Kapitel
Vorwort: Sorry, das mit den Absätzen klappt nicht. Ich habe zwar ursprünglich welche gemacht, aber die gingen in dem neuen Format irgendwie verloren. Ich kenn mich auf fanfiction noch nicht so aus, versuch aber mich zu bessern ;-) Und: das mit Badezimmer und Küche tut mir leid, ich hab zufällig eine alte, unüberarbeitete Version ins Netz gestellt.
Mittelerde
Noch nie zuvor hatte sie ein Weltentor aus solcher Nähe gesehen. Der Strom der daraus hervorspringenden Orks schwächte zusehends ab, es war ein kleines Wunder, dass der Trupp von einem guten Dutzend sie noch nicht entdeckt hatte. Das einzige, was Gena von ihnen trennte, waren zwei zerbeulte, alte Mülltonnen und einige Meter der Straße.
Vor drei Tagen hatte sie nun ihre beste Freundin verloren, und auch für den Tod deren Geliebten, Chris, war sie alleine verantwortlich. Tage und Nächte war sie völlig orientierungslos durch Seitengassen und düstere Lokale geirrt, hatte versucht, ihren Kummer in etwas Alkohol zu ertränken, aber die Erinnerung hatte sie stets in Form von Albträumen eingeholt. Da war so viel Blut geflossen in jener Nacht.... Vor zwei Tagen hatte Gena beschlossen, nie wieder zu schlafen. Zu schrecklich waren die Horrorvisionen in ihren Träumen, zu real als dass sie sie hätte länger ertragen können. Zuerst hatte sie sich furchtbar gefühlt, übermüdet und hungrig. Aber vor wenigen Stunden war jegliches Mangelgefühl von ihr gewichen. Stattdessen fühlte sie ... Nichts. Zielstrebig war sie durch die Nacht gelaufen, bis sie hierher gekommen war. Vorsichtig spähte Gena über den Rand des blechernen Mülltonnendeckels. Es stank entsetzlich, aber nicht bloß wegen des Mülls.
Die Orks rochen nach...Tod. Ja, das war wohl die richtige Bezeichnung. Sie kannte diesen Geruch. Dieser ekelhafte, süßliche Leichengeruch. In jener Nacht hatte sich dieser Geruch unwiderruflich in ihr Gehirn eingebrannt.
Ihr Magen krampfte sich bei dem bloßen Gedanken an tote Körper zusammen. Wenn sie daran dachte, dass ihr vor weniger als einem halben Jahr beim Anblick von ein bisschen Blut schlecht geworden war...wie schwach, wie verletzlich sie doch immer gewesen war! Ihre Hand schloss sich fester um den Griff des Schwertes. Was sollte sie hier tun? Alleine das Dutzend Orks erschlagen? Sie traute sich das durchaus zu...aber es erschien ihr nicht der Grund ihres Hierseins zu sein. Ihr Blick wanderte wieder zu dem offenen Tor hin. Grün waberndes Licht bildete einen Tunnel in die andere Welt . Ein furchteinflößender aber zugleich faszinierender Anblick. Welche unglaublichen Mächte mochten diesen Zauber wohl gesponnen haben?
Sollte sie etwa...? Aber was hatte sie in auf der anderen Seite verloren? Sie würde ein Eindringling sein, genauso wie die Kreaturen, die gerade aus dem Tunnel hervortraten. Außerdem, wie sollte sie rechtzeitig zum Tor gelangen? Sie wusste, dass es sich hinter dem letzten Ork schließen würde. Nein, es war unmöglich hindurchzutreten.
-Natürlich wirst du es schaffen.-
Nein, es war zu gefährlich. Sie würde sterben, bevor sie auch nur in die Nähe des Tores gelangte. -Vertraue mir, Gena.- Fieberhaft dachte sie über eine Möglichkeit nach, die hässlichen Gestalten abzulenken, als ihr der Zufall zu Hilfe kam: Das Weltentor hing wie an unsichtbaren Seilen aufgehängt wenig über dem Boden. Nahezu der ganze Bereich zu beiden Seiten der Straße war mit Müllsäcken, Mülltonnen und Papiercontainern zugestellt. Am Ende der Gasse erschallte plötzlich ein lautes Klappern, gefolgt von einem unverhohlenen Fluchen und noch mehr Lärm. Die Aufmerksamkeit der Orks richtete sich auf zwei heruntergekommenen Gestalten , die sich plötzlich hinter einem der Container erhoben und verwirrt den Wesen aus einer anderen Welt entgegenstarrten. Gena zögerte. Sie war sich sicher, dass die Orks die beiden Obdachlosen töten würden.
-Sie sind Bauernopfer, nichts weiter-
Was waren das für Gedanken? Nie hätte sie so über das Leben eines Menschen gedacht! Dann hörte sie das saugende Geräusch des Tores, als es den letzten Ork ausspuckte. Als ob es auf sie wartete...ach, Unsinn. Langsam begann sich die Öffnung wieder zu verengen. Sie musste sich entscheiden. Mit einem Satz sprang Gena aus ihrem Versteck, sprintete die kurze Strecke zum Tor hin und schmiss erst das Schwert, dann sich selbst kopfüber in das Weltentor. Hinter ihr glaubte sie noch, das laute, wütende Gekreische der Orks zu hören.
Sie erwachte mit dem Gefühl, mit einem Vorschlaghammer bearbeitet worden zu sein, unter freiem Himmel .
Die Sonne grinste spöttisch auf sie hernieder und ihre Helligkeit sandte Hunderte weiße Nadeln aus purem Schmerz in ihr Gehirn. Gena stöhnte leise und blinzelte.
Niedliche kleine Schäfchenwolken zogen über den blitzblauen Himmel. Vogelgesang war zu hören und in der Luft lag der Geruch von feuchtem Moos und Laub. Sie befand sich auf einer Lichtung, mitten in einem Wald. Vorsichtig stand sie auf und fand ihr Schwert einige Meter von sich entfernt im feuchten Waldboden stecken.
Um sie herum waren bloß Bäume. Aber was für welche! Es waren schlanke, silberstämmige Laubbäume, die stolz und gerade in den Himmel emporwuchsen. Stolze Bäume? Doch genau dieses Wort schien zuzutreffen: Stolz, schön und uralt. Fasziniert drehte Gena sich im Kreis. Nach kurzem Überlegen ging sie in eine willkürliche Richtung. Ihr sechster Sinn, dieses fremde, magische Wissen von Dingen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, der durch den Autounfall in ihr erwacht war, ließ sie diesmal im Stich. Sie musste sich auf den Zufall und ihren Orientierungssinn verlassen und hoffen, sich nicht zu verirren. Dabei war es schon eine Weile her, seit sie zum letzten Mal einen Wald betreten hatte. Gena war in München aufgewachsen und hatte dort, abgesehen von einigen seltenen Ausflügen aufs Land, ihr gesamtes verbracht.
Es war aufregend schön hier! Die Blätter der Bäume reflektierten das Licht der Sonne und schienen die Farbe von gegossenem Gold anzunehmen, über ihr, in den mächtigen Kronen der fremden Bäume schwirrten kleine Singvögel und sangen und pfiffen aus voller Kehle und einmal entdeckte Gena sogar ein Eichhörnchen. Das scheue Tier ließ sie ganz nahe an sich ran, bevor es erschrocken den Baumstamm hinaufkletterte.
Unfähig, den Blick vom gelbgoldenen Blättermeer über sich zu reißen, schritt Gena dahin und vergaß für eine Weile all ihre Probleme und Sorgen. "Bleibt stehen, wenn Euch euer Leben lieb ist! Ihr befindest euch in den Wäldern Lóriens, dem Gebiet der Elben." Eine männliche Stimme riss Gena aus ihren Betrachtungen und ließ sie zusammenzucken. Gena drehte sich verärgert um, das Schwert halb erhoben, ließ es aber gleich wieder sinken, als sie sah, dass der Elb mit einem Pfeil auf sie zielte. Hastig warf sie das Schwert zur Seite.
"Schon gut, ich bin ja schon brav. Wer sind Sie, und was soll das?"
"Legolas Grünblatt vom Düsterwald", entgegnete der Elb und ließ den Pfeil nach einer kurzen Musterung wieder in seinem Köcher verschwinden. Von der zierlichen Person vor ihm schien keine unmittelbare Gefahr auszugehen, obgleich ihr Gesichtsausdruck äußerst ärgerlich war. Außerdem sprach sie so seltsam, was ihn neugierig stimmte. Gena musterte den hochgewachsenen Elb kurz . Er war blond und hatte blaue Augen. Seine Kleider waren ganz in den Farbtönen des Waldes gehalten, bloß die Armschienen aus einem hellen Metall mit komplizierten, verschnörkelten Mustern wiesen darauf hin, dass es sich hierbei wohl um einen höhergestellten unter seinen Leuten handelte. Wieder sah sie in sein Gesicht. Es war schmal, fast asketisch, aber durchaus gutaussehend.
"Wer seid Ihr? Und noch viel wichtiger: Was habt Ihr alleine im goldenen Wald verloren?" "Mein Name ist Gena. Und wonach ich hier suche, weiß ich selbst nicht genau. Vielleicht nach ein paar Antworten. Und die kann mir wohl am besten die Herrin des goldenen Waldes geben."
Aha....die Herrin des goldenen Waldes.
Die Herrin des goldenen Waldes?! Wovon sprach sie hier eigentlich?! Wovon sprach sie hier eigentlich? Woher wusste sie all diese Dinge? Und warum war sie so verdammt ruhig?! Die alte Gena wäre Hals über Kopf schreiend davongerannt, vorrausgesetzt, sie wäre beim Anblick des Pfeils nicht bereits schon in Ohnmacht gefallen. Legolas Braue schoss in die Höhe. "Antworten? Worauf?" "Den Sinn des Lebens?" Sie grinste schelmisch. Mann, wer auch immer da aus ihr sprach, er war verdammt cool. Legolas schmunzelte, ohne es wirklich zu wollen. Sie hatte anscheinend nicht vor, ihm mehr als nötig zu verraten. Dann wurde er wieder ernst. "Habt Ihr etwa in Orkblut gebadet ?" Verwirrt sah sie an sich hinab. Er hatte Recht. Sie hatte sich seit dem Vorfall mit Chris und Kare nicht mehr gewaschen, was nun schon drei Tage zurücklag. Sie musste stinken wie ein Aas, besonders für einen Elb, die hatten bekanntlich ja sehr sensible Geruchsnerven. Ihre Wangen röteten sich leicht. Sie deutete auf das Schwert am Boden. "Ich bin vor nicht all zu langer Zeit einigen Orks begegnet. Leider stinken diese Biester so...Ihr könntet mir nicht zufällig einen Ort zeigen, an dem ich mich waschen kann? Wie lange ist es denn zur nächsten Badewanne?" "Zwei Stunden Marsch", schätzte Legolas, dann fuhr er ernst fort: "Wo seid Ihr den Orks begegnet? Sie sind doch nicht etwa hier in der Nähe?" "Kein Ork würde es je wagen einen Fuß in diese Wälder zu setzen, das müsstet Ihr doch selber besser wissen als ich..." Gena versuchte, möglichst gelassen zu wirken. Es war, als hörte sie eine Fremde reden. Aber vermutlich hätte die alte Gena ohnehin nur Blödsinn gestammelt. Sie räusperte sich. "Ähm...jedenfalls ist mir sicher keiner gefolgt. Könnt Ihr mich nun zu der Herrin des goldenen Waldes bringen oder nicht?" Er bejahte, immer noch nicht sicher, was er von dieser seltsamen Erscheinung halten sollte. Sie redete ziemlich schnell und ziemlich viel, soviel stand fest. Plötzlich sah sie überrascht auf und musterte den Elb mit neuem Interesse. "Legolas Grünblatt? Der Thronerbe vom nördlichen Düsterwald? Der, der bei der Ringgemeinschaft dabei war? DER Legolas?" Der Prinz nickte und ein amüsiertes Glitzern trat in seine tiefblauen Augen. "Genau der." "Ach so." Gena hob ihr Schwert mit einem fragenden Blick auf. "Darf ich das mitnehmen? Es wäre mir ein persönliches Anliegen", fragte sie den irritierten Elb. Dieser nickte bloß verdutzt. Gena nahm das Schwert und wollte es gerade an ihrem Gürtel festmachen, als Legolas sie an der Hand packte. Sie unterdrückte gerade noch den Impuls, sich loszureißen. Er war ihr zweifellos körperlich überlegen und noch dazu ein Elb. Sie musste vorsichtig sein. "Was ist?", fragte sie leicht gereizt, denn sie war müde und hatte nicht die Kraft, falsche Freundlichkeit vorzuschützen.
"Woher habt Ihr dieses Schwert?" Etwas sagte ihr, dass ihre Antwort bedacht ausfallen sollte. "Ein...Freund hat es mir gegeben." Das kurze Zögern in ihrer Stimme war Legolas keineswegs entgangen. Misstrauisch runzelte er die Stirn und blickte forschend in die auffallend dunklen Augen seines Gegenübers. Doch in ihrem Blick entdeckte er keine Falschheit, bloß eine müdes Flackern und etwas Ungeduld. Aber wie war sie an diese elbische Klinge aus Mithril gelangt? Gena erzählte dem Prinzen schließlich die Kurzfassung der Ereignisse der vergangenen Tage: Wie Chris ihr das Schwert gegeben, sie gegen einige Orks gekämpft hatten und das Liebespaar, als es sich bereits in Sicherheit wägte, doch noch von Bogenschützen ermordet worden war. Einzelheiten wie Chris Selbstmord oder den Grund des Angriffes der Orks ließ sie vorsorglich aus, und nannte einen hinterhältigen Überfall als Grund für das Unglück. Gena hatte nicht vor, ihre Lebensgeschichte irgendeinem dahergelaufenen Elb zu erzählen, selbst wenn es ein Prinz der Grauelben war. Legolas musterte die dunkeläugige Fremde neugierig, als sie vor ihm her durch den Wald ging. Nicht bloß ihr ungewöhnliches Äußeres erregte seine Aufmerksamkeit. Da war etwas an ihr, das ihn verwirrte, was ihm äußerst selten passierte. Ihre Art, sich zu bewegen, ihre Sprache, ihre Kleider, alles schien ihm fremd und doch seltsam vertraut. Als hätte er sie bereits vorher einmal gesehen.... Er schüttelte den Kopf, als könne er damit seine Gedanken entwirren, und zwang sich, logisch zu denken. Sie stammte offensichtlich nicht aus diesem Teil Mittelerdes. Doch hatte er auch noch nie von einem Volk gehört, das sich so seltsam kleidete und einen solchen Akzent hatte. Er sprach sie darauf an, aber irgendwie schaffte sie es immer, seinen Antworten diskret auszuweichen, und schließlich gab er es auf. Zwei Stunden später, als die Sonne sich schon dem Horizont näherte, und sie die Siedlungen der Elben erreicht hatten, wusste er kaum mehr über die Fremde als am Beginn ihres Marsches.
Wie sich heraus stellen sollte, war Gena nicht der einzige unerwartete Besucher an diesem Tag. Legolas sah schon lange vor Gena, dass unter den Elben Aufregung herrschte.
"Was ist da los?", fragte Gena, als sie sich dem überfüllten Hauptplatz näherten. Auf dem Platz mit dem mächtigen Brunnen in seinem Zentrum ,der ansonsten ruhig von uralten Mallornbäumen gesäumt vorm Palast lag, tummelten sich an diesem Abend unzählige Elben. Gena war zu erschöpft, um die Pracht, die der Anblick all dieser schönen Wesen auf einmal in ihren hellen Kleidern darbot, bewundern zu können. Ihr Blick glitt haltlos über die Masse hinweg und blieb an einer Gruppe Menschen in dunkle Mänteln am gegenüberliegenden Ende hängen.
Zwei von ihnen bildeten mit etwas Abstand die Spitze des ruhigen Zuges. Soweit sie erkennen konnte, handelte es sich um eine Frau und einen Mann, dahinter folgten etwa ein halbes Dutzend in dunkelblaue Mäntel gehüllte Wachen, Menschen, und eine ebensolche Anzahl von Elben in hellen Gewändern. Gena, oder besser gesagt, der neuer Teil von ihr, wusste, dass es sich um Krieger aus Lórien handelte.
"Aragorn!", rief Legolas freudig aus und war im nächsten Moment in der Masse verschwunden. Gena folgte ihm hastig, musste sich mühevoll durch die Masse drängen, während man Legolas bereitwillig vorließ. Der Elb rief seinem alten Freund schon aus einiger Entfernung zu: "Alae, Aran Gondor!" Der dunkelhaarige Mensch sah überrascht auf, und als er Legolas wiedererkannte, hellten sich seine ernsten Gesichtszüge auf. "Alae Legolas Thrandulien!" Gena blieb einige Schritte hinter Legolas in einer Reihe von Elben stehen, während dieser den grauäugigen Menschen herzlich umarmte und die dunkelhaarigen Elbenfrau neben Aragorn mit einer höflichen Verbeugung begrüßte."Alae, Arwen Undomiél. Wie ich sehe, strahlt das Licht des Abendsterns heller als je zuvor." Dabei glitt sein Blick über den leicht gerundeten Bauch der Frau. Sie strahlte ihn an und erwiderte den Gruß ihres Vetters. "Alae Legolas. Wie geht es eurem Vater?" "Thranduil ist wohlauf. Er würde sich freuen euch zu sehen. Viel ist geschehen, seit der dunkle Herrscher gestürzt wurde. Die Elben wollen ein neues, vereintes Volk bilden, und ich bin hier, um bei seiner Gründung mitzuwirken. Es gibt viel zu besprechen". "Dessen bin ich mir sicher", schaltete sich Aragorn lächelnd ein, "zwei Jahre sind nun vergangen, seit die Ringgemeinschaft ihren Auftrag erfüllt hat. Es schmerzt mich, dass unsere Wege sich so schnell trennen mussten." Legolas lächelte und erinnerte sich an das zurückliegende Jahr mit seinem Zwergenfreund Gimli, der ihn durch sämtliche wichtige Bauwerke und Mienen der Zwerge geschleift hatte. Es war eine ziemlich harte Zeit für einen Elben gewesen, denn sein Element war der Wald, das Leben unter der hellen Sonne und an der frischen Luft. Allerdings hatte ihm Gimli im Jahre davor seinerseits Gesellschaft auf der Reise über die Meere Mittelerdes geleistet. Doch wahrlich, die Wege der Gefährten waren schneller als ihnen lieb gewesen wäre in verschiedene Richtungen verlaufen.
"Verstehe mich nicht falsch mein Freund", lächelte Legolas, "dein Kommen erfreut mich über alle Maßen.. aber es ist doch etwas unerwartet." "Wir haben beschlossen, unsere Hochzeit hier, in Lórien zu feiern", erklärte der König von Gondor feierlich und sein Blick glitt über die Massen hinweg zu Galadriels und Celeborns Palast in den Bäumen. "Die Herrin des goldenen Waldes hat uns bereits eine Eskorte entgegengeschickt. Ich freue mich darauf, sie zu sehen." "Ich wusste gar nichts von euerem Besuch", gab Legolas peinlich berührt zu. Aragorn nickte bloß und sah sich bedeutend um. Er wollte also hier nicht darüber sprechen. Legolas senkte verständnisvoll den Kopf.
Gena hatte die ganze Szene aus sicherem Abstand beobachtet und jede noch so kleine Geste genauestens verfolgt. Plötzlich sah die dunkelhaarige Elbe an Aragorns Seite auf und ihre Blicke kreuzte einander. Sie spürte, wie Arwen Undómiel sie kurz musterte, nicht nur äußerlich. Aber Gena war gegen solcherart von Magie gewappnet. Arwens Blick drang nur kurz in ihren Geist ein, bevor sie sich ihr verschließen konnte. Wortlos sah die Elbe wieder weg, aber Gena spürte, dass ihre Gedanken weiter um sie kreisten...
"Entschuldige, ich habe ganz auf Euch vergessen!", rief Legolas bestürzt, als das Königspaar in den Palast eingekehrt und sich die Menge aufzulösen begann. Gena grinste breit. "Aragorn, Arathorns Sohn. So so. Und Arwen Undómiel. Wieder einmal eine...." Sie brach ab, bestürzt über die Worte, die um ein Haar ihren Mund verlassen hätten: "Unheilsvolle Verbindung". Seit wann war sie so zynisch? Und warum machte die neue Kraft, die in ihr erwacht war, sie so argwöhnisch der Königin gegenüber? "Eine was?" Legolas Blick wurde prüfend. Gena winkte hastig ab. "Ach nichts. Ich bin ziemlich erschöpft. Was ist mit dem Bad, von dem wir gesprochen haben?" Er brachte sie, nachdem er einige Bedenken geäußert hatte, in den Palast. Das Schwert musste sie am Eingang abgeben. Legolas runzelte vielsagend die Stirn, als sie zögerte. Er ließ eine Dienerin kommen, eine blondgelockte Elbe mit grünen Augen, die sie in ihr Zimmer brachte und dafür sorgte, dass sie ein Bad nehmen konnte. Gena verbrachte fast eine halbe Stunde im warmen Wasser, bevor sie ins Bett ging und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
Am nächsten Tag wachte sie spät auf, frühstückte für drei Personen, zog sich ein Kleid an, das ihr die Elbe vom Vortag zurecht gelegt hatte und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Der Schlaf hatte ihr gut getan, obgleich sie sicher noch einige Stunden mehr vertragen hätte. Doch draußen schien bereits die warme Frühlingssonne , Vögel zwitscherten und frische, nach Wald und Kräutern duftende Luft wehte in ihr Zimmer. Bei so einem Wetter konnte man nicht im Bett liegen bleiben.
Skeptisch betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Die dunklen Augenringe waren verschwunden, bloß ein grauer Schatten, der schon seit geraumer Zeit nicht aus ihrem Gesicht weichen wollte, lag noch unter ihren braunen Augen. Ihre Haut sah zum ersten Mal seit Monaten frisch und gesund aus. Allerdings lag ein bitterer Zug um ihre Mundwinkel, der sie erschreckte. Sie war gerade 23, aber die Entbehrungen und Ereignisse der letzten 12 Wochen hatten sie um die gleiche Anzahl an Jahren altern lassen. Kopfschüttelnd kämmte sie ihr langes, braunes Haar. Es hatte einen sonderbaren rötlichen Schimmer angenommen, der ihr nie zuvor aufgefallen war. Das blassrote Frühlingskleid ließ sie etwas bleich wirken und war ihr zu weit um die Taille. Sie hatte ziemlich abgenommen. Es klopfte an der Tür. "Darf ich reinkommen?"
Es war Legolas. "Kommt rein", rief sie zurück und strich sich hastig eine lästige Strähne aus der Stirn. Gleichzeitig schritt sie vom Spiegel weg. Er sollte sie nicht für eitel halten. Legolas trat ein, mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Er wirkte so frisch und voller Tatendrang, dass Gena für einen Moment neidisch wurde. "Morgen. Was ist?" "Guten Morgen, wünsche ich Euch Gena! Ich..." Er hatte die Tür geschlossen und sich wieder zu ihr umgedreht. "Ihr seht...bezaubernd aus!", sagte er überrascht. "Ich fühle mich aber noch immer als wäre eine Horde Orks auf meinem Schädel herumgetrampelt", brummte Gena ruppig und drehte sich etwas zu schnell zum Fenster um, weil ihr die ganze Situation schon peinlich wurde. "Was gibt's denn? Hat Galadriel etwa schon Zeit für mich?" Legolas nickte. "Sie erwartet Euch in den Gärten. Celeborn, sie und das Königspaar machen gerade einen kleinen Spaziergang. Ich werde Euch zu ihnen führen."
Die Gärten des Palastes mit dem Wort "prachtvoll" zu beschreiben, war reine Untertreibung. Gena konnte kein passendes Wort für die naturbelassenen Anlagen finden....geheimnisvoll, magisch, bezaubernd waren Synonyme die zutrafen, es allerdings nicht richtig auszudrücken vermochten. Die Gärten waren einer jener Orte, deren Zauber man nur zu fühlten vermochte, wenn man sich direkt in ihnen befand.
Gena wandelte, wie hypnotisiert und unfähig den Blick von den wunderbaren Pflanzen, Bäumen und Brunnen abzuwenden, an Legolas' Seite. Selbst die Steine an diesem Ort schienen magisch angehaucht.
Mit jeden Schritt, den sie tiefer in die zauberhafte Landschaft hineintat, fühlte sie sich stärker und wohler. Ein betörender Duft nach Blumen und Honig lag in der Luft, die Sonne näherte sich langsam ihren Höchststand und schien angenehm warm auf sie herab. Fasziniert bückte Gena sich nach einer blassgelben Blume, wagte es aber nicht, sie abzubrechen. Zärtlich strich sie über eines der Blütenblätter und sah zu Legolas auf. "Wie heißt sie?" "Tecyor. Das heißt "kleine Sonne". Sie ist äußerst selten. Man findet sie nur in den Palastgärten." Er bemerkte, wie Gena bei diesen Worten die Hand hastig zurückzog und aufstand.
Eine Weile gingen sie schweigend weiter, den schönen Morgen genießend. Gena erwischte sich dabei, wie ihr Blick sich dem Elbenprinzen an ihrer Seite zuwandte und sie ihn heimlich genauer betrachtete. Wie viele Elben hatte sie in den letzten Monaten gesehen? Legolas und die Einwohner Lóriens ausgeschlossen, durften es etwa ein halbes Dutzend gewesen sein. Die meisten von ihnen waren bloß kurz in einer Menschenmenge aufgetaucht und danach sofort wieder verschwunden.
Sie hatten ein Leben in ihrer Welt dem hier in Mittelerde vorgezogen, etwas, das Gena nun beim besten Willen nicht verstehen konnte. Was zog ein Lebewesen aus dieser magischen Welt, in der das alte Volk in Eintracht und Harmonie mit der Natur lebte, in die durch Abgase verseuchten , baumlosen Städte der Erde? Sie jedenfalls fand es hier um einiges schöner. Doch sie musste darauf achten, sich hier nicht allzu heimisch zu fühlen, denn es würde nicht lange wären.
Sie selbst hatte Chris und die anderen Wesen aus Mittelerde als freche Eindringlinge bezeichnet, denn die Erde war nicht die für sie vorgesehene Heimat. Es wurde merklich kühler, als sie einen schmalen Landstreifen, der ausschließlich mit Bäumen bewachsen war, betraten. Irgendwo in der Ferne hörte sie einen Bach plätschern.
"Was gibt Euch so zu denken?", fragte Legolas neugierig. Die ganze Zeit über hatten sie kaum ein Wort gewechselt, und Genas Gesicht hatte wieder jenen grüblerischen Ausdruck angenommen, den er schon mehrmals am Vortag an ihr gesehen hatte.
Gena ließ sich mit der Antwort Zeit. "Dieser Ort hier", begann sie und sah sich um, "er ist so schön. Und doch so...unberührbar. Ich fühle mich wie ein Eindringling in eurer...Umgebung." "Welt", hatte sie sagen wollen, es sich aber gerade noch verbissen. Sie kam sich lächerlich vor bei diesen Worten, denn im Grunde war sie ja nichts anderes- ein Eindringling. Legolas blickte Gena nachdenklich von der Seite an. Einige Sonnenstrahlen hatten sich ihren Weg durch das Blätterdach gebahnt und ließen ihr Haar in rötlich- kupfernen Farbtönen schimmern. Es erinnerte ihn an den herbstlichen Düsterwald, wenn sich das Blätterdach verfärbt hatte und die junge Morgensonne darauf herabschien. "Woher kommt Ihr eigentlich?" Er wunderte sich, warum er die Frage nicht schon früher gestellt hatte. Aber während all der Dinge, die er hier in Lórien hatte tun müssen, hatte er darauf vergessen. Gena lächelte schief. "Aus einem sehr, sehr weit entfernten Land. Ich bezweifle, das Euch sein Name etwas sagt. Aber es unterscheidet sich ziemlich von hier. Außerdem gibt es dort kaum Elben."
"Sprecht ihr dort alle so seltsam?" Er konnte sich die Frage nicht verhalten. Der schwere Akzent, der in seinen Ohren durchaus angenehm klang, hatte ihn längst in seinen Bann geschlagen.
Gena blieb überrascht stehen. "Seltsam? Ich spreche seltsam? Ihr müsstet Euch mit meinen Ohren hören. Wenn Ihr in diesem Sindarin sprecht, glaube ich jedes Mal, einem Franzosen gegenüberzustehen."
Er verzog fragend das Gesicht.
Sie überlegte einen Moment, dann blieb sie stehen und sagte in ihrem besten Französisch vom Gymnasium: "J'aime cette région. Mais je ne sais quoi dire quand je rencontre Madame Galadriel. ».
« War das dieses Französisch ? Es klingt wirklich ein wenig wie das Sindarin."
"Ja, aber ich muss zugeben, ich bin und war eine Niete in Sprachen. Wer weiß, was ich da gerade alles gesagt habe, ohne es zu wollen." Sie lachte hell, und es war das erste Mal, dass Legolas sie so unbeschwert sah.
"Was hat es geheißen?" Sie schmunzelte und meinte bloß: "C'est super, quand tu ne me comprends pas . Was ist?" Sie waren beide stehen geblieben. Für einen Moment fühlte er sich wie verzaubert und gleichzeitig verwirrt. Wie ein Kind hatte sie in diesem Augenblick auf ihn gewirkt, so unschuldig und unbekümmert. Aber viel mehr war sie auch nicht, im Gegensatz zu ihm. "Ihr habt ein schönes Lachen", sagte er, hingerissen vom Zauber des Augenblicks. Gena spürte, wie sie errötete und drehte sich peinlich berührt weg. In diesem Moment tauchten vier Gestalten hinter dem Hügel vor ihnen auf. Legolas musste sich beeilen, um zu Gena aufzuschließen.
Galadriel musterte die junge Menschenfrau eindringlich aus ihren eisblauen Augen. Ihr Gesicht zeigte nicht die geringste Regung, doch in ihrem Inneren war sie ein klein wenig überrascht, das Mädchen zu sehen. Sie hatte vom Erwachen der Grennrey á Lórien geträumt.
Doch es war zu früh.
Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die tiefsitzende Unsicherheit des nach außen hin beherrschten Mädchens sah. Eine große Macht schlummerte in der jungen Frau, soviel stand außer Frage. Doch sie war eindeutig noch nicht bereit, diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Sie tat ihr Leid. Sie wirkte so verloren in der ihr vorbestimmten Rolle... "Seid gegrüßt, Herrin des goldenen Waldes. Und auch Ihr, Celeborn á Lórien." Gena amte den Gruß der Elben, so gut es ihr gelang, nach, und war froh, als sie der Zauberin nicht mehr in die seltsam wissenden Augen sehen musste. Hatte sie wirklich geglaubt, etwas Besonderes zu sein? Gegen Galadriel war sie ein Nichts, bloß eine Närrin, die sich einbildete, etwas Besonderes zu sein, das wurde ihr schlagartig bewusst.
Auch Königin Arwen und Aragorn von Gondor waren nun bei ihnen angelangt und unterbrachen ihr Gespräch. Beide wirkten sie glücklich und nicht mehr so angespannt wie am Vortag. Gena grüßte sie höflich und wich den Blicken Arwens geschickt aus, sodass es bloß diese, sonst niemand bemerkte.
"Seid Willkommen in Lothlórien, Gena", lächelte Galadriel. "Grennrey á Lórien", hörte Gena eine leise Stimme in ihrem Kopf flüstern und zuckte leicht zusammen. Aragorns Blick wurde sofort forschend und er sah Legolas fragend an, doch dieser konnte bloß mit den Schultern zucken. Er war es gewohnt, dass Sterbliche ungewöhnlich auf die Magierin reagierten. Selbst Elben fühlten sich manchmal unter Galadriels alles durchdringenden Blicken unwohl, hatten sie auch nichts zu verbergen.
Sie gingen weiter, Galadriel und Gena zu vorderst, Legolas und die anderen in einigen Metern Abstand. Gena warf einen hilfesuchenden Blick zurück, aber der Prinz unterhielt sich gerade leise und eindringlich mit Aragorn.
"Er hat keine Ahnung, wer du wirklich bist, nicht wahr?" Galadriels Stimme klang freundlich. Aber Gena blieb vorsichtig. "Wie soll er es wissen, wenn ich es nicht einmal selber weiß?" Sie blieben am Ufer eines kleinen Sees stehen und Galadriels Blick kehrte sich nach innen. Ihre Augen wirkten von einem Moment auf den anderen leer und änderten ihre Farbe in ein dunkles Blau. Gena schauderte, als die hohe Frau sprach: "Grennrey á Lórien ...sie ist noch nicht vollkommen erwacht. Doch bald wird sie ihre volle Macht erlangt haben. Du spürst es. Wirst du auch damit umgehen können?" "Ich...weiß es nicht", meinte Gena ehrlich. Die Worte der Zauberin verwirrten sie zutiefst, aber in ihrem Inneren hatte sie sich die selbe Frage schon öfters gestellt. Mit jedem Ork, den sie erschlug, mit jedem Schlag, den ihr das Schicksal antat, starb etwas von ihrem alten Ich und die Hexe Grennrey wurde mächtiger. Diese fremden Gedanken in ihrem Kopf, die neuen Kräfte- das alles war Grennreys Werk.
Galadriel schien ihre Gedanken gelesen zu haben. "Es liegt an dir, für welche Seite sie sich entscheidet. Sie war immer schon ein Teil von dir, genauso, wie du ein Teil von ihr bist." "Aber wer ist sie? Und wo war sie bisher? Warum erwacht sie erst jetzt?"
Galadriel lächelte geheimnisvoll. "Du bist sie. Du weißt es bloß noch nicht. Saruman hat ihre Kräfte vor langer Zeit gebannt und geglaubt, sie für immer unschädlich gemacht zu haben. Selbst damals konnte sie sich nicht für eine Seite festlegen. Saruman bannte ihre Kräfte, für den Fall, dass sie sich doch für die andere Seite entschieden hätte. Doch nun weicht die Dunkelheit aus Mittelerde, genauso wie von ihrem- deinem Geist." Sie schwieg und ihr Gesicht verdüsterte sich plötzlich, ohne dass sie auch nur eine Miene verzog.
Gena sah alarmiert auf. "Was ist?" "Hüte dich vor dem dunklen Wächter, Gena". Sie wusste es also. Natürlich, was hatte sie geglaubt? Dass ihre lächerlichen Zaubertricks ausreichten, um gegen eine mächtige Elbenmagierin wie Galadriel anzukommen?
"Der dunkle Wächter? Wer ist er? Was ist er?"
Galadriel sah weiter auf den See hinaus, als sie weitersprach. Die Sonne hatte nun ihren höchsten Stand erreicht und ihre Strahlen fielen senkrecht auf die Zauberin herab, ließen ihr Haar blendend weiß erstrahlen. Plötzlich wirkte sie nicht mehr bloß schön und anmutig, sondern auch unheimlich furchteinflößend und gefährlich. Oder lag es an Gena, dass ihre Angst plötzlich wuchs?
Oder gar an Grennrey?
"Niemand weiß, wer er ist....doch ich weiß, was er ist. Und was seine Aufgabe ist. Er ist ein Elb und hütet die Weltentore. Nur die größten und mächtigsten Zauberer haben die Gabe, die Tore zu öffnen. Und das nur unter Aufwendung all ihrer Kraft. Nur selten wurden die Tore benutzt, doch in letzter Zeit geschieht es immer öfter. Ohne Zweifel hat der Wächter etwas damit zu tun. Was genau, das weiß selbst ich nicht." Dann wandte sie endlich ihr Gesicht und sah Gena an. "Ich trage diese Gabe in mir. Gandalf hatte sie. Sauron und Saruman konnten die Tore öffnen, auch wenn sie es nur ungern taten, denn es kostet viel Kraft und Zeit. Auch du trägst diese Gabe tief in dir...und sie wird erwachen, sobald der Zeitpunkt gekommen ist." Gena war nun vollends verwirrt. Sie sollte die Fähigkeit besitzen, die unglaublichen Kräfte zu entfesseln, die ein Weltentor entstehen ließen?
"Ich will, dass du meine Schülern wirst", forderte Galadriel plötzlich. "Schülerin? Ihr meint..." - "Ich werde dir beibringen, richtig mit deinen Kräften umzugehen. Grennrey ist gerade erst im Begriff zu erwachen, und sie wird versuchen, Macht über deinen Körper zu erlangen. Ich werde deinen Geist stärken und dich lehren, sie zu unterdrücken."
Gena sog scharf Luft zwischen den Zähnen ein.
"Mach dir um dein Zuhause keine Sorgen. Du kannst jeder Zeit zurückkehren- wenn du es nur wirklich willst."
Vorwort: Sorry, das mit den Absätzen klappt nicht. Ich habe zwar ursprünglich welche gemacht, aber die gingen in dem neuen Format irgendwie verloren. Ich kenn mich auf fanfiction noch nicht so aus, versuch aber mich zu bessern ;-) Und: das mit Badezimmer und Küche tut mir leid, ich hab zufällig eine alte, unüberarbeitete Version ins Netz gestellt.
Mittelerde
Noch nie zuvor hatte sie ein Weltentor aus solcher Nähe gesehen. Der Strom der daraus hervorspringenden Orks schwächte zusehends ab, es war ein kleines Wunder, dass der Trupp von einem guten Dutzend sie noch nicht entdeckt hatte. Das einzige, was Gena von ihnen trennte, waren zwei zerbeulte, alte Mülltonnen und einige Meter der Straße.
Vor drei Tagen hatte sie nun ihre beste Freundin verloren, und auch für den Tod deren Geliebten, Chris, war sie alleine verantwortlich. Tage und Nächte war sie völlig orientierungslos durch Seitengassen und düstere Lokale geirrt, hatte versucht, ihren Kummer in etwas Alkohol zu ertränken, aber die Erinnerung hatte sie stets in Form von Albträumen eingeholt. Da war so viel Blut geflossen in jener Nacht.... Vor zwei Tagen hatte Gena beschlossen, nie wieder zu schlafen. Zu schrecklich waren die Horrorvisionen in ihren Träumen, zu real als dass sie sie hätte länger ertragen können. Zuerst hatte sie sich furchtbar gefühlt, übermüdet und hungrig. Aber vor wenigen Stunden war jegliches Mangelgefühl von ihr gewichen. Stattdessen fühlte sie ... Nichts. Zielstrebig war sie durch die Nacht gelaufen, bis sie hierher gekommen war. Vorsichtig spähte Gena über den Rand des blechernen Mülltonnendeckels. Es stank entsetzlich, aber nicht bloß wegen des Mülls.
Die Orks rochen nach...Tod. Ja, das war wohl die richtige Bezeichnung. Sie kannte diesen Geruch. Dieser ekelhafte, süßliche Leichengeruch. In jener Nacht hatte sich dieser Geruch unwiderruflich in ihr Gehirn eingebrannt.
Ihr Magen krampfte sich bei dem bloßen Gedanken an tote Körper zusammen. Wenn sie daran dachte, dass ihr vor weniger als einem halben Jahr beim Anblick von ein bisschen Blut schlecht geworden war...wie schwach, wie verletzlich sie doch immer gewesen war! Ihre Hand schloss sich fester um den Griff des Schwertes. Was sollte sie hier tun? Alleine das Dutzend Orks erschlagen? Sie traute sich das durchaus zu...aber es erschien ihr nicht der Grund ihres Hierseins zu sein. Ihr Blick wanderte wieder zu dem offenen Tor hin. Grün waberndes Licht bildete einen Tunnel in die andere Welt . Ein furchteinflößender aber zugleich faszinierender Anblick. Welche unglaublichen Mächte mochten diesen Zauber wohl gesponnen haben?
Sollte sie etwa...? Aber was hatte sie in auf der anderen Seite verloren? Sie würde ein Eindringling sein, genauso wie die Kreaturen, die gerade aus dem Tunnel hervortraten. Außerdem, wie sollte sie rechtzeitig zum Tor gelangen? Sie wusste, dass es sich hinter dem letzten Ork schließen würde. Nein, es war unmöglich hindurchzutreten.
-Natürlich wirst du es schaffen.-
Nein, es war zu gefährlich. Sie würde sterben, bevor sie auch nur in die Nähe des Tores gelangte. -Vertraue mir, Gena.- Fieberhaft dachte sie über eine Möglichkeit nach, die hässlichen Gestalten abzulenken, als ihr der Zufall zu Hilfe kam: Das Weltentor hing wie an unsichtbaren Seilen aufgehängt wenig über dem Boden. Nahezu der ganze Bereich zu beiden Seiten der Straße war mit Müllsäcken, Mülltonnen und Papiercontainern zugestellt. Am Ende der Gasse erschallte plötzlich ein lautes Klappern, gefolgt von einem unverhohlenen Fluchen und noch mehr Lärm. Die Aufmerksamkeit der Orks richtete sich auf zwei heruntergekommenen Gestalten , die sich plötzlich hinter einem der Container erhoben und verwirrt den Wesen aus einer anderen Welt entgegenstarrten. Gena zögerte. Sie war sich sicher, dass die Orks die beiden Obdachlosen töten würden.
-Sie sind Bauernopfer, nichts weiter-
Was waren das für Gedanken? Nie hätte sie so über das Leben eines Menschen gedacht! Dann hörte sie das saugende Geräusch des Tores, als es den letzten Ork ausspuckte. Als ob es auf sie wartete...ach, Unsinn. Langsam begann sich die Öffnung wieder zu verengen. Sie musste sich entscheiden. Mit einem Satz sprang Gena aus ihrem Versteck, sprintete die kurze Strecke zum Tor hin und schmiss erst das Schwert, dann sich selbst kopfüber in das Weltentor. Hinter ihr glaubte sie noch, das laute, wütende Gekreische der Orks zu hören.
Sie erwachte mit dem Gefühl, mit einem Vorschlaghammer bearbeitet worden zu sein, unter freiem Himmel .
Die Sonne grinste spöttisch auf sie hernieder und ihre Helligkeit sandte Hunderte weiße Nadeln aus purem Schmerz in ihr Gehirn. Gena stöhnte leise und blinzelte.
Niedliche kleine Schäfchenwolken zogen über den blitzblauen Himmel. Vogelgesang war zu hören und in der Luft lag der Geruch von feuchtem Moos und Laub. Sie befand sich auf einer Lichtung, mitten in einem Wald. Vorsichtig stand sie auf und fand ihr Schwert einige Meter von sich entfernt im feuchten Waldboden stecken.
Um sie herum waren bloß Bäume. Aber was für welche! Es waren schlanke, silberstämmige Laubbäume, die stolz und gerade in den Himmel emporwuchsen. Stolze Bäume? Doch genau dieses Wort schien zuzutreffen: Stolz, schön und uralt. Fasziniert drehte Gena sich im Kreis. Nach kurzem Überlegen ging sie in eine willkürliche Richtung. Ihr sechster Sinn, dieses fremde, magische Wissen von Dingen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, der durch den Autounfall in ihr erwacht war, ließ sie diesmal im Stich. Sie musste sich auf den Zufall und ihren Orientierungssinn verlassen und hoffen, sich nicht zu verirren. Dabei war es schon eine Weile her, seit sie zum letzten Mal einen Wald betreten hatte. Gena war in München aufgewachsen und hatte dort, abgesehen von einigen seltenen Ausflügen aufs Land, ihr gesamtes verbracht.
Es war aufregend schön hier! Die Blätter der Bäume reflektierten das Licht der Sonne und schienen die Farbe von gegossenem Gold anzunehmen, über ihr, in den mächtigen Kronen der fremden Bäume schwirrten kleine Singvögel und sangen und pfiffen aus voller Kehle und einmal entdeckte Gena sogar ein Eichhörnchen. Das scheue Tier ließ sie ganz nahe an sich ran, bevor es erschrocken den Baumstamm hinaufkletterte.
Unfähig, den Blick vom gelbgoldenen Blättermeer über sich zu reißen, schritt Gena dahin und vergaß für eine Weile all ihre Probleme und Sorgen. "Bleibt stehen, wenn Euch euer Leben lieb ist! Ihr befindest euch in den Wäldern Lóriens, dem Gebiet der Elben." Eine männliche Stimme riss Gena aus ihren Betrachtungen und ließ sie zusammenzucken. Gena drehte sich verärgert um, das Schwert halb erhoben, ließ es aber gleich wieder sinken, als sie sah, dass der Elb mit einem Pfeil auf sie zielte. Hastig warf sie das Schwert zur Seite.
"Schon gut, ich bin ja schon brav. Wer sind Sie, und was soll das?"
"Legolas Grünblatt vom Düsterwald", entgegnete der Elb und ließ den Pfeil nach einer kurzen Musterung wieder in seinem Köcher verschwinden. Von der zierlichen Person vor ihm schien keine unmittelbare Gefahr auszugehen, obgleich ihr Gesichtsausdruck äußerst ärgerlich war. Außerdem sprach sie so seltsam, was ihn neugierig stimmte. Gena musterte den hochgewachsenen Elb kurz . Er war blond und hatte blaue Augen. Seine Kleider waren ganz in den Farbtönen des Waldes gehalten, bloß die Armschienen aus einem hellen Metall mit komplizierten, verschnörkelten Mustern wiesen darauf hin, dass es sich hierbei wohl um einen höhergestellten unter seinen Leuten handelte. Wieder sah sie in sein Gesicht. Es war schmal, fast asketisch, aber durchaus gutaussehend.
"Wer seid Ihr? Und noch viel wichtiger: Was habt Ihr alleine im goldenen Wald verloren?" "Mein Name ist Gena. Und wonach ich hier suche, weiß ich selbst nicht genau. Vielleicht nach ein paar Antworten. Und die kann mir wohl am besten die Herrin des goldenen Waldes geben."
Aha....die Herrin des goldenen Waldes.
Die Herrin des goldenen Waldes?! Wovon sprach sie hier eigentlich?! Wovon sprach sie hier eigentlich? Woher wusste sie all diese Dinge? Und warum war sie so verdammt ruhig?! Die alte Gena wäre Hals über Kopf schreiend davongerannt, vorrausgesetzt, sie wäre beim Anblick des Pfeils nicht bereits schon in Ohnmacht gefallen. Legolas Braue schoss in die Höhe. "Antworten? Worauf?" "Den Sinn des Lebens?" Sie grinste schelmisch. Mann, wer auch immer da aus ihr sprach, er war verdammt cool. Legolas schmunzelte, ohne es wirklich zu wollen. Sie hatte anscheinend nicht vor, ihm mehr als nötig zu verraten. Dann wurde er wieder ernst. "Habt Ihr etwa in Orkblut gebadet ?" Verwirrt sah sie an sich hinab. Er hatte Recht. Sie hatte sich seit dem Vorfall mit Chris und Kare nicht mehr gewaschen, was nun schon drei Tage zurücklag. Sie musste stinken wie ein Aas, besonders für einen Elb, die hatten bekanntlich ja sehr sensible Geruchsnerven. Ihre Wangen röteten sich leicht. Sie deutete auf das Schwert am Boden. "Ich bin vor nicht all zu langer Zeit einigen Orks begegnet. Leider stinken diese Biester so...Ihr könntet mir nicht zufällig einen Ort zeigen, an dem ich mich waschen kann? Wie lange ist es denn zur nächsten Badewanne?" "Zwei Stunden Marsch", schätzte Legolas, dann fuhr er ernst fort: "Wo seid Ihr den Orks begegnet? Sie sind doch nicht etwa hier in der Nähe?" "Kein Ork würde es je wagen einen Fuß in diese Wälder zu setzen, das müsstet Ihr doch selber besser wissen als ich..." Gena versuchte, möglichst gelassen zu wirken. Es war, als hörte sie eine Fremde reden. Aber vermutlich hätte die alte Gena ohnehin nur Blödsinn gestammelt. Sie räusperte sich. "Ähm...jedenfalls ist mir sicher keiner gefolgt. Könnt Ihr mich nun zu der Herrin des goldenen Waldes bringen oder nicht?" Er bejahte, immer noch nicht sicher, was er von dieser seltsamen Erscheinung halten sollte. Sie redete ziemlich schnell und ziemlich viel, soviel stand fest. Plötzlich sah sie überrascht auf und musterte den Elb mit neuem Interesse. "Legolas Grünblatt? Der Thronerbe vom nördlichen Düsterwald? Der, der bei der Ringgemeinschaft dabei war? DER Legolas?" Der Prinz nickte und ein amüsiertes Glitzern trat in seine tiefblauen Augen. "Genau der." "Ach so." Gena hob ihr Schwert mit einem fragenden Blick auf. "Darf ich das mitnehmen? Es wäre mir ein persönliches Anliegen", fragte sie den irritierten Elb. Dieser nickte bloß verdutzt. Gena nahm das Schwert und wollte es gerade an ihrem Gürtel festmachen, als Legolas sie an der Hand packte. Sie unterdrückte gerade noch den Impuls, sich loszureißen. Er war ihr zweifellos körperlich überlegen und noch dazu ein Elb. Sie musste vorsichtig sein. "Was ist?", fragte sie leicht gereizt, denn sie war müde und hatte nicht die Kraft, falsche Freundlichkeit vorzuschützen.
"Woher habt Ihr dieses Schwert?" Etwas sagte ihr, dass ihre Antwort bedacht ausfallen sollte. "Ein...Freund hat es mir gegeben." Das kurze Zögern in ihrer Stimme war Legolas keineswegs entgangen. Misstrauisch runzelte er die Stirn und blickte forschend in die auffallend dunklen Augen seines Gegenübers. Doch in ihrem Blick entdeckte er keine Falschheit, bloß eine müdes Flackern und etwas Ungeduld. Aber wie war sie an diese elbische Klinge aus Mithril gelangt? Gena erzählte dem Prinzen schließlich die Kurzfassung der Ereignisse der vergangenen Tage: Wie Chris ihr das Schwert gegeben, sie gegen einige Orks gekämpft hatten und das Liebespaar, als es sich bereits in Sicherheit wägte, doch noch von Bogenschützen ermordet worden war. Einzelheiten wie Chris Selbstmord oder den Grund des Angriffes der Orks ließ sie vorsorglich aus, und nannte einen hinterhältigen Überfall als Grund für das Unglück. Gena hatte nicht vor, ihre Lebensgeschichte irgendeinem dahergelaufenen Elb zu erzählen, selbst wenn es ein Prinz der Grauelben war. Legolas musterte die dunkeläugige Fremde neugierig, als sie vor ihm her durch den Wald ging. Nicht bloß ihr ungewöhnliches Äußeres erregte seine Aufmerksamkeit. Da war etwas an ihr, das ihn verwirrte, was ihm äußerst selten passierte. Ihre Art, sich zu bewegen, ihre Sprache, ihre Kleider, alles schien ihm fremd und doch seltsam vertraut. Als hätte er sie bereits vorher einmal gesehen.... Er schüttelte den Kopf, als könne er damit seine Gedanken entwirren, und zwang sich, logisch zu denken. Sie stammte offensichtlich nicht aus diesem Teil Mittelerdes. Doch hatte er auch noch nie von einem Volk gehört, das sich so seltsam kleidete und einen solchen Akzent hatte. Er sprach sie darauf an, aber irgendwie schaffte sie es immer, seinen Antworten diskret auszuweichen, und schließlich gab er es auf. Zwei Stunden später, als die Sonne sich schon dem Horizont näherte, und sie die Siedlungen der Elben erreicht hatten, wusste er kaum mehr über die Fremde als am Beginn ihres Marsches.
Wie sich heraus stellen sollte, war Gena nicht der einzige unerwartete Besucher an diesem Tag. Legolas sah schon lange vor Gena, dass unter den Elben Aufregung herrschte.
"Was ist da los?", fragte Gena, als sie sich dem überfüllten Hauptplatz näherten. Auf dem Platz mit dem mächtigen Brunnen in seinem Zentrum ,der ansonsten ruhig von uralten Mallornbäumen gesäumt vorm Palast lag, tummelten sich an diesem Abend unzählige Elben. Gena war zu erschöpft, um die Pracht, die der Anblick all dieser schönen Wesen auf einmal in ihren hellen Kleidern darbot, bewundern zu können. Ihr Blick glitt haltlos über die Masse hinweg und blieb an einer Gruppe Menschen in dunkle Mänteln am gegenüberliegenden Ende hängen.
Zwei von ihnen bildeten mit etwas Abstand die Spitze des ruhigen Zuges. Soweit sie erkennen konnte, handelte es sich um eine Frau und einen Mann, dahinter folgten etwa ein halbes Dutzend in dunkelblaue Mäntel gehüllte Wachen, Menschen, und eine ebensolche Anzahl von Elben in hellen Gewändern. Gena, oder besser gesagt, der neuer Teil von ihr, wusste, dass es sich um Krieger aus Lórien handelte.
"Aragorn!", rief Legolas freudig aus und war im nächsten Moment in der Masse verschwunden. Gena folgte ihm hastig, musste sich mühevoll durch die Masse drängen, während man Legolas bereitwillig vorließ. Der Elb rief seinem alten Freund schon aus einiger Entfernung zu: "Alae, Aran Gondor!" Der dunkelhaarige Mensch sah überrascht auf, und als er Legolas wiedererkannte, hellten sich seine ernsten Gesichtszüge auf. "Alae Legolas Thrandulien!" Gena blieb einige Schritte hinter Legolas in einer Reihe von Elben stehen, während dieser den grauäugigen Menschen herzlich umarmte und die dunkelhaarigen Elbenfrau neben Aragorn mit einer höflichen Verbeugung begrüßte."Alae, Arwen Undomiél. Wie ich sehe, strahlt das Licht des Abendsterns heller als je zuvor." Dabei glitt sein Blick über den leicht gerundeten Bauch der Frau. Sie strahlte ihn an und erwiderte den Gruß ihres Vetters. "Alae Legolas. Wie geht es eurem Vater?" "Thranduil ist wohlauf. Er würde sich freuen euch zu sehen. Viel ist geschehen, seit der dunkle Herrscher gestürzt wurde. Die Elben wollen ein neues, vereintes Volk bilden, und ich bin hier, um bei seiner Gründung mitzuwirken. Es gibt viel zu besprechen". "Dessen bin ich mir sicher", schaltete sich Aragorn lächelnd ein, "zwei Jahre sind nun vergangen, seit die Ringgemeinschaft ihren Auftrag erfüllt hat. Es schmerzt mich, dass unsere Wege sich so schnell trennen mussten." Legolas lächelte und erinnerte sich an das zurückliegende Jahr mit seinem Zwergenfreund Gimli, der ihn durch sämtliche wichtige Bauwerke und Mienen der Zwerge geschleift hatte. Es war eine ziemlich harte Zeit für einen Elben gewesen, denn sein Element war der Wald, das Leben unter der hellen Sonne und an der frischen Luft. Allerdings hatte ihm Gimli im Jahre davor seinerseits Gesellschaft auf der Reise über die Meere Mittelerdes geleistet. Doch wahrlich, die Wege der Gefährten waren schneller als ihnen lieb gewesen wäre in verschiedene Richtungen verlaufen.
"Verstehe mich nicht falsch mein Freund", lächelte Legolas, "dein Kommen erfreut mich über alle Maßen.. aber es ist doch etwas unerwartet." "Wir haben beschlossen, unsere Hochzeit hier, in Lórien zu feiern", erklärte der König von Gondor feierlich und sein Blick glitt über die Massen hinweg zu Galadriels und Celeborns Palast in den Bäumen. "Die Herrin des goldenen Waldes hat uns bereits eine Eskorte entgegengeschickt. Ich freue mich darauf, sie zu sehen." "Ich wusste gar nichts von euerem Besuch", gab Legolas peinlich berührt zu. Aragorn nickte bloß und sah sich bedeutend um. Er wollte also hier nicht darüber sprechen. Legolas senkte verständnisvoll den Kopf.
Gena hatte die ganze Szene aus sicherem Abstand beobachtet und jede noch so kleine Geste genauestens verfolgt. Plötzlich sah die dunkelhaarige Elbe an Aragorns Seite auf und ihre Blicke kreuzte einander. Sie spürte, wie Arwen Undómiel sie kurz musterte, nicht nur äußerlich. Aber Gena war gegen solcherart von Magie gewappnet. Arwens Blick drang nur kurz in ihren Geist ein, bevor sie sich ihr verschließen konnte. Wortlos sah die Elbe wieder weg, aber Gena spürte, dass ihre Gedanken weiter um sie kreisten...
"Entschuldige, ich habe ganz auf Euch vergessen!", rief Legolas bestürzt, als das Königspaar in den Palast eingekehrt und sich die Menge aufzulösen begann. Gena grinste breit. "Aragorn, Arathorns Sohn. So so. Und Arwen Undómiel. Wieder einmal eine...." Sie brach ab, bestürzt über die Worte, die um ein Haar ihren Mund verlassen hätten: "Unheilsvolle Verbindung". Seit wann war sie so zynisch? Und warum machte die neue Kraft, die in ihr erwacht war, sie so argwöhnisch der Königin gegenüber? "Eine was?" Legolas Blick wurde prüfend. Gena winkte hastig ab. "Ach nichts. Ich bin ziemlich erschöpft. Was ist mit dem Bad, von dem wir gesprochen haben?" Er brachte sie, nachdem er einige Bedenken geäußert hatte, in den Palast. Das Schwert musste sie am Eingang abgeben. Legolas runzelte vielsagend die Stirn, als sie zögerte. Er ließ eine Dienerin kommen, eine blondgelockte Elbe mit grünen Augen, die sie in ihr Zimmer brachte und dafür sorgte, dass sie ein Bad nehmen konnte. Gena verbrachte fast eine halbe Stunde im warmen Wasser, bevor sie ins Bett ging und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
Am nächsten Tag wachte sie spät auf, frühstückte für drei Personen, zog sich ein Kleid an, das ihr die Elbe vom Vortag zurecht gelegt hatte und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Der Schlaf hatte ihr gut getan, obgleich sie sicher noch einige Stunden mehr vertragen hätte. Doch draußen schien bereits die warme Frühlingssonne , Vögel zwitscherten und frische, nach Wald und Kräutern duftende Luft wehte in ihr Zimmer. Bei so einem Wetter konnte man nicht im Bett liegen bleiben.
Skeptisch betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Die dunklen Augenringe waren verschwunden, bloß ein grauer Schatten, der schon seit geraumer Zeit nicht aus ihrem Gesicht weichen wollte, lag noch unter ihren braunen Augen. Ihre Haut sah zum ersten Mal seit Monaten frisch und gesund aus. Allerdings lag ein bitterer Zug um ihre Mundwinkel, der sie erschreckte. Sie war gerade 23, aber die Entbehrungen und Ereignisse der letzten 12 Wochen hatten sie um die gleiche Anzahl an Jahren altern lassen. Kopfschüttelnd kämmte sie ihr langes, braunes Haar. Es hatte einen sonderbaren rötlichen Schimmer angenommen, der ihr nie zuvor aufgefallen war. Das blassrote Frühlingskleid ließ sie etwas bleich wirken und war ihr zu weit um die Taille. Sie hatte ziemlich abgenommen. Es klopfte an der Tür. "Darf ich reinkommen?"
Es war Legolas. "Kommt rein", rief sie zurück und strich sich hastig eine lästige Strähne aus der Stirn. Gleichzeitig schritt sie vom Spiegel weg. Er sollte sie nicht für eitel halten. Legolas trat ein, mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht. Er wirkte so frisch und voller Tatendrang, dass Gena für einen Moment neidisch wurde. "Morgen. Was ist?" "Guten Morgen, wünsche ich Euch Gena! Ich..." Er hatte die Tür geschlossen und sich wieder zu ihr umgedreht. "Ihr seht...bezaubernd aus!", sagte er überrascht. "Ich fühle mich aber noch immer als wäre eine Horde Orks auf meinem Schädel herumgetrampelt", brummte Gena ruppig und drehte sich etwas zu schnell zum Fenster um, weil ihr die ganze Situation schon peinlich wurde. "Was gibt's denn? Hat Galadriel etwa schon Zeit für mich?" Legolas nickte. "Sie erwartet Euch in den Gärten. Celeborn, sie und das Königspaar machen gerade einen kleinen Spaziergang. Ich werde Euch zu ihnen führen."
Die Gärten des Palastes mit dem Wort "prachtvoll" zu beschreiben, war reine Untertreibung. Gena konnte kein passendes Wort für die naturbelassenen Anlagen finden....geheimnisvoll, magisch, bezaubernd waren Synonyme die zutrafen, es allerdings nicht richtig auszudrücken vermochten. Die Gärten waren einer jener Orte, deren Zauber man nur zu fühlten vermochte, wenn man sich direkt in ihnen befand.
Gena wandelte, wie hypnotisiert und unfähig den Blick von den wunderbaren Pflanzen, Bäumen und Brunnen abzuwenden, an Legolas' Seite. Selbst die Steine an diesem Ort schienen magisch angehaucht.
Mit jeden Schritt, den sie tiefer in die zauberhafte Landschaft hineintat, fühlte sie sich stärker und wohler. Ein betörender Duft nach Blumen und Honig lag in der Luft, die Sonne näherte sich langsam ihren Höchststand und schien angenehm warm auf sie herab. Fasziniert bückte Gena sich nach einer blassgelben Blume, wagte es aber nicht, sie abzubrechen. Zärtlich strich sie über eines der Blütenblätter und sah zu Legolas auf. "Wie heißt sie?" "Tecyor. Das heißt "kleine Sonne". Sie ist äußerst selten. Man findet sie nur in den Palastgärten." Er bemerkte, wie Gena bei diesen Worten die Hand hastig zurückzog und aufstand.
Eine Weile gingen sie schweigend weiter, den schönen Morgen genießend. Gena erwischte sich dabei, wie ihr Blick sich dem Elbenprinzen an ihrer Seite zuwandte und sie ihn heimlich genauer betrachtete. Wie viele Elben hatte sie in den letzten Monaten gesehen? Legolas und die Einwohner Lóriens ausgeschlossen, durften es etwa ein halbes Dutzend gewesen sein. Die meisten von ihnen waren bloß kurz in einer Menschenmenge aufgetaucht und danach sofort wieder verschwunden.
Sie hatten ein Leben in ihrer Welt dem hier in Mittelerde vorgezogen, etwas, das Gena nun beim besten Willen nicht verstehen konnte. Was zog ein Lebewesen aus dieser magischen Welt, in der das alte Volk in Eintracht und Harmonie mit der Natur lebte, in die durch Abgase verseuchten , baumlosen Städte der Erde? Sie jedenfalls fand es hier um einiges schöner. Doch sie musste darauf achten, sich hier nicht allzu heimisch zu fühlen, denn es würde nicht lange wären.
Sie selbst hatte Chris und die anderen Wesen aus Mittelerde als freche Eindringlinge bezeichnet, denn die Erde war nicht die für sie vorgesehene Heimat. Es wurde merklich kühler, als sie einen schmalen Landstreifen, der ausschließlich mit Bäumen bewachsen war, betraten. Irgendwo in der Ferne hörte sie einen Bach plätschern.
"Was gibt Euch so zu denken?", fragte Legolas neugierig. Die ganze Zeit über hatten sie kaum ein Wort gewechselt, und Genas Gesicht hatte wieder jenen grüblerischen Ausdruck angenommen, den er schon mehrmals am Vortag an ihr gesehen hatte.
Gena ließ sich mit der Antwort Zeit. "Dieser Ort hier", begann sie und sah sich um, "er ist so schön. Und doch so...unberührbar. Ich fühle mich wie ein Eindringling in eurer...Umgebung." "Welt", hatte sie sagen wollen, es sich aber gerade noch verbissen. Sie kam sich lächerlich vor bei diesen Worten, denn im Grunde war sie ja nichts anderes- ein Eindringling. Legolas blickte Gena nachdenklich von der Seite an. Einige Sonnenstrahlen hatten sich ihren Weg durch das Blätterdach gebahnt und ließen ihr Haar in rötlich- kupfernen Farbtönen schimmern. Es erinnerte ihn an den herbstlichen Düsterwald, wenn sich das Blätterdach verfärbt hatte und die junge Morgensonne darauf herabschien. "Woher kommt Ihr eigentlich?" Er wunderte sich, warum er die Frage nicht schon früher gestellt hatte. Aber während all der Dinge, die er hier in Lórien hatte tun müssen, hatte er darauf vergessen. Gena lächelte schief. "Aus einem sehr, sehr weit entfernten Land. Ich bezweifle, das Euch sein Name etwas sagt. Aber es unterscheidet sich ziemlich von hier. Außerdem gibt es dort kaum Elben."
"Sprecht ihr dort alle so seltsam?" Er konnte sich die Frage nicht verhalten. Der schwere Akzent, der in seinen Ohren durchaus angenehm klang, hatte ihn längst in seinen Bann geschlagen.
Gena blieb überrascht stehen. "Seltsam? Ich spreche seltsam? Ihr müsstet Euch mit meinen Ohren hören. Wenn Ihr in diesem Sindarin sprecht, glaube ich jedes Mal, einem Franzosen gegenüberzustehen."
Er verzog fragend das Gesicht.
Sie überlegte einen Moment, dann blieb sie stehen und sagte in ihrem besten Französisch vom Gymnasium: "J'aime cette région. Mais je ne sais quoi dire quand je rencontre Madame Galadriel. ».
« War das dieses Französisch ? Es klingt wirklich ein wenig wie das Sindarin."
"Ja, aber ich muss zugeben, ich bin und war eine Niete in Sprachen. Wer weiß, was ich da gerade alles gesagt habe, ohne es zu wollen." Sie lachte hell, und es war das erste Mal, dass Legolas sie so unbeschwert sah.
"Was hat es geheißen?" Sie schmunzelte und meinte bloß: "C'est super, quand tu ne me comprends pas . Was ist?" Sie waren beide stehen geblieben. Für einen Moment fühlte er sich wie verzaubert und gleichzeitig verwirrt. Wie ein Kind hatte sie in diesem Augenblick auf ihn gewirkt, so unschuldig und unbekümmert. Aber viel mehr war sie auch nicht, im Gegensatz zu ihm. "Ihr habt ein schönes Lachen", sagte er, hingerissen vom Zauber des Augenblicks. Gena spürte, wie sie errötete und drehte sich peinlich berührt weg. In diesem Moment tauchten vier Gestalten hinter dem Hügel vor ihnen auf. Legolas musste sich beeilen, um zu Gena aufzuschließen.
Galadriel musterte die junge Menschenfrau eindringlich aus ihren eisblauen Augen. Ihr Gesicht zeigte nicht die geringste Regung, doch in ihrem Inneren war sie ein klein wenig überrascht, das Mädchen zu sehen. Sie hatte vom Erwachen der Grennrey á Lórien geträumt.
Doch es war zu früh.
Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie die tiefsitzende Unsicherheit des nach außen hin beherrschten Mädchens sah. Eine große Macht schlummerte in der jungen Frau, soviel stand außer Frage. Doch sie war eindeutig noch nicht bereit, diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Sie tat ihr Leid. Sie wirkte so verloren in der ihr vorbestimmten Rolle... "Seid gegrüßt, Herrin des goldenen Waldes. Und auch Ihr, Celeborn á Lórien." Gena amte den Gruß der Elben, so gut es ihr gelang, nach, und war froh, als sie der Zauberin nicht mehr in die seltsam wissenden Augen sehen musste. Hatte sie wirklich geglaubt, etwas Besonderes zu sein? Gegen Galadriel war sie ein Nichts, bloß eine Närrin, die sich einbildete, etwas Besonderes zu sein, das wurde ihr schlagartig bewusst.
Auch Königin Arwen und Aragorn von Gondor waren nun bei ihnen angelangt und unterbrachen ihr Gespräch. Beide wirkten sie glücklich und nicht mehr so angespannt wie am Vortag. Gena grüßte sie höflich und wich den Blicken Arwens geschickt aus, sodass es bloß diese, sonst niemand bemerkte.
"Seid Willkommen in Lothlórien, Gena", lächelte Galadriel. "Grennrey á Lórien", hörte Gena eine leise Stimme in ihrem Kopf flüstern und zuckte leicht zusammen. Aragorns Blick wurde sofort forschend und er sah Legolas fragend an, doch dieser konnte bloß mit den Schultern zucken. Er war es gewohnt, dass Sterbliche ungewöhnlich auf die Magierin reagierten. Selbst Elben fühlten sich manchmal unter Galadriels alles durchdringenden Blicken unwohl, hatten sie auch nichts zu verbergen.
Sie gingen weiter, Galadriel und Gena zu vorderst, Legolas und die anderen in einigen Metern Abstand. Gena warf einen hilfesuchenden Blick zurück, aber der Prinz unterhielt sich gerade leise und eindringlich mit Aragorn.
"Er hat keine Ahnung, wer du wirklich bist, nicht wahr?" Galadriels Stimme klang freundlich. Aber Gena blieb vorsichtig. "Wie soll er es wissen, wenn ich es nicht einmal selber weiß?" Sie blieben am Ufer eines kleinen Sees stehen und Galadriels Blick kehrte sich nach innen. Ihre Augen wirkten von einem Moment auf den anderen leer und änderten ihre Farbe in ein dunkles Blau. Gena schauderte, als die hohe Frau sprach: "Grennrey á Lórien ...sie ist noch nicht vollkommen erwacht. Doch bald wird sie ihre volle Macht erlangt haben. Du spürst es. Wirst du auch damit umgehen können?" "Ich...weiß es nicht", meinte Gena ehrlich. Die Worte der Zauberin verwirrten sie zutiefst, aber in ihrem Inneren hatte sie sich die selbe Frage schon öfters gestellt. Mit jedem Ork, den sie erschlug, mit jedem Schlag, den ihr das Schicksal antat, starb etwas von ihrem alten Ich und die Hexe Grennrey wurde mächtiger. Diese fremden Gedanken in ihrem Kopf, die neuen Kräfte- das alles war Grennreys Werk.
Galadriel schien ihre Gedanken gelesen zu haben. "Es liegt an dir, für welche Seite sie sich entscheidet. Sie war immer schon ein Teil von dir, genauso, wie du ein Teil von ihr bist." "Aber wer ist sie? Und wo war sie bisher? Warum erwacht sie erst jetzt?"
Galadriel lächelte geheimnisvoll. "Du bist sie. Du weißt es bloß noch nicht. Saruman hat ihre Kräfte vor langer Zeit gebannt und geglaubt, sie für immer unschädlich gemacht zu haben. Selbst damals konnte sie sich nicht für eine Seite festlegen. Saruman bannte ihre Kräfte, für den Fall, dass sie sich doch für die andere Seite entschieden hätte. Doch nun weicht die Dunkelheit aus Mittelerde, genauso wie von ihrem- deinem Geist." Sie schwieg und ihr Gesicht verdüsterte sich plötzlich, ohne dass sie auch nur eine Miene verzog.
Gena sah alarmiert auf. "Was ist?" "Hüte dich vor dem dunklen Wächter, Gena". Sie wusste es also. Natürlich, was hatte sie geglaubt? Dass ihre lächerlichen Zaubertricks ausreichten, um gegen eine mächtige Elbenmagierin wie Galadriel anzukommen?
"Der dunkle Wächter? Wer ist er? Was ist er?"
Galadriel sah weiter auf den See hinaus, als sie weitersprach. Die Sonne hatte nun ihren höchsten Stand erreicht und ihre Strahlen fielen senkrecht auf die Zauberin herab, ließen ihr Haar blendend weiß erstrahlen. Plötzlich wirkte sie nicht mehr bloß schön und anmutig, sondern auch unheimlich furchteinflößend und gefährlich. Oder lag es an Gena, dass ihre Angst plötzlich wuchs?
Oder gar an Grennrey?
"Niemand weiß, wer er ist....doch ich weiß, was er ist. Und was seine Aufgabe ist. Er ist ein Elb und hütet die Weltentore. Nur die größten und mächtigsten Zauberer haben die Gabe, die Tore zu öffnen. Und das nur unter Aufwendung all ihrer Kraft. Nur selten wurden die Tore benutzt, doch in letzter Zeit geschieht es immer öfter. Ohne Zweifel hat der Wächter etwas damit zu tun. Was genau, das weiß selbst ich nicht." Dann wandte sie endlich ihr Gesicht und sah Gena an. "Ich trage diese Gabe in mir. Gandalf hatte sie. Sauron und Saruman konnten die Tore öffnen, auch wenn sie es nur ungern taten, denn es kostet viel Kraft und Zeit. Auch du trägst diese Gabe tief in dir...und sie wird erwachen, sobald der Zeitpunkt gekommen ist." Gena war nun vollends verwirrt. Sie sollte die Fähigkeit besitzen, die unglaublichen Kräfte zu entfesseln, die ein Weltentor entstehen ließen?
"Ich will, dass du meine Schülern wirst", forderte Galadriel plötzlich. "Schülerin? Ihr meint..." - "Ich werde dir beibringen, richtig mit deinen Kräften umzugehen. Grennrey ist gerade erst im Begriff zu erwachen, und sie wird versuchen, Macht über deinen Körper zu erlangen. Ich werde deinen Geist stärken und dich lehren, sie zu unterdrücken."
Gena sog scharf Luft zwischen den Zähnen ein.
"Mach dir um dein Zuhause keine Sorgen. Du kannst jeder Zeit zurückkehren- wenn du es nur wirklich willst."
