Bei seinem Eintreten bewahrheiteten sich Severus schlimmste Vermutungen. Er hatte schon damit gerechnet, dass Sirius altes Heim nicht sonderlich komfortabel sein würde, wenn man bedachte, dass dort seit einer halben Ewigkeit niemand mehr gelebt hatte. Doch selbst dieses Wissen konnte das angeekelte Gesicht verjagen, dass Severus unwillkürlich zog.

Staub und Spinnweben begrüßten ihn aus jeder Ecke, und das, was mal Möbel gewesen waren, ließ sich nur noch als größeres Gerümpel bezeichnen. Zudem waren die Vorhänge und Wandteppiche voller Viehzeug, dass Severus dazu veranlasste, um jedes Ding, dass in seinen Weg kam, einen riesigen Bogen zu machen.

Zu allem Überfluss kam ihm Mrs. Weasley entgegengelaufen, legte ihre Hand auf seinen Rücken und schob ihn flüsternd durch die Eingangshalle.

"Professor Snape, wir haben Sie schon erwartet. Kommen Sie, leise, psscht."

Severus verdrehte die Augen. Er hatte dieses Weibstück noch nie ausstehen können, und ihre momentane Nähe zu ihm war nichts, worauf Severus besonders scharf war.

Er ließ sich in die Küche bugsieren, wo eine Horde Ordensmitglieder erwartungsvoll zu ihm von ihren Stühlen aufsahen. Severus Begeisterung sank nur noch mehr, als er realisierte, wer alles mit ihm im Raum war.

Mad Eye, oh nein, pardon, Alastor, Moody, der Hauptschuldige an Severus Magengeschwür. Dieser Mistkerl, der ihn damals nach Azkaban hatte schicken wollen, und der auch nach Albus' Bekräftigungen nur widerwillig zugestimmt hatte, ihn wieder laufen zu lassen. Severus seufzte leise. Zumindest war es dieses Mal der echte. Das hoffte er zumindest.

Ein Etwas, der Haarlänge und -farbe nach wohl eine Frau, das ihn nervös angrinste, ihm seines Wissens nach allerdings nicht bekannt war. Vermutlich noch so ein unerträgliches Mitglied des Ministeriums.

Direkt daneben, Shaklebold, Arthur Weasley, dann auch noch Lupin, der ihn so gütig und geduldig angrinste, dass es ihm schon beinahe übel wurde, und natürlich, direkt neben Albus, Black.

Wenn der Knoten in Severus' Magengegend aus Stein gewesen wäre, hätte er womöglich nicht mehr aufrecht stehen können. Er fühlte sich mit einem Male hundsmiserabel, und wäre mit Wonne wieder zum Dunklen Lord appariert.

Eine Nacht an den Kerkerwänden schien ihm soeben wesentlich attraktiver als dieses lächerliche Zusammentreffen.

Albus räusperte sich, und wies auf einen leeren Stuhl.

"Setz dich doch, Severus."

Ja, mit Vergnügen, und das auch noch auf den Stuhl direkt neben Black. Manchmal glaubte Severus, Albus hasste ihn zutiefst.

Doch der alte Mann konnte ja auch nichts dafür. Woher sollte er denn auch von Severus neuester Abneigung gegenüber Sirius (nein, Black) wissen? Wenn überhaupt, vermutete er doch nur die alte Schuljungenfeindschaft, die in seinen Augen mehr als nur harmlos war.

Als Albus seine, natürlich obligatorische, Rede hielt, wie sehr er sich doch freute, bla bla, schweiften Severus Gedanken ab, und er konnte nicht verhindern, Black aus den Augenwinkeln zu beobachten.

Es war nicht einmal eine Woche her, als er noch davon überzeugt gewesen war, sich in diesen Mistkerl verliebt zu haben. Doch nach den wirklich unangenehmen Geschehnissen in Lucius Schlafzimmer war Severus zu einem Entschluss gekommen.

Nichts und niemand (wirklich niemand) würde sich mehr zwischen ihn und sein Ziel stellen. Er hatte mit Mühe wieder Vertrauen bei "seinem" Lord erwirkt, dass er sich dieses nicht mehr streitig machen lassen würde.

Was für ihn allerdings auch bedeutete, Lucius bei Laune zu halten. Was auf regulären Sex hinauslaufen würde, dass wusste Severus jetzt schon.

Und bei diesem Vorhaben konnte er keinen eifersüchtigen, und vor allem impulsiven, Liebhaber gebrauchen, der Lucius in einer schwachen Minute, die öfter vorkam als es jedem wohl lieb war, die Kehle durchschlitzen würde.

So sehr Severus diesen Gedanken auch verabscheute, er war auf Lucius Einfluss auf den Lord angewiesen.

Plötzlich drehte Black den Kopf, sah ihn an und grinste verhalten.

So als ob sie ein Geheimnis miteinander teilten.

Als ob sie etwas miteinander gemeinsam hätten.

Severus wollte sich nicht eingestehen, bei diesem Blick ein leichtes Stechen in seiner Herzgegend zu verspüren.

Ganz tief in seinem Inneren, dicht unter seinem logischen Denken, seiner aufgesetzten Gefühlskälte und seiner betont ruhigen Art, dort wusste Severus den wahren Grund für seinen Abstand zu Black.

Er wusste, dass er ihn nicht mehr nahe lassen konnte. Er wusste, dass, sobald Black sich auch nur einen Millimeter auf ihn zu bewegen würde, er sofort an Lucius denken müsste, und er wollte sich diese Peinlichkeit ersparen. Der Ekel nicht zu vergessen, den er empfinden würde, würde er noch ein einziges Mal von Black angerührt.

Nein, ganz ehrlich war das auch wieder nicht.

So sehr er sich auch dagegen wehrte, aber um ehrlich zu sein, wollte er Black nicht verletzen, wenn er es vermeiden konnte.

Hätte ihm das vor mehr oder weniger 20 Jahren gesagt, hätte er vermutlich lauthals gelacht.

Doch diesen Gedanken lies er Gott sei Dank nicht oft zu.

Er konnte ein verächtliches Schnauben nicht verbergen, doch da dies direkt in eine von Dumbledores Ausführungen fiel, bemerkte es glücklicherweise niemand.

Wann dieser Mensch wohl endlich lernen würde, dass seine überlangen Sympathiebekundungen niemanden interessierten. Severus konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass auch nur eine Person in diesem Raum wirklich ernsthaft zuhörte.

Er tat es zumindest nicht. Was ihn den Namen der Pinkfarbenen durchgehen ließ - was ihm allerdings nicht wirklich leid tat. Früher oder später würde er diesen auch noch erfahren, und seiner Meinung nach konnte es dafür nie spät genug sein.

Ein Stechen in seinem linken Arm erinnerte Severus daran, seine Medizin heute noch nicht eingenommen zu haben. Resigniert wühlte er in seiner Tasche, auf der Suche nach dem lächerlich kleinen Fläschchen, in dem er sie aufbewahren musste. Natürlich hatte es in seinem kleinen Verschlag, in dem er hauste, keinen Ersatz für die Behältnisse gegeben, die er von Hogwarts gewohnt war.

Manchmal begriff er einfach nicht, wie jemand seinen Hass auf sein eigenes Leben nicht nachvollziehen konnte. Wie konnte er sein Leben denn zu schätzen wissen, wenn wirklich alles, was er anfasste, nicht funktionierte?

Ah, da war es ja, das 'köstliche' Nass. Er musste an sich halten, nicht eine Fratze zu ziehen, als die bittere Flüssigkeit ihren Weg seine Kehle hinunter bahnte.

Er konnte es sich nicht verkneifen, die Muggle zu beneiden, die ihr Eisen aus Tabletten beziehen konnten. Diese würden bei weitem nicht so grausig schmecken, da war er sich sicher. Warum er aber auch noch mit Eisenmangel gestraft war, verstand Severus eh nicht wirklich. Als hätten schnell fettende Haare und eine riesige Nase nicht schon gereicht.

Zu seiner Erleichterung kam Dumbledore endlich zum Punkt, und er wollte gerade schon das Wort ergreifen, als Weasley sen. plötzlich den Drang verspürte, ebenfalls einen Vortrag zu halten.

Na prima, dachte Severus. Erst ein tattriger Schuldirektor, der in seinen Augen schon lange nicht mehr wusste, was er tat, und nun auch noch dieser wirre Muggleliebhaber, der zudem nie etwas von Verhütung gehört hatte.

Nicht, dass Severus etwas gegen Fortpflanzung gehabt hätte. Er wusste, dass das Geschlecht der Zauberer weiterleben musste und so weiter und so fort, doch direkt 7 Kinder in die Welt zu setzen, hielt er für übertrieben.

Vor allem, wenn sie, ohne Ausnahme, so dermaßen impertinent waren.

Gott zum Dank war diese Rede bei weitem nicht so langatmig wie die vorherige, so dass Severus erst gar nicht dazu kam, erneut in seine Überlegungen einzutauchen. Als Weasley sich dann endlich setzte, räusperte Severus sich laut, und trug seine neuesten Erkenntnisse vor. Sie waren zwar wieder nur dürftig, aber zumindest wussten Sie mittlerweile, dass sich der Lord auf andere Quellen als die Zauberei berufen wollte.

Gerade, als er geendet hatte, und der Auffassung war, nun endlich wieder gehen zu können, stand Dumbledore noch einmal auf. Er verdrehte die Augen. Hatte der alte Mann nicht eben schon gesagt, was er zu sagen hatte? Musste er ihn nur noch weiter quälen? Zu allem Überfluss blinzelte Albus ihn auch noch geduldig und gütig an, so wie er es auch schon immer in seinen Schultagen getan hatte.

Ja, er wusste, Albus tat dies nur, um ihm ein Gefühl der väterlichen Wärme zu vermitteln, sicher, sein Verstand funktionierte noch soweit, als das er sich dies auch selbst noch erklären konnte. Aber es hatte bei ihm nun mal nicht diesen Effekt. Im Gegenteil, es verursachte bei ihm nur Übelkeit und das Verlangen, schreiend aus dem Raum zu flüchten.

"Da wir dies nun Dank Severus wissen," sagte Dumbledore in diesem warmen Ton, der Severus danken ließ, noch nicht zu Abend gegessen zu haben, "können wir glücklicherweise unsere Augen weiter offen halten, und dies in verschiedene Richtungen. Arthur, du wirst diese neuen Erkenntnisse natürlich auch mit deinen Kollegen teilen. Also, wir müssen nun alle unser Bestes geben, und da draußen vor allem eines, nämlich unseren Kopf, nicht verlieren. Wir alle," er stoppte und sah zu Sirius, "bis auf dich. Ich kann es nicht riskieren, dich wieder in Azkaban zu sehen. Es ist wirklich das Beste, wenn du hier bei Molly und ihrer Familie bleibst, und bei den Arbeiten hilfst, dieses Haus wohnlicher erscheinen zu lassen."

Der Gesichtsausdruck Blacks bei dieser Nachricht war Gold wert. Am liebsten hätte Severus laut aufgelacht. Sein Sitznachbar sah aus, als hätte man ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen.

Severus beließ es, des lieben Friedens Willen, bei einem verzogenen Mundwinkel, der bei ihm ja bekannter Weise alles bedeuten konnte. Er wusste selbst, wie kindisch er sich gerade aufführte, doch er hatte sich nun mal für diese Variante entschieden, über Black hinweg zu kommen.

Er verachtete ihn zutiefst. Zumindest redete er sich das ein, solange, bis er es selbst glaubte. Für die Umstehenden änderte sich äußerlich nichts an seinem Verhalten, und das war das Beste, dass ihm nun passieren konnte.

Er konnte sich nicht sicher sein, ob der Dunkle Lord tatsächlich aufgehört hatte, ihn zu beschatten, und so lange er dies nicht war, waren unübliche Handlungen seinerseits zu vermeiden.

Glücklicherweise dauerte das Treffen nach Dumbledores neuerlichem Redefluss nicht mehr lange an, so dass eine Stunde später alles gesagt war, dass gesagt werden musste, und Severus mit Vergnügen seinen Abschied nahm. Die Einladung zum Abendessen, so freundlich sie gemeint war, lehnte er ab. Zum Abschluss auch noch mit den jüngsten Vertretern der Weasleyfamilie an einem Tisch sitzen zu müssen, und von ihnen begafft zu werden, als sei er ein seltenes Tier, war das Letzte, was Severus heute, oder jemals, erleben wollte.

Die Versammlung stand fröhlich quatschend im Saal, die Unterhaltung bewegte sich auf einem Niveau, dass Severus schaudern ließ, und er trat nur zu gerne aus der Tür. Die frische Luft war wie Balsam für seine Seele, und der Drang, mit dem Kopf zuerst in die nächste Mauer zu laufen, verschwand.

Mit Dummheit gestraft zu werden, war dies das Konzept der Hölle?

Wenn ja, war Severus schon längst in ihr gefangen.

Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht, schloss für einige wenige Sekunden die Augen. Eigentlich musste er sofort wieder zurück, bevor die falschen Menschen mitbekamen, dass er gar nicht präsent war. Offiziell verbrachte er seine Zeit gerade in Lucius' Gemächern, doch diese Tarnung konnten sie nur so lange aufrecht erhalten, wie dass ein anderer Todesesser beschloss, eben jenem einen Besuch abzustatten.

Doch er verweilte noch ein, zwei, Minuten, ließ die Ruhe und den Duft frischgemähten Rasens auf sich einwirken, und fragte sich im Stillen, warum es nicht immer so sein konnte. Wenn er bedachte, dass andere Leute sich nur darum sorgen mussten, was sie am nächsten Tag anziehen würden, hätte er neidisch werden können.

Er hörte, wie sich hinter ihm die Tür öffnete, und machte sich darauf gefasst, von einem der anderen Ordensmitglieder angequatscht zu werden. Komischerweise schien von diesen auch nicht nur einer zu begreifen, dass ihm selten der Sinn nach Konversation stand. Eigentlich nie, wenn er es recht bedachte.

Ehrlich gesagt lag dies natürlich zu einem großen Teil an ihm selbst. Er war nicht gut in Small Talk, unterhielt sich nur ungern über das Wetter, Kinder, kleinere Wehwehchen und dergleichen. Und einen Gesprächspartner zu finden, der seinen Ansprüchen genügte, oder seinen Fachgesprächen folgen konnte, war schier unmöglich. Und ihm vor allem zu anstrengend.

Schritte knirschten auf dem Kiesweg, und Severus fragte sich, warum er nicht schon längst angesprochen worden war, oder wer dort etwas von ihm wollte, da er sich nicht herumgedreht hatte, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte.

Er zuckte zusammen, schalt sich allerdings sofort einen dämlichen Trottel. Warum er ständig die Leute merken lassen musste, dass seine Nerven zu Zeiten aus Papier zu bestehen schienen, war ein Mysterium an sich. Er war eigentlich prinzipiell in der Lage, die Contenance zu wahren, doch in solch stillen Momenten wie diesem, in denen er gedankenverloren in die Nacht starrte, konnte man ihn schon einmal eiskalt erwischen.

Wie er es hasste.

"Severus?"

Auch das noch, dachte er, als er die Stimme Blacks hinter sich hörte. Er hatte eigentlich schon die ganze Zeit über gewusst, dass er es war. Wer sonst hätte sich derart an in herangeschlichen? Doch dieses Wissen half ihm nicht dabei, sich nicht doch unwohl zu fühlen. Sogar äußert unwohl.

Doch er schreckte nicht vor der Hand zurück. Das letzte, was er Black jetzt noch geben wollte, war die Gewissheit, irgendeine Macht über ihn zu haben.

Er drehte sich allerdings auch nicht um. Was verlangte dieser Mensch denn von ihm? Das er ihm vor lauter Freude um den Hals sprang und ihn stürmisch küsste, nur, weil er jetzt da war? Als hätte er den ganzen Abend nur darauf gewartet, mit ihm alleine zu sein?

Mochte ja sein, dass Black so empfand, aber nicht er. Selbst wenn er sich die Gefühle zugestehen würde, die er zu unterdrücken suchte, würde er nicht seine Fassung verlieren.

"Alles in Ordnung?"

Beinahe wäre ihm bei dieser Frage ein bitteres Lachen entkommen. Wie konnte dieser ignorante Kerl denn auch eine Minute denken, dass irgendetwas bei ihm in Ordnung war? Sein Leben war ein verdammter Scheißhaufen, war das denn nicht ersichtlich?

Er antwortete immer noch nicht. Er wollte sich nicht die Blöße geben, tatsächlich seiner Wut freien Lauf zu lassen, doch dafür musste er noch einige Male tief ein- und ausatmen, seine Schutzmauer aufbauen, und vergessen, dass er tatsächlich mit Black sprach.

"Ist irgendwas...?" Black trat noch einen Schritt weiter vor, wohl in einer wohlwollenden Geste. Seine Hand rutschte weiter hinauf, näher zu seinem Hals. Severus spürte, wie sich seine Muskeln anspannten, er wusste, dass seine Reflexe bereit waren, zuzuschlagen, und er kämpfte diesen Impuls wieder herunter.

Das letzte, was er wollte, war eine Prügelei. Auch wenn sie ihm wahrscheinlich unheimlich gut getan hatte, und er seine sämtlichen Spannungen hätte auslassen können, der Effekt wäre armselig gewesen. Was nutzte es ihm, Black ein blaues Auge zu verpassen, oder ihn gar Tentakeln ins Gesicht zu zaubern?

Während er langsam bis zehn zählte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als endlich in Frieden in seinem Bett liegen zu können, und das unbesorgt.

Was ihm dieses Leben vermutlich nicht mehr beschert werden würde.

Blacks andere Hand legte sich um seine Hüfte, und er wusste, dass sich der Animagus gleich an ihn schmiegen würde.

Er machte einen forschen Schritt nach vorne, riss sich so aus Blacks Griff, und drehte sich letztendlich um.

Black sah ihn überrascht an, verschränkte verwirrt die Arme.

"Was ist denn?"

In seinem Inneren spürte Severus plötzlich eine Tür ins Schloss fallen. Genau das, was er erwartet hatte, zu geschehen.

Er setzte ein abfälliges Grinsen auf, verschränkte ebenfalls die Arme, und legte soviel Sarkasmus und Snobismus in seine Haltung, wie er aufbringen konnte. Er war schließlich Zaubertränkemeister und Spion, er würde dies doch auch noch über die Bühne bringen!

"Verwunderlich, dass du fragst. Die gleiche Frage schoss mir doch gerade auch durch den Kopf."

"Wovon zum Teufel..?"

"Ich spreche? Gute Frage. Aber ich will deine Gehirnzellen nicht überanstrengen." Severus machte eine dramatische Pause. "Ich hätte zu gerne gewusst, was das gerade sollte."

"Severus, ich weiß wirklich nicht, was los ist, aber wenn du Probleme hast, wir können..."

"Oh, erspar mir bitte deine Hilfsbereitschaft! Es ist nicht so, als könnte ich meine Angelegenheiten nicht selber regeln. Ganz im Gegenteil. Wenn ich deine Hilfe dabei bräuchte, könnte ich genauso gut meinen Beruf an den Nagel hängen."

Black starrte ihn nur ungläubig an. Severus triumphierte, und ignorierte die kleinen Stimme in seinem Kopf, die unerlässlich darum bat, dass er doch aufhörte.

"Also, ich warte..." Er betrachtete sein Gegenüber mit der kältesten Miene, die er im Repertoire hatte, und hoffte, diesen Teil des Abends schnell hinter sich zu bringen. Warum musste denn auch immer alles auf einmal passieren?

"Severus, ich kann mir vorstellen, dass du angespannt bist, und du hast es auch sicherlich nicht leicht, aber halt mich bitte aus deinen Launen heraus!"

Blacks Antwort kostete ihn beinahe jegliche Selbstbeherrschung. Wie konnte es dieser Bastard nur wagen?

Dann fiel ihm wieder ein, was Dumbledore vor nicht einmal einer Stunde geäußert hatte, und er sah die Gelegenheit zum Tiefschlag.

"Oh, kannst du das? Wirklich? Eigenartig. Es muss einfach sein, diese Aussagen zu machen, wenn man selbst nur die Sorge hegt, dass der Teppich nicht zu sehr eingestaubt ist!"

Er konnte nur allzu deutlich sehen, dass er sein Ziel nicht verfehlt hatte. Black lief schon beinahe rot an, als er seine Hände in die Oberarme presste, schon früher eine seiner Methoden, seine Wut nicht Überhand nehmen zu lassen.

"Du weißt so gut wie ich, dass es nicht meine Idee war. Glaubst du etwa, es macht mir Spaß, mit Molly hier rumzuhängen? Ich kann dir sagen, es tut es nicht!"

"Sicher, sicher. Die Wahl zwischen Hausreinigung und Spionage ist auch eine sehr harte, ich weiß. Was aber immer noch nicht meine Frage beantwortet."

Black schien nur noch wenig Geduld aufbringen zu können, was Severus nur Recht war. Seines Wissens nach wartete Lucius auf ihn. Was ihn nicht in Freudentaumel verfallen ließ.

"Gott, dass ich mir dir Arschloch gerade noch ins Bett wollte, ist mir ein Rätsel."

"Oh, nun sind wir also beim Punkt dieses Gesprächs angekommen." Severus zog den Mundwinkel weiter nach oben. "Und wie, wenn ich fragen darf, kommst du auf die sagenhaft bescheuerte Idee, dass ich mit dir schlafen würde?"

Blacks Wut verwandelte sich so sichtbar in Verwirrung, dass man schon beinahe Plakate auf seiner Stirn stehen sah. Er blinzelte einige Male, so, als wäre das Gesagte so kompliziert gewesen, dass seine Gehirnzellen, so wenige es auch waren, erst einmal versuchen mussten, es überhaupt in eine verständliche Sprache zu übersetzen.

Nach einigen Sekunden schien die Botschaft allerdings durchgekommen zu sein.

"Ich wüsste zu gerne, was in dich gefahren ist! Hast du die letzte Woche komplett vergessen?"

"Letzte Woche? Hm, lass mich überlegen. Meinst du jetzt den Zeitabschnitt, in dem ich zu meinem alten Herren und Meister geschickt wurde, oder den, wo ich so tief in dessen Hintern steckte, dass ich oben beinahe wieder rausgekommen wäre? Oder meinst du tatsächlich diese eine Nacht, die ich dummerweise in deinem Hotelzimmer eingeschlafen bin, und deshalb gefoltert wurde? Meinst du das mit letzter Woche?"

Black schaute bestürzt. "Mein Gott, Severus, ich wusste nicht..."

"Erspar mir dein Mitleid!"

Black verstummte.

"Falls du tatsächlich auf unser kleines tete a tete anspielst, so muss ich dir sagen, dass ich es, den Umständen entsprechend, recht entspannend fand, und ich weiß es wirklich zu schätzen, versteh mich nicht falsch. Aber wenn du dir etwas mehr darunter versprochen hast, kann ich dich leider nur enttäuschen..."

Black fuhr ihm ins Wort. "Was? Du Drecksack...willst du mir erzählen, dir hat nichts daran gelegen?"

Severus lachte gekünstelt. Er hatte doch gewusst, dass sein Plan aufgehen würde. Jemand, der ihn besser gekannt hatte, oder etwas feinfühliger gewesen wäre, hätte ihm nicht eine Minute lang geglaubt. Black war in dieser Nacht auch anwesend gewesen, und wenn er die Zeichen nicht richtig gelesen hatte, war er vermutlich nicht nur blöd, sondern blind dabei.

Aber verletzt man das Ego eines Mannes, kann man genauso gut seine Mutter beleidigen. Es hat alles den gleichen Effekt.

"Ich will nicht bestreiten, dass es einen gewissen Effekt auf meinen Seelenfrieden hatte. Und Sex ist nun mal ein sehr bewährtes Mittel gegen Stress, wie du wissen dürftest. Trotzdem kann ich nicht mehr darin sehen. Schließlich war es ja auch nicht wirklich atemberaubend, oder etwa doch?"

"Du kleines, mieses Arschloch!" schrie Black, und sprang ihn an. Severus hatte es kommen sehen, und wich katzengleich aus. In keiner Sekunde hatte er seinen Zauberstab gezückt und richtete ihn auf Black.

"Wirklich, ich weiß nicht, worin der Grund liegt, sich derart aufzuregen," sprach er an die Figur gewandt, die schnaubend vor ihm stand. "Aber wenn du es so haben willst, werde ich wohl oder übel hiervon Gebrauch machen müssen."

Er hasste sich selbst dafür, dass er bei Blacks Anblick einen Stich entfand. Wann war er eigentlich so schwach geworden?

"Na los, dann mach doch! Verhex mich doch schon! Beweis uns beiden, wie toll du bist, und dann verschwinde!"

Severus wollte sich nicht eingestehen, dass ihn diese Worte schmerzten. Er steckte den Zauberstab ruhig wieder weg und sah abfällig zu Black.

"Das ist mir die Energie nicht wert."

Bevor Black reagieren konnte, öffnete sich die Haustür, und Lupin mitsamt dieser pinkfarbenen Frau trat ins Freie hinaus. Er blickte nur kurz zu den beiden Kontrahenten, bevor er sich zu seiner Begleiterin wandte, die er vor einer Begegnung mit den beiden erzürnten Männern wohl schützen wollte.

Es war nicht die schlechteste Idee, die der Werwolf bisher gehabt hatte.

"Wenn du mich nun entschuldigst..."

Er schwang herum, ließ seine Robe imposant hinter sich her wehen und entschwand in die Nacht.

Er behauptete immer und immer wieder im Stillen, er hätte sich den verletzten Blick in Blacks Augen nur eingebildet.

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