Kapitel sechs



Trockene Winde fegten heulend um die Ecken des Palastes, untermalten die Szenerie, die sich vor den Mauern abspielte mit den passenden Tönen für ein Weltuntergangsszenario.

Dieser Gedanke war auch gar nicht so abwegig, dachte die einsame Figur, die an einem glaslosen Fenster im Thronsaal des gewaltigen, aber verwaisten Schlosses stand und, düsteren Gedanken nachhängend, hinunter starrte auf das Volk, dass sich zu den Füssen der gigantischen Mauern versammelt hatte, um dort zu sterben.

'Viertausend', dachte er und eine eisige Faust schien nach seinem Herzen zu greifen. 'Viertausend allein im letzten Monat - wenn das so weiter geht, wird es bald keine Saiyajin mehr geben... Wir sterben wie die Ratten!' Vegeta wandte sich brüsk vom Fenster ab und stapfte wütend durch den Saal. Am Ende des Raumes angekommen riss er eine in der Wandverkleidung versteckte Tür auf und betrat einen geheimen und fast vergessenen Gang dahinter.

'Freezer hätte uns damals allesamt vernichten sollen, anstatt uns jetzt, in seiner angeblichen Großzügigkeit, dem Siechtum auszuliefern!', dachte er bitter. Der König blieb stehen und rammte seine geballte Faust in den Stein der Wand, momentan überwältigt von Hass und Verzweiflung.

'Gräme dich nicht, Koi! Solange wir leben gibt es Hoffnung.', hörte er plötzlich eine Stimme in seinem Inneren. Und obwohl er genau wusste, dass die Hoffnung, die im Anschluss an diese Worte mitgesendet wurde, genauso trügerisch war, wie die Illusionen von Wasser und Fruchtbarkeit, die die glühend heiße Luft manchmal in den Sand zeichnete, spürte er doch, wie seine Verzweiflung nachließ.

Er setzte sich wieder in Bewegung, beschleunigte seine Schritte bis er ans Ende des Ganges kam und eine kleine Kammer betrat, die mühsam vom Licht einer einzelnen Kerze erleuchtet wurde. Seine Schritte stoppten abrupt, als er sich an das Dunkel im Zimmer gewöhnte und sich suchend nach der Gestalt seines Gefährten umsah, ihn wie immer auf einem Lehnsessel sitzend findend und leer auf geschlossene Fenster starrend.

"Hoffe nur weiter, Koi, aber ich weiß, dass unser Volk einen weiteren Sommer wie diesen nicht überleben wird." Vegeta schüttelte resigniert den Kopf. "Wir sind nur noch so wenige - und selbst für die wenigen reicht die Nahrung nicht." Er ließ sich rückwärts gegen die Wand fallen, rutschte langsam an ihr entlang auf den Boden, den Kopf in die Hände stützend. "Die Vorratspeicher sind fast leer, es gibt kein Wild mehr, dass wir jagen könnten - ich wundere mich, dass wir nicht schon längst wie die Tiere übereinander hergefallen sind... Und es würde mich nicht schockieren, wenn es in manchen Gegenden schon so wäre", fügte er mit erstickter Stimme hinzu. "Die Götter haben uns verlassen."

'Seit wann glaubst du an Götter?', fragte die Stimme in seinem Herzen.

"Seit der Teufel persönlich uns krepieren lässt." Resignation schwang in der Stimme des Königs mit, aber er weigerte sich, sie wahrzunehmen. Er rappelte sich mühsam vom Boden auf und trat von hinten an die regungslose Figur des Anderen heran. Sacht strich er über stumpfes Haar, bevor er sich herabbeugte und den Mann umarmte. "Warum sitzt du hier im Dunkeln, Koi?"

'Damit ich nicht sehen muss, was ich an Unheil über diesen Planeten gebracht habe und damit ich mir besser vorstellen kann, wie Vegeta-sei eines Tages wieder aussehen wird.' Ein tiefes Seufzen entrang sich der Brust des anderen, so als hätte ihn der Gedanke geschwächt.

Was durchaus sein konnte, wie Vegeta erkannte, als er sah, dass das Essen und die Getränke, die er hergebracht hatte unangetastet dastanden. Langsam trat er um den Stuhl herum und sank vor dem Mann auf die Knie, kraftlose, gefaltete Hände sanft umfassend und traurig in das Gesicht seines Koi blickend. Die Augen des Mannes waren, wie fast immer, geschlossen, die Wangen geisterhaft blass und eingefallen lehnte der Kopf haltlos an der Rückenlehne.

"Warum isst du nichts?", fragte er traurig, da er die Antwort schon kannte und hob die Hände an seine Lippen.

'Ich will nicht mehr.'

"Warum?"

'Das weißt du doch, Vegeta.' Die Augen des Mannes hatten sich geöffnet und musterten ihn mit einem Ausdruck des Leidens, dass selbst Vegeta, der so viel Elend gesehen hatte, das Herz schmerzte. Tränen brandeten auf in den schwarzen Teichen über ihm, bevor sie wieder von Lidern verdeckt wurden und der Kopf sich abwandte. 'Ich bin schuld an Allem!', klagte der andere sich wieder an. 'Ich kann nicht mehr!'

"Bleib am Leben!", flehte der König. "Wenigstens für mich."

'Wir würden uns bald wiedersehen, wenn ich stürbe', antwortete der andere.

Von einer Sekunde auf die andere durchflutete Angst Vegetas Seele, Angst, dass der andere seinen Kampf einfach aufgeben könnte und ihn allein zurücklassen würde. "Sei stark für mich, Kakarott", bat er inständig. "Sei stark für unseren Sohn!"

'Was ist mit ihm? Gibt es noch immer keine Nachricht?'

Vegeta schüttelte den Kopf. "Nein, seit nunmehr drei Tagen", antwortete er düster.

'Meinst du, es hat begonnen?' Kakarotts Augen waren ihm zugewandt, flehten inständig ihm zu sagen, dass das, was er befürchtete nicht eingetreten war.

"Ja", hauchte der König. "Ich denke schon."

Kakarott zuckte bei diesen Worten zusammen, bevor er sich im Sessel herumwarf und auf die Füße sprang. Zitternd und keuchend blieb er stehen, schwer auf Vegeta gestützt. 'Nein', flehte er mit jeder Faser seines Herzens. 'NEIN! Sag, dass er nicht dasselbe durchleiden muss, wie du damals!'

Vegeta erhob sich langsam, umfasste die Hände seines Geliebten, die auf seinen Schultern ruhten, als er Kakarott weiterhin Halt gab. Es war so lange her, seit der andere das letzte Mal aufgestanden war, dass Vegeta schon vergessen hatte, wie groß er war. Der König blickte lange in diese schwarzen Augen, die ihn flehentlich musterten, und wünschte inständig, dass er lügen könnte.

"Er hasst dich", sagte er schließlich leise, als er eine Antwort nicht weiter hinausschieben konnte. "Mit jeder Faser seines Herzens hasst er dich - und Goten sieht aus wie du..." Er schickte Kakarott ein mentales Bild ihres Sohnes, den der andere nie hatte sehen können, so wie Goten ausgesehen hatte, als er Vegeta-sei verließ.

Ohne Vorwarnung brach Kakarott zusammen, klammerte sich haltsuchend an Vegeta, als seine Kräfte erlahmten. 'Auch meine Schuld!'

"Nein!" Vegeta hatte die Schultern des Anderen umfasst und schüttelte ihn. "Nein, es ist nicht deine Schuld, dass er aussieht wie du! Meine ist es, dass er jetzt bei Freezer ist und das mitmachen muss!", er hielt bedrückt inne und wandte sein Gesicht ab von dem Mann, der ihn verwirrt musterte, wie er spüren konnte.

"Ich habe ihn zu Freezer geschickt, in der Hoffnung, dass Goten uns Zeit verschaffen würde..." Er blickte auf in erschrockene Augen. "Ich habe all unsere Krieger ausgeschickt, um in den umliegenden Sonnensystemen soviel Nahrung und Technologie zu sammeln, wie sie können - wenn wir wieder stark genug sind, werden wir Freezer angreifen und entweder siegen oder sterben!" Vegeta fühlte wie er von Enthusiasmus erfasst wurde. "Werde wieder stark, Kakarott! Dann wirst du Freezer ganz gewiss töten können!"

Lange Zeit starrte der andere Mann ihn einfach nur an. 'Du hast ihm unseren Sohn gegeben, um die Bestie von uns abzulenken...' Kakarott schauderte. 'Du wusstest, was ihn erwarten würde und du hast ihn trotzdem weggegeben? Manchmal weiß ich nicht, vor wem ich mehr Angst haben soll - vor Freezer oder vor dir.'

Vegeta senkte beschämt die Augen, als die alten Schuldgefühle wieder mit unverminderter Stärke über ihn hereinbrachen. "Er ist unser Sohn, Koi. Er ist stark." Die Götter wussten, wie sehr er betete, dass es so war.



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Goten erwachte von einer Sekunde auf die nächste, als er etwas in seiner Nähe zu Boden fallen hörte. Von seinem Lager aufspringend, begab er sich sofort in eine Verteidigungspose, das Schlimmste erwartend, aber trotzdem gewillt, bis zum Letzten zu kämpfen.

'So einfach bekommst du mich nicht, Freezer!', schwor er furios, sah sich dann aber verdutzt um, als er seine Umgebung als die seines Quartiers erkannte und bemerkte, das er anscheinend allein darin war. Langsam erhob er sich aus der gebückten Haltung und kletterte vorsichtig vom Bett herunter, auf das man ihn gelegt hatte. Ein kurzes Schwindelgefühl unterdrückend als seine Füße den Boden berührten, machte er ein paar Schritte in den Raum hinein, bis sein Fuß gegen etwas Weiches stieß. Vorsichtig ging er in die Knie, noch immer auf die Anwesenheit anderer horchend, und tastete blind nach dem, was vor ihm auf dem Boden lag: es fühlte sich weich und fließend an, wie Stoff, und darunter lag etwas Metallisches... Er musste es genauer wissen!

"Licht!", befahl er dem Zimmercomputer entgegen besseren Wissens, aber als die Helligkeit durch den Raum flutete war er froh, endlich klare Details erkennen zu können. Flüchtig sah er sich um, bevor er sich wieder dem Haufen zu seinen Füssen zuwandte. Wieder ging er in die Hocke und inspizierte die Sachen genauestens: ein Cape, ein Lendenschurz, Sandalen und Armreifen aus Metall. Ihm schoss das Blut ins Gesicht, als er plötzlich realisierte, dass diese Kleidung für ihn bestimmt war und, als ob er etwas Ätzendes berührt hatte, ließ er die Sachen wieder fallen.

"Niemals werde ich DAS anziehen!", schwor er sich.

"Es ist egal, was du trägst, da er es dir sowieso vom Leib reißen wird, Saiyajin."

Goten riss seine Augen auf als er die Stimme vernahm und schoss um seine eigene Achse, um den Eindringling zu sehen. "DU!", rief er entrüstet als er die lässige Gestalt Zarbons an der Tür zum Nachbarraum stehen sah.

Der Mann hob sarkastisch eine Augenbraue, bevor er sich abstieß und mit verschränkten Armen auf Goten zutrat.

"Ja, ich und die Frage, ob du etwas gegen meine Anwesenheit hast, erübrigt sich wohl." Gotens Gesichtsausdruck schien seine Frage wohl ausreichend zu beantworten, denn Zarbon fuhr fort. "Meister Freezer ist neulich unterbrochen worden und nur diesem Zufall hast du es zu verdanken, dass du noch lebst, Saiyajin." Er beugte sich vor und blickte Goten in die Augen und der Junge merkte verwirrt, wie er sich in deren goldenen Tiefen verlor. "Die Vorstellung, die du abgeliefert hast, kann so berauschend nicht gewesen sein, denn Freezer war ziemlich, nun ja, frustriert." Zarbon unterstrich die letzte Bemerkung mit einer bedeutungsvollen Geste und Goten merkte wie ihm das Blut noch einmal ins Gesicht schoss. Wie viele wussten eigentlich von diesem Vorfall?

"Auf jeden Fall scheint sich der Meister mehr von dir zu versprechen, denn er erlaubte deine Heilung im Tank - du warst drei Tage darin. Und was diese Kleidung betrifft", Zarbon gestikulierte fahrig auf den Boden, "So wäre es angebracht, dass du dich mit dem Gedanken anfreunden würdest, dass deine Pflichten jetzt um eine Dimension erweitert worden sind."

Nachdem Zarbon ausgesprochen hatte, drehte der Söldner sich um und ging auf die Apartmenttür zu, Goten wieder vollständig missachtend.

"Ich bin nicht Freezers Hure!", schrie Goten. Er hatte einen Schritt auf Zarbons Rücken zugemacht, war dann aber stehengeblieben. In ihm kochte ein Zorn, wie er ihn noch nie erlebt hatte, schnürte ihn beinahe die Kehle zu und er bemerkte wie seine Fingernägel sich langsam und schmerzvoll in seine Handflächen bohrten. Gut, er begrüßte den Schmerz, lenkte er doch ab von der Panik und Raserei in seinem Inneren.

Die Gestalt in der Tür war stehengeblieben und hatte sich halb zu ihm umgewandt. "Finde dich damit ab, Kind: du BIST eine Hure. Du verkaufst deinen Körper, nicht für Geld, das ist wahr, aber für dein jämmerliches Leben und für die Existenz deines Volkes."

Goten war für einige Momente stumm, als er sich die Worte ins Gedächtnis zurückrief, die Freezer benutzt hatte: 'Du wirst sterben und mit dir alle Saiyajin - die Frage ist nur, wie und wann du das Zeitliche segnen wirst, Kleiner.'

Seine Zähne ließen ein protestierendes Knirschen ertönen, als er sie hart aufeinander presste. "Du hast also alles mit angehört?", fragte er zischend. "Wer weiß noch darüber Bescheid?" Er musste es wissen! Er musste sicher sein, dass Trunks nichts davon wusste!

Zarbon wandte sich vollständig um und musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue. "Niemand weiß davon, Saiyajin, außer denen, die es selbst erlebt haben." Die goldenen Augen seines Gegenübers verengten sich, als er von seinen eigenen Erinnerungen eingeholt wurde. "Freezer hat das gleiche einst zu mir gesagt - aber das ist lange her." Mit diesen Worten drehte sich Zarbon wieder um und trat hinaus auf den Flur. "Bedenke, Saiyajin, das Wohl und Wehe deines Volkes hängt von deiner Kooperation ab." Die Tür schloss sich automatisch hinter Zarbon und schnitt seine letzten Worte und die Welt draußen, die so beängstigend normal gewirkt hatte, ab und ließ Goten allein in seinem Zimmer zurück.

'Was nun?', fragte er sich ratlos und ließ sich langsam auf den Boden sinken. Seine Finger spielten abwesend mit dem Lendenschurz, zerknüllten den Stoff, bevor sie ihn wieder glätteten, um ihn anschließend wieder zwischen den Händen zu wringen. Er fragte sich verzweifelt, was er nun tun könnte, um die sich ankündigenden Ereignisse abzuwenden. Eine eisige Hand schien nach seinem Innersten zu greifen, ihm langsam die Luft abzuschnüren, als er sich der Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst wurde.

'Ich will das nicht!', dachte er verzweifelt. Sein Blick hob sich vom Boden und landete unwillkürlich auf dem Kabinenfenster, doch anstatt hinaus in die Leere des Alls zu starren, blickte er auf das Spiegelbild eines blassen, unscheinbaren Jungen, der verängstigt auf dem Boden seines Quartiers saß. Die Hände des Fremden hoben sich langsam und zitternd, legten sich an seine Wangen.

'Was will Freezer von mir?', fragte er sich. Die Gedanken in seinem Kopf verwirrten ihn, machten die Situation nur noch schlimmer, da sie ihm das erste Mal die Aussicht auf einen logischen Fluchtweg verweigerten. 'Warum will er... ausgerechnet mich? ... als seine Hure...? aber...' "Ich hab doch noch nie... Oh, Gott!"

Seine Hände rutschten über seine Augen als er seinen Kopf hängen ließ. Ein Zittern überkam ihn, hatte seine Ursache kaum in der Kälte und der Tatsache, dass er noch immer nackt war, sondern in dem Schock, der noch immer seine Gedanken lähmte und mit jeder verstreichenden Sekunde stärker wurde. Plötzlich erinnerte er sich an all die Begebenheiten, in denen er Zeuge des rauen Soldatentratsches geworden war. Die Dinge, über die sie gesprochen hatten... sollte er etwa das... mit Freezer?!

Er sprang plötzlich auf und rannte ins Bad, schaffte es gerade rechtzeitig zum Waschbecken, bevor er würgend das erbrach, was nach drei Tagen Hungers noch in seinem Magen war. Minutenlang stand er über das Keramikmöbel gebeugt, umklammerte den Rand, als ob nichts anderes ihm mehr Halt geben könnte, bevor der Brechreiz endlich nachließ und er erschöpft auf die kalten Fliesen sank.

Ihm war kalt und mit jeder verstreichenden Minute wurde das Zittern stärker, als sein geschwächter, hungernder Körper langsam auskühlte, aber allein der Gedanke an etwas zu essen bewirkte nur, dass Gotens Magen sich noch mehr verkrampfte. Und so saß er eine Ewigkeit zusammengekauert unter dem Waschbecken, bewegte sich sowenig wie möglich und wünschte sich einfach nur aufzuwachen. Einfach nur die Augen aufzuschlagen und zu wissen, dass dies alles nur ein böser Traum gewesen war.

Aber es war kein Traum, dies war die raue Wirklichkeit - das spürte er an seinem Elend. Er fror erbärmlich, fühlte sich dreckig und benutzt und er wusste, dass nichts in der Welt dieses Gefühl jemals wieder von ihm nehmen konnte. Er stank erbärmlich nach Angst und diesem organisch-chemischen Gemisch, das die Regenationsflüssigkeit darstellte. Um den Fakt zu unterstreichen zupfte er eine Locke aus seiner Stirn und hielt sie sich unter die Nase, verzog angewidert das Gesicht, als der Geruch einen neuerlichen Würgreiz hervorrief. Mit einem Seufzen ließ er die Haarsträhne los, die sofort wieder in ihre ursprüngliche Position zurücksprang und lehnte sich zurück an die kalten Fliesen. Ratlos versuchte er herauszufinden, was er als nächstes tun sollte. Ihm war kalt. Mit jeder Sekunde auf dem Boden merkte er wie kostbare Körperwärme verloren ging und ein Gefühl bei ihm hervorrief, das ihn nur allzu gut an die Minuten in Freezers eisigen Armen erinnerte. Aber andererseits wusste er mit Sicherheit, dass er nicht die Kraft aufbrachte, sich zu erheben. Der Schock des kürzlich Erlebten steckte noch zu tief in ihm, verkörperte sich durch die ständig wiederkehrende Frage nach dem "Warum" und wie er sich aus dieser Situation befreien konnte.

Schließlich, nach einer weiteren Ewigkeit wie es ihm schien, kam ein rettender Mechanismus zwischen ihn und die wachsende Panik, die in ihm wütete und verdrängte das bohrende Gefühl in eine ferne Ecke seines Geistes, wo es entweder warten sollte, bis es eine neuerliche Gelegenheit gäbe, hervorzubrechen oder ganz langsam verschwinden: Der über Generationen hervorgezüchtete Pragmatismus seiner Linie drängte sich in den Vordergrund, ermöglichte es Goten, sich endlich vom Boden aufzuraffen und hinüber zur Wanne zu schlurfen, in die er sich kraftlos hineinsinken ließ und das Wasser aufdrehte. Schon mit dem ersten Strahl warmen Wassers, der ihn berührte merkte er, wie ein Teil seiner Anspannung verschwand. Dankbar für diesen Trost, drehte er das Wasser weiter auf, hielt seinen Kopf unter den Schwall von Hitze, der die Kälte aus seinen Gliedern trieb und mit einem beruhigenden Rauschen, das seine Sinne überlagerte, die Realität herabsetzte.

Als die Wanne vollgelaufen war, lehnte er sich mit einem leisen Stöhnen zurück, genoss es einfach, sich treiben zu lassen und für einige kostbare Minuten dachte er an gar nichts. Schwaden heißen Dampfes trieben träge durch den Raum und wallten wie Nebel, die er zuletzt vor Jahren gesehen hatte. Er schloss die Augen und legte den Kopf zurück auf den Rand der Wanne, atmete tief ein und aus und spürte, wie er mit jedem Atemzug ruhiger wurde. Schließlich richtete er sich wieder auf, griff nach der Seife und begann, den Chemikaliengeruch aus Haut und Haaren herauszuwaschen, nicht sonderlich begeistert davon, dass die Seife unbedingt nach Blumen riechen musste.

'Aber immerhin besser als ein Mineralien- und Aminosäurencocktail', dachte er sich. Die ganze Zeit über merkte er, wie sein Schwanz ihm, scheinbar plötzlich mit einem eigenen Willen ausgestattet, immer wieder durch die Finger schlüpfte, gleichzeitig aber beruhigend über Arme und Rücken streichelte. Er betrachtete das Körperteil mit zusammengezogenen Augenbrauen, das nun zitternd in der Luft stand. Es hatte ihn schon immer gestört, dass es so leichtfertig über seine innersten Gefühle Auskunft gab, aber er hatte nie die notwenige Willenstärke und Disziplin aufgebracht, um ihm seinen Willen aufzuzwingen oder es gegen Gewalteinflüsse abzuhärten. Und jetzt hatte sich diese Nachlässigkeit bitter gerächt, hatte Freezer doch nur eine Berührung des Schwanzes gebraucht, um ihn gänzlich in seine Gewalt zu bekommen.

Goten griff sich die Seife ein weiteres Mal, drehte sie solange zwischen seinen Händen, bis sie über und über mit Schaum bedeckt waren und begab sich dann auf die Jagd nach dem haarigen Anhängsel, dass ihm immer wieder spielerisch durch die Finger schlüpfte. Für kurze Zeit verlor er sich in diesem Spiel, drehte die Zeit zurück in sorglosere Tage, als er ein Kind gewesen war und im Haus seines Onkels großgezogen wurde - ein paar Minuten Vergessen und er lachte quecksilbrig, sein Schwanz kitzelte ihn an der Nase, brachte ihn zum Niesen, aber endlich konnte er das durchweichte Stück Fell ergreifen und erstarrte als mit einem Mal der ganze Horror wieder über ihn hereinbrach.

Denn er fühlte nichts.

Goten kniff die Augen zusammen und öffnete sie dann langsam wieder, sich hinunterbückend und betend, dass er irgendwie das Körperteil verfehlt hatte, als er danach gegriffen hatte, aber leider war auch dies kein Alptraum, denn nach wie vor waren seine Hände um den Schwanz geschlossen und hielten ihn sanft an den wenigen Stellen, von denen er wusste, dass sie weniger empfindlich waren.

'Vielleicht liegt es daran', versuchte er sich einzureden und strich vorsichtig an der haarigen Länge entlang, hin zu sensibleren Stellen und atmete erleichtert auf, als er etwas spüren konnte. Nicht viel allerdings und dieses überschattet von einem dumpfen Kribbeln, wie Tausende Nadeln in seiner Haut, aber wenigstens war da etwas!

Seine spielerische Stimmung völlig verloren, stand er auf, wischte sich grob das Wasser vom Körper, um keine unnötigen Tropfspuren zu hinterlassen als er aus der Wanne stieg. Er nahm ein Handtuch vom Halter an der Wand, rubbelte das plüschige Stück Stoff durch seine Haare und seinen Körper entlang bevor er es zur Seite legte und sich konzentrierte. Sein Schwanz hatte in der gesamten Zeit wild hinter ihm geschwungen, hatte in harten Zuckungen seine innere Unruhe wiedergespiegelt - nun versuchte Goten das Anhängsel an seinen gewohnten Platz an der Hüfte zurückschnappen zu lassen. Und versagte. Entgegen seinem Willen hob sich der Schwanz, wand sich in lasziven Wellen, bevor er sich schmeichelnd an seinen Beine rieb.

Goten errötete und fing das Körperteil mit seiner Hand ein. Für einen kurzen Moment zuckte es noch rebellisch in seiner Hand, bevor es schließlich erschlaffte und scheinbar leblos in seinem Griff hing, aber zwei Dinge geschahen, die dem jungen Saiyajin wieder Hoffnung gaben: zum einen hatte er das Gefühl, dass das nervöse Kribbeln schwächer und dafür das normale Gefühl entlang des empfindlichen Nervenstranges wieder stärker wurde, so als ob sich sein Schwanz letztlich doch regenerieren würde. Und als er sich ein zweites Mal konzentrierte spürte er wie zuerst ein schwaches Zittern durch seinen Schwanz lief, bevor dieser schließlich aus seiner Hand heraus an seine Taille rutschte. Zugegebenermaßen, es steckte keine nennenswerte Kraft hinter dieser Bewegung, so dass das Körperteil letztendlich mehr auf seinen Hüften lag, als sich von allein oben zu halten, und es fehlte noch ein guter Teil der gewohnten Präzision, aber Goten war sich in diesem Moment sicher, dass dies sich im Laufe der Zeit von allein regeln würde.

Gestärkt von dieser Hoffnung, und den Rest seiner Situation geflissentlich in die hintersten Ecken seines Bewusstseins verdrängend, warf Goten sich einen Bademantel über die Schultern und ging hinüber in den Wohnbereich seines Apartments. Aber schon nach wenigen Schritten stoppte er abrupt, als sich eine erschreckende Sicht vor ihm ausbreitete: jemand war in seiner Abwesenheit hier gewesen und hatte die Sachen, die er auf dem Boden hatte liegen lassen ordentlich gefaltet auf das Bett gelegt. Neben dem Cape lag ein Stück Papier, zweifellos ein Brief, wie es Goten durch den Kopf schoss. Sich innerlich sträubend streckte er langsam die Hand nach dem weißen Ding aus und wusste eigentlich schon ganz genau, was dort stehen würde, als der Geruch desjenigen, der die Nachricht geschrieben hatte plötzlich wie ein ätzender Gestank in seine Nase stach und er gerade noch einen weißen Schemen auf den Korridor hinaustreten sah, als er sich zu der Quelle dieses Geruches herumwarf.

Empört darüber, dass das Biest es gewagt hatte, ihn während seiner Schwäche zu beobachten, wütend, dass niemand ihm seine Ruhe ließ und rasend über die Stimme des Dinges, die ihm ein gedankliches "Bis heute Abend, Süßer!" zuflüsterte rannte er hinter Freezer her, jagte über belebte Flure, bis er ihn an einer Wegbiegung einfach verlor.

"Freezer!", donnerte er über den Korridor, bemerkte in seiner blinden Wut nicht, wie es schlagartig still wurde und alle sich ihm entsetzt zudrehten als sie den Ton hörten, den er ihrem Meister gegenüber angeschlagen hatte. "Wenn du glaubst, dass du mich einfach herumkommandieren kannst wie es dir gefällt, dann liegst du falsch!", schrie Goten mit sich überschlagender Stimme über die schweigende Menge hinweg. Die Soldaten um ihn herum wichen angsterfüllt zurück und machten eine Schneise frei, als am anderen Ende des Flures eine kleine Gestalt auftauchte. Plötzlich bemerkend, dass während des Laufens sein Bademantel sich geöffnet und bis auf seine Hüften gerutscht war, zog der Saiyajin das Kleidungsstück fester um seinen Körper, als die Kreatur einen gierigen Blick über ihn streifen ließ.

Langsam drehte Freezer sich wieder um und stolzierte langsam davon, die Hand in einem hämischen Gruß schwenkend.

Um Goten herum herrschte für einige Momente überraschte Stille, als sich der Saiyajin nicht in ein Häufchen Asche verwandelte, wie die Zeugen des Zusammenstoßes vermutet hatten, aber die jahrelange Routine und Abgebrühtheit ihrer Arbeit nutzend wandten sich die Söldner bald wieder ihren Aufgaben zu und ignorierten den erstarrten Mann, der mitten auf dem Flur stand und noch immer geradeaus auf die Stelle starrte, an der Freezer zuletzt gestanden hatte.

Eine Gruppe von Technikern näherte sich Goten, das schwere Gerät, dass sie trugen vorsichtig um den Saiyajin herummanövrierend, bevor sie weiter unten im Gang begannen Abdeckungen von Energieleitern zu entfernen und diese zu untersuchen und auszutauschen. Der Lärm brachte den jungen Mann endlich zurück in die Wirklichkeit. Er schüttelte den Kopf, um sich aus seiner Starre zu befreien, bevor er sich ruckartig umdrehte und zurück in sein Quartier stapfte.

Dort angekommen nahm er eine neue Uniform aus dem Schrank, ließ den Bademantel achtlos auf dem Boden liegen während er sich ankleidete. Während der ganzen Zeit verzog er keine Miene, spiegelten seine Gesichtszüge die grimmige und kalte Entschlossenheit wieder, sich von niemandem beherrschen zu lassen.

Als er fertig war, begab er sich auf dem Weg nach draußen, blieb jedoch in der Tür stehen, als diese bereitwillig vor ihm zur Seite glitt. Er drehte den Kopf zur Seite und betrachtete lange die Gegenstände auf seinem Bett, die Kleidung und den Brief mit seinem unbekannten Inhalt, und er spürte wie zum zweiten Male an diesem Tag eine schier ohnmächtige Wut in ihm aufstieg. Niemand hatte das Recht, ihm zu befehlen, außer Vegeta, und niemand hatte das Recht seinen Körper nach Belieben zu benutzen.

Goten hob seine rechte Hand, richtete die offene Handfläche auf das Bett und ließ einen Energieball daraus hervorschießen. Sofort schlugen die Feuermelder Alarm und die automatische Sprinkleranlage sprang an - allerdings nicht rechtzeitig genug, um das Bett vor dem endgültigen Verbrennen zu bewahren. Mit Genugtuung betrachtete der Saiyajin wie das hölzerne Gestell abbrannte und mit ihm die seidenen Vorhänge und all das, was sich auf den Decken befunden hatte und was als Bedeutung dahinter stand. Er drehte sich zufrieden lächelnd um und trat hinaus auf den Flur als die ersten Techniker herbeieilten, um den Schaden einzudämmen.

"Niemals, Freezer!", zischte er zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch.