@Vicky23: Hey, ich fühl mich voll geehrt, daß Du meine Story schon gelesen hast. Ich schätze aber, daß es (unbeabsichtigt *lol*) noch etwas komplizierter wird. Versuche dennoch alles nach und nach etwas zu entwirren. Danke für das Kompliment wegen Jack, vor allem, weil ich heute Abend das erste Mal in den Film gehe.

Langes und schwieriges Kapitel, aber danach geht's erst so richtig rund! Auch wenn`s noch nicht so aussieht, Will wird bei diesem Fic eine große Rolle spielen. Zuerst muß allerdings der Plot aufgebaut werden und dann kommt die große Überraschung *lol*.

Fathers Footsteps 2 - Spurensuche -

*Was ist hier los?*

Jack trat auf die Wand zu und besah was dort hing. Ein beklemmendes Gefühl befiel ihn.

"Was hast du nur getan?" überlegte Jack laut.

Er griff nach Wills Schwert, welches an der Wand hing.

"Warum solltest du nur dein Schwert zurück lassen?"

Jack Sparrow steckte das Schwert zu seinem eigenen an den Gürtel, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus.

*~*~*~*~

"Zum rostigen Anker", so hieß die kleine Kneipe in der Gasse, aus der vorhin noch der armselige Penner gesehen hatte. Jack Sparrow kannte Port Royal, so wie viele andere Hafenstädtchen und er wußte wo man sich Informationen beschaffen konnte, die über normales Weibergeschwätz hinausgingen. Er bog in die Gasse ein und ignorierte den Dreck und Gestank von Kot und Rattenkadavern. Die Kneipe war immer noch so wie früher. Manche Orte würden sich wohl nie verändern.

Am Tresen Stand Gloomy, der Kneipenbesitzer. Seine Kleidung war so dreckig wie der Bezug der Stühle, sein Körper so kräftig und rauh, wie das verfärbte Eichenholz mit dem die Taverne verkleidet war. Sein von der Schlägerei übrig gebliebenes Auge schielte zur Tür, als sie sich öffnete und der neue Gast eintrat.

"Sparrow? Wieder da?"

Jack grinste und gab seine goldenen Zähne preis.

"Na, Augenklappe? Wie wärs mit einem Drink auf Kosten des Hauses?"

"Hehe, das würde meinen Ruin bedeuten, Sparrow."

"So viel ist hier nicht mehr zu Ruinieren. Es stinkt."

"Willst du jetzt einen Drink oder nicht?"

Jack sah auf die dreckigen Gläser an der Wand. Er zuckte mit den Schultern.

"Klar," zischte er und wollte sich gerade an die Theke setzten, als er sich blitzschnell umdrehte.

Er wehrte einen Stoß ab und faßte die Hand, die gerade noch auf ihn zugekommen war mit festem Griff. Ein Messer fiel zu Boden.

"Ich kann deinen Mundgeruch aus 2 Kilometer Entfernung riechen, Fischmaul."

Sein Gegenüber spie aus.

"Verdammt, du Drecksack! Laß mich los!"

"Du hättest dir vorher überlegen sollen, wen du angreifst, Knoblauchfresse! Setzten wir uns! Gloomy, zwei Doppelte auf seine Kosten!"

Jack hatte den Piraten noch so fest gepackt, daß der vor Schmerz winselte. Er hatte keine Mühe den anderen an einen Tisch zu zwingen, während Gloomy schnellstens ein Wasserglas halb mit Rum füllte.

"Wieso bist du nur immer wieder so dumm, Stinky? Immer noch böse wegen deinem Finger?"

Jack drehte die Hand des anderen, so daß der Fingerstumpf sichtbar wurde.

"Du hast mir den Finger abgehackt, Schweinehund!"

"Du hättest nicht versuchen sollen, mich über s Ohr zu hauen."

Gloomy brachte zwei Gläser an den Tisch.

"Laß es dir schmecken, Sparrow."

Jack trank zuerst das eine Glas in einem Zug, dann das andere.

"Nun laß uns mal etwas plaudern."

"Plaudern willst du? Hehe, ich weiß genau, was du willst. Der junge Turner, nicht wahr? Er läßt dich einfach nicht los."

Jack zog eine Augenbraue hoch.

"Gut, dann erzähl mal. Na los, gib mir was ich will. Wo kann ich ihn finden?"

"Finden? Das ist gut, hehe! AAAARG!"

Jack packte sein Handgelenk fester.

"Wenn du nicht aufpaßt, bleibt es nicht nur bei deinem Finger, Bubi."

"Aaah! Schon gut! Schon gut! Aber laß locker!"

Jack lehnte sich vor, achtete aber darauf, daß er dem Atem des Mannes nicht zu nahe kam. Statt dessen hauchte er ihm den Alkohol Dunst direkt ins Gesicht des anderen.

"Ich laß locker, wenn du mir sagst, was du weißt."

"Ok, ok. Also, da war ein Schiff!"

"Welches Schiff?"

"Ich weiß es nicht. Es hatte keinen Namen!"

Jack drückte fester.

"Keinen Namen? Jedes Schiff hat einem Namen!" schrie er.

"Nein, Jack, bitte glaub mir! Es hatte keinen!"

Der Kapitän der Balck Pearl sah sich um. Gloomy nickte aber zur Bestätigung.

"Es hatte keinen Namen?"

"Nein. Es war doppelt so groß wie ein normales Schiff! Und es war schwarz! Pechschwarz! Die, die es sahen, dachten Barbossa wäre zurück! So unheimlich war es! Und es lag nur ganz kurz an. In der Nacht kam es. Am nächsten Tag war es wieder fort."

"Der Kapitän?"

"Keiner weiß wer es war. Niemand sah jemanden von Bord gehen. Ich weiß nur, daß William Turner seitdem verschwunden ist."

"Und seine Frau?"

"Seine Frau?"

"Er war nicht verheiratet," schaltete sich Gloomy ein. "Es ist geschehen, kurz nachdem du weg warst. Sagen wir... zwei oder drei Monate danach? Er und diese junge Lady hatten niemals Gelegenheit gehabt, zu heiraten."

Jack warf ein Glas an die Tür.

"Verdammt! Wo ist Elizabeth jetzt?"

"Ja, jetzt halt dich fest... Sie ist bei Norrington."

Jack wurde stumm. Er sah Gloomy an, dann Seldrick, der schnell nickte und seine Hand hinter dem Rücken in Sicherheit brachte.

"Norrington, du altes Schlitzohr..."

"Ich bin mir nicht sicher, ob er etwas damit zu tun hat, Sparrow. Ich meine, das Schiff. Es kann doch kein Zufall gewesen sein."

"Und wenn er mit denen unter einer Decke steckt? Im Moment ist er meine einzige Spur, er hat das beste Motiv."

*~*~*~*~

"Wieder zurück Kapitän?" fragte Marley als Jack am späten Nachmittag wieder kam.

Doch ihm war gar nicht nach Reden zu mute. Zwar wäre Marley die Person gewesen, der er am ehesten vertraut hätte, aber wie lange kannten sie sich schon? Ein Jahr? Das war nichts. Er ließ ihn links liegen, doch als er an ihm vorbei ging und ihn dabei schroff anrempelte, gab Marley keinen Zentimeter nach.

*Du alter Narr!*

Er drehte sich um und sah in die Augen seines ersten Maats. Zu seinem Erschrecken mußte er feststellen, daß diese genauso wenig nachgaben... er fürchtete ihn nicht! Seine grauen, weisen Augen starrten in Jacks schwarze, so scharf und intensiv, als wollte die helle Farbe von Marleys Augen die Dunkelheit aus Jacks treiben.

"Ich fürchte, wir müssen uns unterhalten, Kapitän."

Jack konnte seinen Ohren nicht trauen! Hätte nur noch gefehlt, daß Marley ihn "Jungchen" genannt hätte! Wer war er? Sein Vater? Doch er unterdrückte seinen jähen Zorn.

Jack Sparrow konnte sich nie erklären, warum er den alten Mann in seine Kajüte bat. Nie hatte ihm jemand sagen können, was er zu tun hatte.

"Ihr befehlt nun schon seit einem Jahr diese Mannschaft, es wird Zeit ihr etwas Vertrauen entgegen zu bringen. Zumindest einigen Leuten."

"Wer vertraut, kann hintergangen werden," meinte Sparrow hart.

"Dann hättet ihr euch einen Lebensstil aussuchen sollen, bei dem ihr euch nicht auf so viele Leute verlassen müßt!"

Jack lehnte sich in seinem großen Stuhl zurück und beäugte Marley, der vor dem Schreibtisch stand mit wachsenden Respekt.

"Was willst du?"

"Ich will wissen, warum wir hier sind. Ich will wissen, was ihr als nächstes vorhabt und ich will wissen, was heute Nachmittag passiert ist. Irgend etwas hat den großen Sparrow tief getroffen."

Überraschung stand auf dem Gesicht des Kapitäns. Es hielt ihn nicht mehr im Stuhl. Er stand auf, nur um festzustellen, daß er nicht wußte, wohin er gehen sollte.

"Vielleicht könnt ihr die Mannschaft täuschen, doch Fama wird ihren Dienst nicht versagen, selbst wenn sie dafür Unwahrheiten verbreiten muß. Und mich... könnt ihr nicht täuschen... nicht in diesem Fall."

Jack setzte sich wieder und rieb sich den Nasenrücken. Hatte er Kopfschmerzen?

"Hm... In wie weit bist du vertraut mit dem letzten großen Abenteuer der Black Pearl?"

"Soweit, wie es die meisten hier sind."

In der nächsten Stunde brachte Kapitän Jack Sparrow seinen ersten Maat auf den neuesten Stand. Nachdem er die Geschichte erzählt hatte und die neuesten Ereignisse aufgedeckt hatte, ging Jack an Deck. Ohne Kopfschmerzen und dem Gefühl, daß eine Last von seinen Schultern gefallen war. Nach dieser Nacht ließ Jack Sparrow einen Teil seines innerlichen Chaos` hinter sich.

*~*~*~*~

Nächster Tag

Jack war früh auf den Beinen.

*Mal sehn, was Norrington so macht*

Sein breites Grinsen begleitete ihn den ganzen morgen. Als er von Bord ging, schloß sein erster Maat sich ihm an. Mit einem Kopfnicken bestätigte der Kapitän.

Die Villa Norrington war nobel, aber Jack hätte auch nichts anderes erwartet. Vor dem prächtigen Haus sahen die Piraten wie Flecken aus, die es verunreinigten. Jack Klopfte mit voller Wucht.

"Wer da? Die Festtagsvorbereitungen sind in vollem Gange. Die Herrschaften haben wenig Zeit."

Ein Diener hatte eine Klappe in der Tür geöffnet und sprach mit nasaler Stimme.

"Vielleicht kennt ihr mich, mein Name ist eine Weile in aller Munde gewesen. Vor euch steht höchst persönlich der ehrenwerte Jack Sparrow. Kapitän Jack Sparrow."

Der Diener hinter der Tür zuckte zusammen bei dem Namen.

"E- Einen Augenblick. Ich sehe nach, ob ihr empfangen werden könnt."

Die Klappe schloß sich vor Jacks Nase. Doch schon nach wenigen Minuten öffnete sich die massive Türe.

"Der Herr ist nicht zu Hause, aber die Dame möchte euch empfangen. Bitte begleitet mich in den Salon."

Der Frack ging ihnen voran und die Piraten folgten. Das Haus war gewaltig und überall mit Prunk verziert. Nicht daß Norrington sich hätte Geschmeide wie Gold leisten können - was Jack mit Zufriedenheit erfüllte, denn er konnte es von Zeit zu Zeit - dennoch standen überall Porzellanfiguren und -Vasen herum. Viel Glas, viele Spiegel, einiges Silber.

Jack mußte unwillkürlich an die Einfachheit von Wills Schmiede denken. Eine Blockhütte mit einigen selbst gezeichneten Bildern an den Wänden und einem Naturblumenstrauß als einzige Zierde. Und das jetzige Bild das sich dort geboten hatte. Düstere Wände, fast kein Licht. Doch dieses Haus war geradezu unnatürlich hell.

Der Diener öffnete eine Tür und schloß sie hinter den beiden wieder. Durch die Seitentür kam Elizabeth herein. Zart und blaß schien sie, wie eine Lilie.

"Hallo Elizabeth," grüßte Jack und nahm seinen großen Hut.

Auch Marley machte eine leichte Verbeugung, um der Dame seinen Respekt auszudrücken. Sie nahm es nüchtern zur Kenntnis.

"Hallo Jack. Und..."

"Marley, Madam."

Sie nickte.

"Was willst du hier?"

"Bitte?" Jack tat erschüttert und führte seine Hand zum Herz. "Was ich hier tue? Ich glaube es würde William das Herz brechen, wenn er dich hier sähe... und vor allem, wenn er wüßte..."

"Daß ich mit Norrington verlobt bin? Ich denke nicht, daß Will es jemals erfahren wird."

Sie wandte sich um, den Blick senkend.

"Ich habe ihn aufgegeben," flüsterte sie.

Irgendwie fühlte Jack sich tief berührt von der Trauer der Frau, die einst so tapfer gekämpft hatte. Sie war immer noch schön, doch verbittert sah sie aus, wie sie ihre blassen Hände zu Fäusten ballte. War sie dünner geworden? Gleichzeitig machten Sorge und Unruhe sich in seinem Herzen breit.

*Laß dir nur nichts anmerken, Mann*

"Jack, es war vor etwa einem Jahr als er verschwand, kurz nachdem du uns verlassen hast."

"Haben sie ihn entführt?" Er spielte bewußt auf das eigenartige Schiff an.

"Ich weiß es nicht. Aber wenn sie dafür verantwortlich sind, ist er entweder freiwillig mit ihnen gegangen, oder tot. Nach so langer Zeit ohne Nachricht..."

"Hat niemand versucht hinter dem Schiff her zu fahren?" fragte Marley.

"Wer denn? Etwa mein jetziger Verlobter? Denkst du Norrington hätte eine zweite Jagd aufgenommen, um Will zu finden?"

Sie sackte in einem Sessel zusammen.

"Ich konnte ihn nicht dazu bewegen. Ich hab ihn angefleht. Aber er wußte, ich konnte ihn nicht lieben, so lange es Will gibt."

"Liebst du ihn denn jetzt?"

Elizabeth sah auf mit Zorn in ihren Augen. Sie raffte sich auf und trat ihm stolz gegenüber.

"Wie kannst du so etwas fragen? Würde ich ihn sonst heiraten?"

Jack zuckte mit den Schultern.

"Also hast du ihm verziehen? Ich hätte das nicht tun können... zumal es ungewiß ist, ob er nicht in der Sache mit drin steckt."

KLATSCH!

Elizabeth hatte Jack eine Ohrfeige gegeben. Nach einem Augenblick der Stille nickte er. Jack machte kehrt, doch bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich nochmals um.

"Ich hörte morgen ist die Heirat. Nun denn, ich werde noch mit deinem Verlobten sprechen müssen. Aber keine Sorge, sollte er nichts mit der Sache zu tun haben, segeln wir morgen in der Frühe ab. Noch während eurer Trauung!"

Nun verließen sie endgültig das Haus.

*~*~*~*~

"Was ist mit Norrington?" fragte Marley. "Wann werden wir ihn befragen?"

Sie liefen am Hafen entlang und waren auf dem Weg zur Pearl. Jack sah den Matrosen zu, wie sie Schiffe ent- und beladeten. Viele Männer, die eifrig dabei waren, ihre Arbeit zu erledigen, damit sie so schnell wie möglich wieder auf See konnten. Der harte Boden bekam vielen nicht. Echte Seeleute konnten es nur mit einem Schiff unter ihren Füßen aushalten.

"Ich fürchte, ich werde heute abend noch einmal zur Norrington Villa gehen müssen. Mach das Schiff für morgen früh auslaufbereit. Wir fahren mit der Flut. Hol die Männer an Bord."

"Aye, Sir."

Sparrows Blick wanderte über die gepflasterte Straße. Sollte er sich noch einen Drink im Rostigen Anker gönnen? Sehnsuchtsvoll sah er hinüber zur kleinen Gasse. Der Penner lungerte dort wieder herum und starrte Jack an, als er ihn erblickte. Zuerst dachte er sich nichts dabei, doch dann...

Der Penner zog etwas aus seiner zerrissenen Kleidung hervor. Von weitem konnte Jack nur erkennen, daß es eine Kette war. Sie funkelte und glitzerte, als der Mann sie im Licht hin und her schwang. Nach einigen Schritten weiter kam es Jack so vor als sei es ein sehr vertrautes Schmuckstück.

"Das Medallion!" rief Jack und rannte los.

Der Penner zog sich sogleich in die Gasse zurück. Jack und Marley rannten ihm hinter her. Am Ende der Gasse blieb der verwahrloste Mann stehen.

"Was ist das?"

"Bitte Kapitän! Nehmt es mir nicht weg! ... Nicht ohne einen kleinen Finderlohn!"

"Zeig es her und ich bemesse selbst, welcher Lohn dir zusteht, Dieb!" zischte Sparrow.

Der Penner übergab dem Kapitän das Schmuckstück. Es war das Atztekenmedallion! Nicht aus purem Gold, aber eine exakte Kopie. Eine sehr gute Arbeit.

"Wo hast du das her!" brüllte Jack.

"Ich ... ich habs gefunden! Bitte laßt mich zufrieden!"

"Und wo hast du es gefunden?"

"Hier am Hafen! Es fiel aus der Tasche des jungen Herrn."

Jack tauschte einen Blick mit Marley und seine Stimme wurde ruhiger.

"Wer war es?"

"Der junge Will Turner, will ich meinen."

"Wann?"

"In der Nacht als das Schiff kam! Es war furchtbar! Die Männer waren schwarz gekleidet! Und groß, bei Gott, sie waren groß! Und doppelt so kräftig wie der junge Turner!"

"Diese Männer, was haben sie getan?"

"Getragen, sie haben ihn getragen. Auf ihr Schiff!"

"Er ist also entführt worden," stellte Jack fest.

Marley ließ langsam die Luft entweichen.

"Kanntest du die Männer?" fragte der alte Mann.

"Nein."

"Hm," Jack griff sich ans Kinn. "Ich dachte es wäre keiner von Bord gegangen?"

"Doch, sie waren da. Und sonst war keiner auf der Straße. Ich weiß es! Alle haben sie sich gefürchtet! Nur der arme Jonathan konnte sich nicht verstecken. Keine Türe wurde mir geöffnet! Niemand bot mir Schutz. Nur der Schatten dieser Gasse."

"Mist! Und wieder keine Spur von Will!"

"Wenn es euch weiter hilft und ihr mir ein kleines Gnadenbrot gebt, werde ich euch sagen, wo sie hin sind."

Jacks Herz fing an zu schlagen. Endlich! Ein Hinweis, jetzt konnte es losgehen!

"Heraus damit und ich werde dich entlohnen."

"Sie wollten nach Port Herold."

"Und was wollten sie da?"

"Ich weiß es nicht. Sie sprachen nicht viel und wenn, dann nur sehr leise. Ich konnte nur wenige Wörter verstehen und das war schon ein Glück für euch."

Mit diesen letzten Worten wollte der Penner den Männern klar machen wie ach so glücklich sie sich schätzen durften, daß er ihnen über den Weg gelaufen war und wie ach so großzügig die Belohnung ausfallen mußte.

Jack erkannte, daß hier nicht mehr in Erfahrung zu bringen war. Also gab er dem Penner ein paar Silbermünzen und verließ die Gasse.

"Heute Abend gehe ich zur Villa. Mach das Schiff klar, es geht nach Port Herold!"

*~*~*~*~

Abends

Norrington saß in seinem Arbeitszimmer und ergötzte sich an einem exotischen Käfer aus seiner Sammlung. Vorsichtig hielt er die Pinzette und drehte und wendete das tote Tier nach allen Seiten. Dann Klopfte es.

"Sir, ein Mann wünscht euch zu sprechen!"

Norrington sah nicht auf.

"Jetzt noch? Es ist gleich Essenszeit."

"Deshalb bin ich ja auch erst jetzt gekommen," sagte Jack, als er den Diener bei Seite drückte und ins Zimmer trat. Er lehnte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch, so daß sein Haar über der Käfersammlung baumelte. Er starrte dem Offizier ins Gesicht.

"Soso, ihr und Elizabeth, ist das nicht ein herrlicher Zufall?"

"Hm, Sparrow... welche Überraschung."

"Ja nicht wahr? Wolltet ihr mich nicht gerade zum Dinner einladen, wo ihr dies nicht schon zu ihrer Hochzeit getan habt?"

"Es ist nicht üblich in meinen Kreisen mit Piraten eine Hochzeit zu feiern..."

Jack grinste.

"Außerdem wart ihr gerade... nicht erreichbar. Mein Gott, müßt ihr Piraten denn immer nur Rum trinken? Man riecht ihre Fahne bis ins Nebenzimmer."

"Oh, ich entschuldige mich," sagte Jack mit falschen Bedauern und wich keinen Zentimeter zurück.

"Aber verharren wir noch eine Weile bei Elizabeth. Ich bin ja urglücklich, daß sie beiden doch zusammen gefunden haben. Was ein freudiger Zufall für euch."

"Ja, nicht wahr?"

"Was für ein unglücklicher Zufall für William Turner."

Norrington versuchte dem Blick des Kapitäns auszuweichen. Er wandte sein Gesicht nach links, Jack tat es ihm nach. Er wandte es nach rechts, Jack auch. Schließlich sah er ein, daß er dies über sich ergehen lassen mußte.

"Verflucht, Jack! Was werft ihr mir vor? Daß ich William Turner aus dem Weg geschafft habe, um Elizabeth zu bekommen? Haltet ihr mich für so ehrlos?"

"Wer weiß, wozu manche Männer im liebestollen Zustand fähig sind? Jedenfalls, mein Guter, kommt es mir doch sehr verdächtig vor. Feiert ihr morgen Wills Jubiläum? Nach einem Jahr, heiratet ihr die Frau die er liebte, ist das nicht seltsam?"

"Ich heirate sie morgen nicht wegen des Jubiläums, sondern wegen des Ultimatums!" Norringtons Kopf verfärbte sich rot. "Ihr Vater bat mich, ihr noch einmal den Hof zu machen, sollte ich noch etwas für sie empfinden."

"Wie gütig ihr doch seid."

"Ihr wißt selbst, daß sie im besten Alter zur Heirat ist. Alte Jungfern sind auf dem Markt nicht gefragt."

"Und da bietet ihr euch an? Sehr nobel. Warum das Ultimatum?"

"Ich möchte Elizabeth heiraten, aber ich werde nicht ewig auf sie warten. Irgendwann ist es an der Zeit für einen Mann, eine Frau zu finden, die einem Kinder gebärt. Und ich werde nicht ewig darauf warten, daß Elizabeth sich entscheidet."

"Warum seid ihr nicht hinter dem Schiff her?"

Norrington schwieg.

"Warum?"

"Habt ihr die Gerüchte davon gehört? Ich bin gerade nach Hause gekommen, da soll ich schon wieder in See stechen? Dazu war ich nicht bereit, vor allem, wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Ihr wart schon weg, ihr standet nicht gerade vor der Entscheidung es noch einmal mit Geisterpiraten aufzunehmen."

"Und William? Habt ihr auf unserer Reise denn gar keinen Respekt vor ihm bekommen? Er hat eure damalige Verlobte gerettet!"

"Ich scheiße auf William Turner! Verdammt! Er war mir immer im Weg! Ja, ich war froh, als er fort war, da frage ich nicht nach dem Wie oder Warum!"

Norrington war von seinem Stuhl aufgesprungen und hatte die Beherrschung verloren. Erst jetzt konnte er über die große Gestalt Jack Sparrows hinweg sehen. Elizabeth stand in der Tür, totenbleich. Ihre Stirn war feucht vor Schweiß.

"Es... Es...Das Essen ist fertig."

"Ja, wir kommen gleich," antwortete Norrington automatisch. Sie ging auf der Stelle weg.

Erschöpft vom Schock ließ er sich wieder in den Stuhl fallen.

"Seht ihr, was ihr da angestellt habt?"

"William war euch im Weg."

"Ja, aber ich hätte ihn deshalb nicht entführen lassen." Der Mann war völlig fertig und seine Stimme zitterte.

Jack nickte. Vielleicht sagte er die Wahrheit...

"So! Dann lasset uns speisen! Ich bin am verhungern! Was laßt ihr denn heute auftragen?"

*Einer seiner furchtbaren Stimmungswechsel.* dachte Norrington bei sich.

Jack schien wieder unbeschwert und unverschämt, wie eh und je. Er packte sogar den Erschöpften und zog ihn auf die Beine, doch erlaubte es sich dann vor zu gehen. Den Weg zum Speisezimmer wies ihm seine Nase, die darauf spezialisiert war, solchen guten Gerüchen nachzugehen.

*~*~*~*~

Der Raum war in Rotbuche gehalten und versprühte ein angenehmes Klima. Silberne Kerzenleuchter spendeten Licht in der Abenddämmerung. Elizabeth saß schon zu Tisch. Immer noch weiß im Gesicht. Sogar blasser als er sie am Mittag gesehen hatte. Er konnte Frauen nicht leiden sehen. Zumindest nicht, wenn seine Aufheiterungsversuche seinem Vorteil entsprachen.

"Gräme dich nicht, Elizabeth, du wirst einen hervorragenden Ehemann bekommen."

Jack nahm ein Glas und hieß den Bediensteten an, es mit Bordeaux zu füllen.

"Er sieht gut aus, ist gesund und hat Geld... viiiiiel Geld. Was wünscht sich eine Frau mehr?"

Er tostete ihr mit dem Glas zu. Dabei schwenkte der rote Wein leicht hin und her.

"Es ist wirklich sehr unwahrscheinlich, daß William Turner noch lebt, warum also sein Leben verschwenden?"

Nun tostete er auch Norrington zu, der unbehaglich nickte.

*Er führt doch etwas im Schilde*

Dennoch versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen. Jack dagegen versprühte seinen unwiderstehlichen Charme. Norrington beschloß das Thema nun zu seinen Gunsten zu wählen.

"Wann werdet ihr abreisen, Kapitän Sparrow?"

"Meine Abreise? Morgen früh laufen wir mit der Flut aus."

"Morgen früh schon? Dann werdet ihr uns kaum die Ehre erweisen zur Hochzeit zu bleiben, oder?"

"Nein, ich fürchte nicht. Ich bin in dringlicheren Geschäften unterwegs."

"Nun, diese Geschäfte sind wohl sehr wichtig, sonst würdet ihr doch bleiben." Norrington fühlte seinen Sieg. Schnell fügte er noch hinzu: "Zu schade, aber Geschäfte sind manchmal einfach wichtiger."

Elizabeth schwieg, den Teller nicht anrührend.

"Ja, dies ist eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt."

"Hmmm, ja, man muß Prioritäten setzten," Norrington wähnte sich in Sicherheit und nahm einen großen Bissen seines Fillets.

Darauf hatte Jack gewartet!

"Ja, ich werde nach diesem - wie sagten sie doch gleich - Geisterschiff Ausschau halten. Es soll riesig sein. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht an ein weiteres Geisterschiff."

Elizabeth war plötzlich hellhörig geworden. Norrington verschluckte sich an dem Fleisch. Neugierig beobachtete die junge Frau, wie ihr Verlobter darauf reagieren würde. Dieser hustete noch ein paar mal. Als er sich wieder gefangen hatte, versuchte er schnell dieses Essen zu beenden.

"Nun, falls ihr es findet - und überleben - könnt ihr uns berichten, was an diesem Schiff, ohne Namen wohlgemerkt, dran ist. Ich fürchte, wir müssen euch nun verabschieden, nicht wahr Elizabeth?"

Die Frau sagte nichts. Also übernahm Norrington es allein, seinen "Gast" hinaus zu geleiten.

"Bis dann, Norrington! Habt ein schönes Fest!" verabschiedete sich Jack.

Doch Norrington schloß ohne ein Dankeswort die Tür.

"Das lief ja wie am Schnürchen, hehe," Jack rieb sich die Hände.

*~*~*~*~

Nächster Tag

Die Mannschaft wirbelte auf dem Schiff umher. Vorräte waren schon an Bord genommen worden und jeder hatte nun seine Aufgabe zu erledigen, so daß die Black Pearl in wenigen Minuten auslaufen konnte.

Kapitän Sparrow stand an der Reling und beobachtete den Hafen. Er wartete. Marley bemerkte, daß sein Kapitän für diese Aufbruchsstimmung viel zu ruhig war. Normalerweise verteilte er lockere Sprüche, Hängte sich selbst mit in die Taue und spornte die Mannschaft mit seiner eigenen Abenteuerlust an. Eine frische Brise spielte mit seinem grauen Haar, als er sich zum Kapitän gesellte.

"Kapitän, wir sind so weit. Die Flut ist da, der Wind steht günstig. Iuppiter begnadet uns mit allem, was er zu bieten hat."

Sparrow sah ihn an, seine Augen voller Enttäuschung.

"Mit allem?"

Marley lehnte sich mit den Ellenbogen auf die Reling und atmete tief ein.

"Man möchte meinen, ihr wartet auf SIE."

"Oh, ja, das tue ich auch," antwortete Jack und nahm dann die gleiche Haltung wie Marley ein.

"Nun, das Fräulein hat es euch doch angetan, nicht?"

"Ich mochte sie nicht so sehen. Du hättest sie letztes Jahr kennenlernen sollen, ein Prachtmädel! Eigentlich zu dominant für Will Turner."

"Ach, Frauen haben doch immer das Sagen. Sie lassen uns nur im Glauben, daß wir die Herren der Welt sind. In Wahrheit sind sie wie Zirzen."

"Elizabeth kam mir aber nicht mehr so bezirzend vor. Ihre Lebenslust, ihre ganze Persönlichkeit schien unterdrückt. Sie kann nicht glücklich bei ihm sein."

"Aber bei euch?"

"Ich würde ihr niemals abverlangen, ein Verhältnis mit mir zu führen. Mir reichte es schon, sie so kraftvoll und... jung wie früher zu sehen. Will hätte sie nie so in eine Rolle gezwängt."

Sie schwiegen einen Augenblick. Dann seufzte Jack.

"Weißt du eigentlich, was es für mich bedeutet, nach Will zu suchen? Verstehst du, warum ich dieses langwierige, ungewisse Vorhaben überhaupt auf mich nehme?"

"Ich kann euch schon verstehen. Was tut man nicht alles für die Liebe? Die Bruderliebe?"

Ja, so war es. Jack wußte, daß er einen Beschützerinstinkt für den jungen Mann entwickelt hatte, der ihm in mancher Hinsicht so ähnlich war und dennoch so unähnlich.

"Kenne ich sie so schlecht?" fragte Jack mehr sich selbst, als Marley.

"Menschenkenntnis kann nicht mit so jungen Jahren erworben werden. Noch viele Enttäuschungen stehen euch bevor. Vielleicht werde ich euch vor manchen bewahren können," Wehmut klang in der Stimme des Maates mit. Doch schnell faste er sich wieder. "Ihr solltet nur acht geben, daß euer Unterfangen nicht ein Orpheus-Abenteuer wird."

Jack zog eine Braue hoch.

"Ihr seid bewandert in vielerlei Dingen, Kapitän, doch die griechischen Mythen blieben euch bislang verwehrt."

"So erzähle mir auf unserer Reise von Orpheus, vielleicht lehrt es mich ein wenig Menschenkenntnis," lachte Jack.

Marley lachte mit.

"So soll`s sein. Und was soll weiter sein? Warten wir auf die nächste Flut?"

Jack überlegte kurz. Dann ging er mit Schwung in Richtung Steuerrad.

"Nein, wir laufen aus! Sofort. Leute setzt die Segel! Macht die Leinen los! Wir brechen auf!"

Jetzt war er wieder er selbst! Er freute sich auf die See. Die salzige Luft wehte ihm ins Gesicht und blähte die ersten Segel. Er atmete tief ein, spürte wie eine weitere Schicht Salz sich auf seine Haut legte. Die Pearl bewegte sich.

*LOS GEHT S!*

"Halt!" rief jemand vom Hafen her.

Jack sah sich um. Er kannte diese Stimme.

"Ja ist das die Möglichkeit? Hank! Nimm das Steuer!"

Ein kleiner stämmiger Mann, der kaum über das Rad sehen konnte nahm Jacks Platz ein, während dieser an die Reling sprang.

Dort stand sie! In weißer Seide!

"Aber Teuerste, ihr verpaßt eure Trauung und wie ich sehe seid ihr doch auch schon dafür vorbereitet!"

"Jack, du alter Gauner! Warte auf mich!"

"Beschimpft ihr mich etwa, Madame?"

Elizabeth wurde wütend. So kannte Jack sie wieder. Welch ein Temperament! Er faßte ein Tau seines Hauptmastes, machte es los und schwang sich elegant aufs Festland. Dort machte er eine einladende Bewegung.

"My Lady."

Sie knickste übertrieben und legte einen Arm um seinen Hals, den anderen um seine Hüfte. Dann holte Sparrow Schwung und sie "flogen" hienüber auf die Pearl. Elizabeth sah das Meer unter ihnen, als sie hinüber glitten.

*So soll es sein,* dachte sie bei sich.