern sehen. Noch zwei Meter Sturzflug, und James' Hand schloss sich um den Schnatz - das Spiel war nach knapp zwanzig Minuten vorbei. Gleich darauf stieß Sirius zu ihm, riß James' Arm in die Höhe und schrie irgend etwas, was Remus nicht hören konnte, und die Zuschauerränge um ihn herum schienen zu explodieren, so sehr tobten die Gryffindors. Hundertneunzig zu zwanzig für Gryffindor - das war für den Quiddtch-Pokal schon ein Ergebnis, dass sich sehen lassen konnte!
Remus fasste Peter, der neben ihm wie ein Gummiball auf und ab hüpfte, am Ärmel und zog ihn mit sich auf das Spielfeld, wo sie gerade in dem Moment ankamen, als die Mannschaften landeten. Sirius und James trudelten dicht nebeneinander in gefährlich aussehenden Schlangenlinien dem Boden entgegen, was daran liegen konnte, dass sie sich überschwenglich umarmten und nicht besonders auf ihre Besen achteten. Sie landeten jedoch ohne Unfall, und winkten Remus und Peter, die auf sie zustürmten, begeistert zu. Gleich darauf war die Mannschaft von Gryffindors umringt, die so einen Lärm machten, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Dann eskortierten sie die Mannschaft vom Platz und in Richtung des Gryffindor- Gemeinschaftsraumes, wo eine kleine Feier vorbereitet war. Remus warf wieder einen Blick auf seine Uhr. Drei Uhr - gut, dann konnte er ja noch fast zwei Stunden mitfeiern - und genau das tat er.
Der Gemeinschaftsraum im Gryffindor-Turm sah aus, als wäre ein besonders ekelhafter Explosionsfluch losgegangen. Überall lagen Papierschnipsel von Knallbonbons herum, die Tische waren mit weitgehend leergegessenen, verkrümelten Platten und Tellern bedeckt, leere Butterbierflaschen standen in allen Ecken, und die meisten der Schüler trugen mehr oder weniger lächerliche Hüte aus den Knallbonbons. Remus aß gerade angewidert einen Schokofrosch - seinen fünften. Sie schmeckten ihm immer noch nicht, aber mit dieser Maßnahme hatte er sein Zittern völlig unter Kontrolle bekommen - und Sirius dazu verholfen, seinen dritten Satz von Sammelkarten zu vervollständigen.
Remus musste grinsen, als er zu Sirius hinüber sah. Sein Freund wurde von allen für seine heutigen Aktionen gefeiert, schließlich hatte er einem der Jäger zu einem Tor verholfen und James den gegnerischen Klatscher im entscheidenden Moment vom Hals gehalten, so dass dieser den Schnatz fangen konnte. Sirius wirkte völlig überdreht, aber das war bei ihm ja nichts neues. Als Remus zu ihm hinüber ging, drückte Sirius ihm sofort eine Flasche Butterbier in die Hand und rief laut genug, damit es jeder hören konnte, "Komm schon, stoß mit mir an!" Dann warf er Remus überschwenglich den Arm um die Schulter, drückte ihn an sich (das hatte er an diesem Nachmittag schon mit jedem im Gemeinschaftsraum getan, so dass sich niemand mehr wunderte) und murmelte dann dicht neben Remus' Ohr: "Tu wenigstens so, als wenn du trinkst, sonst wird noch jemand misstrauisch!" Er selbst setzte seine Flasche an und leerte sie mit einem Zug, dann tauschte er sie blitzschnell mit Remus und setze auch dessen Flasche wieder an. Es musste seine achte oder neunte an diesem Nachmittag sein - naja, Butterbier war nicht sehr stark.
Sirius hatte Remus' Blick bemerkt und grinste. "Keine Sorge, das vertrage ich schon noch!" Dann senkte er wieder die Stimme. "Du wirst Schwierigkeiten haben, dich hier heimlich rauszuschleichen, Moony!" Remus grinste zurück. "Das muss ich auch gar nicht, pass mal auf!" Er nahm eine Cremeschnitte von einem Teller neben sich, biss zweimal davon ab und ließ sie dann plötzlich fallen. "Oh Schei..." Er sprang auf, presste die Hand gegen den Mund, als wäre ihm schlecht geworden, und hastete zum Portraitloch. Als er gerade hindurch geklettert war, hörte er Sirius hinter sich lachend sagen: "War wohl doch eine Cremeschnitte zu viel! Ich sehe mal lieber nach, wie es ihm geht!" Gleich darauf tauchte Sirius hinter ihm auf, das Portrait der fetten Dame schwang zu und die beiden grinsten sich an. "Guter Trick, Moony! Jetzt aber los, du bist verdammt spät dran!" Die beiden eilten durch die Gänge und kamen gerade im Krankenflügel an, als Madam Pomfrey aus ihrem Büro kam.
Sie musterte ihre erhitzten Gesichter, dann sagte sie streng: "Na endlich, das wurde aber auch Zeit! Wir gehen am besten sofort los. Und du gehst wieder feiern, Sirius - ach übrigens, herzlichen Glückwunsch!" Sirius bedankte sich grinsend und mit funkelnden Augen, dann ging er zurück, und Remus folgte Madam Pomfrey durch einen anderen Gang, der zu einem Ausgang in der Nähe der Peitschenden Weide führte.
Remus schlug die Augen auf und starrte orientierungslos an die weiße Decke über ihm. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war oder wie spät es sein mochte. Er wandte langsam und mit deutlicher Mühe den Kopf zum Fenster, sah aber nur weiß. "Wieso bist du wach?" Remus drehte den Kopf wieder zurück und sah in ein verschwommenes Gesicht, das sich über ihn beugte. Dann spürte er einen Becher an seinen Lippen und Flüssigkeit im Mund. Remus schluckte automatisch, und gleich darauf fielen ihm die Augen wieder zu.
Als Remus das nächste Mal aufwachte, war die Orientierungslosigkeit verschwunden, und er erkannte den Krankenflügel sofort. Allerdings war er immer noch weit davon entfernt, sich wohlzufühlen. Sein Nacken schmerzte, als hätte er lange in der gleichen Haltung gelegen, und in seinem Kopf war ein dumpfes Gefühl - kein Schmerz, sondern eher eine Erschöpfung, wie sie von zu langem Schlaf verursacht wird. Remus setzte sich auf und fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Dann sah er wieder auf. Von Madam Pomfrey war nichts zu sehen, aber als Remus den Blick zum Fenster gleiten ließ, stellte er fest, dass er nicht allein war. Auf der breiten, steinernen Fensterbank saß, den Rücken gegen den Fenstersturz gelehnt, die Handgelenke auf den angezogenen Knien und das Gesicht Remus zugewandt, Sirius.
Remus zwang sich zu einem Lächeln, was ihm heute aus irgendwelchen Gründen schwerfiel. "Hallo Padfoot, kommst du mich abholen?" Sirius, dessen Gesicht gegen den hellen Hintergrund kaum zu erkennen war, antwortete nicht, sah ihn aber weiterhin unverwandt an. Remus runzelte die Stirn. "Padfoot, ist was?" Sirius zeigte noch immer keine Reaktion. "Oh, du bist wach! Hier, iss das!" Madam Pomfrey war neben seinem Bett aufgetaucht und hielt ihm ein riesiges Stück Schokolade hin. Remus nahm es, hielt es jedoch nur in der Hand. "Madam Pomfrey - ist was?" Die Krankenschwester schüttelte unwillig den Kopf. "Iss deine Schokolade, du hast sie nötig!" Remus biss gehorsam ein Stück ab, schluckte und versuchte es dann noch einmal. "Wie lange bin ich schon hier?" "Ich habe gesagt, iss deine Schokolade! So, Sirius, du siehst ja jetzt, dass es ihm gutgeht - geh wieder in deinen Unterricht!" Madam Pomfrey klang äußerst gereizt, und Remus sah fragend von Madam Pomfrey zu Sirius.
"Könnte ich jetzt bitte mal erfahren, was los ist? Ihr verheimlicht mir doch was!" Jetzt endlich reagierte Sirius. Er glitt von der Fensterbank und sagte sehr leise: "Ich muss mit dir reden, Remus - jetzt!" Er warf Madam Pomfrey einen kurzen, bittenden Blick zu, und diese nickte seufzend. "Na meinetwegen - aber nicht zu lange! Remus, iss endlich deine Schokolade auf, vorher gehe ich hier nicht weg!" Remus gehorchte, und Madam Pomfrey zog sich mit einem letzten Blick auf ihren Patienten in ihr Büro zurück. Remus gähnte und stützte sich dann auf den Ellenbogen. "Okay, was ist los?" Sirius kam einen Schritt näher und setzte sich auf die Bettkante. Remus stellte erschrocken fest, wie schlecht sein Freund aussah - das Gesicht war kreideweiß, unter den Augen lagen dunkle Schatten und in ihnen war ein Ausdruck, den Remus noch nie gesehen hatte. Sirius schluckte und flüsterte dann kaum hörbar: "Ich - ich muss dir was sagen, Remus. Ich hab' ziemlichen Mist gebaut. Oh verdammt, du musst mich jetzt echt hassen!" Remus zog eine Augenbraue hoch. "Dich hassen? Sirius, was soll das?"
Sirius sah ihn nicht an, als er leise fragte: "Kannst du dich nicht erinnern? Ich meine, an die Nacht?" Remus starrte Sirius an. Er hatte tatsächlich keine Erinnerung an die Nacht - und plötzlich wurde ihm schlecht. Seine größte Angst, seit er nach Hogwarts gekommen war, war dass irgend etwas schief gehen könnte, dass jemand durch ihn verletzt werden könnte, und jetzt schien tatsächlich etwas passiert zu sein. Er setzte sich wieder auf, packte Sirius' Handgelenk und fragte nervös: "Ist jemandem was passiert, Sirius? Wo sind James und Peter?" Sirius schüttelte hastig den Kopf. "Nein, nein, es ist keinem was passiert - aber..." Sirius atmete tief durch und sagte dann, ohne Remus anzusehen: "Ich habe Snape verraten, wie er an der Peitschenden Weide vorbeikommt." Remus starrte ihn ungläubig an. "Du hast was?" Sirius wurde womöglich noch etwas blasser, als er schon war. "Es tut mir leid, Moony, ich - ich habe nicht nachgedacht." Remus schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. "Ich verstehe nicht - was meinst du damit? Vielleicht erzählst du jetzt besser mal der Reihe nach!"
Sirius nickte. Er schwieg einen Moment und fing dann plötzlich an. Noch immer sah er Remus dabei nicht in die Augen. "Ich habe Snape getroffen, als ich zum Gemeinschaftsraum zurückwollte. Du hast ihn ja nach dem Spiel gesehen, wie ein Häufchen Elend. Naja, ich habe ihn ein bisschen damit aufgezogen, dass die Slytherins sogar zu doof zum Fliegen sind, und er hat sich tierisch aufgeregt. Wir sind dann ein bisschen aneinander geraten, und plötzlich hat er aus dem Fenster gesehen, genau in dem Moment, als du mit Madam Pomfrey rausgekommen und zur Peitschenden Weide gegangen bist, und er hat mich gefragt, wieso du so regelmäßig verschwindest, und wo ihr hingehen würdet."
Sirius schwieg wieder kurz, dann setzte er leise hinzu: "Ich habe in dem Moment nur daran gedacht, wie ich ihm eins auswischen kann, und habe ihm gesagt, wenn er wissen will, was mit dir los ist, dann soll er nur den Knoten an der Weide mit einem langen Stock drücken, dann könnte er dir folgen." Remus starrte ihn fassungslos an. "Und er - ist mir gefolgt?" Sirius nickte. "Natürlich, du kennst doch den alten Schleimbeutel! Als ich wieder im Gemeinschaftsraum war, habe ich James erzählt, was passiert ist - ich glaube, ich habe erst in dem Moment gemerkt, was das für dich bedeuten könnte. James ist sofort losgerannt, um Snape aufzuhalten, er hat mir nur noch zugerufen, dass ich Dumbledore holen soll, und das habe ich auch gemacht. Als wir bei der Peitschenden Weide angekommen sind, hat James gerade Snape aus dem Loch in den Wurzeln gezogen - es ist keinem was passiert, aber Snape hat dich kurz gesehen."
Remus umklammerte noch immer Sirius' Handgelenk. Sein Griff war, ohne dass er es merkte, während Sirius' Bericht immer fester geworden, aber Sirius beschwerte sich nicht. "Snape hat von Dumbledore verboten bekommen, irgend jemandem was zu verraten - Dumbledore hat gesagt, wenn er nicht den Mund hält, fliegt er von der Schule. Oh verdammt, das ist alles meine Schuld - es tut mir leid, Remus, ich wollte das nicht!" Remus ließ sein Handgelenk los und legte sich in die Kissen zurück. Jetzt vermied auch er es, Sirius direkt anzusehen. "Aber es ist wirklich niemand verletzt worden, nein?" "Nein, James war schnell genug. Ich weiß nicht, was er machen musste, aber - Remus, du bist seit drei Tagen hier. Madam Pomfrey hat dir immer wieder von ihrem Schlaftrunk gegeben und keinen zu dir gelassen, erst heute Morgen hat sie mir erlaubt, hierzubleiben." Remus nickte langsam. Das erklärte seinen erschöpften Zustand. Dann sagte er leise: "Okay, Sirius, ich weiß jetzt, was los war. Tu mir nur einen Gefallen und lass mich jetzt alleine."
Sirius biss sich auf die Lippen und nickte. Dann stand er auf und verließ langsam den Krankenflügel. Gleich darauf eilte Madam Pomfrey aus ihrem Büro und schrie leise auf, als sie Remus ansah. "Himmel, du siehst ja fürchterlich aus! Ich wusste, dass es noch zu früh ist, dir etwas zu sagen! Hier, du isst jetzt auf der Stelle noch ein Stück Schokolade, und dann besorge ich dir Mittagessen." Remus schüttelte den Kopf. "Ich habe keinen Hunger." "Es ist mir völlig egal, ob du Hunger hast oder nicht, du wirst etwas essen! Ich weiß nicht, ob Sirius dir gesagt hat, wie lange du schon hier bist, aber du musst jetzt unbedingt wieder zu Kräften kommen." Mit diesen Worten ließ sie ihn allein, kam aber kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem sich ein reichliches Mittagessen befand. Sie stellte das Tablett auf den Nachttisch, klappte das Kopfteil von Remus' Bett hoch, so dass er aufrecht saß und zog dann den Nachttisch über das Bett, damit er essen konnte. Dann drückte sie ihm die Gabel in die stark zitternde Hand und befahl: "Aufessen - alles!"
Remus seufzte und gehorchte - und stellte plötzlich fest, dass er tatsächlich ausgehungert war. Er legte das Besteck erst zur Seite, als der Teller leer war, und lehnte sich dann zurück. Madam Pomfrey musterte ihn zufrieden. "Na also, so gefällst du mir schon besser. Kann ich noch irgend etwas für dich tun, oder möchtest du jetzt lieber allein sein?" Remus nickte. "Allein sein - ich muss nachdenken." Madam Pomfrey nickte, dann schob sie den Nachttisch wieder zur Seite, nahm das Tablett auf und ging leise in ihr Büro zurück, während Remus versuchte, das, was Sirius ihm erzählt hatte, zu verstehen.
"Moony?" Remus öffnete die Augen und wandte den Kopf, als er James' leise Stimme hörte. Er hatte nicht geschlafen - konnte nicht schlafen, nach dem, was Sirius ihm erzählt hatte. James stand am Fußende seines Bettes, die Hände so fest um den Metallrahmen geklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Remus stellte fest, dass James fast so schlecht aussah, wie Sirius. Zwar war sein Gesicht nicht so erschreckend weiß, aber auch er hatte Schatten unter den Augen und sein ohnehin unbändiges Haar stand heute noch mehr in alle Himmelsrichtungen ab als gewöhnlich.
Remus sah James mit gerunzelter Stirn an und fragte dann bitter. "Kommst du nachsehen, ob ich schon von der Schule geflogen bin?" James zuckte zusammen, machte dann zwei Schritte um das Bett herum und setzte sich auf die Bettkante. "Du wirst nicht von der Schule fliegen - wenn Snape auch nur ein Sterbenswörtchen verrät, ist er selber fällig." Remus schnaubte. "Ein schöner Trost, dass nur Snape Bescheid weiß! Kannst du mir mal verraten, was in Sirius gefahren ist, ausgerechnet ihm alles zu verraten?" James seufzte. "Ich verstehe, dass du sauer bist, und nein, ich kann dir nicht sagen, wieso Sirius das getan hat. Ich kann selber nur raten." "Ach ja? Und warum bist du dann hier? Willst du mir sagen, dass alles gar nicht so schlimm ist und dass ich Sirius nicht böse sein soll?" James schüttelte den Kopf. "Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich einfach nur nachsehen wollte, wie es dir geht? Ich hatte Angst, dass ich dich verletzt habe - ich musste die Tür zu Heulenden Hütte ziemlich schnell zuschlagen und glaube, dass du sie voll abbekommen hast - und als Madam Pomfrey uns tagelang nicht zu dir gelassen hat, habe ich mir Sorgen gemacht."
Remus verzog das Gesicht. "Danke, mir geht es gut. Jetzt erzähl' mir aber bitte nicht, dass du aus Sorge um mich so blass bist." James sah ihn lange an. "Nein, nicht nur. Aber ich glaube, das willst du im Moment nicht hören." Remus zog eine Augenbraue hoch. "Was will ich nicht hören? Kommt jetzt doch noch das große Plädoyer für deinen Freund Sirius?" "Sirius ist auch dein Freund!" "Ach ja?" Remus setzte sich mit einem Ruck im Bett auf und starrte James wütend an. "Ist es die Tat eines Freundes, mein schlimmstes Geheimnis zu verraten? Reicht es nicht, dass ich mich einmal im Monat in eine Bestie verwandele und mich dann selbst nicht mehr kenne - musste ausgerechnet Snape davon erfahren? Oder habt ihr einfach die Nase voll davon, mich mit euch rumzuschleppen? Ihr habt euch sechs Jahre lang geopfert, danke dafür, aber allmählich werde ich wohl lästig?"
Bevor noch einer von ihnen genau wusste, wie es geschah, hatte James ausgeholt und Remus ins Gesicht geschlagen. Es war kein fester Schlag, aber James schien davon selbst genauso überrascht wie Remus. Dennoch sagte er mit sehr leiser, zorniger Stimme: "So etwas will ich nie wieder von dir hören, und wenn du mal darüber nachdenkst merkst du vielleicht, was für einen Unsinn du redest! Wenn ich sage, dass Sirius dein Freund ist, dann weiß ich genau, wovon ich spreche! Ich weiß nicht, ob dir heute Morgen aufgefallen ist, wie er aussieht, aber Sirius hat seit drei Nächten kaum geschlafen, weil er sich Vorwürfe macht - und wenn er doch mal kurz eingeschlafen ist, dann ist er nach ein paar Minuten wieder aufgewacht. Ich habe Sirius noch nie im Schlaf schreien gehört, und glaub mir, ich möchte das nie wieder erleben! Ich glaube, Sirius versteht selber nicht, wie er das tun konnte, aber du kennst ihn doch - manchmal handelt er schneller, als er denkt."
Remus starrte James immer noch verblüfft über die Ohrfeige an, aber seine Wut war weitgehend verraucht. Er hatte nun wirklich keinen Grund, James anzugreifen, er hatte schließlich nichts getan - außer, dass er offenbar zu Sirius hielt. "Und du meinst, dass ich es damit jetzt gut sein lassen soll? Sirius hat sich entschuldigt, er sagt, dass es ihm leid tut, und das war alles? Soll Snape halt Bescheid wissen, ich brauche mir aber keine Sorgen zu machen, weil Dumbledore Snape einen Maulkorb verpasst hat? Tut mir leid, James, aber du stellst dir das ein bisschen zu einfach vor!"
James seufzte. "Moony, ich stelle mir gar nichts vor, ich weiß genau, dass es so einfach nicht ist! Was glaubst du, was ich Sirius erzählt habe, nachdem wir wieder im Schlafsaal waren? Wenn es dich beruhigt, du bist nicht der einzige Freund, der in den letzten Tagen eine Ohrfeige von mir abbekommen hat, und die für Sirius ist deutlich fester ausgefallen! Ich habe nur inzwischen drei Tage Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, ob ich Sirius deswegen jetzt fallen lassen will, und ich weiß, dass das letzte ist, was ich tun würde. Sirius würde nie bewusst einem von uns schaden wollen, er muss irgendwie ausgeklinkt sein - du hast ihn erlebt, er ist den ganzen Nachmittag schon im Dreieck getickt, weil wir gewonnen haben, vielleicht hat er auch ein bisschen zu viel Butterbier gehabt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass unsere Freundschaft so etwas überstehen sollte."
Remus wandte den Kopf ab und schloss wieder die Augen. Er hatte das Gefühl, dass er, wenn er jetzt redete, anfangen würde zu weinen wie ein kleines Kind - vor Wut, Enttäuschung, Trauer, Mitleid mit Sirius?! oder warum auch immer. Außerdem wollte er jetzt nur eins - allein sein. Er schluckte vorsichtig, dann flüsterte er erstickt: "Ich werde darüber nachdenken, Prongs - lass mich jetzt bitte alleine!" Er hielt die Augen geschlossen, bis er hörte, dass James den Krankenflügel verlassen hatte, dann konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Am frühen Abend war Remus zu einer Entscheidung gekommen, wie es weitergehen sollte. Er focht einen kleinen Machtkampf mit Madam Pomfrey aus, die ihn eigentlich noch im Krankenflügel behalten wollte, setzte sich durch und stand auf. Dann verließ er den Krankenflügel und ging direkt zum Gemeinschaftsraum, in der Hoffnung, dort Sirius zu finden. Er nannte der Fetten Dame, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum bewachte, das Passwort und kletterte, nachdem sie aufgeschwungen war, durch das kreisrunde Loch in der Wand hinter ihr. Dann ließ er seinen Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen. Er entdeckte Sirius fast sofort in einem der Sessel am Kamin. Neben ihm saßen James und Peter. Alle drei sahen übernächtigt aus, aber keiner von ihnen sprach. Remus wartete noch einen Moment, dann sagte er für alle drei hörbar: "Sirius?" Sirius hob den Kopf und sprang dann auf. Remus bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, ihm in den Schlafsaal zu folgen, und ging dann die Treppe hinauf ohne sich noch einmal umzudrehen.
Gleich darauf hörte er hastige Schritte hinter sich - gut, Sirius folgte ihm also. Er öffnete die Tür zum Schlafsaal, trat ein und wartete dann ab, bis er hörte, wie sie wieder geschlossen wurde, bevor er sich umdrehte. Sirius lehnte an der Tür und musterte ihn beunruhigt. Remus erwiderte seinen Blick schweigend - sollte er ruhig noch ein bisschen zappeln. Schließlich hielt Sirius das Schweigen nicht mehr aus. "Sag was, Remus," flüsterte er, "schrei mich an oder hau mir meinetwegen eine rein, aber steh nicht so da!" Remus schüttelte den Kopf. "Du bist ein Idiot, Padfoot, aber das weiß ich schon seit Jahren. Ich hoffe nur, du hast was gelernt!" Sirius blinzelte. "Falls du damit meinst, dass ich erst denken und dann reden soll - ja, das habe ich ganz bestimmt gelernt!" Remus nickte. "Gut. Und jetzt komm her." Er hielt Sirius die Hand hin, aber der zögerte. "Was meinst du damit?"
Remus seufzte. "Ich meine damit, dass ich nicht unsere Freundschaft aufs Spiel setzen werde, nur weil du ein durchgeknallter Irrer bist! Ich weiß, dass du mir nicht schaden wolltest. Dass Snape Bescheid weiß, gefällt mir natürlich nicht, aber wir können es nicht mehr ändern. Und wenn wir jetzt nicht mehr miteinander reden, hätte Snape indirekt genau das geschafft, was er seit Jahren vorhat - das lasse ich nicht zu!" Auf Sirius Gesicht machte sich langsam ein vorsichtiges Lächeln breit, als er endlich Remus' immer noch ausgestreckte Hand ergriff. Dann fragte er leise: "Du nimmst es mir wirklich nicht übel? Ich kann nur noch mal sagen, wie leid es mir tut!" Remus grinste, und es war ein ehrliches Grinsen. "Dir kann man nichts lange übelnehmen, Padfoot, das ist das Problem mit dir!" Er drückte Sirius Hand so fest er konnte, und als Reaktion fühlte er sich plötzlich von Sirius in eine brüderliche Umarmung gezogen, die ihm fast die Luft abdrückte. Als er sich endlich daraus befreit hatte, murmelte er verlegen: "Lass uns runtergehen, Prongs und Wormtail fragen sich wahrscheinlich schon, ob wir uns schon gegenseitig umgebracht haben!"
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So, das war leider schon der Remus-Rückblick!
Im nächsten Kapitel kommt unerwarteter Besuch nach Hogwarts - aber nur, wenn ich ein paar Reviews bekomme! Bitte - ihr habt mich so verwöhnt, lasst mich jetzt nicht hängen!!!
Kapitel 14 - Remus VII
Mitte Dezember fand das zweite Quidditch-Spiel der Saison, Gryffindor gegen Slytherin, statt. Das Wetter war miserabel, obwohl der Schnee, der zu Halloween gelegen hatte, längst geschmolzen war und es seitdem auch nicht wieder geschneit hatte. Dafür war es stürmisch geworden und regnete viel bei empfindlich niedrigen Temperaturen. Remus und Peter standen zitternd in den Zuschauerrängen und bedauerten James und Sirius, die als Sucher und Treiber in der Mannschaft von Gryffindor spielten und bei diesen Bedingungen spielen mussten. Remus warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Er hatte heute nicht viel Zeit, spätestens um fünf, also in knapp zweieinhalb Stunden, musste er sich bei Madam Pomfrey im Krankenflügel melden, um von ihr wie üblich vor Vollmondnächten zur Heulenden Hütte begleitet zu werden. Aber nichts auf der Welt hätte ihn davon abhalten können, das Quidditch-Spiel zu sehen, solange es ging - weder sein starkes Zittern noch die eisige Kälte oder der Regen, der von scharfen Windböen über das Spielfeld getrieben wurde.
Remus richtete seine Aufmerksamkeit auf das Spielfeld, wo eben die Mannschaften ihre Besen bestiegen und dann auf einen Pfiff hin in die Luft sausten. Er erkannte kurz durch einen Regenschleier James und Sirius, dann drehte James eine Spirale nach oben und Remus konzentrierte sich auf die Gryffindor-Jäger, die sofort in Besitz des Quaffles gekommen waren und gerade auf das Slytherin-Tor zujagten, vor dem Snape, der in der Slytherin- Mannschaft den Hüter spielte, Wache hielt. Einer der Jäger - Remus konnte sein Gesicht nicht erkennen - warf den Quaffle, aber Snape wehrte ihn ab. Der nächste Jäger fing ihn, warf erneut und traf - zehn zu null für Gryffindor. In den folgenden zehn Minuten gewann das Spiel ein Tempo, das Remus bei diesem Wetter nicht erwartet hatte und dem man durch die schlechten Sichtverhältnisse kaum folgen konnte. Slytherin gelang ein Ausgleichstor, aber kurz darauf erzielte Gryffindor zwei weitere Treffer - dreißig zu zehn.
Remus versuchte, James und Sirius zu erkennen. Bei Sirius war das nicht weiter schwer, er musste nur auf den aggressivsten Klatscher achten und dann seine Flugbahn zurückverfolgen, James hingegen sauste auf seiner Suche nach dem Schnatz so blitzschnell von einer Ecke zur nächsten, dass er in dem Regentreiben kaum auszumachen war. Plötzlich rasten zwei schwarze Schatten im Sturzflug auf die Zuschauer zu - James und sein Slytherin- Gegenspieler, wobei James um eine Besenlänge in Führung lag. Kurz bevor sie die Tribünen erreicht hatten, riss James seinen Besen aus dem Sturzflug in die Höhe, während der Slytherin-Sucher beinahe in die Tribünen krachte. Nur mit äußerster Mühe konnte er seinen Besen noch zur Seite ziehen, geriet jedoch dadurch ins Trudeln und stürzte aus zwei Metern Höhe auf den durchweichten Boden. Er schien sich jedoch nicht weiter verletzt zu haben, denn er bestieg sofort wieder seinen Besen und hob ab, hinter James her.
Gleich darauf konnte einer der Slytherin-Jäger ein weiteres Tor schießen, weil der Gryffindor-Hüter von einem Klatscher abgelenkt war. Er konnte jedoch im Anschluss daran den Quaffle einem der Gryffindor-Jäger zuwerfen, und dieser schoss, gefolgt von Sirius, auf Snape zu. Ein Klatscher tauchte aus dem Nichts auf, wurde aber, bevor er den Jäger erreichen konnte, von Sirius in Richtung Snape geschlagen. Snape schaffte es, ihm auszuweichen, aber damit war auch der Weg zu den Torringen frei - vierzig zu zwanzig für Gryffindor. Um Remus herum johlten die anderen Gryffindors, und auch er und Peter schrien sich die Kehlen heiser, während sie ihre Mannschaft anfeuerten. Remus strich sich die nassen Haare aus den Augen und folgte Sirius mit den Blicken, der gerade den nächsten vom Gegner geschlagenen Klatscher abwehrte.
Remus blinzelte - war der Spieler schräg vor Sirius, den er gerade noch vor einem Treffer bewahrt hatte, James? Ja, diese riskanten Flugmanöver konnten nur von James stammen, und da war auch wieder der andere Sucher, der verzweifelt versuchte, James einzuholen - zu spät. James ging plötzlich erneut in den Sturzflug, aber dieses Mal war es kein Bluff - Remus konnte trotz der schlechten Sicht in etwa zehn Metern Höhe etwas kleines, goldenes glitzern sehen. Noch zwei Meter Sturzflug, und James' Hand schloss sich um den Schnatz - das Spiel war nach knapp zwanzig Minuten vorbei. Gleich darauf stieß Sirius zu ihm, riß James' Arm in die Höhe und schrie irgend etwas, was Remus nicht hören konnte, und die Zuschauerränge um ihn herum schienen zu explodieren, so sehr tobten die Gryffindors. Hundertneunzig zu zwanzig für Gryffindor - das war für den Quiddtch-Pokal schon ein Ergebnis, dass sich sehen lassen konnte!
Remus fasste Peter, der neben ihm wie ein Gummiball auf und ab hüpfte, am Ärmel und zog ihn mit sich auf das Spielfeld, wo sie gerade in dem Moment ankamen, als die Mannschaften landeten. Sirius und James trudelten dicht nebeneinander in gefährlich aussehenden Schlangenlinien dem Boden entgegen, was daran liegen konnte, dass sie sich überschwenglich umarmten und nicht besonders auf ihre Besen achteten. Sie landeten jedoch ohne Unfall, und winkten Remus und Peter, die auf sie zustürmten, begeistert zu. Gleich darauf war die Mannschaft von Gryffindors umringt, die so einen Lärm machten, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte. Dann eskortierten sie die Mannschaft vom Platz und in Richtung des Gryffindor- Gemeinschaftsraumes, wo eine kleine Feier vorbereitet war. Remus warf wieder einen Blick auf seine Uhr. Drei Uhr - gut, dann konnte er ja noch fast zwei Stunden mitfeiern - und genau das tat er.
Der Gemeinschaftsraum im Gryffindor-Turm sah aus, als wäre ein besonders ekelhafter Explosionsfluch losgegangen. Überall lagen Papierschnipsel von Knallbonbons herum, die Tische waren mit weitgehend leergegessenen, verkrümelten Platten und Tellern bedeckt, leere Butterbierflaschen standen in allen Ecken, und die meisten der Schüler trugen mehr oder weniger lächerliche Hüte aus den Knallbonbons. Remus aß gerade angewidert einen Schokofrosch - seinen fünften. Sie schmeckten ihm immer noch nicht, aber mit dieser Maßnahme hatte er sein Zittern völlig unter Kontrolle bekommen - und Sirius dazu verholfen, seinen dritten Satz von Sammelkarten zu vervollständigen.
Remus musste grinsen, als er zu Sirius hinüber sah. Sein Freund wurde von allen für seine heutigen Aktionen gefeiert, schließlich hatte er einem der Jäger zu einem Tor verholfen und James den gegnerischen Klatscher im entscheidenden Moment vom Hals gehalten, so dass dieser den Schnatz fangen konnte. Sirius wirkte völlig überdreht, aber das war bei ihm ja nichts neues. Als Remus zu ihm hinüber ging, drückte Sirius ihm sofort eine Flasche Butterbier in die Hand und rief laut genug, damit es jeder hören konnte, "Komm schon, stoß mit mir an!" Dann warf er Remus überschwenglich den Arm um die Schulter, drückte ihn an sich (das hatte er an diesem Nachmittag schon mit jedem im Gemeinschaftsraum getan, so dass sich niemand mehr wunderte) und murmelte dann dicht neben Remus' Ohr: "Tu wenigstens so, als wenn du trinkst, sonst wird noch jemand misstrauisch!" Er selbst setzte seine Flasche an und leerte sie mit einem Zug, dann tauschte er sie blitzschnell mit Remus und setze auch dessen Flasche wieder an. Es musste seine achte oder neunte an diesem Nachmittag sein - naja, Butterbier war nicht sehr stark.
Sirius hatte Remus' Blick bemerkt und grinste. "Keine Sorge, das vertrage ich schon noch!" Dann senkte er wieder die Stimme. "Du wirst Schwierigkeiten haben, dich hier heimlich rauszuschleichen, Moony!" Remus grinste zurück. "Das muss ich auch gar nicht, pass mal auf!" Er nahm eine Cremeschnitte von einem Teller neben sich, biss zweimal davon ab und ließ sie dann plötzlich fallen. "Oh Schei..." Er sprang auf, presste die Hand gegen den Mund, als wäre ihm schlecht geworden, und hastete zum Portraitloch. Als er gerade hindurch geklettert war, hörte er Sirius hinter sich lachend sagen: "War wohl doch eine Cremeschnitte zu viel! Ich sehe mal lieber nach, wie es ihm geht!" Gleich darauf tauchte Sirius hinter ihm auf, das Portrait der fetten Dame schwang zu und die beiden grinsten sich an. "Guter Trick, Moony! Jetzt aber los, du bist verdammt spät dran!" Die beiden eilten durch die Gänge und kamen gerade im Krankenflügel an, als Madam Pomfrey aus ihrem Büro kam.
Sie musterte ihre erhitzten Gesichter, dann sagte sie streng: "Na endlich, das wurde aber auch Zeit! Wir gehen am besten sofort los. Und du gehst wieder feiern, Sirius - ach übrigens, herzlichen Glückwunsch!" Sirius bedankte sich grinsend und mit funkelnden Augen, dann ging er zurück, und Remus folgte Madam Pomfrey durch einen anderen Gang, der zu einem Ausgang in der Nähe der Peitschenden Weide führte.
Remus schlug die Augen auf und starrte orientierungslos an die weiße Decke über ihm. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war oder wie spät es sein mochte. Er wandte langsam und mit deutlicher Mühe den Kopf zum Fenster, sah aber nur weiß. "Wieso bist du wach?" Remus drehte den Kopf wieder zurück und sah in ein verschwommenes Gesicht, das sich über ihn beugte. Dann spürte er einen Becher an seinen Lippen und Flüssigkeit im Mund. Remus schluckte automatisch, und gleich darauf fielen ihm die Augen wieder zu.
Als Remus das nächste Mal aufwachte, war die Orientierungslosigkeit verschwunden, und er erkannte den Krankenflügel sofort. Allerdings war er immer noch weit davon entfernt, sich wohlzufühlen. Sein Nacken schmerzte, als hätte er lange in der gleichen Haltung gelegen, und in seinem Kopf war ein dumpfes Gefühl - kein Schmerz, sondern eher eine Erschöpfung, wie sie von zu langem Schlaf verursacht wird. Remus setzte sich auf und fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Dann sah er wieder auf. Von Madam Pomfrey war nichts zu sehen, aber als Remus den Blick zum Fenster gleiten ließ, stellte er fest, dass er nicht allein war. Auf der breiten, steinernen Fensterbank saß, den Rücken gegen den Fenstersturz gelehnt, die Handgelenke auf den angezogenen Knien und das Gesicht Remus zugewandt, Sirius.
Remus zwang sich zu einem Lächeln, was ihm heute aus irgendwelchen Gründen schwerfiel. "Hallo Padfoot, kommst du mich abholen?" Sirius, dessen Gesicht gegen den hellen Hintergrund kaum zu erkennen war, antwortete nicht, sah ihn aber weiterhin unverwandt an. Remus runzelte die Stirn. "Padfoot, ist was?" Sirius zeigte noch immer keine Reaktion. "Oh, du bist wach! Hier, iss das!" Madam Pomfrey war neben seinem Bett aufgetaucht und hielt ihm ein riesiges Stück Schokolade hin. Remus nahm es, hielt es jedoch nur in der Hand. "Madam Pomfrey - ist was?" Die Krankenschwester schüttelte unwillig den Kopf. "Iss deine Schokolade, du hast sie nötig!" Remus biss gehorsam ein Stück ab, schluckte und versuchte es dann noch einmal. "Wie lange bin ich schon hier?" "Ich habe gesagt, iss deine Schokolade! So, Sirius, du siehst ja jetzt, dass es ihm gutgeht - geh wieder in deinen Unterricht!" Madam Pomfrey klang äußerst gereizt, und Remus sah fragend von Madam Pomfrey zu Sirius.
"Könnte ich jetzt bitte mal erfahren, was los ist? Ihr verheimlicht mir doch was!" Jetzt endlich reagierte Sirius. Er glitt von der Fensterbank und sagte sehr leise: "Ich muss mit dir reden, Remus - jetzt!" Er warf Madam Pomfrey einen kurzen, bittenden Blick zu, und diese nickte seufzend. "Na meinetwegen - aber nicht zu lange! Remus, iss endlich deine Schokolade auf, vorher gehe ich hier nicht weg!" Remus gehorchte, und Madam Pomfrey zog sich mit einem letzten Blick auf ihren Patienten in ihr Büro zurück. Remus gähnte und stützte sich dann auf den Ellenbogen. "Okay, was ist los?" Sirius kam einen Schritt näher und setzte sich auf die Bettkante. Remus stellte erschrocken fest, wie schlecht sein Freund aussah - das Gesicht war kreideweiß, unter den Augen lagen dunkle Schatten und in ihnen war ein Ausdruck, den Remus noch nie gesehen hatte. Sirius schluckte und flüsterte dann kaum hörbar: "Ich - ich muss dir was sagen, Remus. Ich hab' ziemlichen Mist gebaut. Oh verdammt, du musst mich jetzt echt hassen!" Remus zog eine Augenbraue hoch. "Dich hassen? Sirius, was soll das?"
Sirius sah ihn nicht an, als er leise fragte: "Kannst du dich nicht erinnern? Ich meine, an die Nacht?" Remus starrte Sirius an. Er hatte tatsächlich keine Erinnerung an die Nacht - und plötzlich wurde ihm schlecht. Seine größte Angst, seit er nach Hogwarts gekommen war, war dass irgend etwas schief gehen könnte, dass jemand durch ihn verletzt werden könnte, und jetzt schien tatsächlich etwas passiert zu sein. Er setzte sich wieder auf, packte Sirius' Handgelenk und fragte nervös: "Ist jemandem was passiert, Sirius? Wo sind James und Peter?" Sirius schüttelte hastig den Kopf. "Nein, nein, es ist keinem was passiert - aber..." Sirius atmete tief durch und sagte dann, ohne Remus anzusehen: "Ich habe Snape verraten, wie er an der Peitschenden Weide vorbeikommt." Remus starrte ihn ungläubig an. "Du hast was?" Sirius wurde womöglich noch etwas blasser, als er schon war. "Es tut mir leid, Moony, ich - ich habe nicht nachgedacht." Remus schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. "Ich verstehe nicht - was meinst du damit? Vielleicht erzählst du jetzt besser mal der Reihe nach!"
Sirius nickte. Er schwieg einen Moment und fing dann plötzlich an. Noch immer sah er Remus dabei nicht in die Augen. "Ich habe Snape getroffen, als ich zum Gemeinschaftsraum zurückwollte. Du hast ihn ja nach dem Spiel gesehen, wie ein Häufchen Elend. Naja, ich habe ihn ein bisschen damit aufgezogen, dass die Slytherins sogar zu doof zum Fliegen sind, und er hat sich tierisch aufgeregt. Wir sind dann ein bisschen aneinander geraten, und plötzlich hat er aus dem Fenster gesehen, genau in dem Moment, als du mit Madam Pomfrey rausgekommen und zur Peitschenden Weide gegangen bist, und er hat mich gefragt, wieso du so regelmäßig verschwindest, und wo ihr hingehen würdet."
Sirius schwieg wieder kurz, dann setzte er leise hinzu: "Ich habe in dem Moment nur daran gedacht, wie ich ihm eins auswischen kann, und habe ihm gesagt, wenn er wissen will, was mit dir los ist, dann soll er nur den Knoten an der Weide mit einem langen Stock drücken, dann könnte er dir folgen." Remus starrte ihn fassungslos an. "Und er - ist mir gefolgt?" Sirius nickte. "Natürlich, du kennst doch den alten Schleimbeutel! Als ich wieder im Gemeinschaftsraum war, habe ich James erzählt, was passiert ist - ich glaube, ich habe erst in dem Moment gemerkt, was das für dich bedeuten könnte. James ist sofort losgerannt, um Snape aufzuhalten, er hat mir nur noch zugerufen, dass ich Dumbledore holen soll, und das habe ich auch gemacht. Als wir bei der Peitschenden Weide angekommen sind, hat James gerade Snape aus dem Loch in den Wurzeln gezogen - es ist keinem was passiert, aber Snape hat dich kurz gesehen."
Remus umklammerte noch immer Sirius' Handgelenk. Sein Griff war, ohne dass er es merkte, während Sirius' Bericht immer fester geworden, aber Sirius beschwerte sich nicht. "Snape hat von Dumbledore verboten bekommen, irgend jemandem was zu verraten - Dumbledore hat gesagt, wenn er nicht den Mund hält, fliegt er von der Schule. Oh verdammt, das ist alles meine Schuld - es tut mir leid, Remus, ich wollte das nicht!" Remus ließ sein Handgelenk los und legte sich in die Kissen zurück. Jetzt vermied auch er es, Sirius direkt anzusehen. "Aber es ist wirklich niemand verletzt worden, nein?" "Nein, James war schnell genug. Ich weiß nicht, was er machen musste, aber - Remus, du bist seit drei Tagen hier. Madam Pomfrey hat dir immer wieder von ihrem Schlaftrunk gegeben und keinen zu dir gelassen, erst heute Morgen hat sie mir erlaubt, hierzubleiben." Remus nickte langsam. Das erklärte seinen erschöpften Zustand. Dann sagte er leise: "Okay, Sirius, ich weiß jetzt, was los war. Tu mir nur einen Gefallen und lass mich jetzt alleine."
Sirius biss sich auf die Lippen und nickte. Dann stand er auf und verließ langsam den Krankenflügel. Gleich darauf eilte Madam Pomfrey aus ihrem Büro und schrie leise auf, als sie Remus ansah. "Himmel, du siehst ja fürchterlich aus! Ich wusste, dass es noch zu früh ist, dir etwas zu sagen! Hier, du isst jetzt auf der Stelle noch ein Stück Schokolade, und dann besorge ich dir Mittagessen." Remus schüttelte den Kopf. "Ich habe keinen Hunger." "Es ist mir völlig egal, ob du Hunger hast oder nicht, du wirst etwas essen! Ich weiß nicht, ob Sirius dir gesagt hat, wie lange du schon hier bist, aber du musst jetzt unbedingt wieder zu Kräften kommen." Mit diesen Worten ließ sie ihn allein, kam aber kurz darauf mit einem Tablett zurück, auf dem sich ein reichliches Mittagessen befand. Sie stellte das Tablett auf den Nachttisch, klappte das Kopfteil von Remus' Bett hoch, so dass er aufrecht saß und zog dann den Nachttisch über das Bett, damit er essen konnte. Dann drückte sie ihm die Gabel in die stark zitternde Hand und befahl: "Aufessen - alles!"
Remus seufzte und gehorchte - und stellte plötzlich fest, dass er tatsächlich ausgehungert war. Er legte das Besteck erst zur Seite, als der Teller leer war, und lehnte sich dann zurück. Madam Pomfrey musterte ihn zufrieden. "Na also, so gefällst du mir schon besser. Kann ich noch irgend etwas für dich tun, oder möchtest du jetzt lieber allein sein?" Remus nickte. "Allein sein - ich muss nachdenken." Madam Pomfrey nickte, dann schob sie den Nachttisch wieder zur Seite, nahm das Tablett auf und ging leise in ihr Büro zurück, während Remus versuchte, das, was Sirius ihm erzählt hatte, zu verstehen.
"Moony?" Remus öffnete die Augen und wandte den Kopf, als er James' leise Stimme hörte. Er hatte nicht geschlafen - konnte nicht schlafen, nach dem, was Sirius ihm erzählt hatte. James stand am Fußende seines Bettes, die Hände so fest um den Metallrahmen geklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Remus stellte fest, dass James fast so schlecht aussah, wie Sirius. Zwar war sein Gesicht nicht so erschreckend weiß, aber auch er hatte Schatten unter den Augen und sein ohnehin unbändiges Haar stand heute noch mehr in alle Himmelsrichtungen ab als gewöhnlich.
Remus sah James mit gerunzelter Stirn an und fragte dann bitter. "Kommst du nachsehen, ob ich schon von der Schule geflogen bin?" James zuckte zusammen, machte dann zwei Schritte um das Bett herum und setzte sich auf die Bettkante. "Du wirst nicht von der Schule fliegen - wenn Snape auch nur ein Sterbenswörtchen verrät, ist er selber fällig." Remus schnaubte. "Ein schöner Trost, dass nur Snape Bescheid weiß! Kannst du mir mal verraten, was in Sirius gefahren ist, ausgerechnet ihm alles zu verraten?" James seufzte. "Ich verstehe, dass du sauer bist, und nein, ich kann dir nicht sagen, wieso Sirius das getan hat. Ich kann selber nur raten." "Ach ja? Und warum bist du dann hier? Willst du mir sagen, dass alles gar nicht so schlimm ist und dass ich Sirius nicht böse sein soll?" James schüttelte den Kopf. "Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich einfach nur nachsehen wollte, wie es dir geht? Ich hatte Angst, dass ich dich verletzt habe - ich musste die Tür zu Heulenden Hütte ziemlich schnell zuschlagen und glaube, dass du sie voll abbekommen hast - und als Madam Pomfrey uns tagelang nicht zu dir gelassen hat, habe ich mir Sorgen gemacht."
Remus verzog das Gesicht. "Danke, mir geht es gut. Jetzt erzähl' mir aber bitte nicht, dass du aus Sorge um mich so blass bist." James sah ihn lange an. "Nein, nicht nur. Aber ich glaube, das willst du im Moment nicht hören." Remus zog eine Augenbraue hoch. "Was will ich nicht hören? Kommt jetzt doch noch das große Plädoyer für deinen Freund Sirius?" "Sirius ist auch dein Freund!" "Ach ja?" Remus setzte sich mit einem Ruck im Bett auf und starrte James wütend an. "Ist es die Tat eines Freundes, mein schlimmstes Geheimnis zu verraten? Reicht es nicht, dass ich mich einmal im Monat in eine Bestie verwandele und mich dann selbst nicht mehr kenne - musste ausgerechnet Snape davon erfahren? Oder habt ihr einfach die Nase voll davon, mich mit euch rumzuschleppen? Ihr habt euch sechs Jahre lang geopfert, danke dafür, aber allmählich werde ich wohl lästig?"
Bevor noch einer von ihnen genau wusste, wie es geschah, hatte James ausgeholt und Remus ins Gesicht geschlagen. Es war kein fester Schlag, aber James schien davon selbst genauso überrascht wie Remus. Dennoch sagte er mit sehr leiser, zorniger Stimme: "So etwas will ich nie wieder von dir hören, und wenn du mal darüber nachdenkst merkst du vielleicht, was für einen Unsinn du redest! Wenn ich sage, dass Sirius dein Freund ist, dann weiß ich genau, wovon ich spreche! Ich weiß nicht, ob dir heute Morgen aufgefallen ist, wie er aussieht, aber Sirius hat seit drei Nächten kaum geschlafen, weil er sich Vorwürfe macht - und wenn er doch mal kurz eingeschlafen ist, dann ist er nach ein paar Minuten wieder aufgewacht. Ich habe Sirius noch nie im Schlaf schreien gehört, und glaub mir, ich möchte das nie wieder erleben! Ich glaube, Sirius versteht selber nicht, wie er das tun konnte, aber du kennst ihn doch - manchmal handelt er schneller, als er denkt."
Remus starrte James immer noch verblüfft über die Ohrfeige an, aber seine Wut war weitgehend verraucht. Er hatte nun wirklich keinen Grund, James anzugreifen, er hatte schließlich nichts getan - außer, dass er offenbar zu Sirius hielt. "Und du meinst, dass ich es damit jetzt gut sein lassen soll? Sirius hat sich entschuldigt, er sagt, dass es ihm leid tut, und das war alles? Soll Snape halt Bescheid wissen, ich brauche mir aber keine Sorgen zu machen, weil Dumbledore Snape einen Maulkorb verpasst hat? Tut mir leid, James, aber du stellst dir das ein bisschen zu einfach vor!"
James seufzte. "Moony, ich stelle mir gar nichts vor, ich weiß genau, dass es so einfach nicht ist! Was glaubst du, was ich Sirius erzählt habe, nachdem wir wieder im Schlafsaal waren? Wenn es dich beruhigt, du bist nicht der einzige Freund, der in den letzten Tagen eine Ohrfeige von mir abbekommen hat, und die für Sirius ist deutlich fester ausgefallen! Ich habe nur inzwischen drei Tage Zeit gehabt, um darüber nachzudenken, ob ich Sirius deswegen jetzt fallen lassen will, und ich weiß, dass das letzte ist, was ich tun würde. Sirius würde nie bewusst einem von uns schaden wollen, er muss irgendwie ausgeklinkt sein - du hast ihn erlebt, er ist den ganzen Nachmittag schon im Dreieck getickt, weil wir gewonnen haben, vielleicht hat er auch ein bisschen zu viel Butterbier gehabt, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass unsere Freundschaft so etwas überstehen sollte."
Remus wandte den Kopf ab und schloss wieder die Augen. Er hatte das Gefühl, dass er, wenn er jetzt redete, anfangen würde zu weinen wie ein kleines Kind - vor Wut, Enttäuschung, Trauer, Mitleid mit Sirius?! oder warum auch immer. Außerdem wollte er jetzt nur eins - allein sein. Er schluckte vorsichtig, dann flüsterte er erstickt: "Ich werde darüber nachdenken, Prongs - lass mich jetzt bitte alleine!" Er hielt die Augen geschlossen, bis er hörte, dass James den Krankenflügel verlassen hatte, dann konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Am frühen Abend war Remus zu einer Entscheidung gekommen, wie es weitergehen sollte. Er focht einen kleinen Machtkampf mit Madam Pomfrey aus, die ihn eigentlich noch im Krankenflügel behalten wollte, setzte sich durch und stand auf. Dann verließ er den Krankenflügel und ging direkt zum Gemeinschaftsraum, in der Hoffnung, dort Sirius zu finden. Er nannte der Fetten Dame, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum bewachte, das Passwort und kletterte, nachdem sie aufgeschwungen war, durch das kreisrunde Loch in der Wand hinter ihr. Dann ließ er seinen Blick durch den Gemeinschaftsraum schweifen. Er entdeckte Sirius fast sofort in einem der Sessel am Kamin. Neben ihm saßen James und Peter. Alle drei sahen übernächtigt aus, aber keiner von ihnen sprach. Remus wartete noch einen Moment, dann sagte er für alle drei hörbar: "Sirius?" Sirius hob den Kopf und sprang dann auf. Remus bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, ihm in den Schlafsaal zu folgen, und ging dann die Treppe hinauf ohne sich noch einmal umzudrehen.
Gleich darauf hörte er hastige Schritte hinter sich - gut, Sirius folgte ihm also. Er öffnete die Tür zum Schlafsaal, trat ein und wartete dann ab, bis er hörte, wie sie wieder geschlossen wurde, bevor er sich umdrehte. Sirius lehnte an der Tür und musterte ihn beunruhigt. Remus erwiderte seinen Blick schweigend - sollte er ruhig noch ein bisschen zappeln. Schließlich hielt Sirius das Schweigen nicht mehr aus. "Sag was, Remus," flüsterte er, "schrei mich an oder hau mir meinetwegen eine rein, aber steh nicht so da!" Remus schüttelte den Kopf. "Du bist ein Idiot, Padfoot, aber das weiß ich schon seit Jahren. Ich hoffe nur, du hast was gelernt!" Sirius blinzelte. "Falls du damit meinst, dass ich erst denken und dann reden soll - ja, das habe ich ganz bestimmt gelernt!" Remus nickte. "Gut. Und jetzt komm her." Er hielt Sirius die Hand hin, aber der zögerte. "Was meinst du damit?"
Remus seufzte. "Ich meine damit, dass ich nicht unsere Freundschaft aufs Spiel setzen werde, nur weil du ein durchgeknallter Irrer bist! Ich weiß, dass du mir nicht schaden wolltest. Dass Snape Bescheid weiß, gefällt mir natürlich nicht, aber wir können es nicht mehr ändern. Und wenn wir jetzt nicht mehr miteinander reden, hätte Snape indirekt genau das geschafft, was er seit Jahren vorhat - das lasse ich nicht zu!" Auf Sirius Gesicht machte sich langsam ein vorsichtiges Lächeln breit, als er endlich Remus' immer noch ausgestreckte Hand ergriff. Dann fragte er leise: "Du nimmst es mir wirklich nicht übel? Ich kann nur noch mal sagen, wie leid es mir tut!" Remus grinste, und es war ein ehrliches Grinsen. "Dir kann man nichts lange übelnehmen, Padfoot, das ist das Problem mit dir!" Er drückte Sirius Hand so fest er konnte, und als Reaktion fühlte er sich plötzlich von Sirius in eine brüderliche Umarmung gezogen, die ihm fast die Luft abdrückte. Als er sich endlich daraus befreit hatte, murmelte er verlegen: "Lass uns runtergehen, Prongs und Wormtail fragen sich wahrscheinlich schon, ob wir uns schon gegenseitig umgebracht haben!"
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So, das war leider schon der Remus-Rückblick!
Im nächsten Kapitel kommt unerwarteter Besuch nach Hogwarts - aber nur, wenn ich ein paar Reviews bekomme! Bitte - ihr habt mich so verwöhnt, lasst mich jetzt nicht hängen!!!
