Wahrheiten
Kapitel 4
Die zwei Tage Flug zu dem Nebel verliefen ereignislos. Captain Janeway und Fähnrich N'ymes studierten die Daten, die die Voyager einige Tage vorher im Vorbeiflug gesammelt hatte und tauschten angeregt Theorien über die Entstehung und Lebnsdauer von Klasse-J-Nebeln aus. Fähnrich N'ymes verlor ihre Schüchternheit, sobald es um ihr Fachgebiet ging, und der Captain stellt fest, dass sie eine angenehme Diskussionspartnerin sein konnte. Zwar fehlte es ihr an Erfahrung und sie machte noch Fehler, aber sie war intelligent und wissbegierig.
Was Tom anging, so fühlte er sich manchmal mehr als überflüssig. Sicher, als Pilot kannte er sich ebenfalls mit astronomischen Phänomenen aus, doch sobald die beiden mit ihrem wissenschaftlichen Kauderwelsch begannen, hätte er ebensogut ein Teil der Shuttleeinrichtung sein können. Vermutlich ignorierten sie ihn nicht einmal absichtlich, denn B'Elanna war oft genug genauso, wenn sie über einem technischen Problem brütete.
Aber zur Zeit war es ihm nur recht, nicht zu sehr vom Captain beachtet zu werden. Er war zufrieden damit, Chauffeur zu spielen und ansonsten an einem neuen Holoabenteuer für Captain Proton und Buster Kincade zu arbeiten. Dort war alles so einfach. In Captain Protons Welt gab es nur schwarz oder weiß, falsch oder richtig. Die Guten gewannen immer, die Bösen wurden besiegt.
Vermutlich war es gerade diese Einfachheit, die Harry und er daran mochten, denn im Gegensatz zu dem komplizierten, realen Leben mit all seinen Grautönen musste man in Captain Protons Welt keine schwierigen oder schmerzlichen Entscheidungen treffen.
Dennoch gab es einige unangenehme Momente zwischen ihm und dem Captain.
Am zweiten Tag saß er mit Fähnrich N'ymes beim Mittagessen, und auf ihre schüchterne Frage, an was er gerade arbeitete, erklärte er ihr sein neues Holoprogramm. Da Desideria neugierig war und interessiert Fragen stellte, waren sie schon bald in ein angeregtes Gespräch vertieft. Es amüsierte ihn, dass sie hartnäckig versuchte, Realität oder Logik in der Geschichte zu finden.
„Ich verstehe nicht, wie Sie alle Gesetzte der Physik ignorieren können. Zum Beispiel dieser Raketenrucksack! So etwas kann doch gar nicht funktionieren!" sagte Desideria verwirrt.
„Natürlich ist es nicht realistisch! Es geht überhaupt nicht um irgendwelche Regeln. Es geht einfach nur darum, Spass zu haben." erklärte Tom lachend. „Es ist..." Er verstummte. Desideria dreht sich um und sah Captain Janeway, die gerade den Raum betreten hatte.
Tom stand ruckartig auf und räumte seinen Teller weg. „Bitte entschuldigen Sie mich, ich möchte noch ein paar Überprüfungen der Navigationssensoren durchführen." Mit diesen Worten verschwand er.
Captain Janeway sah ihm niedergeschlagen hinterher. Eben noch hatte er fröhlich und offen geklungen, völlig begeistert von seinem Projekt, doch kaum sah er sie, wurde er wieder verschlossen.
In den vergangenen Wochen war es immer wieder so gewesen. Ob im Dienst oder nicht, sobald sie in seiner Nähe war, benahm er sich wie ein Musteroffizier. Es war klar, dass er sich in ihrer Gegenwart nicht mehr wohl genug fühlte, um Scherze zu machen.
Sie hatte ihn eben zum ersten Mal seit langem wieder lachen gehört, und es machte ihr nur noch mehr klar, wie sehr sie den alten Tom Paris vermisste. Wenn wir diesen verdammten Planeten doch nie entdeckt hätten!
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Als sie schließlich den Nebel erreichten, lief zunächst alles wie geplant.
„Wir sind da, Captain." kam Toms Stimme über das Intercom des Flyers. Der Captain und Fähnrich N'ymes gingen schnell in den vorderen Bereich des Shuttles. „Es ist wunderschön." sagte Desideria ehrfürchtig, als sie das bunte Farbenspiel sah, das sich vor ihnen ausbreitete.
Der Nebel füllte den kompletten Sichtbereich der Fenster aus, und soweit sie sehen konnten, gab es nur Gaswolken, deren Farben in allen möglichen Rottönen variierten. An einigen Stellen durchzogen dunkelrote Energiestränge den Nebel wie Adern. Während sie das schillernde Schauspiel beobachteten, geriet eine kupferfarbene Wolke in Kontakt mit einem der Energiestränge. Zuerst blitzte es nur im Inneren der Wolke, doch dann setzte sich eine Kettenreaktion in Gang und die ganze Gaswolke explodierte in einem hellen Gleißen.
„Das heißt wohl, wir sollten uns besser von solchen Dingern fern halten." kommentierte Tom.
Letztendlich war es nicht sehr schwer, den Energiesträngen auszuweichen, da sie sich im Zentrum des Nebels konzentrierten. Captain Janeway und Fähnrich N'ymes hatten einen spiralförmigen Kurs erarbeitet, durch den sie einen möglichst großen Teil des Nebels katographieren konnten.
Schon am ersten Tag sammelten sie eine Vielzahl von Daten, die darauf hinwies, dass sich tief im Inneren des Nebels eventuell Protosterne entwickelten könnten. Tom musste die beiden immer wieder daran erinnern, etwas zu essen oder zu schlafen. Nach dem zweiten Tag dachte er ernsthaft darüber nach, eine Replikatorfehlfunktion zu verursachen, damit der Captain keinen Kaffee mehr bekam.
Im ihrer Begeisterung über ihre Forschungsmöglichkeiten hatte sie den Konsum ihres Lieblingsgetränks erheblich gesteigert. Chakotay hatte zwar gewollt, dass sie Urlaub machte, eine Koffeinvergiftung hatte er sicher nicht im Sinn gehabt.
Die ersten Probleme traten auf, als sie am dritten Tag ins Zentrum des Nebels vorstoßen wollten. Hier wurden die Turbulenzen immer stärker, und die Energiestränge entpuppten sich als Plasmastürme, die denen in den Badlands ähnlich waren. Dadurch wurde die Belastung für die Schilde immer stärker, wenn auch noch nicht im kritischen Bereich.
Tom war überzeugt, mit den Turbulenzen fertig zu werden, und der Captain war sicher, dass die Schilde halten würden. Es schien kein großes Risiko zu sein, doch dann wurden sie plötzlich von einer Schockwelle getroffen.
