"Du wirkst irgendwie abwesend."

Skeptisch sah Severus zu Lucius hinab.

"Was?"

"Mich wundert nur, dass es dich neuerdings interessiert, ob ich geistig anwesend bin."

Der Schmollmund, der seiner Beobachtung folgte, war schon beinahe komisch.

Halb lagen, halb saßen sie auf dem Bett, und Lucius hatte gerade einen von Severus' Nippeln bearbeitet, bevor ihm die Erleuchtung gekommen war, das sein Partner mit den Gedanken woanders zu sein schien.

Was ja auch stimmte.

Seit Lupins Besuch hatte er weder von Black gehört, noch, außer bei den regelmäßigen Treffen, etwas von ihm gesehen. Und, wenn er ehrlich zu sich selbst war, machte ihn das verdammt nervös.

Nicht auf die normale Art. Er dachte nicht, dass Black ihn tatsächlich der Spionage beschuldigen würde, und selbst wenn, würde man es ihm nicht glauben. Also war dies kein Grund zur Beunruhigung.

Er wusste selbst nicht so genau, was ihn eigentlich so beschäftigte, dass er sogar keine Tests oder Essays bewerten konnte, ohne nicht mindestens einmal währenddessen plötzlich leer und versunken vor sich an die Wand zu starren.

Er wusste nur, dass ihn das allmählich wahnsinnig machte.

Lucius beleidigte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

"Tu nicht so, als wäre ich ein so kaltherziger Mensch."

Severus hob eine Augenbraue.

"Entschuldige, hab ich mich verhört? War in eurem Familienmotto Kaltherzigkeit nicht fett unterstrichen? Da muss ich mich wohl getäuscht haben!"

Lucius setzte sich auf, versuchte, mit Severus Augenkontakt herzustellen. Dieser konnte sich etwas besseres vorstellen, als nun auch noch mit 'Briefkastentante' Malfoy zu reden, und wünschte sich, eben jener würde einfach nur weitermachen und wieder verschwinden.

Einige Sechsklässler warteten noch auf ihre Arbeiten.

Leider schien die Neugierde Malfoys geweckt.

"Komm schon, du kannst es mir erzählen, ich sags auch nicht weiter."

Am liebsten hätte Severus seinem ungewollten Bettgenossen das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.

Stattdessen seufzte er, als ihm bewusst wurde, dass er tatsächlich ein Bedürfnis verspürte, seine Gedanken laut auszusprechen, und vielleicht sogar eine andere Meinung dazu zu hören.

Er wurde anscheinend wirklich alt.

So strömte sein gesamtes Seelenleben plötzlich aus ihm hinaus, und es war tatsächlich sehr befreiend, vor allem, da Lucius nur neben ihm saß und aufmerksam lauschte.

"Weißt du," schloss er, "so langsam habe ich einfach nur die Schnauze gestrichen voll! Zu allem Überfluss dieser Umbridge so derart in den Hintern kriechen zu müssen..."

"Umbridge?" unterbrach Lucius. "Aber der hatte ich doch gesagt, dass du außerordentlich gut bist mit deiner Arbeit..."

"Das hat sie schon erwähnt. Aber sie scheint sich doch lieber auf ihren Eindruck zu verlassen, und dem nach mache ich alles falsch, da ich mich an den von Dumbledore aufgestellten Lehrplan halte.

Aber egal. Die Kröte interessiert mich nicht. Wenn ich schon diese Strickjacken immer sehe...." Er winkte ab. "Aber das schlimmste ist und bleibt dieser furchtbare Potter! Neuerdings stellt er sich nicht einmal mehr dumm an! Wenn er die NEWTS besteht, schmeiße ich mich aus dem Fenster! Und wenn ich ihm noch einmal dabei zuhören muss, wie er seinen Patenonkel in Schutz nimmt, und in den Himmel lobt, als wäre er einer der Heiligen..."

Lucius horchte auf.

"Ach, tut er das?"

"Du glaubst nicht, wie! Er ist ja so toll, und groß, und stark, und würde jederzeit seinen Arsch für mich riskieren..."

"Würde er das?"

"Vermutlich, wie ich diesen Idioten einschätze."

Severus hatte den Kopf zum Fenster gedreht, während er erzählte. So sah er den verschlagenen Ausdruck, der sich in Lucius' Augen breit machte, nicht. Oder auch nicht, wie dieser Blick plötzlich von etwas abgelöst wurde, dass echte Zuneigung darstellte.

"Black hat es dir wirklich angetan, oder?" fragte Malfoy sanft.

Severus zuckte nur mit den Schultern. Damit signalisierte er allerdings nicht Unwissen, dass wussten sie beide.

"Tztz, Severus, immer eine Nummer zu groß. Und dabei hättest du es anders haben können."

Severus wusste, Malfoy spielte auf sich selbst an, doch er wollte nichts davon hören.

Nie wieder!

So antwortete er auch nicht, sondern starrte weiterhin aus dem Fenster.

Plötzlich spürte er, wie sich die Matratze verlagerte, als Lucius näher rutschte, um in sein Ohr zu flüstern.

"Wenn du nicht halb so stolz wärst, würdest du die Gelegenheit beim Schopfe packen."

Mit einem zynischen Grinsen wandte Severus sich schließlich um.

"Und das wäre ja so einfach, nicht wahr? Mal einfach wieder deinen Zeitvertreib spielen, so lange, bis du wieder genug von mir hast, und dann setze ich mich wieder in eine dunkle Ecke, bis ich dir wieder nützlich sein kann. Leck mich!"

Lucius grinste anzüglich.

"Sag jetzt nichts, das will ich gar nicht hören." Severus drehte den Kopf wieder zum Fenster. "Du weißt, wo die Tür ist."

Lucius stand auf, warf sich in aller Gemütsruhe wieder in seine achtlos im Zimmer verteilte Kleidung, und machte schon ein oder zwei Schritte auf die Tür zu, bis er sich besann und wieder an das Bett trat.

"Du weißt, dass wir beide gleich ticken. Du weißt, dass ich der einzige Mensch bin, der dich versteht. Und du weißt, ich warte nicht lange."

Damit stolzierte er aus dem Zimmer.

Dieser melodramatische Scheißkerl hatte es tatsächlich geschafft, dass sich Severus noch elender fühlte, als er es sowieso schon tat. Nun hatte er auch noch das Gefühl, seine Überlebenschancen gegen Null gewandt zu haben.

Mit dem Gedanken, sich am besten direkt selbst zu erhängen, stieg er unter die Dusche, um nicht auch noch Lucius Geruch an sich zu haben.

Nur noch wenige Tage, und die Schule wäre zumindest vorbei. Das würde sein Tagespensum um einiges minimieren.

Er wurde ganz einfach nicht das Gefühl los, dringend eine Pause zu brauchen.