Severus konnte sein Glück einfach nicht fassen, als er erneut Knockturn Alley abschritt und dabei Ausschau nach einem gewissen Hund hielt.

Er hatte keinerlei Schwierigkeiten gehabt, sein Anliegen bei dem Lord durchzukriegen. Dieser hatte nur milde gelächelt und gesagt "Nur zu, Severus, natürlich ist es besser, wenn du alleine gehst, und ich kann auch nicht ständig meine Todesesser entbehren."

Der Spion in Severus drehte sich daraufhin auf dem Weg nach Knockturn Alley ständig um, aber anscheinend wurde er nicht einmal verfolgt. Entweder war Er tatsächlich wieder dazu übergangen, ihm blind zu vertrauen, oder er hatte etwas anderes in petto. Was es auch war, Severus würde dem Lord trotz allem nicht den Grund geben, misstrauisch zu werden. Er hatte die ganze Zeit das Gefühl, als würde er in ein offenes Messer laufen, doch wenn er das schon tat, dann mit aller Vorsicht, die er aufbringen konnte.

Black saß in einer Seitenstraße, wie zuvor, doch diesmal stoppte Severus nicht, um seine Anwesenheit bemerkbar zu machen, sondern schlenderte weiter zu einem der schäbigsten Hotels der ganzen Umgebung. Hier stieg so ziemlich alles ab, was sein Gesicht nicht in der Öffentlichkeit zeigen konnte. Perfekt für einen Spion und einen Mörder.

Severus mietete das Zimmer für eine Stunde, in der Hoffnung, bis dahin alles gesagt zu haben, was er zu sagen hatte. Er wollte nicht zu lange von ihm fernbleiben, und vor allem wollte er nicht zu lange in Blacks Gesellschaft verbringen.

Er fühlte sich immer noch eigenartig aufgrund des Traumes, den er von Black gehabt hatte, und wusste nicht so recht, wie er sich gegenüber ihm verhalten sollte. Er verspürte nicht die Lust, Black wissen zu lassen, was sein überanstrengtes Hirn ihm als Traum bescherte.

Er betrat das Zimmer und spürte einen Knoten der Übelkeit hochkommen. War in dieser Straße eigentlich nichts sauber? Äonenalte Tapetenstücke bröckelten von der Wand, die Sitzgarnitur hatte schon wesentlich bessere Tage gesehen, und bedurfte einer Generalüberholung, und das Bett hatte man bestimmt seit den 1940ern nicht mehr frisch bezogen. Er erwartete schon fast, Rattenkadaver darauf zu entdecken, und verzog angewidert das Gesicht. Er murmelte einen schnellen Reinigungszauber, damit er sich wenigstens setzen konnte, und wartete. Nicht lange, nachdem er Platz genommen hatte, hörte er Geräusche vor der Tür.

"Es ist offen."

Black betrat den Raum, mit einem nicht anders als dreckig zu bezeichnenden Grinsen auf den Lippen, schloss die Tür mit einem Knall, schloss ab. Ließ den Schlüssel in die Tasche seines Hemdes gleiten und musterte Severus eingehend. Dieser wäre am liebste sofort auf- und Black an den Hals gesprungen! Dieser Mistkerl sollte endlich mit seinen Spielchen aufhören und diese ganze Angelegenheit mit dem gehörigen Respekt behandeln! Sie waren ja schließlich nicht zum Vergnügen hier!

Severus wurde nervös unter dem prüfenden Blick seines Gegenübers und spürte mal wieder seine Geduld schwinden. Hatte denn niemand Mitleid mit ihm?

"Setz dich!" fuhr er Black an, nur um es anschließend zu bereuen, Schwäche gezeigt zu haben.

Black schlenderte gemütlich zu einem Sessel hinüber, schob diesen direkt gegenüber Severus', ließ sich auf die staubige Oberfläche fallen.

Klar, von einem rattenfressenden Individuum so etwas wie Sauberkeit zu erwarten, wäre vermutlich zu viel gewesen.

Blacks Hand fuhr in die Tasche seiner wirklich hochgradig geschmacklosen Hose, förderte eine Pappschachtel hervor. Genüsslich steckte er sich eine Zigarette an, blies den Rauch in Severus Gesicht.

"Muss das sein?"

"Du kannst ja gerne das Fenster aufmachen."

"Sicher, auf das die ganze Straße mitbekommt, was wir zu bereden haben! Manchmal zweifele ich tatsächlich an deinem Verstand!"

"Und ich an deinem Humor! Sag mal, wurdest du eigentlich schon so vertrocknet geboren?"

Severus nahm einen tiefen Atemzug, auch wenn seine Lunge gegen den mitaufgenommen Qualm protestierte. Er wollte nicht cholerisch werden, aber Black bewegte sich auf verdammt dünnem Eis!

"Asch mir wenigstens nicht auf die Schuhe!"

Black grinste nur, griff sich einen Kerzenständer und benutzte diesen als Aschenbecher.

"Zufrieden?"

"Erst, wenn ich dieses Zimmer wieder verlassen kann. Was mich zum Thema kommen lässt..."

"Ach, jetzt sei doch nicht so ungemütlich! Willst du mich denn wirklich sofort wieder loswerden?"

Was zum Teufel...?

"Sag mal, Black, bist du betrunken? Hast du vielleicht irgendwelche Drogen eingenommen? Oder bist du einfach nur grenzdebil? Das hier ist kein Kaffeekränzchen!"

Black war fast unmerklich zusammengezuckt und hatte sich nun in einer drohenden Weise aufgesetzt.

"Nenn mich nicht debil, Snivellus!"

Dieses Mal war es an Severus, zusammenzufahren. Er hasste diesen alten Namen, hasste die Erinnerungen, die er mit sich brachte. Er hatte das alles viel zu lange unterdrückt, um sich nun damit auseinander zusetzen.

Und hatte auch gar nicht die Zeit dazu.

"Lass deine kleinen Liebenswürdigkeiten aus dem Spiel, Black. Wir sind nicht mehr auf der Schule!"

"Als ob du dich großartig anders verhalten würdest als damals."

"Das sagst ausgerechnet du? Wer führt sich denn bitte auf wie ein Kleinkind? Ich doch bestimmt nicht! Ich will nur meine Informationen weitergeben, und schnellstmöglich wieder verschwinden!"

"Was, vermisst du Voldie schon?"

Er hatte es geschafft! Er hatte Severus aus der Reserve gelockt!

"Du musst doch wirklich einen Schaden haben! Welcher Idiot hat dir eigentlich ins Hirn geschissen? Du... du..."

Severus rang nach Worten, doch nichts hätte seiner Wut Ausdruck verschaffen können. Wie konnte dieser Bastard es nur wagen?

Und wie konnte er ganz ruhig in Sessel sitzen bleiben, während Severus aufgesprungen war? Wie konnte er immer noch überlegen vor sich hingrinsen?

Plötzlich kam Severus der Gedanke, dass er es tatsächlich mit einem Verrückten zu tun hatte! Wer wusste denn auch schon, ob in Azkaban bei Black nicht doch ein paar Sicherungen durchgebrannt waren? Vielleicht hatte er wirklich den Verstand verloren, und es hatte nur noch niemand gemerkt! Was bedeuten würde, dass Severus mit einem Wahnsinnigen in einem Zimmer gesperrt war, von dem er nicht wusste, wie er ihn einschätzen musste.

Der kleine Vogel Panik flatterte wie wild in seinem Käfig umher als Severus eine Fluchtmöglichkeit nach der anderen erwog. Sollte er einfach versuchen, die Tür aufzuzaubern und so schnell wie möglich davonlaufen, wie er nur konnte? Nein, wahrscheinlich wäre Black viel zu schnell auf den Beinen und würde ihn davon abhalten.

"Komm wieder runter und setz dich. Du verstehst wirklich keinen Spaß, was?"

Severus ließ sich wieder in seinen Sessel fallen und schloss die Augen.

"Vielleicht nur nicht den Sinn von Humor, den du besitzt, Black."

"Tja, man kann es nicht jedem Recht machen. Also, was hast du mir zu sagen?"

Oh, sie kamen wohl endlich zum Thema? Severus war es nur recht. Je schneller sie hier fertig würden, umso schneller konnte er wieder bei dem Dunklen Lord apparieren und vorgeben, tatsächlich nur einkaufen gewesen zu sein.

Er fasste sich kurz, und erzählte Black all das, was er in den letzten Tagen von den Todesessern erfahren hatte. Viel war es nicht. Im Grunde genommen konnte man es auf einen Satz beschränken.

"Voldemort hat also einen Plan, von dem du nicht weißt, wie er genau aussieht, und ist relativ zuversichtlich?"

"Freut mich, dass du mir zuhörst, Black."

Severus sank nach vorne, legte das Gesicht in seine Hände und versuchte, sich nicht hilflos vorzukommen. Er wünschte, er hätte mehr Informationen sammeln können, hätte Albus nicht derart enttäuschen müssen.

"Himmel, Snape, du bist ja total verspannt!"

Severus sah wieder auf, in die besorgten Augen seines Gesprächspartners. Welches Problem hatte der denn nun schon wieder?

"Was?"

"Ernsthaft, du sitzt da wie ein Brett!"

"Na, versuch du mal, auf einer Pritsche zu schlafen!"

"Das habe ich eine Zeitlang getan."

"Dann weißt du ja, wie unbequem das sein kann."

Severus war bewusst nicht auf Blacks Anspielung eingegangen. Nähere Einzelheiten über Azkabans Komfort wollte er gar nicht erst erfahren.

"Was du brauchst, ist eine anständige Massage!"

"Klar, ich wird's mir merken, wenn ich das nächste Mal an einem Massagestudio vorbeikomme!"

"Du mich auch! Aber ernsthaft, ich könnte auf dem Gebiet eine Hilfe sein. Mir hat schon so manch einer bestätigt, ich sei ganz gut."

Severus wollte gar nicht wissen, bei welcher Gelegenheit Black wohl einem anderen eine Massage verpasst hatte. Er wollte noch nicht mal in den Genuss einer solchen kommen. Was ihm noch fehlte zu seinem Glück wären Blacks Hände auf irgendeinem Teil seines Körpers!

'Ach ja?' schallte es aus dem hinteren Teil seines Kopfes.

Severus verdrehte die Augen. Sicher, seine Libido wäre hoch erfreut!

"Das ist wirklich rührend von dir, aber ich werde wohl verzichten müssen. Leider fehlt mir dafür die Zeit. Würdest du jetzt wieder die Tür aufschließen?"

Severus erhob sich erneut, schritt auf die Tür zu, doch Black war schon aufgesprungen, hatte ihn an den Schultern gepackt und zwang ihn so auf eine nahestehende Couch.

"Lass mich los!" herrschte Severus, aber stieß auf taube Ohren.

"Ich lass dich nicht eher gehen, bis ich nicht einen Blick auf deinen Nacken geworfen habe!"

Severus wollte losbrüllen, wollte regelrecht ausflippen, doch seine Panik hielt ihn davon ab. Was, wenn Black ihn niederschlug? Wer konnte ahnen, was gerade in dessen Kopf vorging.

"Würdest du mich trotzdem loslassen?"

Glücklicherweise reagierte Black dieses Mal und ließ seine Hände sinken. Er nahm neben Severus Platz und sah ihn an.

"Dreh dich bitte um."

Severus drehte Black seinen Rücken zu und fragte sich dabei selber, warum er es eigentlich tat. Irgendetwas stimmte doch nicht mit ihm.

Bei der Berührung Blacks fuhr er erschrocken zusammen, und spannte reflexartig die Muskeln an.

"Entspann dich!" kam der Befehl von dem Mann hinter ihm.

Severus seufzte, doch tat gottergeben wie ihm befohlen. Er würde nicht eher diesen Raum verlassen können, bis Black nicht wenigsten zwei- dreimal seinen Rücken durchgeknetet hatte, und warum sollte er es sich selber dabei unbequem machen?

Doch Blacks Hände bewegten sich nicht. Sie lagen einfach nur auf Severus' Schultern, der sich fragte, worauf dieser Mensch eigentlich wartete.

"Du wirst wohl deine Robe ausziehen müssen."

Severus schluckte schwer. Bitte was? Black schien seine Gedanken lesen zu können, denn er fügte hinzu:

"Keine Angst, ich will dir nicht an die Wäsche. Nur durch dieses Staubtuch," er zupfte an Severus Robe, "werde ich nichts erreichen können."

Lieber, allmächtiger Gott, was hatte Severus in seinem Leben eigentlich falsch gemacht? Mit dem mulmigen Gefühl, keine andere Wahl zu haben, knöpfte Severus seine Robe auf, und fragte sich, warum er ausgerechnet heute beschlossen hatte, nur ein Unterhemd zu tragen. Seine Mutter hätte wahrscheinlich "Gottes Fügung" dazu gesagt, er empfand es nur als unangenehm. Er fühlte sich nackt und hilflos, fast so, als hätte man eine Schildkröte aus ihrem Panzer vertrieben.

"Na bitte, geht doch."

Black begann nun endlich mit seiner versprochenen Massage, und Severus stellte überrascht fest, dass es sich tatsächlich gut anfühlte. Er schloss die Augen und schaltete ab. Er war sich nicht mehr bewusst, was um herum geschah, und fühlte sich zum ersten Mal seit seiner Rückkehr zum Dunklen Lord annähernd gut. Er driftete in Dunkelheit hinab, und wäre mit Sicherheit wenig später eingeschlafen, als er plötzlich etwas auf seinem Nacken spürte, dass keine Finger waren.

Es waren Lippen.

Black küsste seinen Nacken!

Severus schreckte auf, riss sich aus Blacks Griff, fuhr herum und funkelte aufgebracht:

"Was zum Teufel glaubst du, was du da machst?"

Black sah ihn verdutzt an, fing sich aber zu Severus' Bedauern sofort wieder.

"Also, in meinen Kreisen nennt man das Küssen. Wieso?"

"Was zum Henker hast du dir dabei gedacht?"

Black grinste nur und rutschte näher. Zu nahe.

"Dir sollte doch bekannt sein, dass man in einer solchen Situation selten denkt, sondern handelt."

Blacks Gesicht war so nahe, Severus konnte dessen Atem auf seinem Gesicht spüren. Er rutschte auf dem Sofa nach hinten, um Abstand von seinem Gegenüber zu gewinnen. Er wollte das nicht.

Ganz und gar nicht.

"Vielleicht solltest du lieber dein Gehirn benutzen anstatt deiner Hormone!"

Black grinste nur breiter und machte Anstalten, wieder näher zu rutschen. Severus brachte eine Hand zwischen sich und Black, um ihn davon abzuhalten.

"Komm mir ja nicht zu nahe!"

"Ach komm, du willst mir nicht einreden, dass es dir nicht gefallen hat? !"

"Du kannst dir dein Süßholz sparen, Black! Das kommt bei mir nicht an! Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss nun tatsächlich gehen!"

Black hob in gespielter Niederlage die Arme, erhob sich vom Sofa und schloss die Tür auf.

"Bitte, wenn du gehen willst, die Tür ist offen."

Er musste es nicht zweimal sagen. Severus warf seine Robe über, knöpfte sie im Laufen wieder zu und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.

Auf dem Weg zurück wirbelten seine Gedanken nur so umher.

Was war nur in Black gefahren? War das alles nur wieder einer seiner grausamen Scherze? Oder war es sein Ernst gewesen?

Nein! Severus weigerte sich zu glauben, dass Black ein plötzliches Interesse an ihm hegte! Er machte sich wahrscheinlich nur wieder einmal einen Spaß daraus, ihn zu malträtieren.

Severus konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie Black just in diesem Moment seinen Freunden von seiner ach so lustigen Tat erzählte. Hey, wisst ihr was? Ich hab Snape so richtig verwirrt, ist das nicht toll?

Verwirrt war Severus wirklich.

Und was ihn mehr als anderes verstörte war die Tatsache, dass er während Blacks Kuss hart gewesen war.

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