Hallöchen Leute! Es ist halb fünf in der Frühe und ich habe das 3. Kapitel
fertig! Dieser verdammte Film, er geht mir nicht mehr aus dem Kopf! Endlich
bin ich etwas aufgeklärter über die Beziehungen zwischen den Figuren und
hoffe, ihr verzeiht mir die Fehler, welche ich aus Unwissenheit rein gebaut
habe. Auch mit der Darstellung von Jack bin ich nun nicht mehr zufrieden.
Aber selbst nach dem Film konnte ich ihn nicht wirklich so verrückt
darstellen, wie er im Original war. Ist jemanden diese tolle Musik
aufgefallen? Genial, nicht? Übrigens, aus einem noch größeren 3. Kapitel
wurden zwei getrennte...
In jedem Fall: Viel Spaß mit dem 3. Kapitel.
Fathers Footsteps 3
- Port Herold -
Port Royal entfernte sich langsam, aber stetig. Der Wind blies stark und gleichmäßig. An Bord der Black Pearl wurde es ruhiger - sie war in See gestochen.
An Deck standen immer noch Kapitän Jack Sparrow, sein erster Maat Marley und die gerade von ihrer Hochzeit geflüchtete Elizabeth Swann.
"Wo soll`s also hingehen?" fragte die Frau im weißen Seidenkleid.
Der zarte Stoff wehte im Wind hin und her, umspielte ihre zarte Figur.
"Es geht nach Port Herold. Wir folgen einem Tipp," klärte Sparrow sie auf.
Elizabeth nickte.
"Also auf nach Port Herold."
Voller Elan drehte sie sich um und wollte gerade einen Schritt in Richtung der Schiffsluke tun, als ihr Kleid sich an einem Brett des Bodens verfing und sie hängen blieb.
"Verdammt! Diese Kleider!"
Jack und Marley grinsten. Elizabeth schaute auf und bedachte sie mit einem bösen Blick. Dann riß sie mit einem kurzen Ruck an dem Saum. Ein Stoffetzen blieb am Boden zurück.
"Für unsere Reise wird das wohl kaum sehr nützlich sein," bemerkte sie und betrachtete den Riß in ihrem Kleid.
"Wohl kaum," bestätigte Marley. "Aber unter Deck haben wir noch ein paar alte Sachen... Hosen, wenn es euch nicht unangenehm ist."
"Ganz und gar nicht," Elizabeth machte eine Geste, als wartete sie, daß Marley ihr seinen Arm anbot, um ihr den Weg zu zeigen.
Nach kurzer Verdutztheit, bot Marley ihr den Arm an. Normalerweise gehörte solcher Schnickschnack nicht auf ein Schiff, doch er erkannte den Scherz hinter ihrem Benehmen und amüsierte sich mit. Jack wartete bis die beiden von Deck waren und kletterte den Hauptmast seines Schiffes hoch. Er liebte es an dieser Stelle zu stehen und sich den Wind um die Ohren wehen zu lassen. Seine Haare tanzten um sein Gesicht, als er noch bis zum frühen Mittag dem Horizont entgegen schaute.
*~*~*~*~
Mittag: In der Kajüte des Kapitäns
"Wir werden etwa fünf Tage nach Port Herold brauchen, wenn das Wetter mitspielt. Aber bis jetzt sieht es gut aus," Marley stand am Tisch und begutachtete eine Karte. Nebenbei führte er ein paar Berechnungen aus.
Jack hatte sich in einen Sessel fallen lassen und ließ das Medallion zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln.
*Kein Piratenblut in dir? Daß ich nicht lache! Du hast sogar eine Nachbildung des Medallions angefertigt.*
Irgendwie ließ dieses Schmuckstück Jack einen Schauer über den Rücken laufen. Er erinnerte sich daran, wie es gewesen war, ein Untoter zu sein. Es war schon cool gewesen, daß Barbossa ihm hatte kein Haar krümmen können. Aber seitdem trug er immer noch einen leichten Geschmack nach Asche in seinem Mund mit sich herum. Es war schon besser geworden, aber er war noch nicht weg...
Elizabeth betrat den Raum. Sie hatte braune Leinenhosen an, die ihr - wie auch das vergraute Hemd - etwas zu groß waren.
"Du siehst ja niedlich aus," grinste Jack.
"Ich werde damit leben können. Jetzt kann ich auch endlich einer Tätigkeit nachgehen, ohne sofort dreißig Dinge an meinem Rockzipfel hängen zu haben... Deine Männer eingeschlossen."
"Es sind gute Männer," erklärte Marley vom Schreibtisch aus und entrollte eine neue Karte.
"Mag sein, aber Piraten sind doch alle gleich. Wo sind Gibs und die anderen?"
"Ich habe meine Schuld getilgt. Gibbs ist mit Anamaria auf das neue Schiff gegangen."
Elizabeth entdeckte das Medallion.
"Das ist doch.... Wo hast du das her?"
Ihr Herz schlug wild. Sie rannte zu Jack, nahm ihm die Kette ab und drückte sie an sich, als ob sie Will dadurch etwas näher sein konnte.
"Er muß es bei der Entführung verloren haben. Was ist in dieser Nacht vorgefallen?"
Elizabeth dachte nach und rieb sich den Nasenrücken.
"Es war so... Er wollte noch arbeiten... in der Schmiede. Er arbeitete schon ungewöhnlich lange an einem Schwert. Es sollte etwas besonderes werden und er wollte es mir erst zeigen, wenn es fertiggestellt war. Jedenfalls war er noch lange in der Schmiede bevor dieses Schiff das erste Mal gesichtet wurde. Als ich nachts aufwachte und er nicht neben mir lag, fing ich an mir Sorgen zu machen. Jedoch stand ich nicht auf, sondern war nur wütend, wie er so lange aus bleiben konnte. Ich nahm mir vor ihn am nächsten Tag dafür büßen zu lassen. Ich schlief in der Stube ein und als ich am nächsten Morgen erwachte, war er noch immer nicht wieder da. Er war nicht im Haus, er war nicht in der Schmiede. Ich war so zornig. Am Mittag aber schon war ich verzweifelt. Er war nicht mehr da, ohne ein Zeichen verschwunden. Und das Schiff auch."
Jack lehnte sich zurück.
"Was ist mit diesem besonderen Schwert?"
"Ich habe es gesucht, aber wußte nicht, welches unter den ganzen Waffen es gewesen sein mußte. Keines sah für mich besonders aus."
"Hast du das Schiff selbst gesehen?"
"Nein, nur davon gehört. Sie sagten, es sei riesig. Ein Siebenmaster."
"Es gibt keine Schiffe solcher Bauart," schaltete sich Marley ein.
"Ich glaube, wir haben es hier eher mit dem Schreckgespenst eines Bettlers zu tun, als mit einem wirklichen Geisterschiff," meinte Jack und sprang auf. "Fünf Tage sagst du, Marley? Nun denn, warten wir ab, was uns erwartet!"
Die Tage vergingen langsam für Elizabeth. Sie war das schlichte und manchmal eintönige Seemannsleben nicht gewohnt. Fünf Tage waren für Seemänner keine Zeit. Viele Wochen verbrachten diese Leute auf See und ihnen wurde nicht langweilig. Es gab immer etwas zu tun und wenn nicht, dann erfand der Kapitän manchmal völlig nutzlose Arbeiten, um sie bei Laune zu halten. Sie ertappte sich oftmals dabei, wie sie Marleys Geschichten lauschte. Auch in der Nacht vor ihrer Ankunft in Port Herold sollte es ihr wieder so ergehen.
"Er kennt viele Mythen, nicht wahr, Jack?"
Sie saßen gerade an Deck zusammen und Marley eröffnete eine weitere "Märchenstunde" - wie Jack es zu nennen pflegte. Aber Elizabeth hörte jedes Mal gebannt zu und selbst Sparrow konnte sich dem Zauber der meisten Geschichten nicht entziehen.
"Heute erzähle ich euch einen Mythos, den ich dem Kapitän versprochen habe."
Die Mannschaft johlte und lachte im Kerzenschein, machte sich über ihren Kapitän lustig, der jedoch ganz ruhig an einem Faß saß und mit einem Finger an seine Flasche Rum schnippte.
"Na, dann erzähl mir davon, Maat!"
"Orpheus war ein starker Grieche. Aber ihm war eine besondere Gabe zuteil. Mit seiner Musik konnte er Mensch und Tier, Baum und Stein, ja sogar die Götter verzaubern. Es kam, daß er sich in Euridice verliebte, eine wunderschöne Frau...."
"So schön wie unsere Miss Swann?" rief einer der Männer dazwischen.
Jack warf einen Apfelkrutzen nach dem Störer, aber Marley lachte nur.
"Ja, vielleicht. Jedenfalls begab es sich, daß Euridice, als sie den Hochzeitskranz pflücken wollte, von einer Schlange gebissen wurde und starb."
Die Leute wurden ruhig.
*Kaum zu glauben, daß sich ausgewachsene Männer solche Weibergeschichten zu Herzen nehmen* dachte Jack.
"Orpheus konnte das nicht ertragen und ging in die Unterwelt auf ein unmögliches Unterfangen. Er brachte den Fährmann Charon dazu, ihn über den Styx zu bringen und traf schließlich auf die Herren der Unterwelt: Thies und seine geraubte Frau Proserpina. Mit seiner Musik konnte er die Götter erweichen, ihm eine Chance zu geben, seine Geliebte zurück zu den Lebenden zu holen. Er mußte dazu den ganzen Weg aus der Unterwelt gehen und durfte sich niemals umwenden, um zu sehen, ob seine Euridice ihm folgte. Auf dem langen Weg befielen ihn immer mehr Zweifel, ob sie nicht noch zu schwach von dem Schlangengift wäre. Als dann auch noch ein lautes Geräusch ertönte, glaubte er, Thies hätte ihn verraten. Er drehte sich um und sah Euridice. Doch als er glücklich ihre Hand ergreifen wollte, wurde sie ihm ein zweites Mal entrissen. "Lebe wohl" waren ihre letzte Worte an ihren Geliebten."
"Warum sind eure Geschichten immer so traurig?" fragte Elizabeth. "Geht es in der griechichen Götterwelt nie gut aus?"
"Können wir denn aus den guten Geschichten lernen?"
"Was lernen wir aus dieser Geschichte?" Sparrow warf seine Arme fragend hoch. "Fordert nicht die Götter heraus? Laßt die Finger von Ungewissen Geschichten? Wie langweilig, wenn es immer so wäre!"
"Das muß jeder für sich lernen."
"Und was lernt unser erster Maat daraus?" frage Hank.
"Ich? Nun ich lerne vor allem zwei Dinge daraus. Erstens: Manche Unterfangen sind unmöglich. Niemand kann Verlorenes zurückbringen. Wir alle sind machtlos gegenüber gewissen Dingen."
"Zum Beispiel dem Tod," folgerte Elizabeth und dachte an die dunklen Augen ihres Geliebten. Schnell verdrängte sie die Vorstellung, wie sie kalt wurden und alles Leben aus ihnen wich. Er mußte leben.
"Zum Beispiel. Zweitens: Manchmal ist es an der Zeit, sogar seinem ärgsten Feind zu vertrauen, auch wenn dies schwer fällt."
Jack grunzte und stand auf. Der Kapitän legte sich zur Ruhe. Doch die Mannschaft saß noch lange und als auch sie immer weniger wurde, blieb letztendlich nur noch die Nachtwache.
*~*~*~*~
Tag: Morgens
"Land in Sicht!" schrie der Pirat auf dem Ausguck.
Langsam wurde das Schiff lebendig. Die Piraten strichen den Jolly Roger- Piraten waren an diesem Ort nicht gern gesehen, zumindest nicht, wenn sie es offen zur Schau trugen - und machten ein Beiboot bereit. Elizabeth stürmte aufs Deck. Und sah, wie Sparrow, Marley und drei weitere Männer hinein stiegen.
"Moment!"
Sie hatte Jacks Ohr gepackt und zog ihn zu sich herauf.
"So kommst du mir nicht davon! Was sollte das?"
"Was meinst du?" fragte der Kapitän scheinheilig. "AU!"
"Ihr geht an Land, ohne mich?"
"Ich dachte..."
Sie zog noch mehr an dem dreckigen Ohr, wodurch er noch einmal laut aufschrie.
"Du dachtest was, Sparrow? Die Frau zurück zu lassen, während ihr euch einen Landurlaub gönnt? So nicht Freundchen!"
Sie ließ ihn los und stieg in das kleine Boot, packte ein Ruder. Jack wankte an das vordere Ende des Beibootes und ließ sich fallen.
"Also, gut! Dann mal los! RUUUUUUUUUUUDERN!RRRRRRRUUUUDERN!"
Marley staunte über die Ausdauer, mit der die junge Frau das Ruder übernahm. Jetzt fing er langsam an, zu begreifen, was Jack letzte Woche gemeint hatte. Ja, in der Villa war sie eingesperrt gewesen, wie ein Vogel im goldenen Käfig. Zwar paßte der großzügige Lebensstil zu der jungen Frau, nicht aber dieser aufgezwungene Charakter.
Sie erreichten den kleinen Hafen innerhalb weniger Minuten. Elizabeth fühlte die Hitze von der Arbeit in sich aufsteigen und genoß es.
Jack sah sich aufmerksam um, wie er es immer tat. Vor allem der erste Eindruck war immer sehr wichtig, denn dann sah man alles im unzensierten Zustand. Wenn ihre Ankunft erst mal bekannt wurde, konnte es leicht sein, daß hier und da Sachen versteckt wurden, die nicht gesehen werden sollten.
Alles schien normal zu sein. Das übliche Gesocks lungerte herum und Männer waren fleißig bei ihrer Arbeit. Dieser Hafen unterschied sich beinahe nicht von Port Royal, bis auf die Tatsache, daß er etwas älter und größer war, als der andere. Die Häuser wiesen Altersspuren auf, die Straße war nicht sehr gut. Jack Sparrow versuchte sich eine Karte in seinem Kopf einzuprägen.
*Pub, Gasse, noch ein Pub, verdächtig nach Bordell aussehendes Haus (Memo: sehr wichtig), Gasse...*
Schon bald kamen sie in eine nicht so verkommene Gegend, aber die Häfen selbst waren zumeist der schlimmste Teil der Stadt. Die Truppe ging einmal im ganzen Ort herum, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Zu Mittag kehrten sie in eine der Kneipen ein und aßen eine Kleinigkeit.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Elizabeth ungeduldig.
"Ach, Schatz. Wir werden warten."
Sie mochte es nicht, wenn Jack sie so nannte, doch noch weniger gefiel ihr seine Entspanntheit.
"Warten? Und Worauf?"
Marley rückte näher.
"Wir warten auf die Nacht. Das ist die interessante Zeit, die beste, um Informationen zu bekommen."
"Aye, so ist es. Im Moment seh ich mir lieber das Städtchen an. War lange nicht mehr hier und man muß ja immer wissen, wo der nächste Fluchtweg ist."
Jack trank seinen Krug leer.
"So, ich werde jetzt mal einen Fluchtweg der ganz besonderen Art suchen."
Er stand auf und wankte in Richtung der Toiletten. Elizabeth lächelte. Dieses Wanken war nicht etwa die Seemannskrankheit, denn sonst müßte sie an Bord eines Schiffes ja behoben sein. Sie mußte sich immer wieder wundern, was wohl seinen Gleichgewichtssinn so durcheinander brachte.
*~*~*~*~
Nacht
Sie hatten vier mal die Kneipe gewechselt und nun in einem besonders dreckigen Schuppen halt gemacht. Doch Elizabeth achtete nicht auf die Flecken auf Tisch, Gläsern und Stühlen. Sie hatte heute ein ganz besonderes Getränk kennen gelernt: Grog! Zunächst hatte sie ausspucken müssen. Dieses Gesöff hatte widerlich geschmeckt! Doch mit jedem Krug - sie hatte gerade mal den dritten - wurde es etwas besser. Jack schien auch gut bei der Sache. Er tanzte zu einem Akordeon auf dem Tisch und pfiff den Dirnen hinterher. Elizabeth lachte und fiel mindestens drei Mal fast vom Stuhl. Oran und der lange Sneek saßen am Tresen und verhielten sich ruhig, während der dritte, Lir, damit beschäftigt war, seinen Kapitän anzuspornen. Durch Jacks Wanken, sah er sehr seltsam aus. Immer wenn jeder dachte, er fiele vom Tisch, fing er sich wieder und tanzte weiter. Als die großbusige Bedienung vorbeiging, schnappte er sich ihre Stola und führte damit einen äußerst "außergewöhnlichen" Tanz auf, worauf sie nach ihm schlug. Er sah aus wie ein Volltrunkener.
Nach einer weiteren Stunde und etlichen Grogs, stieg er vom Tisch.
"Ich werde gehen. Wenn ihr wollt, bleibt, aber seid vor Sonnenaufgang an Bord."
Marley, Oran und Lir amüsierten sich prächtig über Elizabeth, die auf ihrem Stuhl, voller Begeisterung über das neue Getränk, hin und her schwankte, wie man es sonst nur vom Kapitän gewöhnt war.
"Aye, Kapittttän!" Elizabeth hob die Hand an ihre Stirn und salutierte dürftig. "Wir bleiben noch etwas auf Landurlaub. Ssss... ssss... sind morgen früh an Bord."
Jack grinste und seine Goldzähne funkelten im Kerzenlicht. Er ging an die Theke.
"Was willst du?" fragte der Mann dahinter, während er ein Glas polierte. Er war Dunkelhäutig und hatte kaum noch Haare. Seine offen sichtbaren Oberarme schwellten vor Muskeln.
Jack legte die Zeche für sich und seine Begleitung auf den Tisch und der Mann strich sie ein. Dann schob er noch zwei Schilling hinterher. Der Mann kam näher.
"Vor etwa einem Jahr war ein Schiff hier. Riesig, schwarz, ohne Namen. Erinnerst du dich?"
"So ein Schiff war hier, aber es mißfällt mir, darüber zu sprechen."
Jack gab ihm zwei weitere Geldstücke.
"Hm... Es lag hier vor Anker, aber nur kurz, über Nacht. Sie nahmen das Übliche an Bord, Tabak, Rum, Verpflegung. Tuche vielleicht noch."
"Du erinnerst dich ziemlich gut, nicht wahr?"
"Ich weiß es, weil ich mit einem Mann gesprochen habe, der ihnen die Waren besorgt hatte. Er war damals etwas verstört. Die Gerüchte um dieses Schiff, sorgen für Aufsehen."
"Was hast du gehört?"
"Es war riesig, schwarz, ohne Namen," wiederholte er nur das, was Jack schon zuvor gesagt hatte.
"Wer hat ihnen die Ware besorgt?"
"Ein Händler, der auch viele andere versorgt hatte."
"Wo finde ich ihn?"
"Auf dem Friedhof. Er ist vor einem Halben Jahr gestorben. War schon alt."
*Mist!*
"Das war alles, was ich weiß. Außer... Man sagt sich, dieses Schiff ziehe umher und plünderte Hafenstädte. Innerhalb kürzester Zeit sei es in den weit entferntesten Orten gesehen worden. Es muß sehr schnell sein, wenn ihr mich fragt."
"Also gut, dann noch eine lange Nacht," zischte Jack.
Er bewegte sich zum Ausgang und stieß dabei einen Mann an der Theke an, welcher ihn ignorierte.
Draußen atmete er die kühle Nachtluft ein. Sofort verzog sich der Nebel etwas aus seinem Kopf. Er ging in Richtung Hafen.
Die Schritte der dunklen Figur die dem Kapitän folgte, waren kaum zu hören. Sie hielt sich bewußt im Schatten, um ihre Anwesenheit so lange, wie möglich geheim zu halten. Sie kam ihrem Ziel näher... und näher. Ein Säbel wurde aus seiner Scheide gezogen...
*~*~*~*~
Jack hörte das metallene Geräusch erst, als es fast schon zu spät war. Er konnte sich gerade noch weg ducken und spürte den schwachen Wind, der von der Klinge ausging, seine Wange berühren. Schnell wechselte er in einen schnellen Lauf. Sein Instinkt hatte ihm geraten, sich nicht umzudrehen. Zu seinem Glück. Dort, wo er gerade noch gestanden hatte war die silberne Klinge nieder gegangen und versprühte Funken, als sie auf das Pflaster traf. Nun vollführte Jack eine Drehung und zog seinen verrosteten Säbel, um den nächsten Schlag zu parieren. Er kam sehr hart. Der Kapitän spürte ein zittern durch seine Hand und seinen Arm gehen. Er hätte nicht mit solch einer Wucht gerechnet. Als er den nächsten Schlag parierte, ergriff er die Hand seines Gegenübers und hielt sie fest.
"Geb auf, du armer Irrer," zischte die Gestalt. "Es wird ganz schnell gehen."
Er riß sich los und Jack wäre fast nach hinten umgefallen, solche Kraft wirkte auf ihn ein.
*Hätte ich doch nur nicht so viel getrunken*
"Ich mag es, alles langsam zu genießen," erwiderte er.
"Ach, dann werde ich dir meine Klinge ganz langsam ins Herz stoßen."
Die Figur stieß abermals zu. Jack machte einen Ausfallschritt nach hinten. Vielleicht konnte er den Mann etwas ins Licht der Straßenlaterne locken? Doch sofort wurde seinem Plan ein Strich durch die Rechnung gemacht. Der Angreifer zwang ihn mit seinen Attaken nun gerade wieder in die andere Richtung. Die Klingen Schlugen hart aufeinander. Plötzlich passierte es! Jacks Säbel brach! Hätte er sich nicht geschickt zur Seite gedreht, wäre er einen Kopf kürzer gewesen. Ein Tritt gegen sein Handgelenk entledigte ihn auch noch dem Rest seiner Waffe.
*Verdammt, ist der schnell!*
Jack tadelte sich selbst für diesen Augenblick der Unaufmerksamkeit. Langsam befürchtete er, es würde ihn teuer zu stehen kommen.
Er mußte in eine Gasse weichen. Schnell griff er nach umher liegenden Holzkisten und begann diese nach dem Mann zu werfen. Dies hielt ihn auf, stellte aber kein dauerhaftes Hindernis da, denn sein Säbel zerschlug jede einzelne. Da passierte, das, was Jack befürchtet hatte. Er spürte eine Wand in seinem Rücken! Eine Sackgasse! Sein Herz setzte einen Sekundenbruchteil aus.
*Was für ein ehrloses Ende für den großen Jack Sparrow. Also ende ich in der Gosse.*
Die Klinge kam wieder auf ihn zu. Jack ließ sich an der Wand zu Boden sinken und hob schützend seinen Arm über den Kopf. Unbarmherzig senkte sich das Eisen....
Klock!
Er spürte ein schweres Gewicht auf seinen Arm nieder gehen. Aber kein heißer Schmerz durchzuckte seinen Körper. Keine Ohnmacht kam über ihn. Der Kapitän öffnete die Augen.
Er schob den erschlafften Körper zur Seite.
"Vielleicht, war der letzte Grog zu viel?"
"Marley," stöhnte Jack.
Marley stand über ihm mit einem langen Brett in Händen. Der Maat half ihm auf die Beine, was gar nicht leicht war, denn diese waren noch weicher als sonst.
"Ich betrachtete die Sterne, als dieser Schuft mich überfallen wollte! Danke, oh Erretter!"
Jack umarmte seinen Maat in gespielter Überschwenglichkeit. Dann sah er auf seinen Angreifer nieder.
"Ist er nicht süß? Ich denke ich sollte ihn behalten."
Marley schüttelte in Verwunderung den Kopf.
"Och, bitte Papi! Nur eine Nacht!"
Zuerst ging Sparrow zurück auf die Straße und holte seinen zerbrochenen Säbel. Als er wieder zurück kam, fluchte er, wie es nur ein Pirat konnte. Dann hoben die Männer den Ohnmächtigen auf und brachten ihn an Bord der Black Pearl.
*~*~*~*~
Tag: Vormittag
Der Gefangene erwachte aus seiner Ohnmacht. Er fand sich an einen Stuhl in der Kajüte Jack Sparrows gefesselt.
"Na, endlich ausgeschlafen?"
Der Gefangene erblickte nun den Kapitän der Black Pearl vor ihm in seinem großen gepolsterten Sessel hinter dem Schreibtisch. Jack sah sich genau an, was ihm da ins Netz gegangen war. Das Gesicht des Mannes war gepflegt, im Gegensatz zu seiner Kleidung. Sein gekämmtes Haar zeigte erste graue Strähnen. Die Falten in seinem Gesicht verliehen ihm nur noch mehr Charakter. Jack sprang plötzlich über den Tisch und blieb auf selbigem sitzen.
"Schön, daß ihr mich mit eurem Besuch ehrt!" Jacks rauhe Stimme war voller Vorfreude.
Der Angriff war das Beste, was ihnen hatte passieren können! Auch wenn es knapp gewesen war... Nun hatten sie Jemanden, der vielleicht etwas Licht in die Sache bringen würde. Der Gefangene reagierte auf Jacks Begrüßung, indem er ihn anspuckte. Sparrow nickte unberührt. Er griff nach dem Tablett hinter sich und bekam einen Dolch zu greifen.
"So, dann wollen wir doch mal sehn."
Er setzte den Dolch an der rechten Handoberfläche des Gefangenen an.
"Wer bist du? Und für wen arbeitest du?"
Nichts. Jack drückte die Klinge durch die Haut des anderen. Dieser nahm die Wunde ohne eine Wimper zu zucken hin. Jack rückte das Tablett in Sichtweite des anderen. Verschiedene Gefäße waren darauf angesammelt. Langsam drehte der Kapitän ein Gefäß nach dem anderen um, so daß der Gefangene, die Aufschriften lesen konnte: Salz, Grog, Arsen, Glas, Queezy.
"Wir können es auf die harte Tour machen oder auf die sanfte."
Jack nahm das Salz.
"Also, wer bist du und für wen arbeitest du? Was weißt du über das Schiff ohne Namen?"
Der Mann fürchtete das Salz nicht. Dennoch schrie er auf vor Schmerz, als Sparrow ihm etwas davon in die Wunde streute.
"Wir können die ganze Pallette durchmachen. Danach füge ich dir diese Schmerzen an jeder Stelle deines Körpers zu."
Jack senkte den Blick auf die wohl empfindlichste Stelle des Mannes. Dieser nickte schließlich zum Tablett.
"Was ist Queezy."
In dem mit "Queezy" beschrifteten Gefäß war eine gelbe Flüssigkeit.
"Die Frage ist doch eher, wer ist Queezy! Ich schätze im Moment ist Queezy gerade unter Deck und spielt an der Stelle rum, wo dieses Zeug her stammt."
Der Mann wurde blaß. Ekel stand in seinem Gesicht. Nach einer Stunde waren sie noch nicht weiter. Doch die Erschöpfung war dem Mann ins Gesicht geschrieben. Unbenutzt waren nur die Queezy-Flasche und das Arsen. Der Kapitän beschloß nun mit ersterem Fläschchen weiter zu machen. Er nahm es in die Hand und hielt es dicht vor das Gesicht des anderen.
"Also...?"
"Du ekelhafter..."
Jack entfernte den Korken.
"Nein! Halt! Warte! Tot bin ich so oder so. Und du auch Jack Sparrow!"
"Ach, bin ich das?"
"Wenn du dachtest, der Kampf gestern wäre anstrengend gewesen, dann denke lieber nicht an das, was auf dich zukommt!"
"Und was soll das sein?"
"Seth! Er wird dich kriegen! Das sag ich dir!"
"Warum seid ihr - du und dieser... Seth - so auf mich aus?"
"Weil du auf der Suche bist. Wärest du schlau gewesen, hättest du dich nie eingemischt, wie sonst auch. Plötzlich wirst du noch emotional und selbstlos?"
Jack führte die Flasche gefährlich nahe an die Hand des anderen.
"Wer ist Seth?"
"Ein weiterer Handlanger! Denkst du, ich bin der einzige hier? Ich bin nur der, der zuerst geschickt wird. Seth ist es, der sich allem annimmt, was an mir vorbei kommt. Er ist ein Attentäter, ein Killer."
"Was ist genau eure Aufgabe?" Der Kapitän wurde nicht wirklich schlau aus dem bis jetzt Gesagten.
"Wir wurden zurück gelassen, um alles und jeden zu töten, der auf der Suche ist. Nach Port Royal war hier die einzige Anlaufstelle des Schiffes. Ausgenommen seines Hauptankerplatzes."
Jetzt wurde es erst interessant.
"Wo liegt dieser Ankerplatz?"
"Wenn ich das sage, bin ich tot! Außerdem ist es nicht sicher, daß sie gerade noch dort sind."
"Wo ist er?" Jack drückte das Salz etwas in einer der Wunden herum. Der Mann schrie. Ein Anflug von Panik hatte ihn empfänglich für den Schmerz gemacht.
"Er... Er ist bei... AAAAAAAHH!!! Bei der Insula Silentia!"
Jack hörte auf.
"Dort ist er, an der nördlichsten Bucht."
Schnell notierte er sich die Koordinaten, der Insel.
"Gut," Jack war zufrieden mit sich. Schon ein Punkt abgehakt. "Was ist mit William Turner? Lebt er?"
Der Mann nickte geschlagen.
"Warum wurde er entführt?"
"Ich weiß es nicht."
Er log!
Jack schüttete etwas der alkoholischen Flüssigkeit in die Wunde.
"Nein!" schrie der andere. "Hör auf!"
"Wer hat ihn entführt?"
"Ich habe schon viel zu viel gesagt, jetzt laß mich gehen! Ich muß die Stadt verlassen!"
"NEIN! Du bleibst hier, bis ich weiß, was ich wissen will!" Zorn flammte in den Augen des Kapitäns auf.
"Wer hat das Kommando über das Schiff? Was ist mit Turner?!"
Der Mann blickte panisch umher.
"Warum wurde William Turner entführt?"
Plötzlich blieb der Blick des Mannes am Fenster hinter Jack hängen. Seine Augen weiteten sich in Schock. Jack wurde auf einmal bewußt, daß etwas nicht stimmte.
Er duckte sich unter den Tisch, genau in dem Augenblick, als das Fenster zerbrach und ein Zischen die Luft zerschnitt.
"Männer! Zu mir!" rief Sparrow aus voller Brust.
"Alle in die Kabine des Kapitäns!" drang es sofort von draußen herein.
Es waren keine 10 Sekunden vergangen, da stürmten die ersten Piraten schon die Kajüte und blickten sich nach einem nicht vorhandenen Feind um.
"Kapitän!" rief Hank mit dem Säbel in der Hand.
Jack kroch langsam unter dem Schreibtisch heraus und sah sich einer schrecklichen Fratze gegenüber. Sein Verhör war wohl beendet. Vor ihm im Stuhl saß ein toter Mann. Sein Mund war weit geöffnet und heraus ragte ein dicker Pfeil, der den Kopf an den hohen Stuhl geheftet hatte.
"Mist!" Jack sah sich um.
Es war keine weitere Spur zurück gelassen worden, bis auf das Loch in einem der Fenster der Kajüte. Hank atmete auf, als er den Kapitän wohl auf sah. Dieser rannte an das Fenster um zu sehen, ob der Täter noch zu sehen war.
Nichts, außer das tief blaue Wasser. Der Hafen war 600 Meter entfernt.
In jedem Fall: Viel Spaß mit dem 3. Kapitel.
Fathers Footsteps 3
- Port Herold -
Port Royal entfernte sich langsam, aber stetig. Der Wind blies stark und gleichmäßig. An Bord der Black Pearl wurde es ruhiger - sie war in See gestochen.
An Deck standen immer noch Kapitän Jack Sparrow, sein erster Maat Marley und die gerade von ihrer Hochzeit geflüchtete Elizabeth Swann.
"Wo soll`s also hingehen?" fragte die Frau im weißen Seidenkleid.
Der zarte Stoff wehte im Wind hin und her, umspielte ihre zarte Figur.
"Es geht nach Port Herold. Wir folgen einem Tipp," klärte Sparrow sie auf.
Elizabeth nickte.
"Also auf nach Port Herold."
Voller Elan drehte sie sich um und wollte gerade einen Schritt in Richtung der Schiffsluke tun, als ihr Kleid sich an einem Brett des Bodens verfing und sie hängen blieb.
"Verdammt! Diese Kleider!"
Jack und Marley grinsten. Elizabeth schaute auf und bedachte sie mit einem bösen Blick. Dann riß sie mit einem kurzen Ruck an dem Saum. Ein Stoffetzen blieb am Boden zurück.
"Für unsere Reise wird das wohl kaum sehr nützlich sein," bemerkte sie und betrachtete den Riß in ihrem Kleid.
"Wohl kaum," bestätigte Marley. "Aber unter Deck haben wir noch ein paar alte Sachen... Hosen, wenn es euch nicht unangenehm ist."
"Ganz und gar nicht," Elizabeth machte eine Geste, als wartete sie, daß Marley ihr seinen Arm anbot, um ihr den Weg zu zeigen.
Nach kurzer Verdutztheit, bot Marley ihr den Arm an. Normalerweise gehörte solcher Schnickschnack nicht auf ein Schiff, doch er erkannte den Scherz hinter ihrem Benehmen und amüsierte sich mit. Jack wartete bis die beiden von Deck waren und kletterte den Hauptmast seines Schiffes hoch. Er liebte es an dieser Stelle zu stehen und sich den Wind um die Ohren wehen zu lassen. Seine Haare tanzten um sein Gesicht, als er noch bis zum frühen Mittag dem Horizont entgegen schaute.
*~*~*~*~
Mittag: In der Kajüte des Kapitäns
"Wir werden etwa fünf Tage nach Port Herold brauchen, wenn das Wetter mitspielt. Aber bis jetzt sieht es gut aus," Marley stand am Tisch und begutachtete eine Karte. Nebenbei führte er ein paar Berechnungen aus.
Jack hatte sich in einen Sessel fallen lassen und ließ das Medallion zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln.
*Kein Piratenblut in dir? Daß ich nicht lache! Du hast sogar eine Nachbildung des Medallions angefertigt.*
Irgendwie ließ dieses Schmuckstück Jack einen Schauer über den Rücken laufen. Er erinnerte sich daran, wie es gewesen war, ein Untoter zu sein. Es war schon cool gewesen, daß Barbossa ihm hatte kein Haar krümmen können. Aber seitdem trug er immer noch einen leichten Geschmack nach Asche in seinem Mund mit sich herum. Es war schon besser geworden, aber er war noch nicht weg...
Elizabeth betrat den Raum. Sie hatte braune Leinenhosen an, die ihr - wie auch das vergraute Hemd - etwas zu groß waren.
"Du siehst ja niedlich aus," grinste Jack.
"Ich werde damit leben können. Jetzt kann ich auch endlich einer Tätigkeit nachgehen, ohne sofort dreißig Dinge an meinem Rockzipfel hängen zu haben... Deine Männer eingeschlossen."
"Es sind gute Männer," erklärte Marley vom Schreibtisch aus und entrollte eine neue Karte.
"Mag sein, aber Piraten sind doch alle gleich. Wo sind Gibs und die anderen?"
"Ich habe meine Schuld getilgt. Gibbs ist mit Anamaria auf das neue Schiff gegangen."
Elizabeth entdeckte das Medallion.
"Das ist doch.... Wo hast du das her?"
Ihr Herz schlug wild. Sie rannte zu Jack, nahm ihm die Kette ab und drückte sie an sich, als ob sie Will dadurch etwas näher sein konnte.
"Er muß es bei der Entführung verloren haben. Was ist in dieser Nacht vorgefallen?"
Elizabeth dachte nach und rieb sich den Nasenrücken.
"Es war so... Er wollte noch arbeiten... in der Schmiede. Er arbeitete schon ungewöhnlich lange an einem Schwert. Es sollte etwas besonderes werden und er wollte es mir erst zeigen, wenn es fertiggestellt war. Jedenfalls war er noch lange in der Schmiede bevor dieses Schiff das erste Mal gesichtet wurde. Als ich nachts aufwachte und er nicht neben mir lag, fing ich an mir Sorgen zu machen. Jedoch stand ich nicht auf, sondern war nur wütend, wie er so lange aus bleiben konnte. Ich nahm mir vor ihn am nächsten Tag dafür büßen zu lassen. Ich schlief in der Stube ein und als ich am nächsten Morgen erwachte, war er noch immer nicht wieder da. Er war nicht im Haus, er war nicht in der Schmiede. Ich war so zornig. Am Mittag aber schon war ich verzweifelt. Er war nicht mehr da, ohne ein Zeichen verschwunden. Und das Schiff auch."
Jack lehnte sich zurück.
"Was ist mit diesem besonderen Schwert?"
"Ich habe es gesucht, aber wußte nicht, welches unter den ganzen Waffen es gewesen sein mußte. Keines sah für mich besonders aus."
"Hast du das Schiff selbst gesehen?"
"Nein, nur davon gehört. Sie sagten, es sei riesig. Ein Siebenmaster."
"Es gibt keine Schiffe solcher Bauart," schaltete sich Marley ein.
"Ich glaube, wir haben es hier eher mit dem Schreckgespenst eines Bettlers zu tun, als mit einem wirklichen Geisterschiff," meinte Jack und sprang auf. "Fünf Tage sagst du, Marley? Nun denn, warten wir ab, was uns erwartet!"
Die Tage vergingen langsam für Elizabeth. Sie war das schlichte und manchmal eintönige Seemannsleben nicht gewohnt. Fünf Tage waren für Seemänner keine Zeit. Viele Wochen verbrachten diese Leute auf See und ihnen wurde nicht langweilig. Es gab immer etwas zu tun und wenn nicht, dann erfand der Kapitän manchmal völlig nutzlose Arbeiten, um sie bei Laune zu halten. Sie ertappte sich oftmals dabei, wie sie Marleys Geschichten lauschte. Auch in der Nacht vor ihrer Ankunft in Port Herold sollte es ihr wieder so ergehen.
"Er kennt viele Mythen, nicht wahr, Jack?"
Sie saßen gerade an Deck zusammen und Marley eröffnete eine weitere "Märchenstunde" - wie Jack es zu nennen pflegte. Aber Elizabeth hörte jedes Mal gebannt zu und selbst Sparrow konnte sich dem Zauber der meisten Geschichten nicht entziehen.
"Heute erzähle ich euch einen Mythos, den ich dem Kapitän versprochen habe."
Die Mannschaft johlte und lachte im Kerzenschein, machte sich über ihren Kapitän lustig, der jedoch ganz ruhig an einem Faß saß und mit einem Finger an seine Flasche Rum schnippte.
"Na, dann erzähl mir davon, Maat!"
"Orpheus war ein starker Grieche. Aber ihm war eine besondere Gabe zuteil. Mit seiner Musik konnte er Mensch und Tier, Baum und Stein, ja sogar die Götter verzaubern. Es kam, daß er sich in Euridice verliebte, eine wunderschöne Frau...."
"So schön wie unsere Miss Swann?" rief einer der Männer dazwischen.
Jack warf einen Apfelkrutzen nach dem Störer, aber Marley lachte nur.
"Ja, vielleicht. Jedenfalls begab es sich, daß Euridice, als sie den Hochzeitskranz pflücken wollte, von einer Schlange gebissen wurde und starb."
Die Leute wurden ruhig.
*Kaum zu glauben, daß sich ausgewachsene Männer solche Weibergeschichten zu Herzen nehmen* dachte Jack.
"Orpheus konnte das nicht ertragen und ging in die Unterwelt auf ein unmögliches Unterfangen. Er brachte den Fährmann Charon dazu, ihn über den Styx zu bringen und traf schließlich auf die Herren der Unterwelt: Thies und seine geraubte Frau Proserpina. Mit seiner Musik konnte er die Götter erweichen, ihm eine Chance zu geben, seine Geliebte zurück zu den Lebenden zu holen. Er mußte dazu den ganzen Weg aus der Unterwelt gehen und durfte sich niemals umwenden, um zu sehen, ob seine Euridice ihm folgte. Auf dem langen Weg befielen ihn immer mehr Zweifel, ob sie nicht noch zu schwach von dem Schlangengift wäre. Als dann auch noch ein lautes Geräusch ertönte, glaubte er, Thies hätte ihn verraten. Er drehte sich um und sah Euridice. Doch als er glücklich ihre Hand ergreifen wollte, wurde sie ihm ein zweites Mal entrissen. "Lebe wohl" waren ihre letzte Worte an ihren Geliebten."
"Warum sind eure Geschichten immer so traurig?" fragte Elizabeth. "Geht es in der griechichen Götterwelt nie gut aus?"
"Können wir denn aus den guten Geschichten lernen?"
"Was lernen wir aus dieser Geschichte?" Sparrow warf seine Arme fragend hoch. "Fordert nicht die Götter heraus? Laßt die Finger von Ungewissen Geschichten? Wie langweilig, wenn es immer so wäre!"
"Das muß jeder für sich lernen."
"Und was lernt unser erster Maat daraus?" frage Hank.
"Ich? Nun ich lerne vor allem zwei Dinge daraus. Erstens: Manche Unterfangen sind unmöglich. Niemand kann Verlorenes zurückbringen. Wir alle sind machtlos gegenüber gewissen Dingen."
"Zum Beispiel dem Tod," folgerte Elizabeth und dachte an die dunklen Augen ihres Geliebten. Schnell verdrängte sie die Vorstellung, wie sie kalt wurden und alles Leben aus ihnen wich. Er mußte leben.
"Zum Beispiel. Zweitens: Manchmal ist es an der Zeit, sogar seinem ärgsten Feind zu vertrauen, auch wenn dies schwer fällt."
Jack grunzte und stand auf. Der Kapitän legte sich zur Ruhe. Doch die Mannschaft saß noch lange und als auch sie immer weniger wurde, blieb letztendlich nur noch die Nachtwache.
*~*~*~*~
Tag: Morgens
"Land in Sicht!" schrie der Pirat auf dem Ausguck.
Langsam wurde das Schiff lebendig. Die Piraten strichen den Jolly Roger- Piraten waren an diesem Ort nicht gern gesehen, zumindest nicht, wenn sie es offen zur Schau trugen - und machten ein Beiboot bereit. Elizabeth stürmte aufs Deck. Und sah, wie Sparrow, Marley und drei weitere Männer hinein stiegen.
"Moment!"
Sie hatte Jacks Ohr gepackt und zog ihn zu sich herauf.
"So kommst du mir nicht davon! Was sollte das?"
"Was meinst du?" fragte der Kapitän scheinheilig. "AU!"
"Ihr geht an Land, ohne mich?"
"Ich dachte..."
Sie zog noch mehr an dem dreckigen Ohr, wodurch er noch einmal laut aufschrie.
"Du dachtest was, Sparrow? Die Frau zurück zu lassen, während ihr euch einen Landurlaub gönnt? So nicht Freundchen!"
Sie ließ ihn los und stieg in das kleine Boot, packte ein Ruder. Jack wankte an das vordere Ende des Beibootes und ließ sich fallen.
"Also, gut! Dann mal los! RUUUUUUUUUUUDERN!RRRRRRRUUUUDERN!"
Marley staunte über die Ausdauer, mit der die junge Frau das Ruder übernahm. Jetzt fing er langsam an, zu begreifen, was Jack letzte Woche gemeint hatte. Ja, in der Villa war sie eingesperrt gewesen, wie ein Vogel im goldenen Käfig. Zwar paßte der großzügige Lebensstil zu der jungen Frau, nicht aber dieser aufgezwungene Charakter.
Sie erreichten den kleinen Hafen innerhalb weniger Minuten. Elizabeth fühlte die Hitze von der Arbeit in sich aufsteigen und genoß es.
Jack sah sich aufmerksam um, wie er es immer tat. Vor allem der erste Eindruck war immer sehr wichtig, denn dann sah man alles im unzensierten Zustand. Wenn ihre Ankunft erst mal bekannt wurde, konnte es leicht sein, daß hier und da Sachen versteckt wurden, die nicht gesehen werden sollten.
Alles schien normal zu sein. Das übliche Gesocks lungerte herum und Männer waren fleißig bei ihrer Arbeit. Dieser Hafen unterschied sich beinahe nicht von Port Royal, bis auf die Tatsache, daß er etwas älter und größer war, als der andere. Die Häuser wiesen Altersspuren auf, die Straße war nicht sehr gut. Jack Sparrow versuchte sich eine Karte in seinem Kopf einzuprägen.
*Pub, Gasse, noch ein Pub, verdächtig nach Bordell aussehendes Haus (Memo: sehr wichtig), Gasse...*
Schon bald kamen sie in eine nicht so verkommene Gegend, aber die Häfen selbst waren zumeist der schlimmste Teil der Stadt. Die Truppe ging einmal im ganzen Ort herum, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Zu Mittag kehrten sie in eine der Kneipen ein und aßen eine Kleinigkeit.
"Und was machen wir jetzt?" fragte Elizabeth ungeduldig.
"Ach, Schatz. Wir werden warten."
Sie mochte es nicht, wenn Jack sie so nannte, doch noch weniger gefiel ihr seine Entspanntheit.
"Warten? Und Worauf?"
Marley rückte näher.
"Wir warten auf die Nacht. Das ist die interessante Zeit, die beste, um Informationen zu bekommen."
"Aye, so ist es. Im Moment seh ich mir lieber das Städtchen an. War lange nicht mehr hier und man muß ja immer wissen, wo der nächste Fluchtweg ist."
Jack trank seinen Krug leer.
"So, ich werde jetzt mal einen Fluchtweg der ganz besonderen Art suchen."
Er stand auf und wankte in Richtung der Toiletten. Elizabeth lächelte. Dieses Wanken war nicht etwa die Seemannskrankheit, denn sonst müßte sie an Bord eines Schiffes ja behoben sein. Sie mußte sich immer wieder wundern, was wohl seinen Gleichgewichtssinn so durcheinander brachte.
*~*~*~*~
Nacht
Sie hatten vier mal die Kneipe gewechselt und nun in einem besonders dreckigen Schuppen halt gemacht. Doch Elizabeth achtete nicht auf die Flecken auf Tisch, Gläsern und Stühlen. Sie hatte heute ein ganz besonderes Getränk kennen gelernt: Grog! Zunächst hatte sie ausspucken müssen. Dieses Gesöff hatte widerlich geschmeckt! Doch mit jedem Krug - sie hatte gerade mal den dritten - wurde es etwas besser. Jack schien auch gut bei der Sache. Er tanzte zu einem Akordeon auf dem Tisch und pfiff den Dirnen hinterher. Elizabeth lachte und fiel mindestens drei Mal fast vom Stuhl. Oran und der lange Sneek saßen am Tresen und verhielten sich ruhig, während der dritte, Lir, damit beschäftigt war, seinen Kapitän anzuspornen. Durch Jacks Wanken, sah er sehr seltsam aus. Immer wenn jeder dachte, er fiele vom Tisch, fing er sich wieder und tanzte weiter. Als die großbusige Bedienung vorbeiging, schnappte er sich ihre Stola und führte damit einen äußerst "außergewöhnlichen" Tanz auf, worauf sie nach ihm schlug. Er sah aus wie ein Volltrunkener.
Nach einer weiteren Stunde und etlichen Grogs, stieg er vom Tisch.
"Ich werde gehen. Wenn ihr wollt, bleibt, aber seid vor Sonnenaufgang an Bord."
Marley, Oran und Lir amüsierten sich prächtig über Elizabeth, die auf ihrem Stuhl, voller Begeisterung über das neue Getränk, hin und her schwankte, wie man es sonst nur vom Kapitän gewöhnt war.
"Aye, Kapittttän!" Elizabeth hob die Hand an ihre Stirn und salutierte dürftig. "Wir bleiben noch etwas auf Landurlaub. Ssss... ssss... sind morgen früh an Bord."
Jack grinste und seine Goldzähne funkelten im Kerzenlicht. Er ging an die Theke.
"Was willst du?" fragte der Mann dahinter, während er ein Glas polierte. Er war Dunkelhäutig und hatte kaum noch Haare. Seine offen sichtbaren Oberarme schwellten vor Muskeln.
Jack legte die Zeche für sich und seine Begleitung auf den Tisch und der Mann strich sie ein. Dann schob er noch zwei Schilling hinterher. Der Mann kam näher.
"Vor etwa einem Jahr war ein Schiff hier. Riesig, schwarz, ohne Namen. Erinnerst du dich?"
"So ein Schiff war hier, aber es mißfällt mir, darüber zu sprechen."
Jack gab ihm zwei weitere Geldstücke.
"Hm... Es lag hier vor Anker, aber nur kurz, über Nacht. Sie nahmen das Übliche an Bord, Tabak, Rum, Verpflegung. Tuche vielleicht noch."
"Du erinnerst dich ziemlich gut, nicht wahr?"
"Ich weiß es, weil ich mit einem Mann gesprochen habe, der ihnen die Waren besorgt hatte. Er war damals etwas verstört. Die Gerüchte um dieses Schiff, sorgen für Aufsehen."
"Was hast du gehört?"
"Es war riesig, schwarz, ohne Namen," wiederholte er nur das, was Jack schon zuvor gesagt hatte.
"Wer hat ihnen die Ware besorgt?"
"Ein Händler, der auch viele andere versorgt hatte."
"Wo finde ich ihn?"
"Auf dem Friedhof. Er ist vor einem Halben Jahr gestorben. War schon alt."
*Mist!*
"Das war alles, was ich weiß. Außer... Man sagt sich, dieses Schiff ziehe umher und plünderte Hafenstädte. Innerhalb kürzester Zeit sei es in den weit entferntesten Orten gesehen worden. Es muß sehr schnell sein, wenn ihr mich fragt."
"Also gut, dann noch eine lange Nacht," zischte Jack.
Er bewegte sich zum Ausgang und stieß dabei einen Mann an der Theke an, welcher ihn ignorierte.
Draußen atmete er die kühle Nachtluft ein. Sofort verzog sich der Nebel etwas aus seinem Kopf. Er ging in Richtung Hafen.
Die Schritte der dunklen Figur die dem Kapitän folgte, waren kaum zu hören. Sie hielt sich bewußt im Schatten, um ihre Anwesenheit so lange, wie möglich geheim zu halten. Sie kam ihrem Ziel näher... und näher. Ein Säbel wurde aus seiner Scheide gezogen...
*~*~*~*~
Jack hörte das metallene Geräusch erst, als es fast schon zu spät war. Er konnte sich gerade noch weg ducken und spürte den schwachen Wind, der von der Klinge ausging, seine Wange berühren. Schnell wechselte er in einen schnellen Lauf. Sein Instinkt hatte ihm geraten, sich nicht umzudrehen. Zu seinem Glück. Dort, wo er gerade noch gestanden hatte war die silberne Klinge nieder gegangen und versprühte Funken, als sie auf das Pflaster traf. Nun vollführte Jack eine Drehung und zog seinen verrosteten Säbel, um den nächsten Schlag zu parieren. Er kam sehr hart. Der Kapitän spürte ein zittern durch seine Hand und seinen Arm gehen. Er hätte nicht mit solch einer Wucht gerechnet. Als er den nächsten Schlag parierte, ergriff er die Hand seines Gegenübers und hielt sie fest.
"Geb auf, du armer Irrer," zischte die Gestalt. "Es wird ganz schnell gehen."
Er riß sich los und Jack wäre fast nach hinten umgefallen, solche Kraft wirkte auf ihn ein.
*Hätte ich doch nur nicht so viel getrunken*
"Ich mag es, alles langsam zu genießen," erwiderte er.
"Ach, dann werde ich dir meine Klinge ganz langsam ins Herz stoßen."
Die Figur stieß abermals zu. Jack machte einen Ausfallschritt nach hinten. Vielleicht konnte er den Mann etwas ins Licht der Straßenlaterne locken? Doch sofort wurde seinem Plan ein Strich durch die Rechnung gemacht. Der Angreifer zwang ihn mit seinen Attaken nun gerade wieder in die andere Richtung. Die Klingen Schlugen hart aufeinander. Plötzlich passierte es! Jacks Säbel brach! Hätte er sich nicht geschickt zur Seite gedreht, wäre er einen Kopf kürzer gewesen. Ein Tritt gegen sein Handgelenk entledigte ihn auch noch dem Rest seiner Waffe.
*Verdammt, ist der schnell!*
Jack tadelte sich selbst für diesen Augenblick der Unaufmerksamkeit. Langsam befürchtete er, es würde ihn teuer zu stehen kommen.
Er mußte in eine Gasse weichen. Schnell griff er nach umher liegenden Holzkisten und begann diese nach dem Mann zu werfen. Dies hielt ihn auf, stellte aber kein dauerhaftes Hindernis da, denn sein Säbel zerschlug jede einzelne. Da passierte, das, was Jack befürchtet hatte. Er spürte eine Wand in seinem Rücken! Eine Sackgasse! Sein Herz setzte einen Sekundenbruchteil aus.
*Was für ein ehrloses Ende für den großen Jack Sparrow. Also ende ich in der Gosse.*
Die Klinge kam wieder auf ihn zu. Jack ließ sich an der Wand zu Boden sinken und hob schützend seinen Arm über den Kopf. Unbarmherzig senkte sich das Eisen....
Klock!
Er spürte ein schweres Gewicht auf seinen Arm nieder gehen. Aber kein heißer Schmerz durchzuckte seinen Körper. Keine Ohnmacht kam über ihn. Der Kapitän öffnete die Augen.
Er schob den erschlafften Körper zur Seite.
"Vielleicht, war der letzte Grog zu viel?"
"Marley," stöhnte Jack.
Marley stand über ihm mit einem langen Brett in Händen. Der Maat half ihm auf die Beine, was gar nicht leicht war, denn diese waren noch weicher als sonst.
"Ich betrachtete die Sterne, als dieser Schuft mich überfallen wollte! Danke, oh Erretter!"
Jack umarmte seinen Maat in gespielter Überschwenglichkeit. Dann sah er auf seinen Angreifer nieder.
"Ist er nicht süß? Ich denke ich sollte ihn behalten."
Marley schüttelte in Verwunderung den Kopf.
"Och, bitte Papi! Nur eine Nacht!"
Zuerst ging Sparrow zurück auf die Straße und holte seinen zerbrochenen Säbel. Als er wieder zurück kam, fluchte er, wie es nur ein Pirat konnte. Dann hoben die Männer den Ohnmächtigen auf und brachten ihn an Bord der Black Pearl.
*~*~*~*~
Tag: Vormittag
Der Gefangene erwachte aus seiner Ohnmacht. Er fand sich an einen Stuhl in der Kajüte Jack Sparrows gefesselt.
"Na, endlich ausgeschlafen?"
Der Gefangene erblickte nun den Kapitän der Black Pearl vor ihm in seinem großen gepolsterten Sessel hinter dem Schreibtisch. Jack sah sich genau an, was ihm da ins Netz gegangen war. Das Gesicht des Mannes war gepflegt, im Gegensatz zu seiner Kleidung. Sein gekämmtes Haar zeigte erste graue Strähnen. Die Falten in seinem Gesicht verliehen ihm nur noch mehr Charakter. Jack sprang plötzlich über den Tisch und blieb auf selbigem sitzen.
"Schön, daß ihr mich mit eurem Besuch ehrt!" Jacks rauhe Stimme war voller Vorfreude.
Der Angriff war das Beste, was ihnen hatte passieren können! Auch wenn es knapp gewesen war... Nun hatten sie Jemanden, der vielleicht etwas Licht in die Sache bringen würde. Der Gefangene reagierte auf Jacks Begrüßung, indem er ihn anspuckte. Sparrow nickte unberührt. Er griff nach dem Tablett hinter sich und bekam einen Dolch zu greifen.
"So, dann wollen wir doch mal sehn."
Er setzte den Dolch an der rechten Handoberfläche des Gefangenen an.
"Wer bist du? Und für wen arbeitest du?"
Nichts. Jack drückte die Klinge durch die Haut des anderen. Dieser nahm die Wunde ohne eine Wimper zu zucken hin. Jack rückte das Tablett in Sichtweite des anderen. Verschiedene Gefäße waren darauf angesammelt. Langsam drehte der Kapitän ein Gefäß nach dem anderen um, so daß der Gefangene, die Aufschriften lesen konnte: Salz, Grog, Arsen, Glas, Queezy.
"Wir können es auf die harte Tour machen oder auf die sanfte."
Jack nahm das Salz.
"Also, wer bist du und für wen arbeitest du? Was weißt du über das Schiff ohne Namen?"
Der Mann fürchtete das Salz nicht. Dennoch schrie er auf vor Schmerz, als Sparrow ihm etwas davon in die Wunde streute.
"Wir können die ganze Pallette durchmachen. Danach füge ich dir diese Schmerzen an jeder Stelle deines Körpers zu."
Jack senkte den Blick auf die wohl empfindlichste Stelle des Mannes. Dieser nickte schließlich zum Tablett.
"Was ist Queezy."
In dem mit "Queezy" beschrifteten Gefäß war eine gelbe Flüssigkeit.
"Die Frage ist doch eher, wer ist Queezy! Ich schätze im Moment ist Queezy gerade unter Deck und spielt an der Stelle rum, wo dieses Zeug her stammt."
Der Mann wurde blaß. Ekel stand in seinem Gesicht. Nach einer Stunde waren sie noch nicht weiter. Doch die Erschöpfung war dem Mann ins Gesicht geschrieben. Unbenutzt waren nur die Queezy-Flasche und das Arsen. Der Kapitän beschloß nun mit ersterem Fläschchen weiter zu machen. Er nahm es in die Hand und hielt es dicht vor das Gesicht des anderen.
"Also...?"
"Du ekelhafter..."
Jack entfernte den Korken.
"Nein! Halt! Warte! Tot bin ich so oder so. Und du auch Jack Sparrow!"
"Ach, bin ich das?"
"Wenn du dachtest, der Kampf gestern wäre anstrengend gewesen, dann denke lieber nicht an das, was auf dich zukommt!"
"Und was soll das sein?"
"Seth! Er wird dich kriegen! Das sag ich dir!"
"Warum seid ihr - du und dieser... Seth - so auf mich aus?"
"Weil du auf der Suche bist. Wärest du schlau gewesen, hättest du dich nie eingemischt, wie sonst auch. Plötzlich wirst du noch emotional und selbstlos?"
Jack führte die Flasche gefährlich nahe an die Hand des anderen.
"Wer ist Seth?"
"Ein weiterer Handlanger! Denkst du, ich bin der einzige hier? Ich bin nur der, der zuerst geschickt wird. Seth ist es, der sich allem annimmt, was an mir vorbei kommt. Er ist ein Attentäter, ein Killer."
"Was ist genau eure Aufgabe?" Der Kapitän wurde nicht wirklich schlau aus dem bis jetzt Gesagten.
"Wir wurden zurück gelassen, um alles und jeden zu töten, der auf der Suche ist. Nach Port Royal war hier die einzige Anlaufstelle des Schiffes. Ausgenommen seines Hauptankerplatzes."
Jetzt wurde es erst interessant.
"Wo liegt dieser Ankerplatz?"
"Wenn ich das sage, bin ich tot! Außerdem ist es nicht sicher, daß sie gerade noch dort sind."
"Wo ist er?" Jack drückte das Salz etwas in einer der Wunden herum. Der Mann schrie. Ein Anflug von Panik hatte ihn empfänglich für den Schmerz gemacht.
"Er... Er ist bei... AAAAAAAHH!!! Bei der Insula Silentia!"
Jack hörte auf.
"Dort ist er, an der nördlichsten Bucht."
Schnell notierte er sich die Koordinaten, der Insel.
"Gut," Jack war zufrieden mit sich. Schon ein Punkt abgehakt. "Was ist mit William Turner? Lebt er?"
Der Mann nickte geschlagen.
"Warum wurde er entführt?"
"Ich weiß es nicht."
Er log!
Jack schüttete etwas der alkoholischen Flüssigkeit in die Wunde.
"Nein!" schrie der andere. "Hör auf!"
"Wer hat ihn entführt?"
"Ich habe schon viel zu viel gesagt, jetzt laß mich gehen! Ich muß die Stadt verlassen!"
"NEIN! Du bleibst hier, bis ich weiß, was ich wissen will!" Zorn flammte in den Augen des Kapitäns auf.
"Wer hat das Kommando über das Schiff? Was ist mit Turner?!"
Der Mann blickte panisch umher.
"Warum wurde William Turner entführt?"
Plötzlich blieb der Blick des Mannes am Fenster hinter Jack hängen. Seine Augen weiteten sich in Schock. Jack wurde auf einmal bewußt, daß etwas nicht stimmte.
Er duckte sich unter den Tisch, genau in dem Augenblick, als das Fenster zerbrach und ein Zischen die Luft zerschnitt.
"Männer! Zu mir!" rief Sparrow aus voller Brust.
"Alle in die Kabine des Kapitäns!" drang es sofort von draußen herein.
Es waren keine 10 Sekunden vergangen, da stürmten die ersten Piraten schon die Kajüte und blickten sich nach einem nicht vorhandenen Feind um.
"Kapitän!" rief Hank mit dem Säbel in der Hand.
Jack kroch langsam unter dem Schreibtisch heraus und sah sich einer schrecklichen Fratze gegenüber. Sein Verhör war wohl beendet. Vor ihm im Stuhl saß ein toter Mann. Sein Mund war weit geöffnet und heraus ragte ein dicker Pfeil, der den Kopf an den hohen Stuhl geheftet hatte.
"Mist!" Jack sah sich um.
Es war keine weitere Spur zurück gelassen worden, bis auf das Loch in einem der Fenster der Kajüte. Hank atmete auf, als er den Kapitän wohl auf sah. Dieser rannte an das Fenster um zu sehen, ob der Täter noch zu sehen war.
Nichts, außer das tief blaue Wasser. Der Hafen war 600 Meter entfernt.
