Teil 7


Da standen wir nun wie der Pizzabote vor einer verschlossenen Tür und starrten uns an. Man hätte die Luft zwischen uns und Bulma förmlich in Scheiben schneiden können.

Irgendwer musste irgendwas tun. Aber was? Erstaunlicherweise war es Toko, die etwas unternahm.

Toko: Ähh, Entschuldigung, Frau Briefs, dass wir hier so hereinplatzen, aber haben sie zufällig einen Schal für mich?

Bulma blinzelte verblüfft. Mit dieser Frage hatte sie ganz offensichtlich nicht gerechnet. Aber, mal ehrlich, wer hätte das schon in ihrer Situation?

Bulma: Du willst einen Schal? Warum denn das? Und wer seid ihr überhaupt?

Sunnys Wahrheitsliebe in allen Ehren, eins war klar. Wenn wir ihr sagten 'Guten Tag, wir sind Freezer und die Ginyuforce, man hält uns im allgemeinen für fiese Killer, aber eigentlich sind wir nur Opfer unseres schlechten Rufs... dann kam das vermutlich nicht so gut.

Also sagte ich etwas das, genau betrachtet, nicht mal eine Lüge war.

Ravana: "Wir sind Freunde von Kulilin."

Dazu nickte ich bestätigend. Bulma quittierte das mit einem erstaunten Blick. Sunny packte mich am Arm und zischte mir aufgebracht ins Ohr.

Sunny: Ravana, was soll denn das? Das stimmt doch gar nicht!

Ich zischte im gleichen Tonfall zurück.

Ravana: Natürlich stimmt es, oder magst Du Kulilin nicht ?

Sunny: Doch, schon...

Ravana: Na, also, dann kommt es doch hin. Wir sind seine Freunde, er kennt uns bloss nicht. Wir sind halt so was wie... wie heimliche Freunde, eben.

Indes hatte Bulma die Sprache wiedergefunden.

Bulma: Kulilin hat Freunde auf Namek? Ihr seht aber alle ganz schön eigenartig aus.

Ravana: Nun, wir.. ähh,... wir können da jetzt nicht so direkt was für. Was solls? Wir sind netter als wir aussehen.

Bulma: Tja....

Sie musterte uns immer noch zweifelnd. Doch ich beobachtete, dass der Ausruck des Misstrauens langsam aus ihren Zügen wich. Das musste man nutzen. Plötzlich sah ich wieder Chancen, ganz ohne Stress und Ärger an den Ball ranzukommen. Dafür musste ich entweder unsere komplizierte Lage ausführlich erläutern und auf Bulmas Mitleid hoffen, oder ich bog die Wahrheit ein kleines Stück. Nur so ein ganz klitzekleines. Eine Notlüge. Nichts weiter. Eigentlich fiel es gar nicht ins Gewicht. Aber anscheinend war ich die Einzige, die das so sah.

Ravana: Ja, Kulilin schickt uns. Er braucht nämlich den Dragonball ganz dringend. Und da bat er uns, ihn bei dir abzuholen, weil er selbst nicht kommen kann.

Als ich dergestalt fortfuhr, trug mir das ein Stirnrunzeln von Sunny und ein empörtes "Hmph" von Toko ein. Zumindest liessen die zwei Ehrlichkeitsfanatiker mich ausreden.

Bulma: Was macht er denn? Warum kann er nicht selbst kommen?

Ravana: Weil er gerade kämpft und, und zwar mit... Vegeta, Hm, ja, genau! Mit Vegeta!

Bulma: Er kämpft mit Vegeta?

Sie tat es wieder. Etwas, dass alle Leute in der Serie gern taten. Sie wiederholte das Offensichtliche. Eine gerade getroffene Aussage wurde in Dragonball ständig von mindestens einer Person sofort noch einmal wiederholt. In gleicher Weise spulte sich unser Dialog mit der blauhaarigen Holden ab.

Ravana: Ja, mit Vegeta. Der ist hinter den Dragonballs her. Das ist eine ganz üble Sache. Er will unsterblich werden. Darum muss Shenlong gerufen werden, bevor der Saiyajin an die Dragonballs kommt, weil Vegeta sonst unbesiegbar wird.

Genaugenommen war das alles keine Lüge. Vegeta wollte ja die Dragonballs für sich und Unsterblichkeit war ja auch sein Hauptziel. Dass er sich mit Krillin verbündet hatte, um Freezer zu besiegen, vergass ich geflissentlich. Meine Worte hatten die gewünschte Wirkung. Bulma zog erschreckt Luft ein und schlug die Hand vor den Mund.

Bulma: Der arme Kulilin. Der hat doch keine Chance gegen Vegeta. Der ist doch viel zu stark für ihn.

Ich nickte und machte ein ernstes Gesicht.

Ravana: Ja. Er ist viel zu stark. Kulilin und Son Gohan halten ihn auf, damit wir ihnen den letzten Dragonball holen können. Alle anderen haben sie schon beisammen, müssen Sie wissen. Wenn Veggi- ... ähh Vegeta, erst einmal unsterblich ist, dann ist alles vorbei. Dann ist er unbesiegbar.

In dem Moment als ich sagte, fiel Toko und Sunny alles aus dem Gesicht. Ich bemerkte meinen verräterischen Fauxpas im gleichen Augenblick und korrigierte mich sofort. Verfluchtes Fandom. Da schleichen sich Abkürzungen in den Sprachgebrauch... fehlte bloss noch, dass ich Piccolo als nächstes nannte. Ich sah zweifelnd zu Bulma. Wenn sie meinen verbalen Ausrutscher bemerkt hatte, konnten wir einpacken. Aber meine Sorge war unbegründet. Zu meinem grossen Glück war sie mit ihren Gedanken noch ganz bei der Unsterblichkeitsproblematik.

Bulma: Vegeta unbesiegbar...

Ravana: Das wäre schlimm.

Bulma: Es wäre furchtbar! Entsetzlich!

Ravana: Überaus furchtbar und entsetzlich.

Ich ertappte mich auch schon dabei, dass ich Sätze wiederholte. Demnächst fingen wir noch alle an, reihum den Namen einer Person zu rufen. Wie in diesen dramatischen Kampfszenen, wenn alle nach Son Goku brüllten. Aber vielleicht würde das ja auch noch passieren. Schliesslich gab es auch die Schweisstropfen. Langsam musste ich zum Punkt kommen. Vielleicht konnte ich Bulma ja einfach überrumpeln.

Ravana: Also, wir bräuchten dringend den Dragonball.

Bulma wäre nicht Bulma gewesen, wenn sie sich so einfach hätte rumkriegen lassen. Sie schaute plötzlich wieder sehr misstrauisch in die Runde.

Bulma: Woher soll ich wissen, dass ihr nicht lügt? Ihr könntet ja Sonstwer sein. Vielleicht gehört ihr ja sogar zu Vegeta.

Sunny konnte es sich wieder einmal nicht verkneifen.

Sunny: Schön wärs.

Diesmal fiel mir alles aus dem Gesicht. Aber Bulma schien auch Sunnys, Dendeseidank geflüsterten Kommentar, nicht wahrgenommen zu haben. Sie war ganz auf mich konzentriert. Leider sah sie meine vorübergehende Entgleisung als Bestätigung ihrer Theorie.

Bulma: Ha! Ich wusste es! Ihr seid Spione!

Sie machte ein paar Schritte zurück, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte uns alle in ihrer wohlbekannten Art an. Ich musste die Situation irgendwie retten. Jetzt musste ich lügen, dass sich die Balken bogen. Am besten log es sich immer noch mit der Wahrheit. Ich sprach so lässig wie möglich.

Ravana: Nun, nehmen wir einmal an, Frau Briefs, dass wir tatsächlich die Bösen sind und Ihnen den Dragonball klauen wollen. Würden wir dann hier mit Ihnen reden? Bestimmt nicht. Die echten Schurken würden, wenn ich das jetzt mal so brutal ausdrücken darf, Sie, meine Teuerste, einen Kopf kürzer machen und sich dann nehmen, was sie wollen. Wenn wir in Wirklichkeit grässliche ausserirdische Monster wären, die die Weltherrschaft erobern wollen, dann würden wir uns doch wohl kaum die Mühe machen, Ihnen eine so komplizierte Lügengeschichte aufzutischen, oder?

Ha, ich sah, dass ich ins Schwarze getroffen hatte. Sie stutzte.

Bulma: Ja, das kann schon sein...

Jetzt hiess es, weitermachen. Gleich hatte ich das Täubchen gefangen.

Ravana: Bedenken Sie doch einmal, liebe Frau Briefs, wie Ihre früheren Begegnungen mit bösartigen Extraterrestriern und anderen Übeltätern ausgefallen sind. Hat jemals einer mit Ihnen Konversation gemacht? Wohl kaum.

Bulma: Nun ja...

Ravana: Oder haben diese perfiden Personen nicht vielmehr versucht, Ihnen und Ihren Freunden in vorsätzlicher und heimtückischer Weise das Leben zu nehmen? Denken wir hier nur einmal an Pilaf, Radditz oder Piccolo als er noch böse war...

Toko: Hey, ich bin hier die Jurastudentin...

Sunny: So kanns gehen. Die ist jetzt in ihrem Element. Wenn Ravana erstmal anfängt, Sätze zu drechseln, dann hört sie so schnell nicht mehr auf damit.

Bulma: Also, das stimmt schon...

Ravana: Das lässt doch alles in allem nur einen logischen Schluss zu, der da heissen muss, liebe Frau Briefs, dass wir mitnichten Ihre Feinde sein können.

Die Beute war geschlagen. Bulma war von dieser Argumentation völlig überrumpelt. Wie gut, dass in DBZ noch nie ein Bösewicht mit Worten gekämpft hatte. Die Helden waren so schön leichtgläubig, weil sie es nicht gewohnt waren, dass man sie schamlos anlog.

Bulma: Ja, das stimmt schon. Wenn ihr wirklich meine Feinde wärt, hättet ihr mich ja auch überwältigen können.

Ravana: Ja, und bewusstlos schlagen, oder einfach umbringen.

Mensch, was war diese Frau naiv. Ich hätte mir kein einziges Wort geglaubt, aber wer so dumm war, den bestrafte- Zum ersten Mal wurde mir bewusst, welche Richtung meine Gedanken da einschlugen. Hatte ich wirklich gerade Befriedigung empfunden, Bulma ausgetrickst zu haben? Ich dachte ja selbst schon beinahe so hinterhältig wie Freezer. Nur, dass ich natürlich viel intelligenter war als er. Um Längen. Während ich so über den Kühlschrank vom Dienst nachdachte, fiel mir auf, wie schade es doch eigentlich war, dass Freezers Kraft und Kompetenz mit so einem bösen Geist gekoppelt waren. Was hätte er als Guter alles mit seiner Macht erreichen können? Und warum hatte sich da noch nie ein Fanautor Gedanken drüber gemacht? Meine Gedankengänge fanden ein jähes Ende als Toko wieder das Wort ergriff.

Toko: Also, bevor wir das Thema ganz vergessen, ich wäre Ihnen wirklich mehr als dankbar, wenn ich ein Tuch bekommen könnte, ich fühl mich doch so schlecht, wissen Sie?

Bulma: Wozu brauchst du das denn?

Toko setzte doch glatt zu einer Erklärung an. Wenn sie verriet, dass sie nicht mit ihrem eigenen Körper zu rande kam, würde Bulma wieder Verdacht schöpfen und alles war für die Katz. Das musste ich unterbinden. Leider hatte Sunny den gleichen genialen Gedanken. Wir platzen alle zugleich heraus.

Toko: Also, meine Augen-

Ravana: Er hat Halsschmerzen.

Sunny: Sie hat Mumps.

Clever! Ja, das machte die Sache erst so richtig glaubwürdig.

Bulma: Halsschmerzen, Augen, Mumps? Und warum einmal "er" und einmal "sie"? Das ist doch nicht euer Ernst. Was soll das alles?

Ich hätte Sunny und Toko in diesem Moment treten können. Diese Idioten hatten mir doch glatt die Tour vermasselt.

Sunny: Hey, was heisst hier Idioten? Wenn du bei Bulma nicht gelogen hättest, Ravana, dann...

Evanda: Sunny! Lass doch bitte Ravana ausreden, Du weisst ja dass sie im Moment nicht ganz die Alte ist. Also, bitte.

Sunny: Schon gut!

Evana: Fahr fort, Ravana.

Ravana:

Danke. Also, wo waren wir? Ach ja, die Zwei hatten mir einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Bulma schaute wieder zweifelnd drein. Und dann sah sie uns missbilligend an. Sie traute uns jetzt noch weniger als vorher.

Bulma: Was soll das für eine Schmierenkomödie sein? Hä? Ich höre?

Ich sah zum Himmel und seufzte leise. Jetzt brauchten wir eine verdammt gute Ausrede. Irgendwie kam mir die Situation bekannt vor. Here we go again...