Part Two a

~KYLE~

Eigentlich hätte ich ja froh sein müssen, dass die Aliens uns verlassen hatten. Ich meine, mein Leben schien so langsam wieder seinen normalen Alltag einzunehmen. Ich stand morgens auf und fühlte mich wieder wie ein normaler Junge. Keine Aufregung. Keinen Stress. Auch die Angst, dass ich vielleicht irgendwelche Kräfte entwickeln würde, schien etwas zu schwinden. Mein Leben war wieder normal.

Und genau das war es.

Etwas fehlte in meinem perfekten Leben.

Ich brauchte meine grauen Zellen wirklich nicht sehr anzustrengen um darauf zu kommen, dass es Max, Michael, Isabel und Tess waren, die dafür verantwortlich waren, dass ich plötzlich kein stinknormales Leben mehr wollte. Ich hatte mich viel zu sehr an diese außergewöhnlichen Wesen und ihre noch außergewöhnlicheren Leben gewöhnt.

Und jetzt waren sie nicht mehr da.

Das war einfach deutlich zu spüren. Mehr als mir lieb war.

Ich brauchte nur an Liz oder Maria zu denken, die sich Nacht für Nacht die Augen ausheulten. Ich glaube, das letzte halbe Jahr, war die schlimmste Zeit gewesen, die die beiden je erlebt hatten. Erst verloren sie ihren besten Freund Alex bei einem Autounfall und dann wurden sie von ihren außerirdischen Freunden verlassen, weil sie auf ihrem Heimatplaneten ein paar unaufschiebbare Dinge erledigten mußten. Rückkehr? Nicht garantiert. Was konnte es Schlimmeres geben?

Vor allem Liz machte mir ziemlich große Sorgen. Und das nicht erst seit die Aliens aufgebrochen waren. Ich zerbrach mir immer noch den Kopf darüber, warum sie gewollt hatte, dass es für Max so aussah, als hätten wir miteinander geschlafen. Es ergab keinen Sinn. Damals nicht und heute auch nicht.

Aber aus irgendeinem Grund hatte ich sie nie gefragt. Ich wusste, dass Liz, egal was sie tat, immer ihre Gründe dafür gehabt hatte. Liz handelte immer eigenverantwortlich. Sie wusste, was sie tat. Und das bewunderte ich sehr an ihr. Ich war stolz darauf, mich einer ihrer besten Freunde nennen zu dürfen und trug diese Privileg mit Würde.

Liz, Maria und ich waren seit dem Aufbruch unserer Königlichen Vier enger zusammengewachsen. Wir waren praktisch...unzertrennlich geworden. Ich denke, es verging kaum ein Tag, an dem wir nichts zusammen unternahmen. Mir war einfach jedes Mittel recht um meine zwei Mädels auf weniger traurige Gedanken zu bringen und vor ihrem Selbstmitleid zu retten. Auch heute hatte ich vor, Liz und Maria beim Shoppen zu begleiten. Wir wollten durch die Einkaufszentren bummeln und unnötige Sachen kaufen, wie Maria das alles ausdrückte. Ihr glaubt, ich bin verrückt? Nun ja, wie ich schon sagte, war mir jedes Mittel recht.

Treffpunkt war das Crashdown Café. Ich war einen Blick auf die Uhr. Ich hatte noch gut eine halbe Stunde Zeit bevor ich dort sein musste. Gerade lang genug für ein herzhaftes Frühstück.

Ich schlurfte in die Küche und setzte mich auf einen der drei Stühle um dort zu überlegen, ob sich eher ein Sandwich oder ein paar Pommes zum Frühstück eignen würden.

Da fiel mein Blick auf den Tisch, auf dem ein kleiner, fransiger Zettel lag. Eine kurze Nachricht von meinem Dad war in eiligen Buchstaben hingeschmiert worden.

Kyle, Mußte ein paar wichtige Dinge erledigen gehen und bin voraussichtlich bis 18 Uhr zurück. Kümmere dich um Liz und Maria und macht euch einen schönen Tag. Dad

Ich runzelte die Stirn. Ein paar wichtige Dinge erledigen gehen? Was sollte das schon wieder bedeuten? Es klang so gar nicht nach meinem Dad. Schon seit einer ganzen Weile, seit er nicht mehr der Sheriff von Roswell war, hatte er keine wichtigen Dinge mehr erledigen müssen. Da steckte mehr dahinter. Das sagte mir meine langjährige Erfahrung als Sohn eines Sheriffs.

Ich kam mit meinen Gedanken allerdings nicht weiter.

Das Telefon klingelte.

Ich warf einen missbilligenden Blick auf das Gerät, das mindestens 10 Schritte von mir entfernt auf einem kleinen Holztischchen stand. Ein riesiger Berg Wäsche thronte auf dem Telefon und hatte es unter sich begraben.

Ich grinste.

War das nicht die Wäsche, die schon seit einer Stunde in der Waschmaschine rotieren sollte?

Wie auch immer. Darum würde ich mich später kümmern.

Wenn nur das Telefon endlich schweigen würde! Ich hatte absolut keine Lust, mir die Mühe zu machen und durch die Kleider zu waten nur um mir dann anhören zu müssen, dass Amy DeLuca uns ja so furchtbar gerne mal zum Essen einladen wollen würde. Versteht mich nicht falsch. Ich habe absolut nichts gegen Marias Mom. Aber ihr müsst doch zugeben, dass es tierisch nerven kann, wenn die gleiche Person den gleichen Satz fünfmal am Tag am Telefon wiederholt. Das war eine Zumutung. Vor allem für jemanden mit einem ohnehin viel zu leeren Magen.

Ich beschloss, das Klingeln zu ignorieren. Das wirkte immer am besten, denn spätestens nach dem 4. Anrufsversuch gaben die Leute auf. Ha, denkste! Die Leute wurden immer hartnäckiger.

Als das Klingeln auch nach dem 6. Mal keine Ruhe gab, stand ich fluchend auf und bahnte mir meinen Weg durch die herumliegenden Kleidungsstücke zum Telefon. Ich zupfte einen Ärmel vom Telefonhörer und nahm langsam ab.

Bevor ich auch nur ein einziges grummelndes "Hallo?" über meine Lippen bringen konnte, drang auch schon Marias aufgeregte Stimme an mein Ohr.

"Kyle? Bist du das?"

Sie wartete natürlich nicht auf meine Antwort.

"Hör zu, Kyle...ähm...wir...wir müssen unbedingt reden." Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern und ich konnte mir fast bildlich vorstellen, wie sie danach einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter wagte um zu sehen, ob sie nicht von wer- weiß- wem belauscht wurde.

Es lag mir schon auf der Zunge, sie daran zu erinnern, dass wir uns ohnehin in einer knappen halben Stunde treffen würde, als ich bemerkte, dass ihr Atem ziemlich rasch ging. Als wäre sie aufgeregt.

Plötzlich überkam mich ein ungutes Gefühl. Ich konnte nicht erklären, woher es kam. Es war einfach plötzlich da. Und ich konnte mir nicht helfen als zu ahnen, dass mich das, was Maria mir zu erzählen hatte, alles andere als vor Freude an die Decke springen lassen würde.

"Kann das nicht warten, bis wir uns im Crashdown treffen?" fragte ich vorsichtig.

Maria schnaubte in den Hörer. "Nein, kann es nicht. Kyle, wenn es nicht so verdammt wichtig wäre, würde ich nicht meine Zeit mit dir am Telefon verschwenden!"

"Okay, okay." Sie hatte mich überzeugt. "Also..." Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr. "Ich bin in 5 Minuten bei dir, okay?"

Sie zögerte. "Ähm, Kyle, würde es dir was ausmachen, wenn ich bei dir vorbeikomme? Meine Mutter hat heute ziemlich miese Laune und ich würde alles tun um ihr für eine Weile aus dem Weg gehen zu können."

Ich seufzte. Irgendetwas sagte mir, dass das keine so gute Idee war. Ein Blick in dieses Chaos und sie würde auf der Stelle kehrt machen.

"Na ja, also begeistert bin ich von dieser Idee nicht gerade..." begann ich und verfluchte mich schon für diese wenigen Worte, die mir gerade herausgerutscht waren.

"Aber?"

Ich seufzte. "Aber da du es bist...wirst du eben mit dem Chaos hier leben müssen."

Ja, Valenti, gut gemacht. Du hast gerade den Putzteufel höchstpersönlich in dein Haus eingeladen. Klasse Leistung. Junge, wieso war ich nur so gutmütig?

Maria atmete am Ende der Leitung erleichtert aus. "Gut, Kyle. Danke. Ich mach mich dann gleich auf den Weg, okay?"

Ich nickte. Eigentlich idiotisch, da sie mich ja nicht sehen konnte. Aber irgendwie hatte ich mir das angewöhnt. Noch so eine Macke von Kyle Valenti.

"Okay. Ich schätze, du bringst dann Liz gleich mit."

Eigentlich war es eine Feststellung, keine Frage. Die beiden tauchten praktisch immer im Doppelpack auf und das würde sich auch in den nächsten tausend Jahren nicht ändern.

Um so mehr überraschte mich Marias Antwort.

"Nein, Kyle. Und tu mir den Gefallen und frag nicht, warum, okay?"

Nanu? Hatte es zwischen den beiden vielleicht Streit gegeben?

"A..aber bei euch ist alles in Ordung, oder?"

"Kyle!"

"Okay, schon gut. Ich hab nie gefragt."

"Okay." Sie seufzte noch einmal ins Telefon.

Irgendetwas in diesem Seufzer löste in mir ein unruhiges Gefühl aus. Lag es daran, dass ihre Stimme gezittert und der Seufzer verzweifelt geklungen hatte? Maria seufzte oft. Und ich kannte ihre ganze bunte Palette an Seufzern. Von glücklich bis neugierig. Von aufgeregt bis wütend. Doch dieser war anders. Ängstlich. Beinahe schon weinerlich. Langsam, aber sicher beschlich mich der Gedanke, dass sie mir vielleicht doch etwas wirklich Wichtiges mitzuteilen hatte.

"Es ist ernst, oder?" fragte ich mit gesenkter Stimme, als mich plötzlich eine böse Ahnung beschlich. Ich wartete nicht auf ihre Antwort, sondern sprach meinen Verdacht laut aus.

"Maria," keuchte ich heiser. " Es geht doch nicht etwa um...du weißt schon...unsere Tschechoslovaken...oder doch?"

Maria antwortete nicht. Irgendetwas schien sie abzulenken. Ich hörte ihren Atem. Hektisch. Schnell. Dann ein plötzliches Geräusch im Hintergrund. Eine Art Rascheln, das immer näher zu kommen schien. Ich hielt die Luft an. Was war hier los?

"Maria?"

Keine Antwort.

Ich hörte nur ihren Atem, der mit jeder Sekunde an Hektik zunahm. Und dann plötzlich, vollkommen unerwartet, entrang Marias Kehle ein gellender Schrei.

Noch Sekunden später hallte das Echo dieses Schreis in meinen Ohren.