Das war also der berüchtigte Spiegel Galadriels.
Ein schwaches Licht schien von der glatten Wasseroberfläche auszugehen, aber vielleicht war es ja auch bloß der aufgehende Mond am grauen Abendhimmel, dessen schwacher Schein sich im klaren Wasser wiederspiegelte.
Galadriel hatte ihr strengstens verboten, hierher zukommen. Doch sie konnte nicht länger warten. Sie musste wissen, wer Grennrey á Lórien wirklich war, und was sie vorhatte. Sie musste endlich Antworten auf die vielen Fragen finden, die ihr nun schon seit so lange Zeit auf der Zunge brannten, seit jenem Tag, an dem sie den Unfall gehabt hatte. Wie sollte sie gegen einen Feind ankämpfen, den sie nicht einmal kannte? Sie wusste ja nicht einmal, was geschehen würde, wenn Grennrey den Kampf zwischen ihnen gewann! Wozu all das Training, all die geistigen Übungen?
Gena hatte sich viele Gedanken gedacht, nach dem, was heute morgen geschehen war. In einem musste sie Grennrey á Lórien recht geben, so ungern sie dies auch tat: Galadriel hatte sie NICHT bloß aus Mitgefühl oder Selbstlosigkeit bei sich aufgenommen. All die Anstrengungen, die sie in den letzten Wochen auf sich genommen hatte, zielten auf etwas Bestimmtes ab, das spürte sie. Galadriel bereitete sie auf etwas vor, das hatte sie längst begriffen, doch auf entsprechende Fragen hatte sie bloß ausweichende oder gar keine Antworten erhalten.
Als die Sonne untergegangen war, hatte sie den Beschluss gefasst, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, doch der Vorfall am See war auslösender Anlass für die nun folgende Tat gewesen. Der Prinz hatte sie verwirrt und die mühsam aufgebaute Mauer um ihren Geist zum Bröckeln gebracht, indem er etwas tief in ihr berührt hatte....etwas, von dem sie bisher nicht einmal geahnt hatte, dass es existierte.
Gena blieb entschlossen stehen.
Zuerst geschah nichts. Vor ihr lag ein ganz normales, wenn auch äußerst schön gearbeitetes Becken aus weißem Stein.
Dann begann sich die Wasseroberfläche kaum merklich zu heben und zu verformen. Dort, wo sich gerade noch ihr Gesicht und der Mond gespiegelt hatten, hellte sich das Wasser auf, schlug niedrige Wellen und plötzlich.......
- Guten Abend, Gena- Gena spürte Entsetzen wie eine eisige Hand nach sich greifen. Unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen starrte sie auf das hübsche Gesicht im Wasser, das eindeutig nicht länger ihr eigenes war. Ein schwarzes Augenpaar musterte sie kühl.
-Ich habe auf dich gewartet.- Gena wäre davongelaufen, hätte der Schock nicht ihre Beine gelähmt. Sie hatte Grennrey in ihren Träumen getroffen, jede Nacht in den vergangenen Wochen, j e d e e i n z e l n e Nacht. Und mit jeder Nacht hatte es ihr mehr Kraft gekostet, ihr zu widerstehen, ihrem verlockenden Angebot, nämlich aufzugeben und die Hexe Besitz über ihr Wesen ergreifen zu lassen, nicht nachzugeben.
Aber das hier war etwas anderes. Das hier war kein Traum, sondern die Realität. Das hier war...einfach unmöglich!!!!
Das blasse Gesicht im Wasser lächelte wissend.
- Du willst also mehr über deine Zukunft erfahren?? Du dummes Kind.
Ich dachte, du hättest aus unseren Gesprächen gelernt. Du hast keine
Zukunft.- Die Wasseroberfläche geriet erneut in Bewegung. Grennreys Gesicht begann plastische Formen anzunehmen und schien sich aus dem Wasser zu loszuwinden. Gena spürte, wie sich ihr Verstand mit jeder Sekunde dem Moment näherte, an dem es "Klick" machte, und sie ihn endgültig verlor. Sie vergaß zu atmen. Das Wasser formierte sich zu einer einzelnen Hand, die völlig lautlos auftauchte und sich langsam, aber unaufhaltsam ihrem Hals näherte.
Gena hob verzweifelt ihre Hand an, ließ sie aber dann wieder kraftlos an ihre Seite sinken. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Alles um sie herum begann sich zu drehen.
-Siehst du jetzt, wie lächerlich deine Versuche waren, mich von dir
fernzuhalten? Ich war die ganze Zeit da und habe dich beobachtet,
Gena. Du bist noch immer schwach. Besonders in Gegenwart dieses
Elben....- "Legolas!" Ihre Stimme klang rau und kratzig.
Eiskaltes Wasser berührte ihren Hals, strömte über ihren Nacken und umhüllte beinahe sanft ihre Kehle. Sie war so hilflos. An ihrer Seite baumelte Chris' Schwert, aber was nützte ihr diese Waffen, wenn sie nicht einmal in der Lage war, einen Finger zu bewegen? Sie würde hier sterben, still und unbemerkt, und konnte absolut nichts dagegen unternehmen.
Der Druck an ihrem Kehlkopf begann sich zu verstärken. Sie konnte nicht mehr atmen.
Bunte Sterne begannen auf ihrer Netzhaut zu tanzen und langsam legten sich schwarze Schleier über ihre Umgebung.
Das war er also. Der Tod. Sie hatte nie darüber nachgedacht, wie es sein würde, zu sterben. Aber das hier hatte sie nicht erwartet....es tat nicht weh, im Gegenteil, absurder Weise fühlte es sich angenehm ab.
Dabei hätte sie noch soviel machen wollen... Bilder rasten durch ihren Kopf, von ihren Eltern, ihren Freunden, dem Unfall, Kare und Chris, Legolas....
Legolas
Würde ihr Tod ihn betrüben? Oder würde er sie bald vergessen haben?
Sie erinnerte sich an seine tiefblauen Augen, und an den heutigen Morgen, wie sie in ihnen versunken war, wenn auch nur für eine Sekunde........
"GENA!!"
Ihre Name hallte in ihren Gedanken wieder. Sie blinzelte verwirrt und spürte, wie die Nebel um sie herum sich zu lichten begannen. Sie sah verschwommen die Umrisse eines schönen Gesichtes, aber das war wahrscheinlich ein Traum, ein letzter, grausamer Streich, den ihre Fantasie ihr spielen wollte. Sie lächelte.
Dann erst realisierte sie, dass der unbarmherzige Druck der Wasserhand auf ihrem Hals verschwunden war und sie wieder frei atmen konnte.
Gierig schnappte sie nach Luft. Es tat weh, aber ihre Lungen füllten sich mit unendlich wertvollem Sauerstoff, der endlich wieder Gefühl in ihren Körper zurückkehren ließ.
"Gena, ich bitte dich, atme!!"
"Legolas?"
Das nächste, was sie empfand, war die ungewöhnliche Heftigkeit, mit welcher der Elb sie in seine Arme schloss. Er flüsterte dabei irgendetwas im Sindarin. Ihr Kopf pochte genauso wie ihr Herz zum Zerspringen und tat furchtbar weh, aber alleine die Tatsache, dass sie irgendetwas empfand, genügte ihr. Endlich lockerte der Prinz seine Umarmung, stützte sie aber mit einem Arm in ihrer sitzenden Position und untersuchte mit der anderen Hand kundig ihren Hals.
"Bei den Vallar, was war das?", flüsterte er wie zu sich selbst.
Gena konnte ihm keine Antwort darauf geben. Sie sah sich um. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie der Elb sie von dem Brunnen weggezerrt und auf den Boden gelegt hatte. Vermutlich war sie bereits ohnmächtig gewesen.
Plötzlich schob Legolas seine Arme unter ihren Körper und hob sie mühelos auf.
"Was hast du vor? Lass mich runter, ich kann alleine gehen!", protestierte Gena und erschrak über den heiseren Klang ihrer Stimme. Legolas ignorierte ihre halbherzigen Befreiungsversuche schlichtweg und trug sie wie ein kleines Kind in den Palast zurück. "Beruhige dich, Legolas. Sie ist außer Gefahr." Celeborn machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand. Legolas dachte nicht daran, seinem Rat Folge zu tun.
Mit gefährlich leiser Stimme zischte er: "Ich habe soeben gesehen, wie eine Hand aus Wasser versucht hat Gena zu erwürgen. Darum wagt es nun ja nicht, mir zu sagen, dass ich mich beruhigen soll!"
Ein eisiges Schweigen trat zwischen den beiden Männern ein. Obwohl sie beide gleichgestellte unter den ihren waren, befanden sie sich doch im Hoheitsgebiet Celeborns und Legolas war trotz allem ein Gast.
"Achtet auf euren Tonfall, Prinz", erwiderte Celeborn ruhig und sah ihm dabei fest in die Augen. Noch nie hatte er den Prinzen so aufgebracht und unkontrolliert erlebt.
Legolas wusste sehr wohl, dass er zu weit gegangen war. Celeborn und ihn verband eine Jahrhunderte währende Freundschaft, die er nicht mutwillig aufs Spiel setzen wollte.
Aber etwas in ihm brüllte in diesem Augenblick geradezu nach einer Konfrontation.
Natürlich hatte er gewusst, dass Gena nicht hier war, um der Galadriel einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Aber er war stets feinfühlig genug gewesen, um keine neugierigen Fragen zu stellen, die ihm wahrscheinlich ohnehin niemand beantwortet hätte. Doch nun reichte es. Hier ging es schließlich um Genas Leben!
Hätte er sich nicht aus lauter Sorgen um ihren Verbleib in die Wälder begäben, und hätte er nicht durch Zufall Genas Hilferuf vernommen...er mochte gar nicht daran denken, was hätte geschehen können.
Bevor er allerdings dazu kam, etwas zu sagen oder zu tun, was ihm im Nachhinein möglicherweise bitter leid getan hätte, wurde die Tür zum Thronsaal aufgestoßen und drei Personen traten ein. Es waren zwei Elben, zwischen ihnen ging Galadriel in einem schneeweißem Kleid. Die fremden Elben hatten dunkle Haare und erschienen im Ganzen fremdartig. Legolas erkannte in ihnen zwei Ostelben, welche man hierzulande nur noch selten zu Gesicht bekam.
"Geht es ihr gut?", verlangte Legolas sofort zu wissen.
Galadriel sah ihn auf eine seltsame Weise an, dann lächelte sie und nickte.
"Sie ist zäher als sie aussieht, Prinz. Macht euch keine Sorgen."
Legolas atmete erleichtert auf.
Galadriel blickte ihn weiter auf diese seltsame Art an, dann schritt sie an den Männern vorbei auf eines der Fenster zu, durch welche man tagsüber einen wunderbaren Blick auf die goldenen Blätterdächer Lóriens hatte. Die Männer, es waren beides dunkelhaarige Elben, die Legolas nicht kannte, blieben in respektvollem Abstand von ihnen stehen.
"Herrin?", fragte der Linke, er trug wie sein Kamerad einen nachtblauen Mantel und hatte vollkommen schwarze Augen. Er sprach nicht weiter, sah aber bedeutend zum Prinzen hin, welcher seinen Blick zu deuten vermochte und verärgert die Stirn runzelte.
Galadriel wandte sich langsam um und schüttelte den Kopf. "Er soll bleiben. Ich denke er hat das Recht, es zu erfahren."
Legolas Zorn verschwand augenblicklich und machte stattdessen umgreifender Verwirrung Platz.
Die beiden Elben schienen alles andere als begeistert von diesem Beschluss zu sein, schienen aber der hohen Frau nicht wiedersprechen zu wollen.
"Ich habe das Recht, WAS zu erfahren?"
Galadriel seufzte leise und wies auf die Fremden.
"Legolas, dies sind Alagos und Amdir. Einst waren sie die begabtesten Schüler Sarumans. Doch als sie erkannten, dass der alte Zauberer sich dem dunklen Herrscher zuwandte, sagten sie sich von ihm los und gingen ihrer eigenen Wege."
"Zauberlehrlinge also", wiederholte Legolas stumpf.
"Ich glaube, Ihr versteht nicht", mischte sich der erste, Alagos ein. Sein Gesicht zeugte dabei von einer Spur Überheblichkeit, die eine tiefe Falte zwischen Legolas' Brauen entstehen ließ, "die Istar selbst haben uns zu ihren Nachkömmlingen erkoren. Nach dem die fünf mächtigsten aller Zauberer Mittelerde für immer verlassen haben, wurden wir zu den Hütern dieser Welt."
"Wir leisteten einen Eid, Mittelerde zu schützen-", fuhr Amdir fort, als hätte er die Gedanken seines Kameraden gelesen (und vermutlich hatte er das auch), "-und gegen alles aufkommende Übel anzukämpfen, um es bereits im Keim zu ersticken. In der Vergangenheit wurden zu viele Fehler gemacht, die sich nicht mehr wiederholen dürfen. Erinnert euch nur an den Hexenkönig von Angmar."
"Und aus genau demselben Grund sind wir hier", beendete Alagos den Satz.
Langsam begannen sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Das Bild, dass sich dabei ergab, gefiel Legolas allerdings ganz und gar nicht.
"Ja, Prinz', es ist so, wie Ihr vermutet", brachte sich Galadriel ein, die bisher bloß dagestanden und ihn schweigend gemustert hatte, "Gena birgt das Übel, welches es zu bekämpfen gilt".
Ein schwaches Licht schien von der glatten Wasseroberfläche auszugehen, aber vielleicht war es ja auch bloß der aufgehende Mond am grauen Abendhimmel, dessen schwacher Schein sich im klaren Wasser wiederspiegelte.
Galadriel hatte ihr strengstens verboten, hierher zukommen. Doch sie konnte nicht länger warten. Sie musste wissen, wer Grennrey á Lórien wirklich war, und was sie vorhatte. Sie musste endlich Antworten auf die vielen Fragen finden, die ihr nun schon seit so lange Zeit auf der Zunge brannten, seit jenem Tag, an dem sie den Unfall gehabt hatte. Wie sollte sie gegen einen Feind ankämpfen, den sie nicht einmal kannte? Sie wusste ja nicht einmal, was geschehen würde, wenn Grennrey den Kampf zwischen ihnen gewann! Wozu all das Training, all die geistigen Übungen?
Gena hatte sich viele Gedanken gedacht, nach dem, was heute morgen geschehen war. In einem musste sie Grennrey á Lórien recht geben, so ungern sie dies auch tat: Galadriel hatte sie NICHT bloß aus Mitgefühl oder Selbstlosigkeit bei sich aufgenommen. All die Anstrengungen, die sie in den letzten Wochen auf sich genommen hatte, zielten auf etwas Bestimmtes ab, das spürte sie. Galadriel bereitete sie auf etwas vor, das hatte sie längst begriffen, doch auf entsprechende Fragen hatte sie bloß ausweichende oder gar keine Antworten erhalten.
Als die Sonne untergegangen war, hatte sie den Beschluss gefasst, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, doch der Vorfall am See war auslösender Anlass für die nun folgende Tat gewesen. Der Prinz hatte sie verwirrt und die mühsam aufgebaute Mauer um ihren Geist zum Bröckeln gebracht, indem er etwas tief in ihr berührt hatte....etwas, von dem sie bisher nicht einmal geahnt hatte, dass es existierte.
Gena blieb entschlossen stehen.
Zuerst geschah nichts. Vor ihr lag ein ganz normales, wenn auch äußerst schön gearbeitetes Becken aus weißem Stein.
Dann begann sich die Wasseroberfläche kaum merklich zu heben und zu verformen. Dort, wo sich gerade noch ihr Gesicht und der Mond gespiegelt hatten, hellte sich das Wasser auf, schlug niedrige Wellen und plötzlich.......
- Guten Abend, Gena- Gena spürte Entsetzen wie eine eisige Hand nach sich greifen. Unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen starrte sie auf das hübsche Gesicht im Wasser, das eindeutig nicht länger ihr eigenes war. Ein schwarzes Augenpaar musterte sie kühl.
-Ich habe auf dich gewartet.- Gena wäre davongelaufen, hätte der Schock nicht ihre Beine gelähmt. Sie hatte Grennrey in ihren Träumen getroffen, jede Nacht in den vergangenen Wochen, j e d e e i n z e l n e Nacht. Und mit jeder Nacht hatte es ihr mehr Kraft gekostet, ihr zu widerstehen, ihrem verlockenden Angebot, nämlich aufzugeben und die Hexe Besitz über ihr Wesen ergreifen zu lassen, nicht nachzugeben.
Aber das hier war etwas anderes. Das hier war kein Traum, sondern die Realität. Das hier war...einfach unmöglich!!!!
Das blasse Gesicht im Wasser lächelte wissend.
- Du willst also mehr über deine Zukunft erfahren?? Du dummes Kind.
Ich dachte, du hättest aus unseren Gesprächen gelernt. Du hast keine
Zukunft.- Die Wasseroberfläche geriet erneut in Bewegung. Grennreys Gesicht begann plastische Formen anzunehmen und schien sich aus dem Wasser zu loszuwinden. Gena spürte, wie sich ihr Verstand mit jeder Sekunde dem Moment näherte, an dem es "Klick" machte, und sie ihn endgültig verlor. Sie vergaß zu atmen. Das Wasser formierte sich zu einer einzelnen Hand, die völlig lautlos auftauchte und sich langsam, aber unaufhaltsam ihrem Hals näherte.
Gena hob verzweifelt ihre Hand an, ließ sie aber dann wieder kraftlos an ihre Seite sinken. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Alles um sie herum begann sich zu drehen.
-Siehst du jetzt, wie lächerlich deine Versuche waren, mich von dir
fernzuhalten? Ich war die ganze Zeit da und habe dich beobachtet,
Gena. Du bist noch immer schwach. Besonders in Gegenwart dieses
Elben....- "Legolas!" Ihre Stimme klang rau und kratzig.
Eiskaltes Wasser berührte ihren Hals, strömte über ihren Nacken und umhüllte beinahe sanft ihre Kehle. Sie war so hilflos. An ihrer Seite baumelte Chris' Schwert, aber was nützte ihr diese Waffen, wenn sie nicht einmal in der Lage war, einen Finger zu bewegen? Sie würde hier sterben, still und unbemerkt, und konnte absolut nichts dagegen unternehmen.
Der Druck an ihrem Kehlkopf begann sich zu verstärken. Sie konnte nicht mehr atmen.
Bunte Sterne begannen auf ihrer Netzhaut zu tanzen und langsam legten sich schwarze Schleier über ihre Umgebung.
Das war er also. Der Tod. Sie hatte nie darüber nachgedacht, wie es sein würde, zu sterben. Aber das hier hatte sie nicht erwartet....es tat nicht weh, im Gegenteil, absurder Weise fühlte es sich angenehm ab.
Dabei hätte sie noch soviel machen wollen... Bilder rasten durch ihren Kopf, von ihren Eltern, ihren Freunden, dem Unfall, Kare und Chris, Legolas....
Legolas
Würde ihr Tod ihn betrüben? Oder würde er sie bald vergessen haben?
Sie erinnerte sich an seine tiefblauen Augen, und an den heutigen Morgen, wie sie in ihnen versunken war, wenn auch nur für eine Sekunde........
"GENA!!"
Ihre Name hallte in ihren Gedanken wieder. Sie blinzelte verwirrt und spürte, wie die Nebel um sie herum sich zu lichten begannen. Sie sah verschwommen die Umrisse eines schönen Gesichtes, aber das war wahrscheinlich ein Traum, ein letzter, grausamer Streich, den ihre Fantasie ihr spielen wollte. Sie lächelte.
Dann erst realisierte sie, dass der unbarmherzige Druck der Wasserhand auf ihrem Hals verschwunden war und sie wieder frei atmen konnte.
Gierig schnappte sie nach Luft. Es tat weh, aber ihre Lungen füllten sich mit unendlich wertvollem Sauerstoff, der endlich wieder Gefühl in ihren Körper zurückkehren ließ.
"Gena, ich bitte dich, atme!!"
"Legolas?"
Das nächste, was sie empfand, war die ungewöhnliche Heftigkeit, mit welcher der Elb sie in seine Arme schloss. Er flüsterte dabei irgendetwas im Sindarin. Ihr Kopf pochte genauso wie ihr Herz zum Zerspringen und tat furchtbar weh, aber alleine die Tatsache, dass sie irgendetwas empfand, genügte ihr. Endlich lockerte der Prinz seine Umarmung, stützte sie aber mit einem Arm in ihrer sitzenden Position und untersuchte mit der anderen Hand kundig ihren Hals.
"Bei den Vallar, was war das?", flüsterte er wie zu sich selbst.
Gena konnte ihm keine Antwort darauf geben. Sie sah sich um. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie der Elb sie von dem Brunnen weggezerrt und auf den Boden gelegt hatte. Vermutlich war sie bereits ohnmächtig gewesen.
Plötzlich schob Legolas seine Arme unter ihren Körper und hob sie mühelos auf.
"Was hast du vor? Lass mich runter, ich kann alleine gehen!", protestierte Gena und erschrak über den heiseren Klang ihrer Stimme. Legolas ignorierte ihre halbherzigen Befreiungsversuche schlichtweg und trug sie wie ein kleines Kind in den Palast zurück. "Beruhige dich, Legolas. Sie ist außer Gefahr." Celeborn machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand. Legolas dachte nicht daran, seinem Rat Folge zu tun.
Mit gefährlich leiser Stimme zischte er: "Ich habe soeben gesehen, wie eine Hand aus Wasser versucht hat Gena zu erwürgen. Darum wagt es nun ja nicht, mir zu sagen, dass ich mich beruhigen soll!"
Ein eisiges Schweigen trat zwischen den beiden Männern ein. Obwohl sie beide gleichgestellte unter den ihren waren, befanden sie sich doch im Hoheitsgebiet Celeborns und Legolas war trotz allem ein Gast.
"Achtet auf euren Tonfall, Prinz", erwiderte Celeborn ruhig und sah ihm dabei fest in die Augen. Noch nie hatte er den Prinzen so aufgebracht und unkontrolliert erlebt.
Legolas wusste sehr wohl, dass er zu weit gegangen war. Celeborn und ihn verband eine Jahrhunderte währende Freundschaft, die er nicht mutwillig aufs Spiel setzen wollte.
Aber etwas in ihm brüllte in diesem Augenblick geradezu nach einer Konfrontation.
Natürlich hatte er gewusst, dass Gena nicht hier war, um der Galadriel einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Aber er war stets feinfühlig genug gewesen, um keine neugierigen Fragen zu stellen, die ihm wahrscheinlich ohnehin niemand beantwortet hätte. Doch nun reichte es. Hier ging es schließlich um Genas Leben!
Hätte er sich nicht aus lauter Sorgen um ihren Verbleib in die Wälder begäben, und hätte er nicht durch Zufall Genas Hilferuf vernommen...er mochte gar nicht daran denken, was hätte geschehen können.
Bevor er allerdings dazu kam, etwas zu sagen oder zu tun, was ihm im Nachhinein möglicherweise bitter leid getan hätte, wurde die Tür zum Thronsaal aufgestoßen und drei Personen traten ein. Es waren zwei Elben, zwischen ihnen ging Galadriel in einem schneeweißem Kleid. Die fremden Elben hatten dunkle Haare und erschienen im Ganzen fremdartig. Legolas erkannte in ihnen zwei Ostelben, welche man hierzulande nur noch selten zu Gesicht bekam.
"Geht es ihr gut?", verlangte Legolas sofort zu wissen.
Galadriel sah ihn auf eine seltsame Weise an, dann lächelte sie und nickte.
"Sie ist zäher als sie aussieht, Prinz. Macht euch keine Sorgen."
Legolas atmete erleichtert auf.
Galadriel blickte ihn weiter auf diese seltsame Art an, dann schritt sie an den Männern vorbei auf eines der Fenster zu, durch welche man tagsüber einen wunderbaren Blick auf die goldenen Blätterdächer Lóriens hatte. Die Männer, es waren beides dunkelhaarige Elben, die Legolas nicht kannte, blieben in respektvollem Abstand von ihnen stehen.
"Herrin?", fragte der Linke, er trug wie sein Kamerad einen nachtblauen Mantel und hatte vollkommen schwarze Augen. Er sprach nicht weiter, sah aber bedeutend zum Prinzen hin, welcher seinen Blick zu deuten vermochte und verärgert die Stirn runzelte.
Galadriel wandte sich langsam um und schüttelte den Kopf. "Er soll bleiben. Ich denke er hat das Recht, es zu erfahren."
Legolas Zorn verschwand augenblicklich und machte stattdessen umgreifender Verwirrung Platz.
Die beiden Elben schienen alles andere als begeistert von diesem Beschluss zu sein, schienen aber der hohen Frau nicht wiedersprechen zu wollen.
"Ich habe das Recht, WAS zu erfahren?"
Galadriel seufzte leise und wies auf die Fremden.
"Legolas, dies sind Alagos und Amdir. Einst waren sie die begabtesten Schüler Sarumans. Doch als sie erkannten, dass der alte Zauberer sich dem dunklen Herrscher zuwandte, sagten sie sich von ihm los und gingen ihrer eigenen Wege."
"Zauberlehrlinge also", wiederholte Legolas stumpf.
"Ich glaube, Ihr versteht nicht", mischte sich der erste, Alagos ein. Sein Gesicht zeugte dabei von einer Spur Überheblichkeit, die eine tiefe Falte zwischen Legolas' Brauen entstehen ließ, "die Istar selbst haben uns zu ihren Nachkömmlingen erkoren. Nach dem die fünf mächtigsten aller Zauberer Mittelerde für immer verlassen haben, wurden wir zu den Hütern dieser Welt."
"Wir leisteten einen Eid, Mittelerde zu schützen-", fuhr Amdir fort, als hätte er die Gedanken seines Kameraden gelesen (und vermutlich hatte er das auch), "-und gegen alles aufkommende Übel anzukämpfen, um es bereits im Keim zu ersticken. In der Vergangenheit wurden zu viele Fehler gemacht, die sich nicht mehr wiederholen dürfen. Erinnert euch nur an den Hexenkönig von Angmar."
"Und aus genau demselben Grund sind wir hier", beendete Alagos den Satz.
Langsam begannen sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Das Bild, dass sich dabei ergab, gefiel Legolas allerdings ganz und gar nicht.
"Ja, Prinz', es ist so, wie Ihr vermutet", brachte sich Galadriel ein, die bisher bloß dagestanden und ihn schweigend gemustert hatte, "Gena birgt das Übel, welches es zu bekämpfen gilt".
