Und ob er das tut. Er zielt auf Blaises' und mein Liebesnest zu. Seine Bewegungen sind unsicher. So leise wie möglich schleiche ich hinterher.
Mein Herz bleibt stehen als er an unsere Tür klopft. Ich hatte recht. So recht. Er klopft. Blaise öffnet ihm die Tür.
„Wieso hier?" flüstert Jin heiser. „Hier sind wir ungestört." Lautet die Antwort. Tausend kleine Messer stechen in meine Seele und schlitzen sie mit sadistischer Langsamkeit auf. Angespannt lecke ich mir über die Lippen. Meine Knie zittern leicht. Ich kann es nicht abstellen. Die Tür schließt sich und sperrt meine Augen aus dem Geschehen. Ich trete aus der Nische und lasse mich auf dem kalten Stein nieder. Eine seltsame Leere breitet sich in mir aus, so als wäre alles verloren und es gäbe keine Hoffnung mehr. Es gibt keine Hoffnung mehr. Nicht für mich. Ich erlebe soeben wie meine erste große Liebe mich betrügt. Das kann ich später einmal meinen Enkeln erzählen, wenn ich einen geschwätzigen Abend habe und dann werde ich darüber lachen können. Ach, was war ich klein und naiv.
Die kleinen Messer sind fertig. Ich bin fertig. Alles was bleibt ist ein Gefühl der Zerwüstung, alles zerstört, nur noch einzelne unsinnige Gedanken die keuchend am Boden kriechen und den Todeskampf nicht aufgeben wollen. Doch früher oder später werden auch sie mit einem letzten Röcheln auf den mit Seelenblut getränkten Boden sinken.
Trotzdem, irgendwann wird wieder Gras auf diesem Flecken Seele wachen und Blumen in allen Farben der Emotionen und dann sitzt ein anderer Draco mit seiner Liebe auf dem Boden und hält ein romantisches Picknick an einem sonnengefluteten Mainachmittag.
Ein entsetzter Aufschrei hallt aus dem kleinen Raum. Blaise, es *muss* Blaise gewesen sein. In blinder Sorge stürze ich ins Zimmer und bemerke erst als es zu spät ist, dass ich nun nicht mehr kehrt machen kann. Doch was ich sehe ist schlimmer als ich es im ersten Moment verkraften kann. Blaise hält den Jungen in eisigem Klammergriff und drängt sich ihm auf.
Der Junge hatte geschrieen.
„Draco". Sein Gesicht zeigt wie überrascht er ist. Sein Griff wird lockerer und der Junge entwindet sich fieberhaft. Er rennt aus dem Raum. Seine Schritte hallen noch lange in meinem Ohren.
Ich muss schlucken. Die Enttäuschung, die Wut, die Abscheu.
Denk an das Picknick im Frühling, überlege ich mir, als ich ihm den Rücken zukehre und auf Jins Spuren wandelnd den Raum verlasse. Vielleicht scheint wirklich die Sonne.
ENDE
