"The white stripes" sind Klasse!!!!!!++++
Die Wörter "Nimrodel" und "Uruk-Hai", vermutlich auch "Lórien" sind absolut
falsch geschrieben. Bitte um Verständnis dafür. Diese Hütchen und
Strichlein sind so was von anstrengend zu tippen. Und: Have a good read!
Der Wächter bewegte sich nicht, seine Züge blieben ruhig, selbst als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt stand. Das Schwert, das sie auf ihn richtete, schien er nicht einmal zu bemerken. Gena versuchte ihre Angst gleichermaßen wie das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Die Augen eines Menschen sollten doch die Fenster zu seiner Seele sein, so sagte man. Seine waren es definitiv nicht. Und wenn doch, so war seine Seele schwarz und hart wie die Farbe seiner Augäpfel, die ihr ausdruckslos entgegenstarrten.
-Wie zwei bemalte Glaskugeln-, schoss es ihr durch den Kopf.
"Ich bin gekommen um....." Ihre Stimme versagte schlichtweg. Oh, das war typisch. Typisch Gena. Sie sammelte ihren Mut, atmete tief durch und setzte erneut an: "Grennrey wird hiernach gehen. Für immer. Sie wird nie mehr wiederkehren."
Sie verstummte abwartend, harrte aber vergeblich auf eine Reaktion. Seine Augen waren nun eindeutig auf sie gerichtet, aber sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte weder darin lesen, noch schaffte sie es, seine Gedanken zu erahnen. Seine Magie war stark, bemerkte sie überrascht. Sie hatte bereits bei ihrem ersten Treffen gespürt, dass seine Kräfte denen Galadriels nahe kamen, wenn nicht ebenbürtig waren. Doch bisher hatte es da stets etwas gegeben, etwas, das ihre Gedanken von seinem Geist, seinem Inneren abgeschirmt hatte wie ein eisernes Schild. Noch nie hatte sie in seiner Gegenwart diese überwältigende, fast körperlich spürbare Stärke empfunden, diese fühlbare Anwesenheit von etwas extrem Machtvollem. Sosehr sie auch dagegen ankämpfte, es raubte ihr den Mut und ließ ihre Finger zittern. Krampfhaft umklammerte sie den Schwertgriff und richtete das Ende der Waffe auf den Wächter.
"Habt Ihr gehört? Sie wird NIE MEHR WIEDERKEHREN!"
Ihr Herz pochte laut und hart gegen ihre Brust. Was würde geschehen? Endlich regte sich etwas in seinem Gesicht. Er lächelte. Warum? Sie hatte ein Schwert auf ihn gerichtet und ihm soeben mitgeteilt, dass er seine große Liebe nun endgültig verlieren würde!!
WARUM LÄCHELTE ER?!
Eine beiläufige Bewegung seines rechten Zeigefingers und das Schwert wurde ihr aus der Hand geprellt. Gimlis Axt wurde wie durch Zauberhand aus ihrem Gürtel gerissen und flog meterweit davon. Eine kurze, komplizierte Drehung der Hand und Gena war absolut bewegungsunfähig. "Es war mutig von dir, hierher zu kommen, aber auch sehr dumm". Er schüttelte tadelnd den Kopf und lächelte humorlos, "Menschlein- hast du denn gar nichts begriffen? Dieses Messer..", Gena hätte vor Überraschung gekeucht, wäre sie dazu in der Lage gewesen, denn kaum hatte er das Wort ausgesprochen, kam Magol angeschwebt und schmiegte sich in die Hand des Wächters, als gehöre es ursprünglich dorthin, "..wird mir genauso wenig schaden wie einer deiner lächerlichen Zaubertricks". Wie um seine Worte zu untermahlen, zerbrach die Mitrilklinge mit einem leisen Klirren in zwei Hälften. Die eine Hälfte prallte klimpernd gegen einen Stein und blieb am Boden liegen. Genas Blick saugte sich an der zweiten Hälfte in seinen Händen fest. Welchen Bann der Wächter auch immer auf sie gelegt hatte, er schien nicht bloß ihren Körper zu lähmen. Auch ihre Gedanken flossen zäh wie Brei durch ihren Kopf. Sie sah, dass der Wächter soeben Mithril hatte bersten lassen, einfach so, einzig und allein durch die Kraft seines Willens. Mithril, das doch als unzerstörbar galt... . Dumpfes Entsetzen machte sich in ihr breit, dann Angst, Panik und.... eine furchtbare Ahnung. Doch der Gedanke entglitt ihr, im selben Moment als der Wächter wieder zu sprechen begann, mit einem arroganten Lächeln im Gesicht.
"Grennrey wird nirgendwohin gehen, junge Dame. Es war wirklich amüsant und unterhaltend, wie du versucht hast, dich gegen das Unvermeidbare aufzulehnen. Ich war verwundert, wie standhaft du warst und hatte meine Freude daran, dich zu beobachten....aber weißt du- selbst meine Geduld kennt ihre Grenzen."
Ihre Augen brannten und begannen zu tränen. Sie konnte nicht einmal ihre Augenlider bewegen! Einzig und allein ihre Brust hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, und das auch nur, weil er es zuließ. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er sie längst hätte töten können, wenn er es nur gewollt hätte. Was hatte er gesagt? Das Unvermeidbare....seine Stimme klang so seltsam hohl und unwirklich in ihren Ohren. Und es fiel ihr so furchtbar schwer, seine Worte zu begreifen! Wieder fing er ihren Blick, zwang sie unbarmherzig, ihm fest in die Augen zu sehen. Sie spürte, dass er etwas versuchte, doch begriff nicht, was. Ihre Gedanken waren doch längst ein offenes Buch für ihn, was wollte er noch mehr? Was war mit Grennrey? Wo war sie? Oder hatte die am Ende das alles hier geplant?
Aber vielleicht war da wirklich noch ein Teil von ihr, der gegen ihn ankämpfte, denn plötzlich wandte er sich mit einem Kopfschütteln ab und meinte, mit einem kaum hörbaren, verblüfften Unterton in der Stimme: "Du bist stur. Das hier wird wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen als ich eingeplant hatte." Er runzelte die Stirn und sah eindeutig verärgert zum Waldrand hin. Was immer er dort sah, es schien ihm nicht zu gefallen. "Es sieht so aus als wäre deine Flucht nicht unbemerkt geblieben. Wir sollten uns auf den Weg machen." Er wollte sie mitnehmen? Wohin? Wozu?
Er hob die Linke, malte ein unsichtbares Zeichen damit in die Luft und im nächsten Augenblick erschien ein Weltentor. Kein Sturm, keine Blitze, kein Donner, die Luft änderte ihre Temperatur nicht.
Von einem Moment auf den nächsten schwebte da plötzlich das Tor in der Luft. Mein Gott...mit welchem Feind hatte sie sich da eingelassen? Wieviel Anstrengung und Kraftaufwand hatte es sie selbst gekostet, eines dieser Tore entstehen zu lassen, sie, deren Kräfte denen der größten Magier ebenbürtig, mehr noch, überlegen sein sollten!? Und der Wächter beschwor diese uralten, gewaltigen Mächte innerhalb einer Sekunde, bloß mit einer einzigen Handbewegung. Wie chancenlos sie gegen solch einen Feind war! Es war, als würde sämtliche Kraft aus ihr gesaugt, als verließe jeglicher kämpferischer Gedanke ihren Geist, als sie das Weltentor erblickte.
Ein grüner, wabernder Tunnel aus Licht und einer anderen, unbekannten Materie, furchteinflößend und doch faszinierend anzusehen. Das Licht verfärbte die Haut des Wächters kränklich grün und verwandelte sein schönes Antlitz in eine groteske, starre Maske, ausdruckslos und kalt, und doch auf bizarre Weise noch immer anziehend. Ein schwacher Lichtschwimmer erregte Genas Aufmerksamkeit. Sie senkte den Blick und sah, dass er von Magol ausging. Die Klinge begann in einer weißlich- blauen Farbe zu glühen.
"Wir werden deinen Freunden etwas hierlassen, mit dem sie sich beschäftigen können". Seine Stimme war mehr als sie ertragen konnte. Es war reiner Hass, unbeschreiblich rasend und abgrundtief, eine Wut, die sich gegen alles richtete. Es gab keinen nachvollziehbaren Grund für diese Bosheit. Es war sein Wesen, seine Natur, zu zerstören, zu vernichten....Gena zwang sich selbst, diese Gedanken beiseite zu schieben. Sie musste sich zusammenreißen. Nicht zulassen, hysterisch zu werden. Sie durfte nicht aufgeben. Obgleich sie allen Grund dazu hatte...
Der erste missgestaltete Umriss eines Orks taumelte aus dem Tor heraus. Bald waren es vier, ein Dutzend, zwei Dutzend....bei vierzig hörte Gena auf zu zählen. Hätte sie es nur gekonnt hätte sie sich umgedreht und den Elben eine Warnung zugeschrieen, wäre auf die Orks losgestürmt und hätte sie bekämpft, oder hätte wenigstens sich selbst dafür geohrfeigt, sich ernsthaft eingebildet zu haben, dass alles so einfach sein würde. Sie hatte wirklich daran geglaubt, hierherzukommen und Grennrey eine Abschlussrede halten zu lassen würde alles zu einem Ende bringen.
Sie war eine solche Närrin! Und nicht einmal weinen konnte sie!
Der Wächter lächelte wissend und drehte sie an den Schultern so, dass sie die gesamte Menge der grölenden, schwer bewaffneten Orks und Uruk- Haîs überblicken konnte. Es musste eine Hundertschaft dieser Bestien sein. Wild, brutal, unbezwingbar.
Legolas.
Plötzlich wusste sie, dass er hierher kommen würde. Der Gedanke verlieh ihr noch einmal Kraft, sie schaffte es, den Bann, der auf ihr lag, abzustreifen, den abgebrochenen Schwertstumpf aus der Hand des Wächters zu reißen und sich auf ihn zu stürzen. Er wich geschickt aus, schlug ihr die Waffe aus der Hand und hielt sie plötzlich im Würgegriff. Mit Gewalt zwang er sie, in Richtung des Waldes zu sehen. Ihre wiedererlangten Kräfte erloschen, alsbald er sie berührte.
"Sieh es dir an, dein Lórien", er fasste unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf mit überflüssiger Gewalt in die gewünschte Richtung, " Sieh es dir genau an. Denn es wird das letzte Mal sein, dass du es zu Gesicht bekommst." Da waren eine Handvoll Gestalten, die sich in diesem Moment vom Waldrand lösten, eine davon erschien ihr heller und vertrauter als die anderen. Wie von einem warmen Licht umgeben.
"Bitte...lass ihn leben", flüsterte Gena kraftlos.
Dann begann alles vor ihren Augen zu verschwimmen, Farben verflossen ineinander und alles wurde dunkel.
*
Noch nie hatte ein Ork einen Fuß in die Wälder Lóriens gesetzt. Aber es gab immer ein erstes Mal.
*
Galadriel schlug die Augen auf und brauchte Sekunden, um wieder in die Wirklichkeit zurück finden. Ein Alptraum hatte sie heimgesucht, oder bessergesagt eine Aneinanderreihung von dunklen Visionen voller Blut und Gewalt und Leid. Es waren keine deutlichen Bilder gewesen, mit feststellbaren Handlungen oder erkennbaren Gesichtern- bloß Gefühle, Sinneseindrücke, Empfindungen fremder Personen.
Das Gefühl der Gefahr war nicht mehr so allumfassend wie noch vor wenigen Augenblicken, doch noch immer intensiv genug, um ihren Blick unruhig durch das Zimmer streifen zu lassen. Natürlich war hier nichts. Bloß die wenigen, hellen Möbel, der Sessel, auf dem sie saß und das prasselnde Feuer im Kamin vor ihr.
Was sie empfunden hatte war zu real gewesen, als dass sie es als bedeutungslosen Fiebertraum hätte abtun können. Und überdies hatte sie vor langer Zeit schon einmal einen ähnlichen Traum gehabt. Die Erinnerung an jene Zeit schmerzte. Damals, als der Wald noch jung und groß gewesen und sie gemeinsam mit ihren Geschwistern die noch fremden Teile Lóthloriens erforscht hatte. Es war eine schöne Zeit gewesen. Aber sie war vorbei.
-Tu das nicht.-
Galadriel lächelte. Der Sessel auf dem sie saß war so gerichtet, dass sie der Tür den Rücken zukehrte. Trotzdem wusste sie, dass sich außer ihr keiner im Raum befand.
-Was meinst du?-
-Das weißt du. Du verdrängst das Geschehene. Das solltest du nicht. Auch ich würde es vorziehen, alles vergessen zu können, aber es ist nun einmal geschehen. Unwiderruflich.-
Elrond betrat den Raum, schloss die Tür so lautlos, wie er sie geöffnet hatte und schenkte ihr ein warmes Lächeln, als sie aufstand und sich ihm zuwandte.
-Deine Anwesenheit alleine lässt mich meine Sorgen vergessen. Wahrlich, du bist ein begabter Heiler.-
"Du kannst ruhig laut sprechen wenn wir in ein und demselben Raum sind, Schwester", grinste Elrond und in seinen Augen blitzte der Schalk.
An anderen Tagen hätte Galadriel eine passende, scharfzüngige Antwort abgegeben, doch heute kreisten ihre Gedanken um andere Dinge.
"Was beschäftigt dich, gond nîn [mein Fels]?"
Sein Fels...das war sie stets für ihn gewesen, als seine ältere Schwester. Die Magierin lächelte ihn kurz an, dann ging sie zum Fenster und sah lange schweigend nach draußen, bevor sie bedächtig antwortete: "Unheil liegt in der Luft, so schwer, dass ich es beinahe greifen kann. Träume voller Hass und Tod. Und dieses bedrückende Gefühl, das ich nicht benennen kann."
"Dann spürst du es auch", murmelte Elrond und starrte in das flackernde Feuer, "alle spüren es. Selbst die Zwerge." Er riss seinen Blick vom Feuer los und trat neben seine Schwester, ohne sie anzusehen. Er wusste, dass ihr Gesicht ruhig und gefasst sein würde, und dass er nicht darin lesen können würde. Er hatte es noch nie gekonnt. Doch er hatte es auch nicht nötig gehabt. Sie beide waren sich sehr ähnlich, wenngleich er ein Halbelb war. Er brauchte ihre Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen dass sie beide dasselbe verspürten.
Angst.
Nicht jene Art von Angst, die einen in Hysterie oder Panik versetzte, oder die Kraft aus den Gliedern saugte. Was ihnen Angst bereitete war, dass sie nicht wussten, wovor sie Angst hatten. Die Tür wurde aufgerissen, ohne dass vorher angeklopft wurde und ein atemloser Elb stürmte in das Zimmer.
Elrond wollte auffahren und ihn scharf zurechtweisen, hielt aber inne, als er in die vor Schrecken geweiteten Augen des Mannes blickte. Es war einer der Männer, die sich auf die Suche nach Gena gemacht hatten. Sein Gesicht war verschwitzt, sein helles Haar fiel ihm wirr ins Gesicht, auf seiner rechten Wange klaffte eine tiefe, blutende Wunde. Seine Kleider waren zerfetzt und schmutzig, übersäht von dunklen Flecken. Blut. Und der Großteil davon war nicht das seine. "Bei Osclyn und Iluvatar, was ist passiert?", flüsterte Elrond entsetzt. Der Elb, Jerdril war sein Name, erhob sich von den Knien und nahm sich einige Sekunden, um wieder an Atem zu gelangen. Dann sagte er mit bebender Stimme: "Orks. Und Uruk- Haîs. Hundert, wenn nicht mehr. Wir versuchten sie aufzuhalten, doch es war aussichtslos, acht Männer gegen Hundert dieser Bestien...."
"Was ist mit den anderen?", unterbrach ihn Elrond grob.
"Ich sah zwei meiner Leute und einen der Zauberer fallen....ich ritt zurück, als ich sah, dass wir alleine keine Chance hatten, um Verstärkung zu holen." Elrond drehte sich besorgt zu seiner Schwester um, die ihm wie immer, ruhig entgegensah. "Nehmt so viele Männer wie ihr es für nötig haltet. Tut alles, damit sie sich dem Palast nicht nähern." Jerdril nickte gehorsam und verschwand eiligst nach draußen. Elrond machte ebenfalls Anstalten, ihm zu folgen, aber Galadriel hielt ihn zurück.
"Ich werde gehen".
Elrond runzelte die Stirn, sah aber, dass sie ihre Worte bitterernst meinte. Unwillig nickte er. Es gab genug kampferprobte Männer in Lórien, die zur Stelle sein würden, und er als Heiler würde ohnehin früher als ihm lieb war alle Hände voll zu tun haben. Trotzdem behagte es ihm nicht, als Galadriel das Zimmer verließ und wenige Minuten später mit einem Trupp Krieger in die Schlacht ritt. Es waren nicht bloß Elben, sondern auch ein halbes Dutzend kleinere Gestalten, Zwerge und möglicherweise sogar Hobbits, und einige Menschen. Insgesamt hatten sich innerhalb dieser kurzer Zeit eine stattliche kleine Armee zusammengefunden, die den Orks, wenn es wirklich gut Hundert davon waren, gewachsen sein mussten.
Wieder spürte er diese Angst in sich. Waren es wirklich bloß Orks, gegen die sie kämpfen würden?
*
Das erste, was Gena sah, als sie ihre Augen aufschlug, war sie selbst.
Der Schreck, sich selbst gegenüberzustehen, fuhr ihr durch Mark und Bein und schockte sie auf eine Weise, die sie nicht verstand. Dann erst begriff sie, dass es ihr Spiegelbild war, nicht mehr als ihre Reflektion, das Ergebnis eines ganz normalen, physikalischen Vorgangs. Ihre Kleidung war eine andere- statt des einfachen Reisekleides und des dunklen Mantels trug sie nun ein dunkelgrünes Kleid, das ihr schier den Atem raubte. Es war aus einem weichen, fließenden Stoff gemacht, der sich eng an ihren Körper anschmiegte und in zahllosen Falten zu Boden fiel. Kunstvolle, silberne Stickereien verzierten den Saum der weiten Ärmel und des Ausschnittes, winzige Muster, Blumen und Bäume, mit kleinen weißen Perlen und Edelsteinen versetzt. Um ihren Hals hing das prachtvollste Collier das sie je gesehen hatte, ein grünfunkelnder Edelstein in Form eines Ovals in einer silbernen Fassung, auf einer ebenso silbernen Kette aufgefädelt. Ihr Haar war gekämmt und floss in großen Locken bis zu ihrer Taille hinab. Zwei Fragen schossen ihr durch den Kopf. Warum trug sie dieses Kleid? Und: Wer hatte es ihr angezogen?
Sie saß in einer ungemütlichen Position auf hartem Untergrund, gegen eine ebenso harte Wand gelehnt, und es dauerte einige Momente, bis sie begriff, dass auch diese Unterlage ein Spiegel war. So wie alle Wände, die Decke weit über ihren Kopf und absolut alles um sie herum. War das wieder einer dieser Alpträume? Der Wächter...die Erinnerung an die Ereignisse flutete ihr Gehirn. Versuchte er etwa gerade, in ihren Geist einzudringen? So wie die beiden Ostelben es bereits getan hatten? Sie tastete über die kalte, glatte Spiegelfläche unter sich und richtete sich vorsichtig auf. Es war eine Art...Halle. Zumindest war es größer als ein Zimmer. Oder war das bloß eine optische Täuschung? Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie, das Ende des Raumes, seine Form zu erfassen, gab es nach einigen Sekunden aber verwundert auf. Es war, als veränderte sich das Aussehen der Halle stetig, und doch blieb sie gleich.
Spiegel, in allen erdenklichen Größen, in allen nur möglichen Winkeln an den Wänden, Decke und Boden angebracht, die alle nur eines gemeinsam hatten: Ihre streng geometrische Form. Keine Tür, kein Fenster, bloß überall Spiegel, Spiegel, Spiegel.
"Hallo?"
In diesem Raum herrschte eine seltsame Akustik. Es war, als würden ihre Worte von den Wänden verschluckt. Keine Antwort. Na ja, was immer der Wächter auch vorhatte, sie hier einsam sterben zu lassen gehörte sicher nicht zu seinen Plänen. Gena begann systematisch die Halle zu durchgehen, klopfte die Wände nach möglichen Hohlstellen ab. Nichts war zu finden, nicht eine Ritze. "Grennrey, wo bist du wenn ich dich brauche?", murmelte sie gedankenverloren und sah hilflos an den Spiegelwänden empor.
-Etwas stimmt nicht mit ihm.-
"Oh, schön dass du auch wieder Mal vorbeischaust", sagte Gena sarkastisch, "gehört das alles hier zu deinem teuflischen Plan, mich außer Gefecht zu setzen? Ich gratuliere, du hast dir den mit Abstand dämlichsten Wirt auf dem ganzen Planeten ausgesucht." Sie lachte hart. "Wie konnte ich nur so dumm sein und dir glauben, du verlogenes Miststück! Aber ich sage dir eines, wenn Legolas irgendetwas zustoßen sollte, dann schwöre ich bei Gott, werde ich dich umbringen, und wenn ich einen Pakt mit dem Teufel dafür eingehen muss! Ich werde dich jagen und..."
-Sei still. Ich gebe zu, irgendetwas verläuft nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.-
"Oh". Gena war etwas vor den Kopf gestoßen und fühlte sich seltsamerweise nicht erleichtert. "Soll das heißen du weißt nicht wo wir sind?"
-Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.-
"Aber du warst doch seine Geliebte! Du musst doch wissen, wo er lebt!" -Damals konnte er noch keine Weltentore öffnen. Grennrey klang eindeutig gereizt. -Wir haben uns eher auf...andere Dinge... konzentiert.-
Gena hielt inne.
"Was hast du gesagt?"
-Dass wir uns mit anderen Dingen beschäftigt haben. Du weißt schon, lange Spaziergänge im Mondschein, nächtliche Bäder im Fluss, ...-
"Nicht das", unterbrach sie Gena unwillig, "vorher. Er konnte keine Weltentore öffnen?"
-Natürlich nicht. Damals war er bloß ein kleiner Magier.-
"Fragst du dich nicht, wie es gekommen ist, dass er so mächtig geworden ist?"
-Ich nehme an er hatte einen Meister. Außerdem hatte er viel Zeit zum Üben-
Gena schwieg. Sie wussten beide, dass dies nicht die richtige Erklärung war. Man konnte Magie ausbauen, den Umgang damit verfeinern, vielleicht sogar verstärken. Aber nicht in dem Maße, wie es der Wächter getan hatte.
-Vielleicht ist er eine Verbindung eingegangen.- Gena blinzelte. "Eine WAS?"
-Bist du taub? Eine Verbindung. Zwei Magier vereinen ihre Kräfte. Wenn der eine es zulässt, fließt seine gesamte Macht auf den anderen über. Meist nur für kurze Zeit, denn man kann fremde Magie nicht mit der eigenen vermischen und behalten, sowenig wie fremdes Blut.-
"Du hast eindeutig keine Ahnung von Medizin", murmelte Gena kopfschüttelnd, "aber egal. Wenn es sich wirklich so verhält, wie du behauptest- warum hat er dann trotzdem diese enorme Stärke?"
-Ich kann nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise ist ihm dasselbe widerfahren wie dir.-
"Er hatte einen Autounfall und war danach mächtiger als je zuvor?"
-Versuche nicht lustig zu sein, es gelingt dir nicht.-
"Schon gut. Was wolltest du sagen?"
-Wenn ein Individuum stirbt, gibt es einen Moment, an dem Körper und Geist sich voneinander lösen. Wir Magier nennen das "va lacha", das heißt "aufflammen". Die Seele versucht ein letztes Mal, in den toten Körper zurückzukehren, was ihr normalerweise nicht gelingt. Elben sehen dann meist ein schwaches Leuchten, als wenn der Körper von innen heraus erstrahlt, auch manche Menschen sind dazu fähig. -
Gena blinzelte. Für einen Moment erinnerte sie sich an den Tod ihres Vaters zurück, als sie im Krankenhaus seine Hand gehalten hatte. Bevor er starb hatte er einen Augenblick lang so zufrieden ausgesehen, als wäre er von innen heraus erstrahlt.
"Und was hat dieses va lacha mit mir oder dem Wächter zu tun?"
-Geduld. In diesem Moment sind beide, Körper und Seele furchtbar verwundbar. Der Körper ist noch nicht vollkommen tot, der Seele weiß noch nicht, dass sie sich für immer von ihm lösen wird. Und genau in diesem Moment kommt die Magie ins Spiel. Versuche es nicht zu verstehen wie genau ich es geschafft habe, deine und meine Seele zu verschmelzen und in deinen Körper zurück zu kehren....versuche bloß dir vorzustellen, dass jemand anderer, ein Magier mit unvorstellbarer Kraft das gleiche bei dem Wächter gemacht hat.-
"Hast du eine Vermutung, wer dieser jemand hätte sein können?"
-Wenn es an jenem Tag geschah, an dem ich verbannt wurde...nein. Wenn es später geschah...möglicherweise. Aber ich bin mir nicht sicher. -
Ein lautes Klicken ertönte und in einer der Glaswände entstand ein riesiger Spalt, der sich fortsetzte bis ein Tor entstanden war. "Sag mir deine Vermutung! Schnell!"
Er wird versuchen dich zu vertreiben. Ich weiß selbst nicht, wieso ich das sage aber...lasse es nicht zu. Kämpfe gegen ihn an. Ich werde dir dabei helfen.-
"DU mir helfen?" Gena hätte um ein Haar laut aufgelacht. Doch womöglich hatte sie Recht. Denn wer immer da gerade auf sie zukam- es war definitiv nicht Grennreys Geliebter von einst.
..........
mann, das ganze geht eindeutig ins übersinnliche (
Der Wächter bewegte sich nicht, seine Züge blieben ruhig, selbst als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt stand. Das Schwert, das sie auf ihn richtete, schien er nicht einmal zu bemerken. Gena versuchte ihre Angst gleichermaßen wie das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Die Augen eines Menschen sollten doch die Fenster zu seiner Seele sein, so sagte man. Seine waren es definitiv nicht. Und wenn doch, so war seine Seele schwarz und hart wie die Farbe seiner Augäpfel, die ihr ausdruckslos entgegenstarrten.
-Wie zwei bemalte Glaskugeln-, schoss es ihr durch den Kopf.
"Ich bin gekommen um....." Ihre Stimme versagte schlichtweg. Oh, das war typisch. Typisch Gena. Sie sammelte ihren Mut, atmete tief durch und setzte erneut an: "Grennrey wird hiernach gehen. Für immer. Sie wird nie mehr wiederkehren."
Sie verstummte abwartend, harrte aber vergeblich auf eine Reaktion. Seine Augen waren nun eindeutig auf sie gerichtet, aber sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte weder darin lesen, noch schaffte sie es, seine Gedanken zu erahnen. Seine Magie war stark, bemerkte sie überrascht. Sie hatte bereits bei ihrem ersten Treffen gespürt, dass seine Kräfte denen Galadriels nahe kamen, wenn nicht ebenbürtig waren. Doch bisher hatte es da stets etwas gegeben, etwas, das ihre Gedanken von seinem Geist, seinem Inneren abgeschirmt hatte wie ein eisernes Schild. Noch nie hatte sie in seiner Gegenwart diese überwältigende, fast körperlich spürbare Stärke empfunden, diese fühlbare Anwesenheit von etwas extrem Machtvollem. Sosehr sie auch dagegen ankämpfte, es raubte ihr den Mut und ließ ihre Finger zittern. Krampfhaft umklammerte sie den Schwertgriff und richtete das Ende der Waffe auf den Wächter.
"Habt Ihr gehört? Sie wird NIE MEHR WIEDERKEHREN!"
Ihr Herz pochte laut und hart gegen ihre Brust. Was würde geschehen? Endlich regte sich etwas in seinem Gesicht. Er lächelte. Warum? Sie hatte ein Schwert auf ihn gerichtet und ihm soeben mitgeteilt, dass er seine große Liebe nun endgültig verlieren würde!!
WARUM LÄCHELTE ER?!
Eine beiläufige Bewegung seines rechten Zeigefingers und das Schwert wurde ihr aus der Hand geprellt. Gimlis Axt wurde wie durch Zauberhand aus ihrem Gürtel gerissen und flog meterweit davon. Eine kurze, komplizierte Drehung der Hand und Gena war absolut bewegungsunfähig. "Es war mutig von dir, hierher zu kommen, aber auch sehr dumm". Er schüttelte tadelnd den Kopf und lächelte humorlos, "Menschlein- hast du denn gar nichts begriffen? Dieses Messer..", Gena hätte vor Überraschung gekeucht, wäre sie dazu in der Lage gewesen, denn kaum hatte er das Wort ausgesprochen, kam Magol angeschwebt und schmiegte sich in die Hand des Wächters, als gehöre es ursprünglich dorthin, "..wird mir genauso wenig schaden wie einer deiner lächerlichen Zaubertricks". Wie um seine Worte zu untermahlen, zerbrach die Mitrilklinge mit einem leisen Klirren in zwei Hälften. Die eine Hälfte prallte klimpernd gegen einen Stein und blieb am Boden liegen. Genas Blick saugte sich an der zweiten Hälfte in seinen Händen fest. Welchen Bann der Wächter auch immer auf sie gelegt hatte, er schien nicht bloß ihren Körper zu lähmen. Auch ihre Gedanken flossen zäh wie Brei durch ihren Kopf. Sie sah, dass der Wächter soeben Mithril hatte bersten lassen, einfach so, einzig und allein durch die Kraft seines Willens. Mithril, das doch als unzerstörbar galt... . Dumpfes Entsetzen machte sich in ihr breit, dann Angst, Panik und.... eine furchtbare Ahnung. Doch der Gedanke entglitt ihr, im selben Moment als der Wächter wieder zu sprechen begann, mit einem arroganten Lächeln im Gesicht.
"Grennrey wird nirgendwohin gehen, junge Dame. Es war wirklich amüsant und unterhaltend, wie du versucht hast, dich gegen das Unvermeidbare aufzulehnen. Ich war verwundert, wie standhaft du warst und hatte meine Freude daran, dich zu beobachten....aber weißt du- selbst meine Geduld kennt ihre Grenzen."
Ihre Augen brannten und begannen zu tränen. Sie konnte nicht einmal ihre Augenlider bewegen! Einzig und allein ihre Brust hob und senkte sich schnell und unregelmäßig, und das auch nur, weil er es zuließ. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er sie längst hätte töten können, wenn er es nur gewollt hätte. Was hatte er gesagt? Das Unvermeidbare....seine Stimme klang so seltsam hohl und unwirklich in ihren Ohren. Und es fiel ihr so furchtbar schwer, seine Worte zu begreifen! Wieder fing er ihren Blick, zwang sie unbarmherzig, ihm fest in die Augen zu sehen. Sie spürte, dass er etwas versuchte, doch begriff nicht, was. Ihre Gedanken waren doch längst ein offenes Buch für ihn, was wollte er noch mehr? Was war mit Grennrey? Wo war sie? Oder hatte die am Ende das alles hier geplant?
Aber vielleicht war da wirklich noch ein Teil von ihr, der gegen ihn ankämpfte, denn plötzlich wandte er sich mit einem Kopfschütteln ab und meinte, mit einem kaum hörbaren, verblüfften Unterton in der Stimme: "Du bist stur. Das hier wird wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen als ich eingeplant hatte." Er runzelte die Stirn und sah eindeutig verärgert zum Waldrand hin. Was immer er dort sah, es schien ihm nicht zu gefallen. "Es sieht so aus als wäre deine Flucht nicht unbemerkt geblieben. Wir sollten uns auf den Weg machen." Er wollte sie mitnehmen? Wohin? Wozu?
Er hob die Linke, malte ein unsichtbares Zeichen damit in die Luft und im nächsten Augenblick erschien ein Weltentor. Kein Sturm, keine Blitze, kein Donner, die Luft änderte ihre Temperatur nicht.
Von einem Moment auf den nächsten schwebte da plötzlich das Tor in der Luft. Mein Gott...mit welchem Feind hatte sie sich da eingelassen? Wieviel Anstrengung und Kraftaufwand hatte es sie selbst gekostet, eines dieser Tore entstehen zu lassen, sie, deren Kräfte denen der größten Magier ebenbürtig, mehr noch, überlegen sein sollten!? Und der Wächter beschwor diese uralten, gewaltigen Mächte innerhalb einer Sekunde, bloß mit einer einzigen Handbewegung. Wie chancenlos sie gegen solch einen Feind war! Es war, als würde sämtliche Kraft aus ihr gesaugt, als verließe jeglicher kämpferischer Gedanke ihren Geist, als sie das Weltentor erblickte.
Ein grüner, wabernder Tunnel aus Licht und einer anderen, unbekannten Materie, furchteinflößend und doch faszinierend anzusehen. Das Licht verfärbte die Haut des Wächters kränklich grün und verwandelte sein schönes Antlitz in eine groteske, starre Maske, ausdruckslos und kalt, und doch auf bizarre Weise noch immer anziehend. Ein schwacher Lichtschwimmer erregte Genas Aufmerksamkeit. Sie senkte den Blick und sah, dass er von Magol ausging. Die Klinge begann in einer weißlich- blauen Farbe zu glühen.
"Wir werden deinen Freunden etwas hierlassen, mit dem sie sich beschäftigen können". Seine Stimme war mehr als sie ertragen konnte. Es war reiner Hass, unbeschreiblich rasend und abgrundtief, eine Wut, die sich gegen alles richtete. Es gab keinen nachvollziehbaren Grund für diese Bosheit. Es war sein Wesen, seine Natur, zu zerstören, zu vernichten....Gena zwang sich selbst, diese Gedanken beiseite zu schieben. Sie musste sich zusammenreißen. Nicht zulassen, hysterisch zu werden. Sie durfte nicht aufgeben. Obgleich sie allen Grund dazu hatte...
Der erste missgestaltete Umriss eines Orks taumelte aus dem Tor heraus. Bald waren es vier, ein Dutzend, zwei Dutzend....bei vierzig hörte Gena auf zu zählen. Hätte sie es nur gekonnt hätte sie sich umgedreht und den Elben eine Warnung zugeschrieen, wäre auf die Orks losgestürmt und hätte sie bekämpft, oder hätte wenigstens sich selbst dafür geohrfeigt, sich ernsthaft eingebildet zu haben, dass alles so einfach sein würde. Sie hatte wirklich daran geglaubt, hierherzukommen und Grennrey eine Abschlussrede halten zu lassen würde alles zu einem Ende bringen.
Sie war eine solche Närrin! Und nicht einmal weinen konnte sie!
Der Wächter lächelte wissend und drehte sie an den Schultern so, dass sie die gesamte Menge der grölenden, schwer bewaffneten Orks und Uruk- Haîs überblicken konnte. Es musste eine Hundertschaft dieser Bestien sein. Wild, brutal, unbezwingbar.
Legolas.
Plötzlich wusste sie, dass er hierher kommen würde. Der Gedanke verlieh ihr noch einmal Kraft, sie schaffte es, den Bann, der auf ihr lag, abzustreifen, den abgebrochenen Schwertstumpf aus der Hand des Wächters zu reißen und sich auf ihn zu stürzen. Er wich geschickt aus, schlug ihr die Waffe aus der Hand und hielt sie plötzlich im Würgegriff. Mit Gewalt zwang er sie, in Richtung des Waldes zu sehen. Ihre wiedererlangten Kräfte erloschen, alsbald er sie berührte.
"Sieh es dir an, dein Lórien", er fasste unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf mit überflüssiger Gewalt in die gewünschte Richtung, " Sieh es dir genau an. Denn es wird das letzte Mal sein, dass du es zu Gesicht bekommst." Da waren eine Handvoll Gestalten, die sich in diesem Moment vom Waldrand lösten, eine davon erschien ihr heller und vertrauter als die anderen. Wie von einem warmen Licht umgeben.
"Bitte...lass ihn leben", flüsterte Gena kraftlos.
Dann begann alles vor ihren Augen zu verschwimmen, Farben verflossen ineinander und alles wurde dunkel.
*
Noch nie hatte ein Ork einen Fuß in die Wälder Lóriens gesetzt. Aber es gab immer ein erstes Mal.
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Galadriel schlug die Augen auf und brauchte Sekunden, um wieder in die Wirklichkeit zurück finden. Ein Alptraum hatte sie heimgesucht, oder bessergesagt eine Aneinanderreihung von dunklen Visionen voller Blut und Gewalt und Leid. Es waren keine deutlichen Bilder gewesen, mit feststellbaren Handlungen oder erkennbaren Gesichtern- bloß Gefühle, Sinneseindrücke, Empfindungen fremder Personen.
Das Gefühl der Gefahr war nicht mehr so allumfassend wie noch vor wenigen Augenblicken, doch noch immer intensiv genug, um ihren Blick unruhig durch das Zimmer streifen zu lassen. Natürlich war hier nichts. Bloß die wenigen, hellen Möbel, der Sessel, auf dem sie saß und das prasselnde Feuer im Kamin vor ihr.
Was sie empfunden hatte war zu real gewesen, als dass sie es als bedeutungslosen Fiebertraum hätte abtun können. Und überdies hatte sie vor langer Zeit schon einmal einen ähnlichen Traum gehabt. Die Erinnerung an jene Zeit schmerzte. Damals, als der Wald noch jung und groß gewesen und sie gemeinsam mit ihren Geschwistern die noch fremden Teile Lóthloriens erforscht hatte. Es war eine schöne Zeit gewesen. Aber sie war vorbei.
-Tu das nicht.-
Galadriel lächelte. Der Sessel auf dem sie saß war so gerichtet, dass sie der Tür den Rücken zukehrte. Trotzdem wusste sie, dass sich außer ihr keiner im Raum befand.
-Was meinst du?-
-Das weißt du. Du verdrängst das Geschehene. Das solltest du nicht. Auch ich würde es vorziehen, alles vergessen zu können, aber es ist nun einmal geschehen. Unwiderruflich.-
Elrond betrat den Raum, schloss die Tür so lautlos, wie er sie geöffnet hatte und schenkte ihr ein warmes Lächeln, als sie aufstand und sich ihm zuwandte.
-Deine Anwesenheit alleine lässt mich meine Sorgen vergessen. Wahrlich, du bist ein begabter Heiler.-
"Du kannst ruhig laut sprechen wenn wir in ein und demselben Raum sind, Schwester", grinste Elrond und in seinen Augen blitzte der Schalk.
An anderen Tagen hätte Galadriel eine passende, scharfzüngige Antwort abgegeben, doch heute kreisten ihre Gedanken um andere Dinge.
"Was beschäftigt dich, gond nîn [mein Fels]?"
Sein Fels...das war sie stets für ihn gewesen, als seine ältere Schwester. Die Magierin lächelte ihn kurz an, dann ging sie zum Fenster und sah lange schweigend nach draußen, bevor sie bedächtig antwortete: "Unheil liegt in der Luft, so schwer, dass ich es beinahe greifen kann. Träume voller Hass und Tod. Und dieses bedrückende Gefühl, das ich nicht benennen kann."
"Dann spürst du es auch", murmelte Elrond und starrte in das flackernde Feuer, "alle spüren es. Selbst die Zwerge." Er riss seinen Blick vom Feuer los und trat neben seine Schwester, ohne sie anzusehen. Er wusste, dass ihr Gesicht ruhig und gefasst sein würde, und dass er nicht darin lesen können würde. Er hatte es noch nie gekonnt. Doch er hatte es auch nicht nötig gehabt. Sie beide waren sich sehr ähnlich, wenngleich er ein Halbelb war. Er brauchte ihre Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen dass sie beide dasselbe verspürten.
Angst.
Nicht jene Art von Angst, die einen in Hysterie oder Panik versetzte, oder die Kraft aus den Gliedern saugte. Was ihnen Angst bereitete war, dass sie nicht wussten, wovor sie Angst hatten. Die Tür wurde aufgerissen, ohne dass vorher angeklopft wurde und ein atemloser Elb stürmte in das Zimmer.
Elrond wollte auffahren und ihn scharf zurechtweisen, hielt aber inne, als er in die vor Schrecken geweiteten Augen des Mannes blickte. Es war einer der Männer, die sich auf die Suche nach Gena gemacht hatten. Sein Gesicht war verschwitzt, sein helles Haar fiel ihm wirr ins Gesicht, auf seiner rechten Wange klaffte eine tiefe, blutende Wunde. Seine Kleider waren zerfetzt und schmutzig, übersäht von dunklen Flecken. Blut. Und der Großteil davon war nicht das seine. "Bei Osclyn und Iluvatar, was ist passiert?", flüsterte Elrond entsetzt. Der Elb, Jerdril war sein Name, erhob sich von den Knien und nahm sich einige Sekunden, um wieder an Atem zu gelangen. Dann sagte er mit bebender Stimme: "Orks. Und Uruk- Haîs. Hundert, wenn nicht mehr. Wir versuchten sie aufzuhalten, doch es war aussichtslos, acht Männer gegen Hundert dieser Bestien...."
"Was ist mit den anderen?", unterbrach ihn Elrond grob.
"Ich sah zwei meiner Leute und einen der Zauberer fallen....ich ritt zurück, als ich sah, dass wir alleine keine Chance hatten, um Verstärkung zu holen." Elrond drehte sich besorgt zu seiner Schwester um, die ihm wie immer, ruhig entgegensah. "Nehmt so viele Männer wie ihr es für nötig haltet. Tut alles, damit sie sich dem Palast nicht nähern." Jerdril nickte gehorsam und verschwand eiligst nach draußen. Elrond machte ebenfalls Anstalten, ihm zu folgen, aber Galadriel hielt ihn zurück.
"Ich werde gehen".
Elrond runzelte die Stirn, sah aber, dass sie ihre Worte bitterernst meinte. Unwillig nickte er. Es gab genug kampferprobte Männer in Lórien, die zur Stelle sein würden, und er als Heiler würde ohnehin früher als ihm lieb war alle Hände voll zu tun haben. Trotzdem behagte es ihm nicht, als Galadriel das Zimmer verließ und wenige Minuten später mit einem Trupp Krieger in die Schlacht ritt. Es waren nicht bloß Elben, sondern auch ein halbes Dutzend kleinere Gestalten, Zwerge und möglicherweise sogar Hobbits, und einige Menschen. Insgesamt hatten sich innerhalb dieser kurzer Zeit eine stattliche kleine Armee zusammengefunden, die den Orks, wenn es wirklich gut Hundert davon waren, gewachsen sein mussten.
Wieder spürte er diese Angst in sich. Waren es wirklich bloß Orks, gegen die sie kämpfen würden?
*
Das erste, was Gena sah, als sie ihre Augen aufschlug, war sie selbst.
Der Schreck, sich selbst gegenüberzustehen, fuhr ihr durch Mark und Bein und schockte sie auf eine Weise, die sie nicht verstand. Dann erst begriff sie, dass es ihr Spiegelbild war, nicht mehr als ihre Reflektion, das Ergebnis eines ganz normalen, physikalischen Vorgangs. Ihre Kleidung war eine andere- statt des einfachen Reisekleides und des dunklen Mantels trug sie nun ein dunkelgrünes Kleid, das ihr schier den Atem raubte. Es war aus einem weichen, fließenden Stoff gemacht, der sich eng an ihren Körper anschmiegte und in zahllosen Falten zu Boden fiel. Kunstvolle, silberne Stickereien verzierten den Saum der weiten Ärmel und des Ausschnittes, winzige Muster, Blumen und Bäume, mit kleinen weißen Perlen und Edelsteinen versetzt. Um ihren Hals hing das prachtvollste Collier das sie je gesehen hatte, ein grünfunkelnder Edelstein in Form eines Ovals in einer silbernen Fassung, auf einer ebenso silbernen Kette aufgefädelt. Ihr Haar war gekämmt und floss in großen Locken bis zu ihrer Taille hinab. Zwei Fragen schossen ihr durch den Kopf. Warum trug sie dieses Kleid? Und: Wer hatte es ihr angezogen?
Sie saß in einer ungemütlichen Position auf hartem Untergrund, gegen eine ebenso harte Wand gelehnt, und es dauerte einige Momente, bis sie begriff, dass auch diese Unterlage ein Spiegel war. So wie alle Wände, die Decke weit über ihren Kopf und absolut alles um sie herum. War das wieder einer dieser Alpträume? Der Wächter...die Erinnerung an die Ereignisse flutete ihr Gehirn. Versuchte er etwa gerade, in ihren Geist einzudringen? So wie die beiden Ostelben es bereits getan hatten? Sie tastete über die kalte, glatte Spiegelfläche unter sich und richtete sich vorsichtig auf. Es war eine Art...Halle. Zumindest war es größer als ein Zimmer. Oder war das bloß eine optische Täuschung? Mit zusammengekniffenen Augen versuchte sie, das Ende des Raumes, seine Form zu erfassen, gab es nach einigen Sekunden aber verwundert auf. Es war, als veränderte sich das Aussehen der Halle stetig, und doch blieb sie gleich.
Spiegel, in allen erdenklichen Größen, in allen nur möglichen Winkeln an den Wänden, Decke und Boden angebracht, die alle nur eines gemeinsam hatten: Ihre streng geometrische Form. Keine Tür, kein Fenster, bloß überall Spiegel, Spiegel, Spiegel.
"Hallo?"
In diesem Raum herrschte eine seltsame Akustik. Es war, als würden ihre Worte von den Wänden verschluckt. Keine Antwort. Na ja, was immer der Wächter auch vorhatte, sie hier einsam sterben zu lassen gehörte sicher nicht zu seinen Plänen. Gena begann systematisch die Halle zu durchgehen, klopfte die Wände nach möglichen Hohlstellen ab. Nichts war zu finden, nicht eine Ritze. "Grennrey, wo bist du wenn ich dich brauche?", murmelte sie gedankenverloren und sah hilflos an den Spiegelwänden empor.
-Etwas stimmt nicht mit ihm.-
"Oh, schön dass du auch wieder Mal vorbeischaust", sagte Gena sarkastisch, "gehört das alles hier zu deinem teuflischen Plan, mich außer Gefecht zu setzen? Ich gratuliere, du hast dir den mit Abstand dämlichsten Wirt auf dem ganzen Planeten ausgesucht." Sie lachte hart. "Wie konnte ich nur so dumm sein und dir glauben, du verlogenes Miststück! Aber ich sage dir eines, wenn Legolas irgendetwas zustoßen sollte, dann schwöre ich bei Gott, werde ich dich umbringen, und wenn ich einen Pakt mit dem Teufel dafür eingehen muss! Ich werde dich jagen und..."
-Sei still. Ich gebe zu, irgendetwas verläuft nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.-
"Oh". Gena war etwas vor den Kopf gestoßen und fühlte sich seltsamerweise nicht erleichtert. "Soll das heißen du weißt nicht wo wir sind?"
-Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung.-
"Aber du warst doch seine Geliebte! Du musst doch wissen, wo er lebt!" -Damals konnte er noch keine Weltentore öffnen. Grennrey klang eindeutig gereizt. -Wir haben uns eher auf...andere Dinge... konzentiert.-
Gena hielt inne.
"Was hast du gesagt?"
-Dass wir uns mit anderen Dingen beschäftigt haben. Du weißt schon, lange Spaziergänge im Mondschein, nächtliche Bäder im Fluss, ...-
"Nicht das", unterbrach sie Gena unwillig, "vorher. Er konnte keine Weltentore öffnen?"
-Natürlich nicht. Damals war er bloß ein kleiner Magier.-
"Fragst du dich nicht, wie es gekommen ist, dass er so mächtig geworden ist?"
-Ich nehme an er hatte einen Meister. Außerdem hatte er viel Zeit zum Üben-
Gena schwieg. Sie wussten beide, dass dies nicht die richtige Erklärung war. Man konnte Magie ausbauen, den Umgang damit verfeinern, vielleicht sogar verstärken. Aber nicht in dem Maße, wie es der Wächter getan hatte.
-Vielleicht ist er eine Verbindung eingegangen.- Gena blinzelte. "Eine WAS?"
-Bist du taub? Eine Verbindung. Zwei Magier vereinen ihre Kräfte. Wenn der eine es zulässt, fließt seine gesamte Macht auf den anderen über. Meist nur für kurze Zeit, denn man kann fremde Magie nicht mit der eigenen vermischen und behalten, sowenig wie fremdes Blut.-
"Du hast eindeutig keine Ahnung von Medizin", murmelte Gena kopfschüttelnd, "aber egal. Wenn es sich wirklich so verhält, wie du behauptest- warum hat er dann trotzdem diese enorme Stärke?"
-Ich kann nur Vermutungen anstellen. Möglicherweise ist ihm dasselbe widerfahren wie dir.-
"Er hatte einen Autounfall und war danach mächtiger als je zuvor?"
-Versuche nicht lustig zu sein, es gelingt dir nicht.-
"Schon gut. Was wolltest du sagen?"
-Wenn ein Individuum stirbt, gibt es einen Moment, an dem Körper und Geist sich voneinander lösen. Wir Magier nennen das "va lacha", das heißt "aufflammen". Die Seele versucht ein letztes Mal, in den toten Körper zurückzukehren, was ihr normalerweise nicht gelingt. Elben sehen dann meist ein schwaches Leuchten, als wenn der Körper von innen heraus erstrahlt, auch manche Menschen sind dazu fähig. -
Gena blinzelte. Für einen Moment erinnerte sie sich an den Tod ihres Vaters zurück, als sie im Krankenhaus seine Hand gehalten hatte. Bevor er starb hatte er einen Augenblick lang so zufrieden ausgesehen, als wäre er von innen heraus erstrahlt.
"Und was hat dieses va lacha mit mir oder dem Wächter zu tun?"
-Geduld. In diesem Moment sind beide, Körper und Seele furchtbar verwundbar. Der Körper ist noch nicht vollkommen tot, der Seele weiß noch nicht, dass sie sich für immer von ihm lösen wird. Und genau in diesem Moment kommt die Magie ins Spiel. Versuche es nicht zu verstehen wie genau ich es geschafft habe, deine und meine Seele zu verschmelzen und in deinen Körper zurück zu kehren....versuche bloß dir vorzustellen, dass jemand anderer, ein Magier mit unvorstellbarer Kraft das gleiche bei dem Wächter gemacht hat.-
"Hast du eine Vermutung, wer dieser jemand hätte sein können?"
-Wenn es an jenem Tag geschah, an dem ich verbannt wurde...nein. Wenn es später geschah...möglicherweise. Aber ich bin mir nicht sicher. -
Ein lautes Klicken ertönte und in einer der Glaswände entstand ein riesiger Spalt, der sich fortsetzte bis ein Tor entstanden war. "Sag mir deine Vermutung! Schnell!"
Er wird versuchen dich zu vertreiben. Ich weiß selbst nicht, wieso ich das sage aber...lasse es nicht zu. Kämpfe gegen ihn an. Ich werde dir dabei helfen.-
"DU mir helfen?" Gena hätte um ein Haar laut aufgelacht. Doch womöglich hatte sie Recht. Denn wer immer da gerade auf sie zukam- es war definitiv nicht Grennreys Geliebter von einst.
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mann, das ganze geht eindeutig ins übersinnliche (
