Freut mich, daß es immer noch einige geschafft haben, dieser Story zu
folgen. Ihr werdet auch noch eine gehörige Portion Geduld mitbringen
müssen, denn jetzt ist erst mal Halbzeit (wenn überhaupt). Trotzdem viel
Spaß beim Lesen! Und danke für die Reviews, die spornen echt an, weiter zu
schreiben *ggg*!
@Vick23: Hihi! Meinst du wirklich, ich könnte das tun? Denkst du, ich wäre so gemein?! *lol* Supi, daß dir Jade gefällt! Elizabeth ist zwar sehr stark, aber irgendwo auch sehr damenhaft. Jade soll das etwas kompensieren.
@Sparrow-666: Dir entgeht doch auch gar nichts! Endlich weiß ich, was da nicht gestimmt hat *g*. Dabei dürfte mir bei dieser Geschichte gerade kein Fehler in Steinkunde unterlaufen, hehe... Der Rumrausch ist nun wieder verflogen, zum Glück! Hat mir nämlich einige Schwierigkeiten bereitet zu schreiben ;-) Trink net so viel! Gibt nur n Kater!
Fathers Footsteps 7
- Der Sturm -
Da kam er...
Will blieb abrupt stehen. Vor ihm, lässig an einen Baum gelehnt, hatte sich Lara vor ihm aufgebaut. Ihr Haar fiel offen über die zarten Schultern, welche in vor der Brust verschränkten Armen endeten. Ein grimmiges Lächeln zog sich über das schmale Gesicht.
"Darauf habe ich lange gewartet," ihre Augen funkelten.
"Du?!" zischte William.
"Immerhin erinnerst du dich an mich."
"Das liegt weniger an deiner Person, als an deinem Schopf," seine Stimme war kalt.
Sie zog ihr Schwert. Die goldene Waffe funkelte in der schwachen Sonne, denn der Himmel hatte sich zugezogen und ein leichter Wind war aufgekommen.
"Mein Name ist Lara Jade, falls du dich nicht daran erinnerst! Du sollst wissen, wer dich tötet!"
William Turner zog nun seinerseits. Zum Vorschein kam eine silberne Klinge, viel zu schmal für ein Schwert, wie es Lara schien. Eine Mischung aus Schwert und Degen. Der Griff leicht und doch lange genug, um ihn mit zwei Händen packen zu können. Die Schneide dünn und spitz zulaufend.
William nahm die elegante Waffe, wie einen Degen, in die Rechte.
*Mein Angriffsweg ist viel länger, als seiner* bemerkte Lara.
Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, daß der Mann vor ihr so kräftig war, diese schwere Waffe mit einer Hand halten zu können. Sie machte eine Scheinattacke, indem sie einen Schritt vor sprang. William wich zurück. Sie versuchte es noch einmal und wieder wich der Mann zurück.
"Angst, Jungchen?"
"Vor deinen Kinderspielchen, Mädchen?"
Sie sprang auf ihn zu und hieb auf ihn ein. Mit einer schnellen Drehung wich William Lara aus. Sein Mantel machte die Bewegung schwungvoll mit. Sofort blieb sie stehen und drehte sich um 180 Grad. Doch wo war die Attacke? William stand einige Meter entfernt von ihr und blitzte sie herausfordernd an. Er wollte, daß sie noch einmal angriff.
*Das kannst du haben!*
Sie beschloß etwas bedachter an die Sache heran zu gehen und überlegte genau, ihre nächsten Schritte. Der Zorn in ihr machte sie plump und überheblich. Sie griff erneut an. Lara versuchte einen Schlag auf die Seite zu setzten, der wie erwartet abgeblockt wurde. Sofort schlug sie nach und zwar so stark sie konnte. Ihre eigene Hand tat weh davon. Nun konterte William das erste Mal und führte sein Schwert gegen ihre Beine, danach vollführte er eine Drehung und versuchte Laras Schulter zu treffen. Lara duckte sich schnell unter der Waffe hinweg. Sie stieß zu, doch auch ihre Klinge ging ins Leere, wodurch sich eine weitere Chance für Will ergab, die er auch nutzte. Er schlug rechts, Abwehr, links, Abwehr, wollte gerade wieder rechts ansetzten, als er in der Bewegung innehielt und nach ihr trat. Sie konnte nicht ausweichen und stolperte zurück. Will setzte nach, doch sie fing sich wieder und sein Schlag verfehlte sie knapp...
"Du mußt schon etwas schneller sein, Turner!" lachte sie.
"Aber das war ich doch schon," zischte er zurück.
Da spürte Lara Jade das Blut an ihrer linken Seite herabrinnen. Er hatte ihr eine kleine Wunde am Arm zugefügt. Doch wann? Sie konnte sich gar nicht daran erinnern. Er kam auf sie zu und sie wich zurück. Seine Angriffe waren stark und Lara hatte zeitweise ihre Mühe, sie zu parieren. Doch sie schaffte es immer wieder, versuchte eigene Schläge zu führen, das Tempo zu bestimmen. Er war schnell. Plötzlich spürte sie, daß sie sich auf steinigen Grund befanden. Er hatte sie zurück gedrängt!
Da kam Lara der Gedanke, daß sie den Mann vor sich vielleicht unterschätzte. Vielleicht hatte sie sich ihrer Haut gut erwehrt, aber William Turner hatte ihren Weg bestimmt und als sie kurz die Zeit fand, riskierte sie einen Blick hinter sich... fast zu spät! Ihr Fuß stand am Rand eines Felsens und schickte ein paar Steine hinunter zur Erde. Hinter ihr ging es fast zehn Meter bergab.
*Ich muß vom Rand weg, sonst hat er leichtes Spiel!*
Aber wie! Sie lehnte ihr Gewicht etwas nach vorne, als könnte schon allein die Schwerkraft sie vom Abgrund wegziehen. Doch William hielt erbarmungslos dagegen. Sie konnte nicht Land gewinnen! Er holte aus!
Lara fühlte den Boden unter ihren Füßen weichen. Das Schwert fiel auf den Stein. Gerade so, bekam sie den Rand des Felsen zu fassen.
*~*~*~*~
Jack rannte so schnell er konnte. Jordan und Sneek waren dicht neben ihm. Sie sprangen über umgekippte Bäume und Steine hinweg. Äste und morsches Holz brachen unter ihren Füßen. Sie mußten es schaffen, rechtzeitig zu San Lorenza zu kommen, sonst würden sie vielleicht die Spur zu Marley und Elizabeth verlieren. Jacks Haare flatterten im kalten Wind. Er sah zum Himmel.
*Das auch noch! Wo ist dieser Juppiter, wenn man ihn mal braucht?*
Langsam ging ihm die Puste aus. Wann waren sie nur endlich da? Der Hinweg erschien ihm nun viel kürzer, als der Rückweg.
Wolken verdeckten den Himmel und hingen schwarz und dick über ihnen. Sie tauchten die Welt in das bedrohlich, düstere Licht, das nun auch in Jacks Gedanken herrschte. Er befürchtete, nicht rechtzeitig zu kommen, wenn sich das Wetter noch weiter verschlechtern sollte. Bei zu starkem Seegang würde er die Black Pearl nicht aus der Bucht heraus manövrieren können. Aber vielleicht hielt das Unwetter auch seine Widersacher auf?
Vor ihnen sah er den Wald etwas lichter werden.
*Wir sind da!*
Sie sprangen aus dem Wald heraus und konnten die letzten Meter viel schneller zurücklegen, da ihnen nichts den Weg versperrte. Am Strand sah Jack das zerstörte Beiboot, mit dem sie an Land gekommen waren. Die Wellen mußten es zerbrochen haben. Einige der Bretter trieben im aufgewühlten Meer.
Die drei Männer winkten, um die Besatzung der Pearl auf sich aufmerksam zu machen. Nach wenigen Minuten wurde ein Boot ins Wasser gelassen, doch es dauerte fast ewig, es an Land zu bringen. Die See war schon sehr unruhig und selbst erfahrene Piraten, wie Jack sie an Bord hatte, kamen nicht sehr schnell voran.
Nach einer verhältnismäßig langen Fahrt, bestieg Jack die Black Pearl. Trotz der kalten Gicht fühlte er das warme Gefühl der Heimat in sich. Er ließ die Segel setzten.
*~*~*~*~
Sie spürte das kalte Metall. Zuerst auf ihrer rechten Hand, dann auf ihrer blutbeschmierten linken. Auf der rechten, auf der linken. Immer wieder tippte William Turner mit seiner Waffe auf ihre Haut.
*Was tust du da? Kannst du dich etwa nicht entscheiden, welche Finger du mir zuerst abschlägst, oder willst du mich nur quälen?*
Der Stein war so rauh, daß ihre Finger bluteten. Langsam wurden sie taub. Lara wußte nicht, wie lange sie sich noch halten konnte. Vielleicht wartete er nur darauf, daß sie von selbst losließ? Verzweifelt ließ sie den Atem entweichen und versuchte durchzuhalten. Sie wußte nicht warum, denn auf was konnte sie schon warten?
Links, rechts, links, rechts...
Sie konnte nicht mehr.
*Verdammter Hundesohn!*
Wenn sie stürzte, hätte er leichtes Spiel, sie am Fuße des Felsens zu erschlagen. Verzweifelt seufzte sie. Ihre Finger gaben nach...
Sie fiel nicht.
*Was?!*
Eine blasse Hand hatte sich um ihr Handgelenk geschlossen. Laras Blut verschmierte sie. Als sie hinauf sah, erblickte sie Wiliam Turners Gesicht.
*Was tut er da?*
Langsam zog er sie in die Höhe. Fast schon konnte sie ein Bein über den Rand schwingen, als ein Schwirren durch die Luft zog und Williams Griff sich lockerte. Sie fühlte sich einen Moment schwerelos, doch bemerkte dann, daß sie fiel.
*Mist!*
Also doch! Er hatte sie fallen lassen! Lara fühlte den dumpfen Aufschlag und wie sie den Berg herunter rollte. Sie bemerkte, wie etwas an ihre Seite stieß.
Der Schwindel hatte binnen Sekunden nachgelassen. Doch war das schnell genug gewesen? Benommen öffnete sie ihre Augen. Auch wenn sie etwas getrübt waren, strahlte das Grün noch satt aus ihnen. Der Laubboden hatte ihren Aufprall abgefangen. Bevor sich ihr Blick klären konnte spürte sie, wie sich etwas neben ihr bewegte. Lara erkannte die dunkle Gestalt.
William richtete sich langsam auf, wankte, fand Stand.
*Wo, zum Hades, ist mein Schwert?* dachte sie bei sich, denn sie hatte bemerkt, daß William seines auch nicht mehr mächtig war.
Da erinnerte sie sich, daß es immer noch auf dem Felsen liegen mußte. Nein! Dort am Fuße lag es auf Williams. Gold kreuzte Silber. Der junge Mann sah in die Richtung, in welche auch Lara Jade starrte. Sofort erfaßte er, was sie vorhatte. Er griff nach seiner Pistole und Jade hielt den Atem an. Ein Griff ins Leere! Er mußte sie verloren haben! Mit einem Mal sprangen beide los, kamen beide an. Jeder ergriff die Waffe des anderen.
Willam fand sich in der gleichen Situation wieder, wie seine Gegnerin. Seine eigene Klinge war auf seine Kehle gerichtet, berührte ihn sanft, drohte ihm. Beide atmeten tief und schnell.
"Na, was jetzt?" fragte sie zuerst.
William zog nur die Schultern hoch. Doch dann heftete sich sein Blick oben an den Felsen.
"Runter," flüsterte er.
"Nicht vor dir, mein Lieber!"
"Verdammt! Runter mit dir!"
Er schlug die auf ihn gerichtete Klinge bei Seite und packte die Frau. Zusammen gingen sie zu Boden. William schnappte sich beide Schwerter und zog Lara auf die Füße. Bevor sie noch wußte, was los war, rannte sie, gestützt auf William Turner. Fast schneller, als ihre Beine sie tragen konnten, aber die von William nahmen darauf keine Rücksicht, und zwangen sie weiter. Sie wußte nicht, wie ihr geschah und schon gar nicht, was Turner vor hatte.
"Bist du völlig verrückt, Elender?" schrie sie.
"Lauf, wenn du leben willst, Mädchen! Jemand macht Jagd... auf uns!"
*~*~*~*~
"Kapitän! Wir können nicht weiter! Wir müssen unser Vorhaben verzögern, der Seegang ist zu stark!"
Sie mußten auf der östlichen Seite der Insel sein. Hier gab es zwei Buchten. Genug Schutz, wußte Marley. Er und Elizabeth waren im Kerker unter Deck des Schiffes. Sie und einige Teile des Schiffinventars wurden hin und her geschleudert.
"Marley!" rief Elizabeth durch das Tosen des Sturmes außerhalb des Schiffes. "Werden wir sinken?"
"Das hängt ganz vom Kapitän ab!"
Marley hielt sich und zur Hälfte auch die Frau am Gitter ihres Gefängnisses fest. Er hoffte, Jack und seine Männer waren dem jungen Mann, den sie Turner genannt hatten, entkommen. Der Name allein jagte ihm Schauder über den Rücken. Turner. Wenn er nur daran dachte, bei welcher Gelegenheit er den Namen zuletzt gehört hatte... schnell verdrängte er die schmerzhaften Gedanken.
Das Schiff beruhigte sich etwas. Hatten sie Schutz gesucht oder war der Sturm schon wieder am vorbeiziehen? Marley kam zu dem Schluß, daß ersteres der Fall sein mußte, denn das Heulen des Windes und das Donnern am Himmel waren noch nicht vorbei. Aber sie schienen still... gefährlich still. Marley ließ das Gitter los und hielt den Atem an. Auch Elizabeth spürte die Spannung und drückte sich an die Außenwand des Schiffes.
Die Tür öffnete sich leise. Das Schiff erbebte einen Augenblick...
*~*~*~*~
Sie spürte das warme Blut von Neuem an ihrer Schulter herab laufen und der schwache Schmerz sagte ihr, daß sie eine weitere Wunde erhalten hatte. Sie lief so schnell sie konnte, halb von dem Mann getragen, den sie gerade noch hatte töten wollen. Eine Jagd, hatte er gesagt? Sie wurde hingeworfen, in den Schutz eines großen Baumes. Ihr Schwert landete direkt neben ihr. William Turner spähte hinter dem Baum hervor, in der Hoffnung einen Blick auf seinen neuen Angreifer erhaschen zu können.
"Wer macht Jagd auf uns?" Jade saß zu seinen Füßen und begutachtete ihre Wunde.
"Ich konnte es nicht sehn, er stand mit dem Licht im Rücken und zu weit oben."
Sie fand eine kleine Verletzung in ihrer linken Schulter über der, die William ihr zugefügt hatte. Als hätte sie etwas durchbohrt. Aber nur eine Fleischwunde. Sie packte ihr Schwert.
William sah etwas in weiter Entfernung umher huschen. Schnell ging er in Deckung. Ein Sirren brach so plötzlich ab, wie es auch aufgetaucht war.
"Wir müssen weiter!"
Wieder packte er Lara am Arm, doch diesmal war sie nicht so schwer. Der Schock war verflogen und sie war wieder vollkommene Herrin über ihre Beine. Zusammen liefen sie los. Von Baum zu Baum, so schnell es ging. Immer Schutz suchend. Donner ertönte, der Wind blies stärker.
*Perfekt* dachte Will.
Je stürmischer es wurde, desto schwerer war es auch für ihren Verfolger, an ihnen dran zu bleiben. Nach einer Weile und einer ganzen Strecke fühlte William Tropfen auf seiner Haut. Aus wenigen wurden mehrere, aus diesen wurden viele. Und ehe sie sich versahen, stürmte es auf der Insel. Bäume bogen sich, lose Äste wurden umher geschleudert, Blätter wurden aufgewirbelt. William lenkte Lara im Zickzack, in der Hoffnung ihren Verfolger abhängen zu können. Wieder unter einem Baum, spähte er abermals, um zu sehen, ob der Verfolger noch da war. Lara hatte sich in den Schlamm fallen lassen und verschnaufte so gut es ging. Die Wunde spürte sie nicht mehr, aber der kalte Regen und die Hetzjagd zehrten an ihren Kräften. Auch William Turner schnaufte hart und zitterte am ganzen Leib. Sein Hemd war rosa gefärbt, Jade wunderte sich kurz darüber, aber ihre Situation ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken. Sie mußten einen Unterschlupf finden.
"Er ist nicht mehr da!" schrie er mit aller Kraft durch den Wind.
Im Wüten des Sturmes ging seine Stimme fast ganz unter.
"Wir müssen Schutz suchen!" rief Jade zurück.
Will nickte und sah sich um. Wo waren sie nur? Im Sturm war fast nichts mehr zu erkennen und sie waren so wild umher gerannt, daß William kaum noch wußte, welchen Weg er genommen hatte. Er zog einen Kompaß aus seiner Hosentasche, der schon genauso naß war, wie alles andere an ihm. Sie waren nach Westen gelaufen, das hieß nun, nach Süden. Er hoffte dort auf die felsigen Gefilde der Insel zu treffen, wo sie vielleicht Höhlen fanden.
"Süden!" schrie er und zeigte in die Richtung.
Mit einer höflichen Geste bedeutete Lara dem Mann, vorzugehen.
William rannte los und Lara hinterher. Wasser spritzte bei jedem Schritt an ihnen hoch, so wie es auch auf sie herab kam. Es waren noch einige Kilometer.
*~*~*~*~
Oder war es nur Einbildung gewesen? Hatte das Schiff tatsächlich gebebt?
Marley konnte nicht mehr weiter darüber nachdenken. Der Schock durchfuhr seine Glieder und ließ sie erstarren. Elizabeth fühlte enorme Spannung im Raum stehen, aber wußte nicht warum. Marleys entsetzter Blick entging ihr nicht, als die Tür sich geöffnet hatte.
Herein trat eine riesige Gestalt. Ein starker Körper baute sich vor ihnen auf, gehüllt in schwarzen Umhang und Hose und weißem Hemd. Vom dunklen, kurzen Haar tropfte Meer- und Regenwasser. Schwarze Augen betrachteten die Gefängnisinsassen und der Mund unter dem fein gestutzten Bart verzog sich zu einem Lächeln. Elizabeth erschrak, ihr Herz krampfte sich zusammen.
"Lange nicht gesehn, alter Freund."
"Ich hatte gehofft, wir würden uns nicht wieder treffen."
"Du kränkst mich. Bist du mir etwa immer noch böse, Marley?" Die riesenhafte Hand holte etwas aus der Tasche seiner schwarzen Weste.
Sie offenbarte zwei kleine Edelsteine, nicht größer, als ein Fingernagel. Einen blauen, einen weißen.
"Dieb!" rief Marley.
"Verschwender!" donnerte der andere zurück und die Stimme ging allen, die sie hörten durch Mark und Bein. "Ich führe zusammen, was zusammengehört!"
"Nur Leid wirst du damit anrichten!"
"Es wurde von Meinesgleichen erschaffen! Es steht mir zu!"
"Es wird dich nur wahnsinnig machen!"
"Was soll ich tun Marley? Alles, was ich bis jetzt erreichte ins Meer werfen? Das kann ich nicht!"
"Dann wird es dich voll und ganz verschlingen..."
"Nein, du Dummkopf! Ich werde es beherrschen! Nicht es mich!"
Der Kapitän war auf den Käfig zugekommen und hatte den alten Mann am Kragen gepackt. Seine Augen starrten in die des anderen. Marley glaubte, schon den Wahnsinn in ihnen erkennen zu können. Er hielt dem Blick nicht Stand, aus Angst, er könnte auch ihn infizieren.
"Du weißt nichts!"
Marley schwieg.
Dann wurde der alte Körper zurück geworfen, fast bis zu Elizabeth. Diese stand immer noch total erstarrt an der Wand.
*~*~*~*~
"Dort!" William zeigte vor sie.
Lara konnte die Felsen sehen. Ihr Herz wurde leichter.
*Eine Höhle!* sie konnte den Eingang genau sehen.
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Und es war ganz ohne Zorn. Nur voller Erleichterung. Sie konnte nicht wissen, wie schön es sie machte. So sah sie ihr Gegenüber an und nickte.
William nickte zurück, als er in den grünen Augen plötzlich Panik erkannte. Sie waren geweitet vor Schreck und ihr Mund stand leicht offen. Er spürte etwas hartes auf seiner Schulter. Dann kam die Dunkelheit...
*~*~*~*~
Sie sprang zur Seite, als sie sah, wie William Turner zu Boden gerissen wurde. Als sie wieder vom Boden hoch kam, versuchte sie mit der Handfläche ihre Augen vom Regen abzuschirmen, um etwas zu sehen. Da lag er! Unter dem Ast des Baumes begraben, der gerade entwurzelt worden war. Sie zog ihr Schwert und schaffte sich so schnell, wie möglich einen Weg durch das dichte Blätterdach. Der Ast lag direkt auf Williams Schulter. Sein Gesicht war in eine Pfütze auf dem Boden gedrückt.
*Oh, Gott! Er wird ertrinken!*
Dazu kam, daß er bewußtlos war. Sie mußte schnell handeln. Lara hieb mit ihrem Schwert auf den Ast ein, aber schon nach drei Schlägen erkannte sie, daß sie Stunden brauchen würde, um den Mann auf diese Weise zu befreien. Sie sah sich um. Der Regen fiel wie ein grauer Schleier um sie. Da erkannte sie durch fliegendes Laub und grauen Schleier einen Ast. Lang und kräftig. So schnell, wie es der rutschige Boden erlaubte, schleppte sie das Holz herbei und setzte es ein paar Meter oberhalb von Will an einen Stein an. Dann verlagerte sie ihr ganzes Gewicht auf den Hebel.
"Krach!"
Der Ast war oben, wo er dünn gewachsen war, gebrochen. Lara setzte noch einmal mit dem dicken Ende an. Wieder benutzte sie ihr ganzes Gewicht.
Sie spürte, wie ihr eigenes Gewicht das des Astes besiegte. Williams Körper wurde langsam befreit. Mit letzter Anstrengung tat sie einen Schritt vorwärts. Der Ast rutschte von ihrem Hebel und kam neben Williams Körper nieder.
Lara Jade lief zu ihm und drehte ihn um. Sie legte ihr Ohr auf sein Herz. Einen Augenblick fragte sie sich, ob solch ein kalter Mann überhaupt einen Herzschlag hatte. Doch dann hörte sie ihn. Er war tatsächlich da. Sie faßte William unter den Armen durch und um die Brust, zog den schlaffen Körper bis zur Höhle.
Erschöpft ließ sie William und sich selbst in die Trockenheit der Hohle fallen. Lara drehte sich auf den Rücken, um besser verschnaufen zu können. Sie sah zur Seite, wo der Mann lag und blickte direkt in das bewußtlose Gesicht. Es schien noch blasser zu sein, als zuvor. Etwas Blut und Dreck klebten an seiner Wange. Es sah aus, als würde er schlafen. Dann bemerkte sie wieder die rote Farbe auf seinem Hemd. War es ihr Blut, welches es so gefärbt hatte?
Sie raffte sich auf und beugte sich über William. Zunächst befreite sie ihn von dem schweren, nassen Mantel. Danach untersuchte sie seine Schulter. So weit sie feststellen konnte, war nichts gebrochen. Also drehte sie den Mann auf den Rücken und knöpfte sein Hemd auf. In seiner rechten Schulter fand sie eine kleine Wunde, als hätte ihn etwas durchbohrt. Nichts Besorgniserregendes.
Aber Ekel befiel sie, als sie daran dachte, daß sich ihrer beider Blut vermischt hatte, während er sie getragen hatte. Wieder sah sie in das friedliche Gesicht. Haß stieg in ihr auf. Wie hatte sie ihm nur helfen können? Warum hatte sie ihn unter dem Baum heraus geholt?
Plötzlich ertappte sie sich dabei, daß sie mit der Hand über seine Brust gestrichen war. Schnell zog sie sie zurück. Da wurde ihr Handgelenk von einem kräftigen Griff gepackt.
"Wage es nicht, mich noch einmal anzufassen," drohte William.
Sie entriß sich seiner Hand.
"Keine Sorge, das werde ich nicht, Turner!"
Noch leicht benommen brachte er etwas Abstand zwischen sich selbst und sie. Er lehnte sich im Sitzen an die Felswand und schnaufte tief. Stille beherrschte den Raum. William starrte hinaus in das Unwetter, während Lara ihn beobachtete. Sein Ausdruck war im Moment genauso teilnahmslos, wie damals. Er hatte einfach zugesehen. Sie versuchte ihren brennenden Zorn unter Kontrolle zu halten.
"Warum hast du mich verschont?" fragte sie schließlich.
Er beantwortete die Frage nicht. Statt dessen konterte er mit einer Gegenfrage.
"Warum hast du "mich" verschont?"
Sie wußte keine Antwort darauf. Da sie von sich auf ihn schloß, dachte sich Jade, daß er genauso wenig wußte, warum er es getan hatte. Und in der Tat, so war es. William konnte es sich nicht erklären. Wäre er bei Verstand gewesen, hätte er sie gleich beim Felsen getötet. Also gut, dann waren sie quitt... fürs erste. Eine weitere Stunde hatten sie dagesessen und geschwiegen. Dann stand William Turner auf und nahm seinen Mantel, warf ihn sich um.
"Was soll das denn werden?"
"Ich werde versuchen, den Hafen zu erreichen. Bei dem Wetter können sie den Angriff heute Abend nicht durchführen. Ich schätze, wenn ich mich beeile, komme ich vielleicht gerade noch rechtzeitig, bevor sie wieder ablegen."
*Schon wieder denkst du nur ans Gemetzel? An deinen Kapitän?*
Sie lachte.
"Wie willst du das rechtzeitig schaffen? Es sind noch mindestens drei Tage von hier. Außerdem ist der Sturm noch viel zu stark! Neptun scheint in sehr schlechter Stimmung zu sein."
"Drei Tagesmärsche. Aber man kann es in weniger schaffen, wenn man die Nacht durch läuft. Und was den Sturm angeht... ich weiß nicht gegen wen ich die besseren Chancen habe... gegen den Sturm oder gegen unseren Verfolger. Ich werde nicht hier sitzen und darauf warten, ob er uns nicht vielleicht doch findet."
Sie erinnerte sich an den Angriff des Fremden.
("Runter!" William hatte sie gewarnt, aber sie war überzeugt von einer Falle gewesen. Sein Blick war fest auf den Felsen gerichtet. Sie hielt Wills Klinge mit ihrem Blut an seinen Hals. Als es ihr dämmerte, daß er es ernst gemeint hatte, war es schon zu spät. Schneller als sie reagieren konnte, hatte er sein Schwert bei Seite geschlagen und sie nieder gerissen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihre Schulter...)
Da war was dran, dachte Jade. Er mußte eine Schußwaffe haben. Sie stand auf und drehte ihr Haar aus. Jede Menge Wasser tropfte auf den Boden.
"Ich werde dich nicht mitnehmen." Er wandte sich ab und ging zum Höhlenausgang.
"Du hast keine Wahl, ich werde dir einfach folgen."
William hätte sein Schwert ziehen können. Statt dessen stöhnte er nur und schüttelte den Kopf. Er hatte nicht die geringste Lust, diese blödsinnige Keilerei noch einmal aufzunehmen. Wenn sie den anstrengenden Marsch durchhielt, dann bitte.
"Weiber!"
"Männer, wie ihr euch immer dran stellt!"
Sie gingen hinaus in den Regen. Lange marschierten sie gegen den Wind, immer wieder peitschten Äste auf sie ein. Aber William zog es durch. In der Nacht, als der Regen noch kälter geworden war, hätte Lara einige Male fast aufgegeben. Aber ihr Wille hatte jedes Mal über ihren müden Körper gesiegt und sie war weiter gelaufen. William zeigte es nicht, doch er war beeindruckt von der Frau. Er legte ein strammes Tempo an den Tag, aber sie hielt mit. Das mußte man ihr lassen: Sie war Dickköpfig!
Am späten Nachmittag ließ der Sturm nach. Sie saßen gerade unter einem Baum, als der Regen dünner wurde. William sah gen Himmel.
*Es klärt sich auf. Viel zu früh!*
Er wußte, bei diesem Seegang würde das Schiff seinen Weg fortsetzen. In der Nacht mußte es den Hafen erreichen. Er schaute sich um, aber wo der Regen langsam den Blick freigab, zog nun Nebel auf. Wie weit waren sie gekommen? Er konnte kaum weiter als 40 Meter sehen. Nun zweifelte William ernsthaft daran, daß er rechtzeitig kommen würde. Er sah auf den Kompaß um wenigstens zu sehen, in welche Richtung sie mußten.
"Weiter geht`s!"
William verfiel wieder in den schnellen Schritt. Angetrieben von seiner Ungewißheit, lief er sogar noch schneller. Lara stöhnte. Aber dennoch raffte sie sich auf und folgte ihrem Wegweiser. Wenn sie ihn hier verlor, konnte sie Tage lang orrientierungslos in diesem Dschungel herumirren. Also hielt sie Schritt, den Mann immer ein paar Meter voraus. Sie wollte nicht riskieren, ihn in ihrem Rücken zu haben. Wer weiß, auf welche Gelegenheit er wartete?
*~*~*~*~
Früher Abend
Samuel Jones betrachtete den Horizont. Die Sonne berührte schon ganz sachte das Meer.
Der Regen hatte aufgehört und die Crew war fertig. Das Schiff war auf Vordermann gebracht worden. Er drehte sich zu den Männern um.
"Setzt die Segel! Wir fahren weiter!" schrie er mit rauher Stimme und sofort führten die Leute seinen Befehl aus.
Als er den Blick vom Mast abwandte, fiel er auf die Insel. Er ließ sich seine Qual nicht anmerken, die er erlitt. Schon wieder hatte er ihn verloren. Er hoffte, daß der junge Turner in Sicherheit war. Der Sturm war heftig gewesen.
Das Schiff machte gute Fahrt, trotz dem aufgewühlten Meer. Die Gischt spritzte an den Bug und der Wind war günstig.
*Heute Nacht ist es so weit.*
Er blickte auf die silberne Pistole in seiner Hand herab. Ein Schauder überkam ihn.
@Vick23: Hihi! Meinst du wirklich, ich könnte das tun? Denkst du, ich wäre so gemein?! *lol* Supi, daß dir Jade gefällt! Elizabeth ist zwar sehr stark, aber irgendwo auch sehr damenhaft. Jade soll das etwas kompensieren.
@Sparrow-666: Dir entgeht doch auch gar nichts! Endlich weiß ich, was da nicht gestimmt hat *g*. Dabei dürfte mir bei dieser Geschichte gerade kein Fehler in Steinkunde unterlaufen, hehe... Der Rumrausch ist nun wieder verflogen, zum Glück! Hat mir nämlich einige Schwierigkeiten bereitet zu schreiben ;-) Trink net so viel! Gibt nur n Kater!
Fathers Footsteps 7
- Der Sturm -
Da kam er...
Will blieb abrupt stehen. Vor ihm, lässig an einen Baum gelehnt, hatte sich Lara vor ihm aufgebaut. Ihr Haar fiel offen über die zarten Schultern, welche in vor der Brust verschränkten Armen endeten. Ein grimmiges Lächeln zog sich über das schmale Gesicht.
"Darauf habe ich lange gewartet," ihre Augen funkelten.
"Du?!" zischte William.
"Immerhin erinnerst du dich an mich."
"Das liegt weniger an deiner Person, als an deinem Schopf," seine Stimme war kalt.
Sie zog ihr Schwert. Die goldene Waffe funkelte in der schwachen Sonne, denn der Himmel hatte sich zugezogen und ein leichter Wind war aufgekommen.
"Mein Name ist Lara Jade, falls du dich nicht daran erinnerst! Du sollst wissen, wer dich tötet!"
William Turner zog nun seinerseits. Zum Vorschein kam eine silberne Klinge, viel zu schmal für ein Schwert, wie es Lara schien. Eine Mischung aus Schwert und Degen. Der Griff leicht und doch lange genug, um ihn mit zwei Händen packen zu können. Die Schneide dünn und spitz zulaufend.
William nahm die elegante Waffe, wie einen Degen, in die Rechte.
*Mein Angriffsweg ist viel länger, als seiner* bemerkte Lara.
Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, daß der Mann vor ihr so kräftig war, diese schwere Waffe mit einer Hand halten zu können. Sie machte eine Scheinattacke, indem sie einen Schritt vor sprang. William wich zurück. Sie versuchte es noch einmal und wieder wich der Mann zurück.
"Angst, Jungchen?"
"Vor deinen Kinderspielchen, Mädchen?"
Sie sprang auf ihn zu und hieb auf ihn ein. Mit einer schnellen Drehung wich William Lara aus. Sein Mantel machte die Bewegung schwungvoll mit. Sofort blieb sie stehen und drehte sich um 180 Grad. Doch wo war die Attacke? William stand einige Meter entfernt von ihr und blitzte sie herausfordernd an. Er wollte, daß sie noch einmal angriff.
*Das kannst du haben!*
Sie beschloß etwas bedachter an die Sache heran zu gehen und überlegte genau, ihre nächsten Schritte. Der Zorn in ihr machte sie plump und überheblich. Sie griff erneut an. Lara versuchte einen Schlag auf die Seite zu setzten, der wie erwartet abgeblockt wurde. Sofort schlug sie nach und zwar so stark sie konnte. Ihre eigene Hand tat weh davon. Nun konterte William das erste Mal und führte sein Schwert gegen ihre Beine, danach vollführte er eine Drehung und versuchte Laras Schulter zu treffen. Lara duckte sich schnell unter der Waffe hinweg. Sie stieß zu, doch auch ihre Klinge ging ins Leere, wodurch sich eine weitere Chance für Will ergab, die er auch nutzte. Er schlug rechts, Abwehr, links, Abwehr, wollte gerade wieder rechts ansetzten, als er in der Bewegung innehielt und nach ihr trat. Sie konnte nicht ausweichen und stolperte zurück. Will setzte nach, doch sie fing sich wieder und sein Schlag verfehlte sie knapp...
"Du mußt schon etwas schneller sein, Turner!" lachte sie.
"Aber das war ich doch schon," zischte er zurück.
Da spürte Lara Jade das Blut an ihrer linken Seite herabrinnen. Er hatte ihr eine kleine Wunde am Arm zugefügt. Doch wann? Sie konnte sich gar nicht daran erinnern. Er kam auf sie zu und sie wich zurück. Seine Angriffe waren stark und Lara hatte zeitweise ihre Mühe, sie zu parieren. Doch sie schaffte es immer wieder, versuchte eigene Schläge zu führen, das Tempo zu bestimmen. Er war schnell. Plötzlich spürte sie, daß sie sich auf steinigen Grund befanden. Er hatte sie zurück gedrängt!
Da kam Lara der Gedanke, daß sie den Mann vor sich vielleicht unterschätzte. Vielleicht hatte sie sich ihrer Haut gut erwehrt, aber William Turner hatte ihren Weg bestimmt und als sie kurz die Zeit fand, riskierte sie einen Blick hinter sich... fast zu spät! Ihr Fuß stand am Rand eines Felsens und schickte ein paar Steine hinunter zur Erde. Hinter ihr ging es fast zehn Meter bergab.
*Ich muß vom Rand weg, sonst hat er leichtes Spiel!*
Aber wie! Sie lehnte ihr Gewicht etwas nach vorne, als könnte schon allein die Schwerkraft sie vom Abgrund wegziehen. Doch William hielt erbarmungslos dagegen. Sie konnte nicht Land gewinnen! Er holte aus!
Lara fühlte den Boden unter ihren Füßen weichen. Das Schwert fiel auf den Stein. Gerade so, bekam sie den Rand des Felsen zu fassen.
*~*~*~*~
Jack rannte so schnell er konnte. Jordan und Sneek waren dicht neben ihm. Sie sprangen über umgekippte Bäume und Steine hinweg. Äste und morsches Holz brachen unter ihren Füßen. Sie mußten es schaffen, rechtzeitig zu San Lorenza zu kommen, sonst würden sie vielleicht die Spur zu Marley und Elizabeth verlieren. Jacks Haare flatterten im kalten Wind. Er sah zum Himmel.
*Das auch noch! Wo ist dieser Juppiter, wenn man ihn mal braucht?*
Langsam ging ihm die Puste aus. Wann waren sie nur endlich da? Der Hinweg erschien ihm nun viel kürzer, als der Rückweg.
Wolken verdeckten den Himmel und hingen schwarz und dick über ihnen. Sie tauchten die Welt in das bedrohlich, düstere Licht, das nun auch in Jacks Gedanken herrschte. Er befürchtete, nicht rechtzeitig zu kommen, wenn sich das Wetter noch weiter verschlechtern sollte. Bei zu starkem Seegang würde er die Black Pearl nicht aus der Bucht heraus manövrieren können. Aber vielleicht hielt das Unwetter auch seine Widersacher auf?
Vor ihnen sah er den Wald etwas lichter werden.
*Wir sind da!*
Sie sprangen aus dem Wald heraus und konnten die letzten Meter viel schneller zurücklegen, da ihnen nichts den Weg versperrte. Am Strand sah Jack das zerstörte Beiboot, mit dem sie an Land gekommen waren. Die Wellen mußten es zerbrochen haben. Einige der Bretter trieben im aufgewühlten Meer.
Die drei Männer winkten, um die Besatzung der Pearl auf sich aufmerksam zu machen. Nach wenigen Minuten wurde ein Boot ins Wasser gelassen, doch es dauerte fast ewig, es an Land zu bringen. Die See war schon sehr unruhig und selbst erfahrene Piraten, wie Jack sie an Bord hatte, kamen nicht sehr schnell voran.
Nach einer verhältnismäßig langen Fahrt, bestieg Jack die Black Pearl. Trotz der kalten Gicht fühlte er das warme Gefühl der Heimat in sich. Er ließ die Segel setzten.
*~*~*~*~
Sie spürte das kalte Metall. Zuerst auf ihrer rechten Hand, dann auf ihrer blutbeschmierten linken. Auf der rechten, auf der linken. Immer wieder tippte William Turner mit seiner Waffe auf ihre Haut.
*Was tust du da? Kannst du dich etwa nicht entscheiden, welche Finger du mir zuerst abschlägst, oder willst du mich nur quälen?*
Der Stein war so rauh, daß ihre Finger bluteten. Langsam wurden sie taub. Lara wußte nicht, wie lange sie sich noch halten konnte. Vielleicht wartete er nur darauf, daß sie von selbst losließ? Verzweifelt ließ sie den Atem entweichen und versuchte durchzuhalten. Sie wußte nicht warum, denn auf was konnte sie schon warten?
Links, rechts, links, rechts...
Sie konnte nicht mehr.
*Verdammter Hundesohn!*
Wenn sie stürzte, hätte er leichtes Spiel, sie am Fuße des Felsens zu erschlagen. Verzweifelt seufzte sie. Ihre Finger gaben nach...
Sie fiel nicht.
*Was?!*
Eine blasse Hand hatte sich um ihr Handgelenk geschlossen. Laras Blut verschmierte sie. Als sie hinauf sah, erblickte sie Wiliam Turners Gesicht.
*Was tut er da?*
Langsam zog er sie in die Höhe. Fast schon konnte sie ein Bein über den Rand schwingen, als ein Schwirren durch die Luft zog und Williams Griff sich lockerte. Sie fühlte sich einen Moment schwerelos, doch bemerkte dann, daß sie fiel.
*Mist!*
Also doch! Er hatte sie fallen lassen! Lara fühlte den dumpfen Aufschlag und wie sie den Berg herunter rollte. Sie bemerkte, wie etwas an ihre Seite stieß.
Der Schwindel hatte binnen Sekunden nachgelassen. Doch war das schnell genug gewesen? Benommen öffnete sie ihre Augen. Auch wenn sie etwas getrübt waren, strahlte das Grün noch satt aus ihnen. Der Laubboden hatte ihren Aufprall abgefangen. Bevor sich ihr Blick klären konnte spürte sie, wie sich etwas neben ihr bewegte. Lara erkannte die dunkle Gestalt.
William richtete sich langsam auf, wankte, fand Stand.
*Wo, zum Hades, ist mein Schwert?* dachte sie bei sich, denn sie hatte bemerkt, daß William seines auch nicht mehr mächtig war.
Da erinnerte sie sich, daß es immer noch auf dem Felsen liegen mußte. Nein! Dort am Fuße lag es auf Williams. Gold kreuzte Silber. Der junge Mann sah in die Richtung, in welche auch Lara Jade starrte. Sofort erfaßte er, was sie vorhatte. Er griff nach seiner Pistole und Jade hielt den Atem an. Ein Griff ins Leere! Er mußte sie verloren haben! Mit einem Mal sprangen beide los, kamen beide an. Jeder ergriff die Waffe des anderen.
Willam fand sich in der gleichen Situation wieder, wie seine Gegnerin. Seine eigene Klinge war auf seine Kehle gerichtet, berührte ihn sanft, drohte ihm. Beide atmeten tief und schnell.
"Na, was jetzt?" fragte sie zuerst.
William zog nur die Schultern hoch. Doch dann heftete sich sein Blick oben an den Felsen.
"Runter," flüsterte er.
"Nicht vor dir, mein Lieber!"
"Verdammt! Runter mit dir!"
Er schlug die auf ihn gerichtete Klinge bei Seite und packte die Frau. Zusammen gingen sie zu Boden. William schnappte sich beide Schwerter und zog Lara auf die Füße. Bevor sie noch wußte, was los war, rannte sie, gestützt auf William Turner. Fast schneller, als ihre Beine sie tragen konnten, aber die von William nahmen darauf keine Rücksicht, und zwangen sie weiter. Sie wußte nicht, wie ihr geschah und schon gar nicht, was Turner vor hatte.
"Bist du völlig verrückt, Elender?" schrie sie.
"Lauf, wenn du leben willst, Mädchen! Jemand macht Jagd... auf uns!"
*~*~*~*~
"Kapitän! Wir können nicht weiter! Wir müssen unser Vorhaben verzögern, der Seegang ist zu stark!"
Sie mußten auf der östlichen Seite der Insel sein. Hier gab es zwei Buchten. Genug Schutz, wußte Marley. Er und Elizabeth waren im Kerker unter Deck des Schiffes. Sie und einige Teile des Schiffinventars wurden hin und her geschleudert.
"Marley!" rief Elizabeth durch das Tosen des Sturmes außerhalb des Schiffes. "Werden wir sinken?"
"Das hängt ganz vom Kapitän ab!"
Marley hielt sich und zur Hälfte auch die Frau am Gitter ihres Gefängnisses fest. Er hoffte, Jack und seine Männer waren dem jungen Mann, den sie Turner genannt hatten, entkommen. Der Name allein jagte ihm Schauder über den Rücken. Turner. Wenn er nur daran dachte, bei welcher Gelegenheit er den Namen zuletzt gehört hatte... schnell verdrängte er die schmerzhaften Gedanken.
Das Schiff beruhigte sich etwas. Hatten sie Schutz gesucht oder war der Sturm schon wieder am vorbeiziehen? Marley kam zu dem Schluß, daß ersteres der Fall sein mußte, denn das Heulen des Windes und das Donnern am Himmel waren noch nicht vorbei. Aber sie schienen still... gefährlich still. Marley ließ das Gitter los und hielt den Atem an. Auch Elizabeth spürte die Spannung und drückte sich an die Außenwand des Schiffes.
Die Tür öffnete sich leise. Das Schiff erbebte einen Augenblick...
*~*~*~*~
Sie spürte das warme Blut von Neuem an ihrer Schulter herab laufen und der schwache Schmerz sagte ihr, daß sie eine weitere Wunde erhalten hatte. Sie lief so schnell sie konnte, halb von dem Mann getragen, den sie gerade noch hatte töten wollen. Eine Jagd, hatte er gesagt? Sie wurde hingeworfen, in den Schutz eines großen Baumes. Ihr Schwert landete direkt neben ihr. William Turner spähte hinter dem Baum hervor, in der Hoffnung einen Blick auf seinen neuen Angreifer erhaschen zu können.
"Wer macht Jagd auf uns?" Jade saß zu seinen Füßen und begutachtete ihre Wunde.
"Ich konnte es nicht sehn, er stand mit dem Licht im Rücken und zu weit oben."
Sie fand eine kleine Verletzung in ihrer linken Schulter über der, die William ihr zugefügt hatte. Als hätte sie etwas durchbohrt. Aber nur eine Fleischwunde. Sie packte ihr Schwert.
William sah etwas in weiter Entfernung umher huschen. Schnell ging er in Deckung. Ein Sirren brach so plötzlich ab, wie es auch aufgetaucht war.
"Wir müssen weiter!"
Wieder packte er Lara am Arm, doch diesmal war sie nicht so schwer. Der Schock war verflogen und sie war wieder vollkommene Herrin über ihre Beine. Zusammen liefen sie los. Von Baum zu Baum, so schnell es ging. Immer Schutz suchend. Donner ertönte, der Wind blies stärker.
*Perfekt* dachte Will.
Je stürmischer es wurde, desto schwerer war es auch für ihren Verfolger, an ihnen dran zu bleiben. Nach einer Weile und einer ganzen Strecke fühlte William Tropfen auf seiner Haut. Aus wenigen wurden mehrere, aus diesen wurden viele. Und ehe sie sich versahen, stürmte es auf der Insel. Bäume bogen sich, lose Äste wurden umher geschleudert, Blätter wurden aufgewirbelt. William lenkte Lara im Zickzack, in der Hoffnung ihren Verfolger abhängen zu können. Wieder unter einem Baum, spähte er abermals, um zu sehen, ob der Verfolger noch da war. Lara hatte sich in den Schlamm fallen lassen und verschnaufte so gut es ging. Die Wunde spürte sie nicht mehr, aber der kalte Regen und die Hetzjagd zehrten an ihren Kräften. Auch William Turner schnaufte hart und zitterte am ganzen Leib. Sein Hemd war rosa gefärbt, Jade wunderte sich kurz darüber, aber ihre Situation ließ ihr keine Zeit zum Nachdenken. Sie mußten einen Unterschlupf finden.
"Er ist nicht mehr da!" schrie er mit aller Kraft durch den Wind.
Im Wüten des Sturmes ging seine Stimme fast ganz unter.
"Wir müssen Schutz suchen!" rief Jade zurück.
Will nickte und sah sich um. Wo waren sie nur? Im Sturm war fast nichts mehr zu erkennen und sie waren so wild umher gerannt, daß William kaum noch wußte, welchen Weg er genommen hatte. Er zog einen Kompaß aus seiner Hosentasche, der schon genauso naß war, wie alles andere an ihm. Sie waren nach Westen gelaufen, das hieß nun, nach Süden. Er hoffte dort auf die felsigen Gefilde der Insel zu treffen, wo sie vielleicht Höhlen fanden.
"Süden!" schrie er und zeigte in die Richtung.
Mit einer höflichen Geste bedeutete Lara dem Mann, vorzugehen.
William rannte los und Lara hinterher. Wasser spritzte bei jedem Schritt an ihnen hoch, so wie es auch auf sie herab kam. Es waren noch einige Kilometer.
*~*~*~*~
Oder war es nur Einbildung gewesen? Hatte das Schiff tatsächlich gebebt?
Marley konnte nicht mehr weiter darüber nachdenken. Der Schock durchfuhr seine Glieder und ließ sie erstarren. Elizabeth fühlte enorme Spannung im Raum stehen, aber wußte nicht warum. Marleys entsetzter Blick entging ihr nicht, als die Tür sich geöffnet hatte.
Herein trat eine riesige Gestalt. Ein starker Körper baute sich vor ihnen auf, gehüllt in schwarzen Umhang und Hose und weißem Hemd. Vom dunklen, kurzen Haar tropfte Meer- und Regenwasser. Schwarze Augen betrachteten die Gefängnisinsassen und der Mund unter dem fein gestutzten Bart verzog sich zu einem Lächeln. Elizabeth erschrak, ihr Herz krampfte sich zusammen.
"Lange nicht gesehn, alter Freund."
"Ich hatte gehofft, wir würden uns nicht wieder treffen."
"Du kränkst mich. Bist du mir etwa immer noch böse, Marley?" Die riesenhafte Hand holte etwas aus der Tasche seiner schwarzen Weste.
Sie offenbarte zwei kleine Edelsteine, nicht größer, als ein Fingernagel. Einen blauen, einen weißen.
"Dieb!" rief Marley.
"Verschwender!" donnerte der andere zurück und die Stimme ging allen, die sie hörten durch Mark und Bein. "Ich führe zusammen, was zusammengehört!"
"Nur Leid wirst du damit anrichten!"
"Es wurde von Meinesgleichen erschaffen! Es steht mir zu!"
"Es wird dich nur wahnsinnig machen!"
"Was soll ich tun Marley? Alles, was ich bis jetzt erreichte ins Meer werfen? Das kann ich nicht!"
"Dann wird es dich voll und ganz verschlingen..."
"Nein, du Dummkopf! Ich werde es beherrschen! Nicht es mich!"
Der Kapitän war auf den Käfig zugekommen und hatte den alten Mann am Kragen gepackt. Seine Augen starrten in die des anderen. Marley glaubte, schon den Wahnsinn in ihnen erkennen zu können. Er hielt dem Blick nicht Stand, aus Angst, er könnte auch ihn infizieren.
"Du weißt nichts!"
Marley schwieg.
Dann wurde der alte Körper zurück geworfen, fast bis zu Elizabeth. Diese stand immer noch total erstarrt an der Wand.
*~*~*~*~
"Dort!" William zeigte vor sie.
Lara konnte die Felsen sehen. Ihr Herz wurde leichter.
*Eine Höhle!* sie konnte den Eingang genau sehen.
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Und es war ganz ohne Zorn. Nur voller Erleichterung. Sie konnte nicht wissen, wie schön es sie machte. So sah sie ihr Gegenüber an und nickte.
William nickte zurück, als er in den grünen Augen plötzlich Panik erkannte. Sie waren geweitet vor Schreck und ihr Mund stand leicht offen. Er spürte etwas hartes auf seiner Schulter. Dann kam die Dunkelheit...
*~*~*~*~
Sie sprang zur Seite, als sie sah, wie William Turner zu Boden gerissen wurde. Als sie wieder vom Boden hoch kam, versuchte sie mit der Handfläche ihre Augen vom Regen abzuschirmen, um etwas zu sehen. Da lag er! Unter dem Ast des Baumes begraben, der gerade entwurzelt worden war. Sie zog ihr Schwert und schaffte sich so schnell, wie möglich einen Weg durch das dichte Blätterdach. Der Ast lag direkt auf Williams Schulter. Sein Gesicht war in eine Pfütze auf dem Boden gedrückt.
*Oh, Gott! Er wird ertrinken!*
Dazu kam, daß er bewußtlos war. Sie mußte schnell handeln. Lara hieb mit ihrem Schwert auf den Ast ein, aber schon nach drei Schlägen erkannte sie, daß sie Stunden brauchen würde, um den Mann auf diese Weise zu befreien. Sie sah sich um. Der Regen fiel wie ein grauer Schleier um sie. Da erkannte sie durch fliegendes Laub und grauen Schleier einen Ast. Lang und kräftig. So schnell, wie es der rutschige Boden erlaubte, schleppte sie das Holz herbei und setzte es ein paar Meter oberhalb von Will an einen Stein an. Dann verlagerte sie ihr ganzes Gewicht auf den Hebel.
"Krach!"
Der Ast war oben, wo er dünn gewachsen war, gebrochen. Lara setzte noch einmal mit dem dicken Ende an. Wieder benutzte sie ihr ganzes Gewicht.
Sie spürte, wie ihr eigenes Gewicht das des Astes besiegte. Williams Körper wurde langsam befreit. Mit letzter Anstrengung tat sie einen Schritt vorwärts. Der Ast rutschte von ihrem Hebel und kam neben Williams Körper nieder.
Lara Jade lief zu ihm und drehte ihn um. Sie legte ihr Ohr auf sein Herz. Einen Augenblick fragte sie sich, ob solch ein kalter Mann überhaupt einen Herzschlag hatte. Doch dann hörte sie ihn. Er war tatsächlich da. Sie faßte William unter den Armen durch und um die Brust, zog den schlaffen Körper bis zur Höhle.
Erschöpft ließ sie William und sich selbst in die Trockenheit der Hohle fallen. Lara drehte sich auf den Rücken, um besser verschnaufen zu können. Sie sah zur Seite, wo der Mann lag und blickte direkt in das bewußtlose Gesicht. Es schien noch blasser zu sein, als zuvor. Etwas Blut und Dreck klebten an seiner Wange. Es sah aus, als würde er schlafen. Dann bemerkte sie wieder die rote Farbe auf seinem Hemd. War es ihr Blut, welches es so gefärbt hatte?
Sie raffte sich auf und beugte sich über William. Zunächst befreite sie ihn von dem schweren, nassen Mantel. Danach untersuchte sie seine Schulter. So weit sie feststellen konnte, war nichts gebrochen. Also drehte sie den Mann auf den Rücken und knöpfte sein Hemd auf. In seiner rechten Schulter fand sie eine kleine Wunde, als hätte ihn etwas durchbohrt. Nichts Besorgniserregendes.
Aber Ekel befiel sie, als sie daran dachte, daß sich ihrer beider Blut vermischt hatte, während er sie getragen hatte. Wieder sah sie in das friedliche Gesicht. Haß stieg in ihr auf. Wie hatte sie ihm nur helfen können? Warum hatte sie ihn unter dem Baum heraus geholt?
Plötzlich ertappte sie sich dabei, daß sie mit der Hand über seine Brust gestrichen war. Schnell zog sie sie zurück. Da wurde ihr Handgelenk von einem kräftigen Griff gepackt.
"Wage es nicht, mich noch einmal anzufassen," drohte William.
Sie entriß sich seiner Hand.
"Keine Sorge, das werde ich nicht, Turner!"
Noch leicht benommen brachte er etwas Abstand zwischen sich selbst und sie. Er lehnte sich im Sitzen an die Felswand und schnaufte tief. Stille beherrschte den Raum. William starrte hinaus in das Unwetter, während Lara ihn beobachtete. Sein Ausdruck war im Moment genauso teilnahmslos, wie damals. Er hatte einfach zugesehen. Sie versuchte ihren brennenden Zorn unter Kontrolle zu halten.
"Warum hast du mich verschont?" fragte sie schließlich.
Er beantwortete die Frage nicht. Statt dessen konterte er mit einer Gegenfrage.
"Warum hast du "mich" verschont?"
Sie wußte keine Antwort darauf. Da sie von sich auf ihn schloß, dachte sich Jade, daß er genauso wenig wußte, warum er es getan hatte. Und in der Tat, so war es. William konnte es sich nicht erklären. Wäre er bei Verstand gewesen, hätte er sie gleich beim Felsen getötet. Also gut, dann waren sie quitt... fürs erste. Eine weitere Stunde hatten sie dagesessen und geschwiegen. Dann stand William Turner auf und nahm seinen Mantel, warf ihn sich um.
"Was soll das denn werden?"
"Ich werde versuchen, den Hafen zu erreichen. Bei dem Wetter können sie den Angriff heute Abend nicht durchführen. Ich schätze, wenn ich mich beeile, komme ich vielleicht gerade noch rechtzeitig, bevor sie wieder ablegen."
*Schon wieder denkst du nur ans Gemetzel? An deinen Kapitän?*
Sie lachte.
"Wie willst du das rechtzeitig schaffen? Es sind noch mindestens drei Tage von hier. Außerdem ist der Sturm noch viel zu stark! Neptun scheint in sehr schlechter Stimmung zu sein."
"Drei Tagesmärsche. Aber man kann es in weniger schaffen, wenn man die Nacht durch läuft. Und was den Sturm angeht... ich weiß nicht gegen wen ich die besseren Chancen habe... gegen den Sturm oder gegen unseren Verfolger. Ich werde nicht hier sitzen und darauf warten, ob er uns nicht vielleicht doch findet."
Sie erinnerte sich an den Angriff des Fremden.
("Runter!" William hatte sie gewarnt, aber sie war überzeugt von einer Falle gewesen. Sein Blick war fest auf den Felsen gerichtet. Sie hielt Wills Klinge mit ihrem Blut an seinen Hals. Als es ihr dämmerte, daß er es ernst gemeint hatte, war es schon zu spät. Schneller als sie reagieren konnte, hatte er sein Schwert bei Seite geschlagen und sie nieder gerissen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihre Schulter...)
Da war was dran, dachte Jade. Er mußte eine Schußwaffe haben. Sie stand auf und drehte ihr Haar aus. Jede Menge Wasser tropfte auf den Boden.
"Ich werde dich nicht mitnehmen." Er wandte sich ab und ging zum Höhlenausgang.
"Du hast keine Wahl, ich werde dir einfach folgen."
William hätte sein Schwert ziehen können. Statt dessen stöhnte er nur und schüttelte den Kopf. Er hatte nicht die geringste Lust, diese blödsinnige Keilerei noch einmal aufzunehmen. Wenn sie den anstrengenden Marsch durchhielt, dann bitte.
"Weiber!"
"Männer, wie ihr euch immer dran stellt!"
Sie gingen hinaus in den Regen. Lange marschierten sie gegen den Wind, immer wieder peitschten Äste auf sie ein. Aber William zog es durch. In der Nacht, als der Regen noch kälter geworden war, hätte Lara einige Male fast aufgegeben. Aber ihr Wille hatte jedes Mal über ihren müden Körper gesiegt und sie war weiter gelaufen. William zeigte es nicht, doch er war beeindruckt von der Frau. Er legte ein strammes Tempo an den Tag, aber sie hielt mit. Das mußte man ihr lassen: Sie war Dickköpfig!
Am späten Nachmittag ließ der Sturm nach. Sie saßen gerade unter einem Baum, als der Regen dünner wurde. William sah gen Himmel.
*Es klärt sich auf. Viel zu früh!*
Er wußte, bei diesem Seegang würde das Schiff seinen Weg fortsetzen. In der Nacht mußte es den Hafen erreichen. Er schaute sich um, aber wo der Regen langsam den Blick freigab, zog nun Nebel auf. Wie weit waren sie gekommen? Er konnte kaum weiter als 40 Meter sehen. Nun zweifelte William ernsthaft daran, daß er rechtzeitig kommen würde. Er sah auf den Kompaß um wenigstens zu sehen, in welche Richtung sie mußten.
"Weiter geht`s!"
William verfiel wieder in den schnellen Schritt. Angetrieben von seiner Ungewißheit, lief er sogar noch schneller. Lara stöhnte. Aber dennoch raffte sie sich auf und folgte ihrem Wegweiser. Wenn sie ihn hier verlor, konnte sie Tage lang orrientierungslos in diesem Dschungel herumirren. Also hielt sie Schritt, den Mann immer ein paar Meter voraus. Sie wollte nicht riskieren, ihn in ihrem Rücken zu haben. Wer weiß, auf welche Gelegenheit er wartete?
*~*~*~*~
Früher Abend
Samuel Jones betrachtete den Horizont. Die Sonne berührte schon ganz sachte das Meer.
Der Regen hatte aufgehört und die Crew war fertig. Das Schiff war auf Vordermann gebracht worden. Er drehte sich zu den Männern um.
"Setzt die Segel! Wir fahren weiter!" schrie er mit rauher Stimme und sofort führten die Leute seinen Befehl aus.
Als er den Blick vom Mast abwandte, fiel er auf die Insel. Er ließ sich seine Qual nicht anmerken, die er erlitt. Schon wieder hatte er ihn verloren. Er hoffte, daß der junge Turner in Sicherheit war. Der Sturm war heftig gewesen.
Das Schiff machte gute Fahrt, trotz dem aufgewühlten Meer. Die Gischt spritzte an den Bug und der Wind war günstig.
*Heute Nacht ist es so weit.*
Er blickte auf die silberne Pistole in seiner Hand herab. Ein Schauder überkam ihn.
