Sechstes Kapitel: Das Gespräch mit Gandalf

Frodo schlief bis zum Mittag des nächsten Tages und wurde dann, nach dem Frühstück (wenn man es denn noch so nennen kann) von einer Elbenfrau mit langen dunklen Haaren in ein kleines gemütliches Baumhaus geführt. Es war solide eingerichtet, mit einem kleinen Tisch und einem Kamin. Die Elbenfrau ließ Frodo allein in dem Haus und sagte ihm, dass sie Gandalf gleich zu ihm schicken werde.

Nach kurzer Zeit betrat der Zauberer das Haus. Frodo umarmte ihn stürmisch und Gandalf streichelte ihm über den Kopf. "Mein lieber Frodo, trotz allem, was ich dir gleich berichten werde, ich freue mich dich wieder zu sehen! Wie geht es dir?"

"Ich freue mich auch so, dich wieder zu sehen! Mir geht es gut, aber hast du schon gehört, was Legolas passiert ist?"

"Ja, allerdings. Und um ehrlich zu sein, ich mache mir Vorwürfe, dass ich nicht selbst mitgegangen bin, um euch zu suchen, vielleicht hätten die Dinge dann eine andere Wendung genommen."

"Warum haben die uns angegriffen, Gandalf? Ich habe gestern zu Galadriel gesagt, ich würde ahnen, was gerade in Mittelerde geschieht, aber bitte sag mir, dass ich etwas falsches vermute!"

Gandalf senkte den Blick. "Es tut mir so leid Frodo, aber ich glaube der Ring wird für den Rest deines Lebens eine Bürde für dich sein, ganz gleich, ob du ihn trägst oder nicht."

"Was meinst du damit?"

"Vor etlichen Wochen bekam ich, genau wie du einen Brief von Arwen, mit dem gleichen Inhalt, wie auch dein Brief. Der Zufall wollte es so, aber ich war gerade selbst dabei einen Brief zu schreiben und zwar an Eowyn, denn ich wollte ihr mitteilen, dass ich vor hatte das Königreich Rohan wieder zu besuchen. Ich schrieb also den Brief und fragte sie, ob sie auch den schrecklichen Brief von Arwen bekommen hatte. Ich sendete den Brief zu ihr mit einem Adler, und nur wenige Tage später bekam ich die Antwort von ihr. Sie schrieb mir, dass es völlig unmöglich sein konnte, dass Aragorn vor wenigen Wochen gestorben war, denn er hatte sich bis vor wenigen Tagen in Rohan aufgehalten, um mit ihrem Onkel, König Theoden, eine wichtige Angelegenheit zu klären.

Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, dass irgend etwas nicht stimmte. Ich nahm Kontakt zu Legolas, Gimli und Aragorn auf. Legolas und Gimli hatten die selben Briefe, wie wir alle erhalten und Aragorn wirkte ziemlich überrascht von seinem angeblichen Tod. Ich versuchte euch ebenfalls mit meinem Adler zu erreichen, doch er kehrte nicht zurück. Also schickte ich Legolas, Gimli und Aragorn, euch zu suchen, ich selbst versuchte heraus zu finden, von wem die Briefe stammten." Gandalf machte eine Pause und Frodo sah zunehmend beunruhigter aus.

"Was hast du rausgefunden", fragte er unsicher.

"Die Briefe kamen von Saurons dunklen Dienern. Sie hatten versucht, euch möglichst unauffällig aus dem Auenland zu locken. Sie mussten etwas erfinden, damit ihr möglichst schnell aufbrecht, der angebliche Tod von Aragorn war genau das Richtige dies zu bewirken. Ihnen war klar, dass sie auch mir einen Brief schicken mussten, denn sie vermuteten, dass ihr nach dem Brief sofort Kontakt zu mir aufnehmen würdet. Um es möglich echt aussehen zu lassen, haben sie auch Gimli und Legolas diese Briefe zukommen lassen, denn es hätte ebenso gut sein können, dass ihr auch zu ihnen Verbindung aufnehmen würdet."

"Das war auch klug von ihnen, Sam wollte in der Tat Kontakt zu dir aufnehmen, und wenn du gar nichts von Aragorn gewusst hättest, wäre die ganze Sache sofort aufgeflogen."

"Ja, aber sie ist trotzdem ans Licht gekommen. Oder vielleicht sollte man sagen, sie ist gerade aus diesem Grund ans Licht gekommen, denn hätten sie mir nicht diesen Brief geschickt, hätte ich gar nicht heraus gefunden, dass die dunklen Mächte wieder am Werk sind. Und da ihr mich nicht kontaktiert habt, war alles umsonst. Hätten sie mir keinen Brief geschickt, dann hätten sie euch aus dem Auenland rausgelockt, hätten euch entführt, und weder ich noch sonst jemand hätte gemerkt, was passiert war."

Wieso wollten sie uns denn eigentlich aus Hobbingen rauskriegen und wieso sind sie nicht einfach..." Frodo schluckte einmal schwer "...eingefallen und haben uns gewaltsam rausgeholt?"

"Ich glaube, sie wollten möglichst kein Aufsehen erregen, wären sie in Hobbingen einfach eingefallen, wäre diese Nachricht gewiss nach außen gedrungen und jemand hätte Verdacht geschöpft. Zu dem kommt noch die Tatsache, dass sie eigentlich sowieso nur dich haben wollten, aber sie wussten nicht mehr wer genau von euch Hobbits der Ringträger war."

"Wieso wollten sie mich?"

"Ach, mein lieber Frodo. Ich fürchte Sauron ist durch die Zerstörung des Ringes nicht vollständig vernichtet worden, und ich weiß auch nicht, ob das überhaupt jemals geschehen kann!"

"Was?"

Saurons Diener haben vor, einen neuen Ring zu schmieden, durch denen ihr Herr wieder mächtiger wird. Nur wollen sie dem Ring diesmal eine noch größere Macht geben! Sie haben vor den Ring so zu konstruieren, dass ihn niemand anderes mehr tragen kann, außer Sauron selbst, denn sie wollen vermeiden, dass noch einmal das Selbe passiert, was vor acht Jahren geschah. Jeder andere, der den Ring trägt, wird entweder sofort sterben, oder ein willenloser Diener Saurons."

"Dann war alles umsonst, was wir vor acht Jahren durchgemacht haben?"

"Nein, mein lieber Frodo, wir haben Zeit gewonnen."

"Zeit? Zeit wofür?" Frodo wirkte aggressiv. "Haben wir Zeit gewonnen für unseren Untergang und dem von Mittelerde, der anscheinend sowieso nicht mehr verhindert werden kann? Ich bin Monate lang ganz alleine mit Sam auf dem Weg nach Mordor gewesen um den Ring zu zerstören. Es gab teilweise überhaupt keine Hoffnung mehr, bis wir letztendlich kurz vor unserem Untergang den Ring doch noch vernichten konnten. Und jetzt haben wir lediglich Zeit gewonnen? Wie ist es überhaupt möglich, den Ring neu schmieden zu können? Sauron hat doch gar keine Macht mehr, um sie in den Ring einfließen zu lassen."

"Nein Frodo, Sauron hat sie nicht, aber du hast sie!"

Frodo wurde leichenblass. "Wieso ich? Ich werde doch nicht den Ring schmieden."

"Nein Frodo, das ist auch gar nicht nötig. Du hast den Ring so lange getragen, dass immer noch ein Teil von seiner Macht in dir ist. Sie brauchen lediglich dein Blut, um den Ring zu schmieden. Dein Blut wird die Macht des Ringes und somit auch die Macht Saurons wieder wachsen lassen. Es ist dein Schicksal, dass du der einzige noch lebende Ringträger bist, denn es hätte genauso gut das Blut eines anderen Trägers sein können. Gollum, der auch ein Träger war, fand in den Flammen des Schicksalsberges den Tod, aber vielleicht ist das ja eine kleine Hoffnung für uns, denn wäre Gollum noch am leben, dann hätten sie ihn sofort bekommen und der Ring wäre wahrscheinlich schon neu geschmiedet worden. So aber kommst nur du in Frage und wir haben noch etwas Zeit, um die Dinge zu ändern." Der Zauberer verzog sein Gesicht nachdenklich, dann fügte er hinzu: "So fern wir überhaupt noch etwas verändern können."

"Aber Gandalf, ich bin nicht der einzige Ringträger. Sam hat ihn auch mal getragen."

"Das stimmt gewiss, aber der Ring hatte nicht genügend Zeit um Sam zu beherrschen. Du hingegen warst schon teilweise von dem Ring besessen."

Frodo sah Gandalf entsetzt an. Dann überlegte er kurz. "Aber Gandalf, sie wissen immer noch nicht wer von uns Hobbits der Ringträger war. Der Anführer der Orks wollte es von uns wissen, aber wir haben ihm nichts gesagt, daraufhin wollte er uns zu Saurons Auge bringen."

Gandalf sah mitleidig zu Frodo. "Du hast in der Tat recht, noch wissen sie nicht, wer der Ringträger war, aber glaub mir, sie werden es bald wissen. Die Neun werden ihn erkennen.

Frodo zuckte zusammen "Die Neun? Du meinst die Ringgeister sind wieder erwacht?"

"Noch nicht, glaub mir sonst hätte Sauron keine Orks geschickt um den Träger zu holen. Aber es wird nicht mehr lange dauern, dann werden die Nazgul wieder auf die Suche gehen."

Frodo wurde sehr unruhig und lief hektisch im Raum hin und her. Bei dem bloßen Gedanken an die Nazgul spürte er die Kälte, die er damals empfand, als er von einer der Morgulklingen niedergestreckt wurde und fast selbst zu einem Ringgeist wurde. "Aber was hat es mit dem Auge Saurons auf sich?"

"Der Turm Barad-Dûr ist wieder errichtet worden. Das Auge Saurons ist wieder auf der Spitze und beobachtet! Sie hatten vor, dich und die anderen Hobbits auf den Turm zu bringen, Sauron hätte den Ringträger mit Sicherheit gefunden."

Gandalf sah Frodo tief in die Augen. "Hätten sie nicht den Fehler mit den Briefen begangen, diesmal hätte Sauron sein Ziel erreicht. Selbst für einen alten Zauberer wie mich ist das sehr beunruhigend. Wir hatten geglaubt damals wäre es knapp gewesen, als wir hörten, dass Sauron und Saruman ihre Streitmächte zusammenstellten, nun wäre der dunkle Herrscher fast ohne Mühen an sein lang ersehntes Ziel gekommen. Und was das Schlimmste ist, keiner hat etwas gemerkt."

"Aber das ist doch gut, oder nicht? Ich meine nun wissen wir doch, dass der Feind auch Fehler macht. Ist das nicht etwas Gutes?" In Frodos Stimme war Hoffnung zu hören.

"Ja, vielleicht. Aber sag mir eines, Frodo Beutlin. Wer sagt dir, dass es auch tatsächlich ein Fehler war?"

Frodo sah sehr verwirrt aus. "Was meinst du?"

"Wir dachten damals wir hätten den Ringkrieg gewonnen, aber ich glaube fast, der Feind wollte, dass wir das glauben. Vielleicht brauchte er nur die Zeit, um eine noch größere Waffe gegen uns zu entwickeln. Der neue Ring wird uns allen den sicheren Tod bringen, so viel steht fest, was wenn das alles geplant war, eine teuflische Strategie im Kampf? Und was wenn der angebliche Fehler mit den Briefen wieder eine Strategie war?"

Frodo fing an zu schluchzen. "Dann gibt es keine Hoffnung für Mittelerde?"

"Ich weiß es nicht mein lieber Frodo." Gandalf umarmte den kleinen Hobbit, der nun schluchzend sein Gesicht in seinem Gewand vergrub. Eine Weile verharrten sie so. Dann sagte Frodo immer noch schluchzend zu Gandalf: "Ich hab eine Idee, Gandalf." Der Hobbit blickte mit geröteten Augen zu dem Zauberer auf. "Ich gehe wieder nach Mordor, ich werde mich in den Schicksalsberg werfen, erst dann ist der Ring vollständig vernichtet, denn ich nehme den Rest seiner grausamen Macht mit mir in den Tod. Und wenn ich mich in den Schicksalsberg werfe, dann ist es sicher, dass nichts mehr von mir übrig bleibt, dass der Feind zu seinen Zwecken verwenden kann. Du wirst hier bleiben und Sam, wenn es nötig ist festbinden, damit er mir nicht folgt." Frodo verlor wieder einige Tränen, dann fügte er unter heftigen Schluchzern hinzu, die ihn am ganzen Körper zittern ließen: "Der treue Sam würde sich sonst nur noch mit mir in den Tod stürzen, und das will ich nicht. Und auch Rosie wird das nicht wollen."

Gandalf sah den Hobbit an und auch seine Augen wurden feucht. Dann jedoch begann er seine Fassung wieder zu gewinnen und er sagte entschlossen: "Das wirst du schön bleiben lassen, närrischer Beutlin! Eher stürze ich mich in den Schicksalsberg, als das ich sehe, das du das tust! Und außerdem wenn du tot bist, dann hast du recht, wird der Feind im ersten Moment vielleicht überrascht sein, aber glaube mir bei allem, was ich gesehen habe, Sauron wird dann einen anderen Weg finden. Ich befürchte fast, er wird immer einen anderen Weg finden, egal, was wir tun werden. Selbst wenn wir ihn dieses Mal noch mal schlagen sollten, irgendwann findet er einen neuen Weg zurück zu kommen."

Frodo blickte jetzt sehr entschlossen drein. Er gewann seine Fassung wieder. Sein Gesicht wurde Ernst und er stellte sich mitten in den Raum und rief mit entschlossener Stimme: " Aber wenn der Feind einen Weg findet, dann werden wir auch einen finden!"

Gandalf lächelte "Diese Hobbits sind zu faszinierend! Ich glaube wirklich, dass eines Tages ein Hobbit das Schicksal von Mittelerde bestimmen wird."

"Was werden wir jetzt tun, Gandalf?"

"Wir warten auf Elrond, er ist mit zweihundert Elben zu seinem Schutz auf dem Weg hierher und wird in wenigen Tagen hier ankommen. Ich werde mich vorerst zusammen mit ihm, Galadriel und Aragorn beraten, dann entscheiden wir, was wir tun werden und wie wir unsere restlichen Verbündeten informieren werden. Wir müssen jetzt jeden Schritt durchdenken, den wir tun. Du solltest jetzt vielleicht besser zu Sam gehen, er wird sich schon Sorgen um dich machen."

Gandalf lächelte ihn freundlich an und deutete in Richtung Tür. Frodo lächelte (wenn auch etwas gequält) zurück und verließ das Baumhaus. Er lief zurück an den Ort, wo er sein Schlafgemach hatte. Sam erwartete ihn schon aufgeregt. "Und was habt ihr erfahren, Herr Frodo?"

"Komm, Sam, wir gehen ein Stück spazieren, dann kann ich dir alles erklären."