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Severus,

ich weiß wirklich nicht, was in dich gefahren ist, oder warum ich das Gefühl habe, dass alles unmittelbar mit Voldemort zu tun hat, aber was auch immer es ist, ich finde, wir sollten darüber reden, anstatt wie Halbstarke aufeinander loszugehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du wirklich meintest, was du sagtest, aber selbst wenn, ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.

Ich werde mich noch einmal mit Dumbledore treffen, und ich denke, dann werden wir wohl auch fünf Minuten füreinander haben.

Sirius.

Severus knüllte den Brief mit einem angewiderten Gesichtausdruck zusammen. Was dachte sich dieser Idiot eigentlich? Das er neuerdings nicht mehr meinte, was er sagte?

Da hatte sich Monsieur Black aber gewaltig getäuscht.

Nichtsdestotrotz war er von Dumbledore zu dem heutigen Treffen mit Black gebeten worden, und würde wohl oder übel erscheinen müssen. Was auch immer Dumbledore damit bezweckte, ausgerechnet Black und ihn in einen Raum zu zitieren.

Der Brief flog im hohen Bogen ins Feuer, und Severus schlug eines seiner neuesten Tränkebücher auf, dass er auf der Knockturn Alley erstanden hatte. Gespannt las er über die letzten Erkenntnisse verschiedener Gifte betreffend, als er plötzlich eine Stimme hörte.

"Was liest du denn da interessantes?"

Was wollte Lucius nur wieder hier? Er konnte einfach nicht verstehen, warum der ältere Malfoy plötzlich sein Interesse an ihm wieder entdeckt hatte.

Aber es war keine Überraschung, dass Lucius ihn besuchen kam, ohne das Wissen der anderen. Schließlich kannte Lucius die alten Geheimgänge in die Verliese genauso gut wie er selbst. Der ältere Mann hatte sie ihm ja auch alle gezeigt, damals, als er noch in seinem dritten Jahr gewesen war, und zu ihm aufgeschaut hatte.

Lucius, der Präfekt, der Siebtklässler, der ein solches Interesse an ihm gezeigt hatte, der ihn vom ersten Tag an unter seine Fittiche genommen hatte.

Natürlich konnte Severus nicht bestreiten, dass Lucius immer noch blenden aussah. Was hatte er jahrelang gewünscht, ebenfalls so atemberaubend zu sein. Das blonde Haar, das weit über die Schulter reichte, die blasse Haut, die grauen Augen, die gar nicht mehr so kalt waren, wusste man nur, wie man Lucius Honig um den Bart schmierte. Ein perfekter Körper, kein Gramm überflüssiges Fett.

Hände, die einem den Verstand rauben konnten.

Severus musste grinsen, als er seine alten Gefühle überdachte. Gott, wie naiv er damals gewesen war.

"Was ist so witzig?"

"Gar nichts. Warum bist du hier?"

Lucius grinste nur.

Severus rollte mit den Augen, entgegnete aber nichts. Er konnte eh nichts sagen, was den älteren Malfoy dazu bewegt hätte, wieder zu gehen.

Dieser stakste gerade durch sein Wohnzimmer und betrachtete alles mit einer milden Abschätzung.

"Gott, so was nennst du eine Wohnung?"

"Ja, ich weiß, es entspricht nicht ganz deinen Standards, aber ich war noch nie sonderlich begeistert von deinem Sinn für Luxus, wie du vielleicht weißt. Mir reicht, was du hier vor dir siehst."

Lucius grinste wieder, trat vor Severus Sessel und hievte ihn auf die Füße.

"Ich weiß, du scheinst in diesem Fall unersättlich, aber muss das jetzt sein? Ich habe gleich ein Treffen mit Dumbledore, und...."

"Pscht.." unterbrach ihn Lucius. "Ich habe selber nicht viel Zeit. Fudge wartet auf eine neuerliche finanzielle Zuwendung. Aber ehe ich dort hin muss, werde ich wohl doch noch..."

Er sprach nicht weiter, sondern legte nur seinen Mantel ab, ging in die Knie und beschäftigte sich mit Severus' Reißverschluss.

Dieser versuchte, nicht die Augen zu verdrehen. Warum Lucius das tat, würde ihm immer ein Rätsel bleiben. Mal objektiv betrachtet, zwangen die meisten Vergewaltiger ihre Opfer doch dazu, sie zu befriedigen. Warum machte Lucius es anders herum? Brauchte er sosehr das Gefühl der Macht über Severus?

Was es auch war, es schien Malfoy zu gefallen, und solange dies gesichert war, konnte Severus ruhig schlafen.

Mehr interessierte ihn nicht.

Als Lucius hatte, was er wollte, stand er wieder auf, raffte seinen Mantel auf, fuhr Severus zärtlich mit einem Finger, der immer noch in den Handschuhen steckte, über die Wange und sagte:

"Wenn etwas von diesem Zusammentreffen die Ohren Dumbledore's erreicht, weißt du, was dir blüht." Er küsste Severus flüchtig auf den Mund und entschwand.

Dieser fragte sich erneut, warum Lucius immer wieder aufs neue so melodramatisch sein musste. Er wusste selbst, dass er Albus nichts von Lucius' Geschäften mit Fugde erzählen konnte. Sosehr er es auch wollte. Wobei er sich nicht einmal sicher war, ob er es überhaupt wollte.

Er seufzte, als er kopfschüttelnd feststellte, wie schnell er wieder in die alte Gewohnheit verfallen war, bei Lucius einfach ein Auge zuzudrücken. Selbst die Drohungen seinerseits waren kein wirklicher Grund, Dumbledore nicht einfach alles zu erzählen.

Manchmal hatte er das Gefühl, immer noch von Lucius angezogen zu sein.

Nicht sexuell, sondern diese geistige Abhängigkeit, die sich in den Jahren bei ihm gebildet hatte, da Lucius für einen großen Teil seines Lebens nun mal die einzige Person gewesen war, die ihn verstand.

Oder dies nur heuchelte. Wer wusste das auch schon so genau.

Er sah auf die Uhr und fluchte. Nun kam er auch noch zu spät. Er eilte die Treppe hinauf, überlegte dabei, wie er sein Zugspätkommen entschuldigen konnte, und blaffte der Steinfigur das Passwort entgegen. 'Maltesers'! Manchmal fragte er sich, ob es in einer Irrenanstalt eigentlich genauso vonstatten ging.

Er betrat das Büro, bereits in einer äußerst gespannten Laune, die sich in keinster Weise besserte, als er Black sah, der ihm entgegenstrahlte.

Verdiente er das eigentlich tatsächlich? Er bezweifelte es stark.

"Severus. Gut, dass du endlich kommst. Setz dich."

"Verzeihen Sie, aber ich bin aufgehalten worden. Die neuen Vorräte für die Krankenstation halten mich doch sehr auf Trab," log er, während er sich in seinen Stammsessel fallen ließ. Er lehnte sowohl Tee als auch Knabberkram ab, und wartete darauf, was der alte Mann wohl zu sagen hatte, das ihn betraf.

"Da du schon erwähnst, wie beschäftigt du bist, fasse ich mich besser kurz. Gott weiß, ich muss mich auch noch um so einiges kümmern, wie jedes Jahr kurz vor Schulanfang." Dumbledore machte eine Pause, in der er beide Männer freundlich anzwinkerte. Severus vergrub die Finger in seiner Armlehne. Konnte er endlich zum Punkt kommen und das väterliche Getue sein lassen?

"Was dich betrifft, Severus, habe ich eigentlich nur eine Bitte." Albus sah seinem Gegenüber in die Augen. "Das du mir ALLES sagst, dass du weißt."

Severus ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er wusste schon von früher, dass solche Aussagen von dem Schuldirektor meist nur Schüsse ins Blaue waren. Und selbst wenn Dumbledore eine Ahnung hatte, was Severus wusste, und was er verschwieg, würde er Severus nicht dazu bringen, etwas zu verraten.

Er war zwar nicht zufrieden mit dem, was er sein Leben nannte, aber sterben und damit den ganzen Orden auffliegen lassen, wollte er nicht.

Diese Unterhaltung hatten sie allerdings schon vor einigen Jahren geführt. So war sich Severus sicher, als er antwortete: "Das tue ich," wusste Albus, was er damit ausdrücken wollte.

Dumbledore nickte nur und wandte sich an Sirius. Severus zwang sich, bei neuerlichen Lagebesprechungen zuzuhören, und fragte sich, ob dies wirklich alles war, wozu er hergekommen war. Wenn dies der Fall war, verfluchte er Albus bis in die Hölle und wieder zurück.

"Nun, um zum Punkt zu kommen, vermute ich, dass ich deine Dienste, Severus, dieses Jahr in Anspruch nehmen muss. Ich brauche vermutlich einen guten Occluments."

Severus ahnte schon, worauf Albus hinaus wollte. Er versagte sich jede Reaktion.

"Kann ich mit dir rechnen?"

"Darauf würde ich gerne erst antworten, wenn Sie sich sicher sind."

Damit war tatsächlich alles gesagt, und sie wurden wieder entlassen. Severus fühlte sich leicht verulkt. Er war tatsächlich in das Büro des Schuldirektors gegangen, um eine Frage gestellt zu bekommen, die total unsinnig war, und um eine Vermutung zu hören, die in keinster Weise bestätigt war, noch ihm sonderlich gefiel.

Wenn das wirklich stimmte...

"Severus?"

"Was?"

Er hatte schärfer geantwortet, als er ursprünglich gewollt hatte. Warum sollte er Black auch merken lassen, dass er angespannt darauf gewartet hatte, von ihm angesprochen zu werden.

"Ich habe mich gefragt, ob du meinen Brief bekommen hast..."

"Da Eulen selten so dumm sind wie ihre Besitzer, ist das sehr wahrscheinlich."

Black war für einen Augenblick still, setzte dann aber erneut an.

"Ist es dann zuviel verlangt, wenn du darauf reagieren könntest?"

Severus blieb stehen, drehte sich zu seinem Gesprächspartner, der bis jetzt neben ihm hergehechtet war, und verschränkte die Arme.

"Und welche Reaktion, wenn ich fragen darf, hast du erwartet?"

Black blieb stumm, und Severus fragte sich, ob er tatsächlich Sirius Black sprachlos erlebte.

Fast schon hätte er dazu eine Bemerkung gemacht, doch er weigerte sich, dieses kindische Niveau anzuschneiden.

Stattdessen grinste er nur abfällig und wollte gerade weitergehen, als Black sagte:

"Du könntest mir sagen, inwiefern ich recht hatte."

Die Versuchung, sich dumm zu stellen, war so groß, dass Severus ihr beinahe erlegen wäre. Musste er denn auch tatsächlich wissen, worauf sein Gegenüber hinauswollte? Musste er diesen kryptischen Müll tatsächlich verstehen?

Das hatte er nun davon, diesen Ruf als intelligenten Mann mit sich herumzuschleppen. Hätte er nicht so dumm wie Crabbe oder Potter geboren werden?

"Ich habe deinem Kommunikationsversuch nichts hinzuzufügen. Habe ich mich klar ausgedrückt?"

Er konnte kaum blinzeln, so schnell sah er sich an eine Wand gedrückt, einen schwer atmenden Sirius vor sich, der ihn am Kragen packte.

"Du mieses Stück Scheiße, du hältst dich wohl für sehr schlau, was?"

Diese Frage war Severus nicht einmal eine Antwort wert.

"Du willst es so haben, in Ordnung. Zur Hölle mit dir!"

Schon wieder kämpfte Severus das Bedürfnis hinunter, laut aufzulachen. Was wusste Black schon von der Hölle?

Stattdessen sprach er abweisend: "Gut, du hast deinen Standpunkt klar gemacht. Hurra, eine Sorge meinerseits weniger. Könntest du nun endlich dein Machogehabe abstellen und mich loslassen? Ich will nur ungern so mit dir gesehen werden."

Ob aus Überraschung oder plötzlicher Einsicht, Black ließ ihn zumindest los. Severus beschwerte sich nicht. Er strich einfach nur seine Robe glatt, stieß sich von der Wand und rauschte an Black vorbei.

Es war nicht Wut, die er verspürte, so gern er es sich auch einbildete.

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