Severus versuchte zu schlucken, was ihm seine trockene Kehle sofort übel
nahm. Die Reibung, die dadurch in seiner Speiseröhre entstand, beschwor
einen weiteren Hustenanfall hervor, der ihn in bis in seine Eingeweide zu
schütteln schien. Zumindest musste er sich nicht mehr übergeben, dachte er
verklärt. Sein Mageninhalt war schon vor zwei Tagen verschwunden gewesen,
und irgendwann zwischen gestern Nacht und heute morgen war nicht mal mehr
Gallenflüssigkeit hochgekommen. Nur das Würgen war noch ab und an
wiedergekommen und hatte seinen Hals nur noch mehr strapaziert.
Ein Schweißtropfen lief langsam seine Stirn hinunter, die Nase entlang und machte an deren Spitze halt. Reflexartig versuchte Severus, den Kopf zu drehen, um ihn wegzuwischen, nur um einen stechenden Schmerz in seinen Armen zu verursachen. Sein Bizeps spannte sich unwillkürlich an, und seine Handgelenke schabten gegen die Verschlüsse der Kette, die ihn an der Wand hielt. Atemlos ließ er einen Fluch seinen Lippen entkommen, nur um sich anschließend für die Kraftverschwendung zu tadeln.
Er hing nun schon 4 Tage hier, und ohne die Fesseln um Arme und Beine hätte er sich vermutlich gar nicht mehr aufrecht halten können. Seine Handgelenke waren wund, seine nackten Füße mittlerweile taub. Der Mangel an Essen in den letzten Tagen machte sich bemerkbar, seine Hose hing in einem formlosen Bündel Stoff an ihm herunter, und er fühlte sich schwach und ausgelaugt. Das Magenknurren hatte glücklicherweise schnell aufgehört, das Schwindelgefühl für seinen Geschmack aber zu früh angefangen.
Sein einziger Kontakt zu den Todesessern war die vermummte Gestalt, die ihm sporadisch ein Glas Wasser an den trockenen Mund setzte. Die ihm allerdings lieber war, als der wohl berüchtigte Folterknecht des Dunklen Lords, der ihm bei seinen früheren Bestrafungen auch immer gerne Gesellschaft geleistet hatte.
Doch dieses Mal schien der Lord auf Peitschenhiebe, glühende Schürhaken und Cruciatus Flüche verzichten zu wollen. Was nur eine andere Form der Folter war, ließ sie Severus doch im Unklaren darüber, was nun mit ihm geschehen würde. Wie lange würde er nun hier hängen bleiben und die Wand anstarren, verrückt vor Schmerz und zu schwach, um einen Sechsjährigen zu treten?
Tief in einem Zustand zwischen Wachsein und Dösen hörte Severus die rostigen Scharniere der Kerkertür. Überrascht runzelte er die Stirn, als er Schritte hörte, die nicht dem Wasserträger gehörten.
Trotz seiner Schmerzen hätte Severus diesen Gang aus einer Millionen erkannt, auch ohne die Stimme zu hören, die nun voller Sarkasmus in dem Verlies erklang.
"Na, wie fühlen wir uns denn heute?"
Severus hob mit Anstrengung den Kopf, um in die grauen Augen seines Gegenübers zu sehen, die ihm selbstgefällig entgegenblinzelten.
"Was willst du?" fragte er, wobei er mit Schrecken erkennen musste, wie heiser seine Stimme war.
"Na, na, Severus, wer wird denn gleich so unhöflich sein? Darf ich mich denn nicht nach dem Wohlbefinden eines Freundes erkundigen?"
Selbst halb verdurstet konnte Severus nicht umhin, seinen linken Mundwinkel spöttisch anzuheben.
"Seit wann interessiert dich denn mein Wohlergehen, Lucius?"
Gespielt gekränkt hob der ältere Malfoy die Hand an die Brust.
"Oh, es schmerzt mich so sehr, unsere Freundschaft zerstört zu sehen, liebster Severus."
Wäre der Professor nicht festgebunden gewesen, hätte er sein Gegenüber wahrscheinlich erwürgt.
"Warum steckst du dir deinen Sarkasmus nicht sonst wohin, und lässt mich in Frieden?"
Lucius grinste und trat einen Schritt näher.
"Du solltest froh sein, dass ich mir die Mühe gemacht habe, herzukommen. Vor allem, weil ich dir etwas vorzuschlagen habe, was du dir gerne überlegen möchtest."
Woher Severus schon bei Lucius' Eintreten gewusst hatte, dass dieses Gespräch eine derartige Wendung nehmen würde, war ihm selber nicht klar, aber überrascht war er nicht, den leichten Unterton aus der Stimme seines alten Freundes zu hören.
Den Unterton, den er benutzte, wenn er "Geschäfte" machte.
Severus antwortete nicht, sondern wartete gespannt auf Lucius "Angebot".
Dieser grinste nur breiter.
"Nun, jetzt habe ich wenigstens deine Aufmerksamkeit.
Wusstest du, dass Er dich dieses Mal entgültig erledigen wollte?"
Severus versagte sich jegliche Reaktion. Er hatte tatsächlich fest mit seinem Tod gerechnet und war eigentlich nur überrascht, dass dieser nicht schon längst eingetreten war.
"Und?" brachte er hervor.
"Ich konnte ihn davon überzeugen, dass du noch wertvoll für uns sein könntest."
"Zu großzügig!" spuckte Severus, als sich sein Zynismus mühsam empor kämpfte.
"Ja, ich weiß. Ich bin eben viel zu nostalgisch, wenn es um dich geht. Sieh mich an, ich rette dir jedes Mal deinen kleinen, süßen Hintern.
Nur als Gegenleistung bekomme ich nichts. Weil ich es mit einem undankbaren, sturen Zyniker zu tun habe, der lieber sterben würde, als mir zu danken."
"Schön, dass du das wenigstens verstanden hast, Lu."
"Ja, man könnte mich heute regelrecht einsichtig nennen.
Wie dem auch sein mag, dieses Mal kommst du ohne Gegenleistung nicht davon. Zumal ich nicht nur deinen Hintern rette."
"Wovon sprichst du?"
Lucius war nun schon so nahe getreten, dass seine Nase nur Millimeter von Severus' entfernt war.
"Ich rede von deinem kleinen Freund." flüsterte er drohend, bevor er wieder zurücktrat, um seine Worte sinken zu lassen.
"Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!"
"Natürlich nicht, Severus. Woher solltest du denn auch wissen, dass ich über deine kleine Affäre mit Black Bescheid weiß."
Severus Atem stockte in seiner Brust, und er war sich sicher, dass sein Herz mindestens einen Schlag aussetzte, um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen.
Es war also tatsächlich Lucius gewesen, der ihn jedes Mal verfolgt hatte. Und natürlich hatte dieser sofort seine Möglichkeiten erkannt, die ihm diese Informationen verschaffen würden. Mit Freuden spielte Severus ehemaliger Liebhaber diesen Trumpf nun gegen ihn aus.
Lucius sprach weiter, als ob er Severus Reaktion nicht bemerkt hätte, und Severus zwang sich, ihm zuzuhören.
"Es ist nicht so, als wäre ich eifersüchtig, versteh mich bitte nicht falsch. Auf der anderen Seite kann ich dich sogar sehr gut verstehen, weißt du? Ich fand ihn schon immer äußerst attraktiv. Aber, wirklich, einen Gryffindor? So verzweifelt könntest doch nicht mal du sein, dachte ich. Nun ja, selbst ich kann mich täuschen.
Doch was ich nicht tolerieren kann, ist dein Verhalten unserem Lord gegenüber. Ihn derart zu hintergehen, ist völlig inakzeptabel. Und du weißt, dass ich ihm eigentlich sofort erzählen müsste, was ich weiß."
"Warum machst du es dann nicht einfach?" keuchte Severus zwischen einem neuerlichen Hustenanfall hindurch. Es war ihm überhaupt nicht nach Lucius Spielchen zu Mute, und er wünschte sich nur, der eingebildete Lackaffe vor ihm würde endlich mal zum Punkt kommen.
"Dazu wollte ich gerade kommen, Liebster. Wirklich, immer so ungeduldig....
Wie ich schon sagte, bin ich hilflos, wenn es um dich geht. Ich sehe dich nicht gerne leiden."
Severus schnaubte. Sicher, und der Papst trug Turnschuhe.
"Du kannst mir ruhig glauben." Lucius kam wieder näher. "Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben."
Und zu Severus Überraschung hob Lucius eine Hand und streichelte sein Gesicht. Legte seine Finger unter sein Kinn und hob es hoch, so dass sich die beiden Männer in die Augen sahen.
"Lu, lass... " aber Severus kam nicht dazu, seinen Protest zu äußern. Lucius beugte sich vor und streifte seine Lippen mit den eigenen.
Severus drehte abrupt den Kopf zur Seite.
"Lass das!" brachte er hervor.
Als Lucius wieder sprach, hörte Severus die arrogante Kälte, die signalisierte, dass er den Blonden verletzt hatte.
"Oh, ich vergaß. Ich bin dir ja nicht mehr gut genug."
"Wie melodramatisch. War noch was?" Severus kochte jetzt fast vor Wut, was den Vorteil hatte, dass er wenigstens wieder klar denken konnte.
"Um genau zu sein, ja. Du kennst meine Bedingungen noch nicht."
Zuerst wusste Severus nicht, wovon sein Gegenüber sprach, bevor es ihm dämmerte.
"Deine Gegenleistung." Es war keine Frage.
"Also doch nicht umsonst Professor. Ja, meine Gegenleistung.
Es ist ganz simpel. An unserem jetzigen Arrangement ändert sich nichts. Du behandelst Draco weiterhin mit äußerster Vorsicht und Fürsorge, und niemand erfährt, dass du für Dumbledore spioniert hast."
"Ja, das ist mir bekannt. Ich mag alt sein, aber nicht vergesslich."
Lucius lachte leise.
"Du bist nicht alt, mein Lieber. Doch weiter zum Geschäft. Ich werde ihm weder sagen, dass du dich mit Black triffst, noch, was ihr bei einem solchen Treffen macht, noch, in welche Art von Hund unser geliebter Freund sich verwandelt, wenn er nicht erkannt werden will."
"Das weiß er nicht?" Severus hatte sich die Frage nicht verkneifen können.
"Pettigrew war noch nie gut darin, irgendetwas zu tun." Lucius lachte, und selbst Severus konnte sich ein abfälliges Grinsen nicht verkneifen.
"Und was willst du von mir?" fragte er, erneut ernst.
"Das, was Black von dir bekommt."
Severus wusste nur zu genau, worauf Lucius hinaus wollte, fragte aber trotzdem.
"Informationen? Die bekommst du aus erster Hand!"
"Nein, Sev. Keine Informationen.
Sex."
Severus schluckte, was mit Schmerz verbunden war, und überlegte.
Welche Wahl hatte er? Was blieb ihm sonst übrig?
Wäre es nur um sein Leben gegangen, hätte er gewusst, was er zu sagen hatte. Ein klares Nein, wenn Lucius Glück hatte. Verbunden mit sämtlichen Flüchen, die Severus kannte, wenn er Pech hatte. Er würde lieber sterben, als Lucius noch ein einziges Mal in sein Bett zu lassen.
Doch es ging nicht nur um ihn, oder sein Leben.
Es ging um Black. Und obwohl Severus nie gedacht hätte, diese Gefühle je in seinem Leben zu entwickeln, er wollte nicht, dass Sirius starb. Nicht, weil Harry dann ohne Vaterfigur wäre. Dass war dieses Balg schon lange genug gewesen. Selbst die Tatsache, dass dies den ganzen Orden gefährden könnte, konnte Severus nicht wirklich beunruhigen.
Nein, der Grund war wesentlich egoistischer. Er wollte Sirius nicht unter den Toten wissen, wenn er gerade erst anfing, sich an diesen Mistkerl zu gewöhnen.
Und ganz tief in seinem Inneren wusste Severus, dass es noch unkomplizierter war.
Er war dabei, sich in Sirius zu verlieben.
Er war selber erstaunt, dass ausgerechnet hier und jetzt herauszufinden, festgekettet an einer Wand, mit Lucius um sein Leben feilschend.
Doch nichts desto trotz war es wahr.
Resigniert ließ Severus den Kopf hängen. Aus genau einem solchen Grund hatte er die letzten 15 Jahre auf eine Beziehung verzichtet. Um nicht das Leben seines Lebensabschnittgefährten zu gefährden.
Jetzt hatte er, wie es so schön hieß, den Salat.
Er nahm einen tiefen Atemzug, sah wieder auf und sah Lucius fest in die Augen, als er antwortete:
"Solange du keinen Enthusiasmus von mir verlangst."
Lucius grinste breit.
"Keine Angst, das lässt sich regeln!"
Sprachs und eilte wieder zur Tür hinaus.
Und hinterließ einen vollkommen verwirrten Severus, der sich fragte, wie diese Äußerung wohl gemeint gewesen war.
Nicht viel später erschienen zwei Kapuzenträger, die ihn losbanden, ihm neue Kleidung zuwarfen und ihm einen Teller Essen mitsamt einem Krug kaltem Tee hinterließen. Severus verschlang das Essen mit Freuden, trank den Krug fast auf einen Zug aus und zog sich an. Er brauchte eine halbe Ewigkeit, sein Hemd zuzuknöpfen, und weil er zu erschöpft war, sich darüber Gedanken zu machen, beließ er es auch nur bei den ersten unteren Knöpfen, und ließ den Rest einfach offen. Er schlurfte zu seinem Quartier zurück und freute sich schon auf sein Bett. Selbst diese heubelegte Pritsche kam ihm momentan verlockend vor.
Vor seiner Tür angekommen, folgte die erste unangenehme Überraschung des Tages. Dort stand nämlich ein weiterer Todesesser, der ihm schlicht und ergreifend den Zutritt in seine Gemächer versperrte. Verwirrt wollte Severus schon Einlass erzwingen, als ihm einfiel, dass sein Zauberstab auch in dieser Besenkammer befindlich war. Frustriert wandte sich Severus zum Gehen, als ihm die Wache zurief
"Malfoy sagte, Sie würden dort unterkommen!"
Natürlich, warum hatte er sich das nicht direkt gedacht? Wenn Lucius schon Pläne mit ihm hatte, wollte er sie bestimmt sofort in die Tat umsetzten. Mit einem Gefühl in der Magengegend, dass man nur als Ekel bezeichnen konnte, machte Severus sich auf, Lucius' Aufenthaltsort zu finden.
Er war nicht überrascht, diesen im Ostflügel zu finden. Dort, wo sich die großen Wohnungen befanden. Dort, wo Severus auch schon mal residiert hatte.
Er war noch weniger überrascht, als er erkannte, dass es exakt seine alte Wohnung war, auf die er zusteuerte.
Er klopfte, und machte sich darauf gefasst, Lucius auf ihn zustürzen zu sehen, unbekleidet und vollkommen geil nach ihm.
Es stellte sich als zweite Überraschung heraus, dass eben dieser auf seinem Sofa saß und gar nicht zu bemerken schien, dass Severus gerade den Raum betreten hatte.
Lucius hatte sogar ein Buch auf dem Schoß, ein Anblick, den Severus nun gar nicht kannte.
Severus räusperte sich, und versuchte mit Gewalt, nicht schon wieder die Geduld zu verlieren.
Lucius sah von seinem Buch auf.
"Oh, hallo, Sev. Ich hatte noch gar nicht mit dir gerechnet."
Severus hob eine Augenbraue, versuchte aber erst gar nicht, den Sinn der Worte zu verstehen. Von Lucius klare Aussagen zu erwarten war ungefähr so wahrscheinlich, wie von Longbottom plötzliche Erleuchtung in Sachen Zaubertränken.
"Setz dich doch bitte."
Augenrollend stellte Severus fest, dass dies nur auf dem Sofa möglich war, und setzte sich in die äußerste Ecke des Möbels. Dabei ließ er seinen Blick durchs Zimmer schweifen.
Nicht einmal das Mobiliar hatte der ältere Malfoy groß verändert. Außer dem Sofa gab es tatsächlich nur noch einen Tisch, der allerdings recht teuer gewesen sein musste, zwei Sessel, die vollgepackt mit diversen Büchern in der Ecke standen, und dieser furchtbar geschmacklose Kerzenleuchter, den wohl schon Severus' Vorgänger in dieser Wohnung installiert hatte.
Es waren die Kleinigkeiten, die sich geändert hatten. Die Teppiche waren alle aus wesentlich edlerem Material, als die, die sich Severus damals in diese Wohnung gelegt hatte. Die Regale waren mit Büchern angereichert, die eher nach dem Buchrücken als nach dem Inhalt ausgesucht worden waren, und die Vorhänge schienen aus teuerem Damast.
Sicher, warum sollte Lucius auch hier anders leben als in seinem eigenen Heim.
"Mein Gott, Severus, nimm den Besenstil aus deinem Hintern. Du bist ja total verspannt."
Severus zuckte zusammen, als er feststellen musste, dass sich Lucius beinahe wie Sirius angehört hatte. Doch er rutschte tiefer in die Kissen und versuchte, sich zu entspannen. Immerhin hing er nicht mehr an der Wand.
Er schloss seine Augen und fiel fast sofort in eine Art Halbschlaf. Er hörte noch Lucius, wie er die Seiten des Buches umblätterte, hörte das Feuer im Kamin, doch er war nicht mehr wirklich anwesend. Seine Gedanken schweiften fast automatisch zu Sirius, und er spürte ein kleines Lächeln auf seinen Lippen Form annehmen.
Als er kühle Finger auf seinen Armen spürte, fuhr er im ersten Moment nicht einmal zusammen, sosehr war er in seiner Vorstellung gefangen.
Warmer Atem machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar, und verwundert öffnete er die Augen. Sein Lächeln wurde nur noch breiter, sah er doch in die blauen Augen seines Liebhabers.
Der halbnackt auf der Couch ihm gegenüber saß und langsam seine Arme durch den Stoff des Hemdes streichelte.
Severus runzelte die Stirn, als ihm die Absurdität der Situation bewusst wurde.
"Was..., wie...?" stammelte er, als er seinem Gehirn befahl, zu arbeiten. Sirius konnte doch gar nicht hier sein?!
"Pscht, Sev, nicht reden." antwortete das, was nur eine Halluzination sein konnte, und beugte sich vor. Severus schloss die Augen und wartete nur darauf, gleich wieder aufzuwachen und sich wieder in Lucius Zimmer vorzufinden, und zu realisieren, dass er wohl geträumt hatte.
Doch stattdessen spürte er ein Paar Lippen, die seine küssten, und sanfte Fingerspitzen, die nun auf seiner Schulter ruhten.
Erschrocken fuhr Severus zurück, blinzelte verwirrt die "Halluzination" an, die doch keine war, und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Was machst du hier? Wie kommst du her? Was...?" begehrte Severus zu wissen. Es konnte doch nicht möglich sein, dass Sirius tatsächlich einen Weg in die Quartiere des Lords gefunden hatte?? Selbst Dumbledore konnte dieses Anwesen nicht betreten, ohne, dass es direkt jede Ratte und jeder Floh gewusst hätte!!
"Du musst hier raus, sie werden schon unterwegs sein!" rief er und sprang auf. Er hatte schließlich nicht sein Leben für ihn riskiert, nur, damit Sirius nun in ein offenes Messer lief!
Doch Sirius blieb ruhig, lächelte ihn nur an.
"Ganz locker, Sev. Kein Grund zur Beunruhigung, niemand weiß, dass ich hier bin."
"Aber das ist....," begann Severus, bevor ihm schlagartig klar wurde: das auf dem Sofa konnte gar nicht Sirius sein!
Sirius würde ihn niemals Sev nennen! Severus ja, Snivellus, wenn er verärgert war. Snape, wenn sie kurz davor waren, sich die Zauberstäbe auf die Brust zu deuten. Aber Sev, nein, das war nicht Sirius Stil.
"Wer bist du?"
Sein Gegenüber schaute ihn überrascht an, und Severus musst zugeben, dass dort anscheinend ein sehr guter Schauspieler saß, denn genauso würde Sirius aussehen, wenn er nicht wusste, wovon Severus überhaupt sprach.
"Was meinst du, wer bist du? So lange ist es doch nicht her, dass wir uns gesehen haben. Oder leidest du jetzt schon unter Alzheimer, Sev?"
Das war wirklich gekonnt. Dieser hohle Spruch konnte genauso gut von Sirius stammen. Im Stillen fragte Severus sich, wer in Seiner Gefolgschaft solch ein guter Schauspieler war. Auch wenn ihm schon fast klar war, wer dort vor ihm saß. Es gab eigentlich nur eine Person, die ihn flachlegen wollte.
Warum Lucius allerdings zu dieser Verkleidungsfarce gegriffen hatte, war Severus vollkommen schleierhaft.
"Wenn du wirklich glaubst, ich würde darauf hereinfallen, hast du dich verkalkuliert, Lu!"
Sein Gegenüber runzelte die Stirn, und Severus stellte mit Genugtuung fest, dass er den älteren Malfoy anscheinend aus dem Konzept gebracht hatte. Doch dann erwiderte er etwas, das Severus an seiner Überzeugung zweifeln ließ.
"Lu? Wo ist der Drecksack? Was hat er getan? Sev?"
Würde Lucius sich selber beschimpfen? Severus bezweifelte es stark. Nicht der Lucius Malfoy, den er kannte, und er glaubte nicht, dass er sich wirklich geändert hatte. Malfoy gehörte mehr zu den Menschen, die man als unverbesserlich einkategorisierte. Aber wenn es nicht Lucius war, der dort saß und ihn besorgt ansah, wer war es dann?
"Sirius?" fragte Severus, auch wenn er wusste, dass es sich lächerlich anhörte. Unter normalen Umständen hätte er nicht gefragt, sondern dieses Individuum nur aus dem Zimmer geworfen.
Aber die Umstände waren alles andere als normal. Er war der Gnade des Dunklen Lords und der von Lucius ausgesetzt, hatte mehr zu verlieren, als ihm lieb war, und konnte nicht davon ausgehen, nicht doch Sirius vor sich zu haben.
Die Situation sprach eigentlich mehr als nur dafür, bedachte man Sirius' unheimliches Talent dafür, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.
"Natürlich Sirius. Was hast du denn gedacht, der Osterhase?" kam auch prompt die spöttische Antwort. Eine typische Sirius-Antwort.
Severus Gedanken bewegten sich in Rekordgeschwindigkeit. Er versuchte, Logik in sein Gehirn Einzug zu gewähren, doch er war wie blockiert. Selbst die Tatsache, das bis vor fünf Minuten Lucius noch mit ihm in diesem Raum gesessen hatte, und somit unausweichlich mit Sirius zusammengetroffen sein musste, drang nicht wirklich bis in Severus Logikzentrum durch. Er fühlte sich wie in Watte gehüllt, und so sehr er auch dagegen ankämpfte, er kam aus diesem benommenen Zustand nicht wieder heraus.
Da er sich allmählich damit abfand, dass sein Liebhaber tatsächlich in das geheime Verstecks des Lords eingedrungen war, vermutlich aus einer Laune heraus, die sonst niemand verstehen würde außer ihm selbst, spürte Severus seine Geduld schwinden.
"Was, in Dreiteufelsnamen, machst du hier? Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?" herrschte er Sirius an, der mittlerweile so aussah, als wollte er ihn in St. Mungo's einliefern lassen.
"Ich habe dich vermisst." kam die kleinlaute Antwort.
Einen Augenblick, schrie Severus Verstand auf. Er versuchte, diese Information zu verarbeiten, konnte aber nicht umhin, Schmetterlinge in seinem Bauch zu fühlen. Sirius hatte ihn vermisst! Das war vollkommen
'unmöglich' hisste Severus Verstand. 'Das ist nicht Black!'
"Das wage ich zu bezweifeln." entkam es Severus, der schon fast ein schizophrenes Gefühl entfand. Ein Teil seines Gehirns fuhr fort, ihm zu versichern, dass dieses Wesen auf der Couch kaum Sirius Black sein konnte, doch ein anderer, wesentlich überzeugenderer Teil fand diese Möglichkeit nicht sonderlich abwegig.
Sirius, oder sein Doppelgänger, blieb stumm.
Severus war sich seiner Reaktion immer noch nicht sicher. Sollte er dem Zimmer entfliehen, der Wache vor seinem Zimmer sagen, er solle sich verziehen, und warten, bis sein Gehirn wieder klarer funktionierte?
Oder sollte er akzeptieren, dass Sirius lebensmüde genug gewesen war, ihn hier aufzusuchen, und versuchen, mit seinem Liebhaber zu fliehen, bevor jemand seiner Anwesenheit gewahr wurde?
Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, wurde sie ihm abgenommen, als Sirius aufstand und näher trat. Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, verwickelte er Severus in einen langen, lustvollen Kuss, ließ seine Hände über seine Brust wandern und verschränkte diese in Severus Nacken.
Bei dieser Berührung verflüchtigte sich der rationale Teil von seinem Verstand restlos, und Severus verschwendete keinen einzigen Gedanken mehr an der Realität oder Authentizität seines Gegenübers.
Stattdessen konzentrierte er seine ganze Energie darauf, Sirius zu küssen, ihn seiner Kleider zu entledigen, und sich langsam zum Schlafzimmer vorzutasten.
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Ein Schweißtropfen lief langsam seine Stirn hinunter, die Nase entlang und machte an deren Spitze halt. Reflexartig versuchte Severus, den Kopf zu drehen, um ihn wegzuwischen, nur um einen stechenden Schmerz in seinen Armen zu verursachen. Sein Bizeps spannte sich unwillkürlich an, und seine Handgelenke schabten gegen die Verschlüsse der Kette, die ihn an der Wand hielt. Atemlos ließ er einen Fluch seinen Lippen entkommen, nur um sich anschließend für die Kraftverschwendung zu tadeln.
Er hing nun schon 4 Tage hier, und ohne die Fesseln um Arme und Beine hätte er sich vermutlich gar nicht mehr aufrecht halten können. Seine Handgelenke waren wund, seine nackten Füße mittlerweile taub. Der Mangel an Essen in den letzten Tagen machte sich bemerkbar, seine Hose hing in einem formlosen Bündel Stoff an ihm herunter, und er fühlte sich schwach und ausgelaugt. Das Magenknurren hatte glücklicherweise schnell aufgehört, das Schwindelgefühl für seinen Geschmack aber zu früh angefangen.
Sein einziger Kontakt zu den Todesessern war die vermummte Gestalt, die ihm sporadisch ein Glas Wasser an den trockenen Mund setzte. Die ihm allerdings lieber war, als der wohl berüchtigte Folterknecht des Dunklen Lords, der ihm bei seinen früheren Bestrafungen auch immer gerne Gesellschaft geleistet hatte.
Doch dieses Mal schien der Lord auf Peitschenhiebe, glühende Schürhaken und Cruciatus Flüche verzichten zu wollen. Was nur eine andere Form der Folter war, ließ sie Severus doch im Unklaren darüber, was nun mit ihm geschehen würde. Wie lange würde er nun hier hängen bleiben und die Wand anstarren, verrückt vor Schmerz und zu schwach, um einen Sechsjährigen zu treten?
Tief in einem Zustand zwischen Wachsein und Dösen hörte Severus die rostigen Scharniere der Kerkertür. Überrascht runzelte er die Stirn, als er Schritte hörte, die nicht dem Wasserträger gehörten.
Trotz seiner Schmerzen hätte Severus diesen Gang aus einer Millionen erkannt, auch ohne die Stimme zu hören, die nun voller Sarkasmus in dem Verlies erklang.
"Na, wie fühlen wir uns denn heute?"
Severus hob mit Anstrengung den Kopf, um in die grauen Augen seines Gegenübers zu sehen, die ihm selbstgefällig entgegenblinzelten.
"Was willst du?" fragte er, wobei er mit Schrecken erkennen musste, wie heiser seine Stimme war.
"Na, na, Severus, wer wird denn gleich so unhöflich sein? Darf ich mich denn nicht nach dem Wohlbefinden eines Freundes erkundigen?"
Selbst halb verdurstet konnte Severus nicht umhin, seinen linken Mundwinkel spöttisch anzuheben.
"Seit wann interessiert dich denn mein Wohlergehen, Lucius?"
Gespielt gekränkt hob der ältere Malfoy die Hand an die Brust.
"Oh, es schmerzt mich so sehr, unsere Freundschaft zerstört zu sehen, liebster Severus."
Wäre der Professor nicht festgebunden gewesen, hätte er sein Gegenüber wahrscheinlich erwürgt.
"Warum steckst du dir deinen Sarkasmus nicht sonst wohin, und lässt mich in Frieden?"
Lucius grinste und trat einen Schritt näher.
"Du solltest froh sein, dass ich mir die Mühe gemacht habe, herzukommen. Vor allem, weil ich dir etwas vorzuschlagen habe, was du dir gerne überlegen möchtest."
Woher Severus schon bei Lucius' Eintreten gewusst hatte, dass dieses Gespräch eine derartige Wendung nehmen würde, war ihm selber nicht klar, aber überrascht war er nicht, den leichten Unterton aus der Stimme seines alten Freundes zu hören.
Den Unterton, den er benutzte, wenn er "Geschäfte" machte.
Severus antwortete nicht, sondern wartete gespannt auf Lucius "Angebot".
Dieser grinste nur breiter.
"Nun, jetzt habe ich wenigstens deine Aufmerksamkeit.
Wusstest du, dass Er dich dieses Mal entgültig erledigen wollte?"
Severus versagte sich jegliche Reaktion. Er hatte tatsächlich fest mit seinem Tod gerechnet und war eigentlich nur überrascht, dass dieser nicht schon längst eingetreten war.
"Und?" brachte er hervor.
"Ich konnte ihn davon überzeugen, dass du noch wertvoll für uns sein könntest."
"Zu großzügig!" spuckte Severus, als sich sein Zynismus mühsam empor kämpfte.
"Ja, ich weiß. Ich bin eben viel zu nostalgisch, wenn es um dich geht. Sieh mich an, ich rette dir jedes Mal deinen kleinen, süßen Hintern.
Nur als Gegenleistung bekomme ich nichts. Weil ich es mit einem undankbaren, sturen Zyniker zu tun habe, der lieber sterben würde, als mir zu danken."
"Schön, dass du das wenigstens verstanden hast, Lu."
"Ja, man könnte mich heute regelrecht einsichtig nennen.
Wie dem auch sein mag, dieses Mal kommst du ohne Gegenleistung nicht davon. Zumal ich nicht nur deinen Hintern rette."
"Wovon sprichst du?"
Lucius war nun schon so nahe getreten, dass seine Nase nur Millimeter von Severus' entfernt war.
"Ich rede von deinem kleinen Freund." flüsterte er drohend, bevor er wieder zurücktrat, um seine Worte sinken zu lassen.
"Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!"
"Natürlich nicht, Severus. Woher solltest du denn auch wissen, dass ich über deine kleine Affäre mit Black Bescheid weiß."
Severus Atem stockte in seiner Brust, und er war sich sicher, dass sein Herz mindestens einen Schlag aussetzte, um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen.
Es war also tatsächlich Lucius gewesen, der ihn jedes Mal verfolgt hatte. Und natürlich hatte dieser sofort seine Möglichkeiten erkannt, die ihm diese Informationen verschaffen würden. Mit Freuden spielte Severus ehemaliger Liebhaber diesen Trumpf nun gegen ihn aus.
Lucius sprach weiter, als ob er Severus Reaktion nicht bemerkt hätte, und Severus zwang sich, ihm zuzuhören.
"Es ist nicht so, als wäre ich eifersüchtig, versteh mich bitte nicht falsch. Auf der anderen Seite kann ich dich sogar sehr gut verstehen, weißt du? Ich fand ihn schon immer äußerst attraktiv. Aber, wirklich, einen Gryffindor? So verzweifelt könntest doch nicht mal du sein, dachte ich. Nun ja, selbst ich kann mich täuschen.
Doch was ich nicht tolerieren kann, ist dein Verhalten unserem Lord gegenüber. Ihn derart zu hintergehen, ist völlig inakzeptabel. Und du weißt, dass ich ihm eigentlich sofort erzählen müsste, was ich weiß."
"Warum machst du es dann nicht einfach?" keuchte Severus zwischen einem neuerlichen Hustenanfall hindurch. Es war ihm überhaupt nicht nach Lucius Spielchen zu Mute, und er wünschte sich nur, der eingebildete Lackaffe vor ihm würde endlich mal zum Punkt kommen.
"Dazu wollte ich gerade kommen, Liebster. Wirklich, immer so ungeduldig....
Wie ich schon sagte, bin ich hilflos, wenn es um dich geht. Ich sehe dich nicht gerne leiden."
Severus schnaubte. Sicher, und der Papst trug Turnschuhe.
"Du kannst mir ruhig glauben." Lucius kam wieder näher. "Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben."
Und zu Severus Überraschung hob Lucius eine Hand und streichelte sein Gesicht. Legte seine Finger unter sein Kinn und hob es hoch, so dass sich die beiden Männer in die Augen sahen.
"Lu, lass... " aber Severus kam nicht dazu, seinen Protest zu äußern. Lucius beugte sich vor und streifte seine Lippen mit den eigenen.
Severus drehte abrupt den Kopf zur Seite.
"Lass das!" brachte er hervor.
Als Lucius wieder sprach, hörte Severus die arrogante Kälte, die signalisierte, dass er den Blonden verletzt hatte.
"Oh, ich vergaß. Ich bin dir ja nicht mehr gut genug."
"Wie melodramatisch. War noch was?" Severus kochte jetzt fast vor Wut, was den Vorteil hatte, dass er wenigstens wieder klar denken konnte.
"Um genau zu sein, ja. Du kennst meine Bedingungen noch nicht."
Zuerst wusste Severus nicht, wovon sein Gegenüber sprach, bevor es ihm dämmerte.
"Deine Gegenleistung." Es war keine Frage.
"Also doch nicht umsonst Professor. Ja, meine Gegenleistung.
Es ist ganz simpel. An unserem jetzigen Arrangement ändert sich nichts. Du behandelst Draco weiterhin mit äußerster Vorsicht und Fürsorge, und niemand erfährt, dass du für Dumbledore spioniert hast."
"Ja, das ist mir bekannt. Ich mag alt sein, aber nicht vergesslich."
Lucius lachte leise.
"Du bist nicht alt, mein Lieber. Doch weiter zum Geschäft. Ich werde ihm weder sagen, dass du dich mit Black triffst, noch, was ihr bei einem solchen Treffen macht, noch, in welche Art von Hund unser geliebter Freund sich verwandelt, wenn er nicht erkannt werden will."
"Das weiß er nicht?" Severus hatte sich die Frage nicht verkneifen können.
"Pettigrew war noch nie gut darin, irgendetwas zu tun." Lucius lachte, und selbst Severus konnte sich ein abfälliges Grinsen nicht verkneifen.
"Und was willst du von mir?" fragte er, erneut ernst.
"Das, was Black von dir bekommt."
Severus wusste nur zu genau, worauf Lucius hinaus wollte, fragte aber trotzdem.
"Informationen? Die bekommst du aus erster Hand!"
"Nein, Sev. Keine Informationen.
Sex."
Severus schluckte, was mit Schmerz verbunden war, und überlegte.
Welche Wahl hatte er? Was blieb ihm sonst übrig?
Wäre es nur um sein Leben gegangen, hätte er gewusst, was er zu sagen hatte. Ein klares Nein, wenn Lucius Glück hatte. Verbunden mit sämtlichen Flüchen, die Severus kannte, wenn er Pech hatte. Er würde lieber sterben, als Lucius noch ein einziges Mal in sein Bett zu lassen.
Doch es ging nicht nur um ihn, oder sein Leben.
Es ging um Black. Und obwohl Severus nie gedacht hätte, diese Gefühle je in seinem Leben zu entwickeln, er wollte nicht, dass Sirius starb. Nicht, weil Harry dann ohne Vaterfigur wäre. Dass war dieses Balg schon lange genug gewesen. Selbst die Tatsache, dass dies den ganzen Orden gefährden könnte, konnte Severus nicht wirklich beunruhigen.
Nein, der Grund war wesentlich egoistischer. Er wollte Sirius nicht unter den Toten wissen, wenn er gerade erst anfing, sich an diesen Mistkerl zu gewöhnen.
Und ganz tief in seinem Inneren wusste Severus, dass es noch unkomplizierter war.
Er war dabei, sich in Sirius zu verlieben.
Er war selber erstaunt, dass ausgerechnet hier und jetzt herauszufinden, festgekettet an einer Wand, mit Lucius um sein Leben feilschend.
Doch nichts desto trotz war es wahr.
Resigniert ließ Severus den Kopf hängen. Aus genau einem solchen Grund hatte er die letzten 15 Jahre auf eine Beziehung verzichtet. Um nicht das Leben seines Lebensabschnittgefährten zu gefährden.
Jetzt hatte er, wie es so schön hieß, den Salat.
Er nahm einen tiefen Atemzug, sah wieder auf und sah Lucius fest in die Augen, als er antwortete:
"Solange du keinen Enthusiasmus von mir verlangst."
Lucius grinste breit.
"Keine Angst, das lässt sich regeln!"
Sprachs und eilte wieder zur Tür hinaus.
Und hinterließ einen vollkommen verwirrten Severus, der sich fragte, wie diese Äußerung wohl gemeint gewesen war.
Nicht viel später erschienen zwei Kapuzenträger, die ihn losbanden, ihm neue Kleidung zuwarfen und ihm einen Teller Essen mitsamt einem Krug kaltem Tee hinterließen. Severus verschlang das Essen mit Freuden, trank den Krug fast auf einen Zug aus und zog sich an. Er brauchte eine halbe Ewigkeit, sein Hemd zuzuknöpfen, und weil er zu erschöpft war, sich darüber Gedanken zu machen, beließ er es auch nur bei den ersten unteren Knöpfen, und ließ den Rest einfach offen. Er schlurfte zu seinem Quartier zurück und freute sich schon auf sein Bett. Selbst diese heubelegte Pritsche kam ihm momentan verlockend vor.
Vor seiner Tür angekommen, folgte die erste unangenehme Überraschung des Tages. Dort stand nämlich ein weiterer Todesesser, der ihm schlicht und ergreifend den Zutritt in seine Gemächer versperrte. Verwirrt wollte Severus schon Einlass erzwingen, als ihm einfiel, dass sein Zauberstab auch in dieser Besenkammer befindlich war. Frustriert wandte sich Severus zum Gehen, als ihm die Wache zurief
"Malfoy sagte, Sie würden dort unterkommen!"
Natürlich, warum hatte er sich das nicht direkt gedacht? Wenn Lucius schon Pläne mit ihm hatte, wollte er sie bestimmt sofort in die Tat umsetzten. Mit einem Gefühl in der Magengegend, dass man nur als Ekel bezeichnen konnte, machte Severus sich auf, Lucius' Aufenthaltsort zu finden.
Er war nicht überrascht, diesen im Ostflügel zu finden. Dort, wo sich die großen Wohnungen befanden. Dort, wo Severus auch schon mal residiert hatte.
Er war noch weniger überrascht, als er erkannte, dass es exakt seine alte Wohnung war, auf die er zusteuerte.
Er klopfte, und machte sich darauf gefasst, Lucius auf ihn zustürzen zu sehen, unbekleidet und vollkommen geil nach ihm.
Es stellte sich als zweite Überraschung heraus, dass eben dieser auf seinem Sofa saß und gar nicht zu bemerken schien, dass Severus gerade den Raum betreten hatte.
Lucius hatte sogar ein Buch auf dem Schoß, ein Anblick, den Severus nun gar nicht kannte.
Severus räusperte sich, und versuchte mit Gewalt, nicht schon wieder die Geduld zu verlieren.
Lucius sah von seinem Buch auf.
"Oh, hallo, Sev. Ich hatte noch gar nicht mit dir gerechnet."
Severus hob eine Augenbraue, versuchte aber erst gar nicht, den Sinn der Worte zu verstehen. Von Lucius klare Aussagen zu erwarten war ungefähr so wahrscheinlich, wie von Longbottom plötzliche Erleuchtung in Sachen Zaubertränken.
"Setz dich doch bitte."
Augenrollend stellte Severus fest, dass dies nur auf dem Sofa möglich war, und setzte sich in die äußerste Ecke des Möbels. Dabei ließ er seinen Blick durchs Zimmer schweifen.
Nicht einmal das Mobiliar hatte der ältere Malfoy groß verändert. Außer dem Sofa gab es tatsächlich nur noch einen Tisch, der allerdings recht teuer gewesen sein musste, zwei Sessel, die vollgepackt mit diversen Büchern in der Ecke standen, und dieser furchtbar geschmacklose Kerzenleuchter, den wohl schon Severus' Vorgänger in dieser Wohnung installiert hatte.
Es waren die Kleinigkeiten, die sich geändert hatten. Die Teppiche waren alle aus wesentlich edlerem Material, als die, die sich Severus damals in diese Wohnung gelegt hatte. Die Regale waren mit Büchern angereichert, die eher nach dem Buchrücken als nach dem Inhalt ausgesucht worden waren, und die Vorhänge schienen aus teuerem Damast.
Sicher, warum sollte Lucius auch hier anders leben als in seinem eigenen Heim.
"Mein Gott, Severus, nimm den Besenstil aus deinem Hintern. Du bist ja total verspannt."
Severus zuckte zusammen, als er feststellen musste, dass sich Lucius beinahe wie Sirius angehört hatte. Doch er rutschte tiefer in die Kissen und versuchte, sich zu entspannen. Immerhin hing er nicht mehr an der Wand.
Er schloss seine Augen und fiel fast sofort in eine Art Halbschlaf. Er hörte noch Lucius, wie er die Seiten des Buches umblätterte, hörte das Feuer im Kamin, doch er war nicht mehr wirklich anwesend. Seine Gedanken schweiften fast automatisch zu Sirius, und er spürte ein kleines Lächeln auf seinen Lippen Form annehmen.
Als er kühle Finger auf seinen Armen spürte, fuhr er im ersten Moment nicht einmal zusammen, sosehr war er in seiner Vorstellung gefangen.
Warmer Atem machte sich auf seinem Gesicht bemerkbar, und verwundert öffnete er die Augen. Sein Lächeln wurde nur noch breiter, sah er doch in die blauen Augen seines Liebhabers.
Der halbnackt auf der Couch ihm gegenüber saß und langsam seine Arme durch den Stoff des Hemdes streichelte.
Severus runzelte die Stirn, als ihm die Absurdität der Situation bewusst wurde.
"Was..., wie...?" stammelte er, als er seinem Gehirn befahl, zu arbeiten. Sirius konnte doch gar nicht hier sein?!
"Pscht, Sev, nicht reden." antwortete das, was nur eine Halluzination sein konnte, und beugte sich vor. Severus schloss die Augen und wartete nur darauf, gleich wieder aufzuwachen und sich wieder in Lucius Zimmer vorzufinden, und zu realisieren, dass er wohl geträumt hatte.
Doch stattdessen spürte er ein Paar Lippen, die seine küssten, und sanfte Fingerspitzen, die nun auf seiner Schulter ruhten.
Erschrocken fuhr Severus zurück, blinzelte verwirrt die "Halluzination" an, die doch keine war, und schüttelte ungläubig den Kopf.
"Was machst du hier? Wie kommst du her? Was...?" begehrte Severus zu wissen. Es konnte doch nicht möglich sein, dass Sirius tatsächlich einen Weg in die Quartiere des Lords gefunden hatte?? Selbst Dumbledore konnte dieses Anwesen nicht betreten, ohne, dass es direkt jede Ratte und jeder Floh gewusst hätte!!
"Du musst hier raus, sie werden schon unterwegs sein!" rief er und sprang auf. Er hatte schließlich nicht sein Leben für ihn riskiert, nur, damit Sirius nun in ein offenes Messer lief!
Doch Sirius blieb ruhig, lächelte ihn nur an.
"Ganz locker, Sev. Kein Grund zur Beunruhigung, niemand weiß, dass ich hier bin."
"Aber das ist....," begann Severus, bevor ihm schlagartig klar wurde: das auf dem Sofa konnte gar nicht Sirius sein!
Sirius würde ihn niemals Sev nennen! Severus ja, Snivellus, wenn er verärgert war. Snape, wenn sie kurz davor waren, sich die Zauberstäbe auf die Brust zu deuten. Aber Sev, nein, das war nicht Sirius Stil.
"Wer bist du?"
Sein Gegenüber schaute ihn überrascht an, und Severus musst zugeben, dass dort anscheinend ein sehr guter Schauspieler saß, denn genauso würde Sirius aussehen, wenn er nicht wusste, wovon Severus überhaupt sprach.
"Was meinst du, wer bist du? So lange ist es doch nicht her, dass wir uns gesehen haben. Oder leidest du jetzt schon unter Alzheimer, Sev?"
Das war wirklich gekonnt. Dieser hohle Spruch konnte genauso gut von Sirius stammen. Im Stillen fragte Severus sich, wer in Seiner Gefolgschaft solch ein guter Schauspieler war. Auch wenn ihm schon fast klar war, wer dort vor ihm saß. Es gab eigentlich nur eine Person, die ihn flachlegen wollte.
Warum Lucius allerdings zu dieser Verkleidungsfarce gegriffen hatte, war Severus vollkommen schleierhaft.
"Wenn du wirklich glaubst, ich würde darauf hereinfallen, hast du dich verkalkuliert, Lu!"
Sein Gegenüber runzelte die Stirn, und Severus stellte mit Genugtuung fest, dass er den älteren Malfoy anscheinend aus dem Konzept gebracht hatte. Doch dann erwiderte er etwas, das Severus an seiner Überzeugung zweifeln ließ.
"Lu? Wo ist der Drecksack? Was hat er getan? Sev?"
Würde Lucius sich selber beschimpfen? Severus bezweifelte es stark. Nicht der Lucius Malfoy, den er kannte, und er glaubte nicht, dass er sich wirklich geändert hatte. Malfoy gehörte mehr zu den Menschen, die man als unverbesserlich einkategorisierte. Aber wenn es nicht Lucius war, der dort saß und ihn besorgt ansah, wer war es dann?
"Sirius?" fragte Severus, auch wenn er wusste, dass es sich lächerlich anhörte. Unter normalen Umständen hätte er nicht gefragt, sondern dieses Individuum nur aus dem Zimmer geworfen.
Aber die Umstände waren alles andere als normal. Er war der Gnade des Dunklen Lords und der von Lucius ausgesetzt, hatte mehr zu verlieren, als ihm lieb war, und konnte nicht davon ausgehen, nicht doch Sirius vor sich zu haben.
Die Situation sprach eigentlich mehr als nur dafür, bedachte man Sirius' unheimliches Talent dafür, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.
"Natürlich Sirius. Was hast du denn gedacht, der Osterhase?" kam auch prompt die spöttische Antwort. Eine typische Sirius-Antwort.
Severus Gedanken bewegten sich in Rekordgeschwindigkeit. Er versuchte, Logik in sein Gehirn Einzug zu gewähren, doch er war wie blockiert. Selbst die Tatsache, das bis vor fünf Minuten Lucius noch mit ihm in diesem Raum gesessen hatte, und somit unausweichlich mit Sirius zusammengetroffen sein musste, drang nicht wirklich bis in Severus Logikzentrum durch. Er fühlte sich wie in Watte gehüllt, und so sehr er auch dagegen ankämpfte, er kam aus diesem benommenen Zustand nicht wieder heraus.
Da er sich allmählich damit abfand, dass sein Liebhaber tatsächlich in das geheime Verstecks des Lords eingedrungen war, vermutlich aus einer Laune heraus, die sonst niemand verstehen würde außer ihm selbst, spürte Severus seine Geduld schwinden.
"Was, in Dreiteufelsnamen, machst du hier? Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?" herrschte er Sirius an, der mittlerweile so aussah, als wollte er ihn in St. Mungo's einliefern lassen.
"Ich habe dich vermisst." kam die kleinlaute Antwort.
Einen Augenblick, schrie Severus Verstand auf. Er versuchte, diese Information zu verarbeiten, konnte aber nicht umhin, Schmetterlinge in seinem Bauch zu fühlen. Sirius hatte ihn vermisst! Das war vollkommen
'unmöglich' hisste Severus Verstand. 'Das ist nicht Black!'
"Das wage ich zu bezweifeln." entkam es Severus, der schon fast ein schizophrenes Gefühl entfand. Ein Teil seines Gehirns fuhr fort, ihm zu versichern, dass dieses Wesen auf der Couch kaum Sirius Black sein konnte, doch ein anderer, wesentlich überzeugenderer Teil fand diese Möglichkeit nicht sonderlich abwegig.
Sirius, oder sein Doppelgänger, blieb stumm.
Severus war sich seiner Reaktion immer noch nicht sicher. Sollte er dem Zimmer entfliehen, der Wache vor seinem Zimmer sagen, er solle sich verziehen, und warten, bis sein Gehirn wieder klarer funktionierte?
Oder sollte er akzeptieren, dass Sirius lebensmüde genug gewesen war, ihn hier aufzusuchen, und versuchen, mit seinem Liebhaber zu fliehen, bevor jemand seiner Anwesenheit gewahr wurde?
Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, wurde sie ihm abgenommen, als Sirius aufstand und näher trat. Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, verwickelte er Severus in einen langen, lustvollen Kuss, ließ seine Hände über seine Brust wandern und verschränkte diese in Severus Nacken.
Bei dieser Berührung verflüchtigte sich der rationale Teil von seinem Verstand restlos, und Severus verschwendete keinen einzigen Gedanken mehr an der Realität oder Authentizität seines Gegenübers.
Stattdessen konzentrierte er seine ganze Energie darauf, Sirius zu küssen, ihn seiner Kleider zu entledigen, und sich langsam zum Schlafzimmer vorzutasten.
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