Also, Brainstorming: Gena sitzt in einem Glaskasten fest, keine Ahnung was
oder wo das ist. Und dann ist da noch der namenlose Wächter, von dem man
auch nicht allzu viel weiß, außer, dass er die Weltherrschaft (was
sonst?)und meine Heldin will. Ja, und dann wäre da noch Legolas, der in
Lórien sitzt und auf seinen Einsatz wartet. Ich könnte ihn beamen. Mhm.
Vielleicht mach ich aus dem ganzen ein Cross- over mit Star Trek. Wär doch
was, oder? ;-)
"Das Mädchen scheint ihm am Herzen zu liegen".
"Du bemerkst aber auch alles", spöttelte Haldir sarkastisch. Gimli spuckte auf die Schneide seiner Axt und polierte diese zum nun x- ten Male mit einem alten Stofflappen. Dabei ging er äußerst sorgfältig vor, achtete darauf, dass jeder noch so kleiner Blutfleck oder Schmutzpartikel darauf restlos eliminiert wurde, wobei er eine einzige Stelle wenn nötig Dutzende Male bearbeitete. Haldir schmunzelte und schüttelte innerlich den Kopf über die Zwerge, die kein Auge für die Schönheit der Natur hatten aber etwas so Banalem wie einer Axt soviel Fürsorge entgegenbrachten.
Doch der Zwerg schien seine spitze Bemerkung überhört zu haben, vermutlich absichtlich, denn er murmelte kopfschüttelnd weiter: "Er wird sich doch nicht ausgerechnet in eine Sterbliche vernarrt haben? Noch dazu in eine so schwierige."
Haldir antwortete nicht, sondern sah stattdessen besorgt zu Legolas und Aragorn hinüber, die in einer leisen, aber offensichtlich heftigen Debatte steckten. Aragorn stand ruhig vor dem Kamin im Versammlungssaal, während der Elbenprinz nervös hinter ihm auf- und abging und heftig mit den Händen gestikulierte.
Haldir konnte Gimlis Bedenken nur zu gut verstehen. Sich in eine zerbrechliche Sterbliche mit zwei Persönlichkeiten, unkontrollierbaren magischen Fähigkeiten und dem Temperament eines Kindes zu verlieben....und noch dazu ein Elb vom reinen Blut zu sein, dessen Unsterblichkeit nicht aufzuheben war.....er hätte nie gedacht, dass er das einmal von sich behaupten würde, aber: In der Haut seines Freundes wollte er, zumindest in diesem Moment, nicht stecken.
Auch er hatte diese unscheinbare Sterbliche ins Herz geschlossen, viel schneller als es seine Art war, und auch von Aragorn, Galadriel, Céleborn und den Bewohnern Lóriens, die sie kannten, konnte man dies behaupten. Außer Arwen vielleicht hatten sie alle liebgewonnen, aber man konnte es ja nicht allen Recht machen. Arwen....Haldir runzelte besorgt die Stirn. Die Königin lag seit gestern in den Wehen. Hoffentlich würde die Geburt ohne Komplikationen ablaufen.
Aragorn hatte die vergangenen Stunden an ihrer Seite verbracht, bis dass ihn die elbischen Hebammen hinausgeschickt hatten. Er sah blass und geschwächt aus, und man konnte ihm seine Sorge um das ungeborene Kind im Gesicht ablesen.
"Aber es muss doch IRGENDETWAS geben das wir unternehmen können!", platzte es plötzlich aus Legolas heraus und erst als betretenes Schweigen in Raum einkehrte begriff er, dass er geschrieen hatte.
Haldir und Gimli sahen überrascht von ihren Waffen auf und einander erstaunt an. Legolas schien sich nicht ganz unter Kontrolle zu haben! Gimli hatte nicht damit gerechnet so etwas noch zu seinen Lebzeiten erleben zu dürfen. Seltsamerweise beunruhigte ihn dieser aus der Fassung geratene Legolas äußerst, anstatt ihn zu belustigen. Dasselbe traf auch auf Haldir zu.
"Denkst du denn, wir unternähmen nicht schon alles in unserer Macht stehende?" Aragorns Stimme war leise, doch wäre er nicht so erschöpft gewesen, hätte er gebrüllt wie Legolas. Genas Verschwinden, der Angriff der Orks, und die bevorstehende Geburt seines und Arwens Kindes, all diese Ereignisse zehrten ebenso sehr an seinen Nerven wie an denen seines elbischen Freundes, wenn nicht noch mehr. Denn schließlich war er der König Gondors, und selbst hier in Lórien erwarteten die Leute weise Entschlüsse und einen kühlen Kopf von ihm.
Obgleich seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern war, zuckte Legolas wie unter Peitschenhieben zusammen.
Er starrte verschämt zu Boden und fragte sich, was in ihn gefahren war. "Amin hiraetha, Aragorn", entschuldigte er sich und blieb endlich stehen. Der König winkte ab und seufzte. Es war, als entwiche der letzte Rest seiner Kraft aus ihm. "Ich bin dir nicht böse, mein Freund", verzieh er ihm und rang sich ein verständnisvolles Lächeln ab, "bei Sonnenuntergang findet eine große Zusammenkunft statt. Bis dahin musst du dich gedulden. Es wäre dreist, nun überstürzt zu handeln." Leiser, sodass es wirklich nur der Prinz hören konnte, fügte er hinzu: "Hab Geduld. Ich weiß, was in dir vorgeht."
Legolas nickte, doch Aragorns Antwort beruhigte ihn kein bisschen. Bis zum Sonnenuntergang waren es noch viele Stunden, in denen, bei Illuvatár, Undenkliches mit Gena geschehen mochte.......
* "Bitte! Tut mir das nicht an!"
Gena lockerte ihre Finger, bog und streckte sie und setzte erneut an. Mit aller Macht konzentrierte sie sich auf die Energie, die durch ihren Körper floss. Sie versuchte, sie zu bündeln und irgendwie dazu zu bringen, in ihre Finger zu fließen.
Sie spürte, wie sich diese tatsächlich etwas erwärmten, aber das war auch schon alles. Kein gleißender Blitz, der die Wand durchschlagen hätte, kein Weltentor, um sie hier raus zu befördern, nicht einmal ein mickriges Leuchten. Gena presste die Augenlider fest aufeinander, bis bunte Sterne auf ihrer Netzhaut tanzten, dann murmelte sie einige Zauberformeln- zumindest glaubte sie, dieselben Worte gesagt zu haben, als sie das letzte Mal ein Tor geöffnet hatte. Doch auch diese Mühe erwies sich als umsonst.
Fluchend ließ sie die Hände sinken und sah vorwurfsvoll auf ihre geröteten Finger hinab. Endlich kam ihr die Idee, nach Grennrey zu rufen, doch so sehr sie auch in sich hineinhorchte, fand sie kein Zeichen von der Hexe.
"Und ich dachte du wolltest mir helfen", murmelte sie nervös. Langsam aber sicher begann die Lage ernst zu werden. Wieder fiel ihr Blick zu der Pforte hin, die in die Dunkelheit führte. Ihr schauderte, als sie sich an ihren Fluchtversuch zurück erinnerte. Es war ein schreckliches Gefühl gewesen, als sie plötzlich gewusst hatte, dass sie am Rande eines bodenlosen Abgrunds stand...Gena brach ab und runzelte die Stirn. "Bodenloser Abgrund...", flüsterte sie. Woher kannte sie diese Worte? Ach ja... Reyfil hatte einmal davon gesprochen, als er ihr von der Ringgemeinschaft erzählt hatte. Die Mienen von Moria- ja, das war es gewesen. Als dieser Zauberer, Gandalf, in den Abgrund...einen bodenlosen Abgrund gestürzt war. Befand sie sich am Ende etwa...? Nein. Gena sah sich um. Dieser Saal hier hatte wirklich nichts von einer Miene an sich. Aber vielleicht war da draußen etwas....mit wenigen Schritten war sie bei dem Tor und streckte die Hände von sich. Jetzt musste es einfach funktionieren! "Grennrey, wo immer du auch bist, hilf mir. Wenigstens ein bisschen!" "Sie kann euch nicht helfen, selbst wenn sie es versuchen würde". Gena erschrak unsäglich, als sie die Stimmer vernahm, zumal sie eine ähnliche noch nie zuvor vernommen hatte..
Reflexartig wich sie von dem Tor zurück, denn die Stimme kam eindeutig aus der Dunkelheit dahinter. Aber das war doch unmöglich! Welches Geschöpf mochte dort draußen überleben? "Wer ist da?!", rief sie und hob die Arme kampfbereit vor sich. Eine hilf- und sinnlose Geste, die einzig und allein dazu diente, ihr etwas Mut zu geben. "Hat er euch hier eingesperrt? Er hat so selten Gäste hier unten, der letzte kam vor Äonen..." Diese Stimme! Sie klang schnatternd und krächzend, die Worte klangen sonderbar abgehackt und waren von so falscher Betonung, als wäre ihr Erzeuger der menschlichen Sprache nicht mächtig. "WER SPRICHT DA?", fragte Gena noch einmal lauter und versuchte weiter vergeblich, den Schleier der Dunkelheit vor dem Tor mit ihren Blicken zu durchbrechen. Ihre Stimme zitterte hörbar, was sie verärgerte. Sie würde diese Situation auch ohne Grennreys Hilfe meistern! Plötzlich, hoch über ihr, am oberen Rande des Durchganges, vernahm sie eine Bewegung, und im nächsten Augenblick glaubte sie den verschwommenen Umriss einer Hand dahinter zu erkennen.
"Wer bist du?!"
Die Antwort ließ auf sich warten und verwirrte sie mehr, als dass sie ihre Neugier gestillt hätte. "Euer ergebener Diener, Mylady". "Was soll das heißen?" Da, es war einer Hand nicht unähnlich, und doch war es keine...und dahinter...Gena war sich fast sicher, das Leuchten eines gelben Augenpaares gesehen zu haben. "Ihr erinnert euch nicht? Das triffst mich zutiefst, Lady Grennrey", antwortete die Stimme. "Woher kennst du diesen Namen? Und wer bist du?", schoss es aus Gena hervor, und sie wich automatisch einen weiteren Schritt zurück.
"Ihr erkennt meine Stimme nicht wieder? Na, vielleicht kann ich eurem Gedächtnis ein wenig nachhelfen, indem ich mich euch zeige".
*
"Ich weiß, was in dir vorgeht".
Legolas runzelte unwillig die Stirn, nahm einen Stein und schleuderte ihn auf die still daliegende Wasseroberfläche hinaus, bevor er in Gedanken versunken weiterging. Was Aragorn gesagt hatte, war keine gedankenlos dahergesagte Floskel gewesen, dazu kannte er seinen Freund zu gut. Und auch die Blicke der anderen waren ihm nicht entgangen, insbesondere der Galadriels. Er hatte schon oft erlebt, dass sie jemanden so angesehen hatte, das letzte Mal war es Frodo gewesen, als er gemeinsam mit ihm und den anderen Gefährten in Lórien geweilt hatte. Er war kein Narr und lange genug auf der Welt um zu wissen, was sich hinter diesen Blicken verbarg: Anteilnahme, Verständnis, Ermutigung- aber vor allen Dingen Mitleid.
Er schätzte es nicht, bemitleidet zu werden.
Gerade jetzt erreichten Gimli und die anderen mit ihrem Mitgefühl vermutlich genau das Gegenteil dessen, was sie wollten. Seine Freunde standen hinter ihm, aber anstatt neuen Mut aus dieser Tatsache zu schöpfen, ließ sie Legolas sich noch hilfloser vorkommen. Darum hatte er auch Galadriels Palast verlassen und war hierher an den Waldsee "geflüchtet", ohne sich wirklich dessen bewusst geworden zu sein. Erst als er vor jenem Felsen stand, auf dem er Gena damals sitzend vorgefunden hatte, hielt er an und sah sich um, als wäre er soeben aus einem Traum erwacht.
Der See war noch nicht zugefroren, obgleich seine Oberfläche silber- bläulich schimmerte wie frisches Eis und völlig glatt und unbewegt in der Landschaft lag. Die Sonne stand noch nicht hoch über den kahlen Baumwipfeln und war- wie nun schon seit Tagen- kraftlos und spendete schon lange nicht mehr ausreichend Licht, um Nacht und Nebel vollends aus dem grauen Wald zu vertreiben. Das traurige Bild, welches der Wald bot, spiegelte seinen eigenen Stimmung wieder. Den wenigsten war es aufgefallen, denn der Großteil von Lóriens Volk hatte sich in sein warmes Zuhause zurückgezogen, aber der Wald hatte sich mehr verändert, als der Wechsel der Jahreszeit es üblicherweise zur Folge hatte. Legolas wandte dem See den Rücken zu und sah erschaudernd zum Waldrand hin . Der Wald schien das ohnehin spärliche Sonnenlicht regelrecht in sich aufzusaugen, und man sah nur wenige Schritte weit zwischen den Bäumen hindurch, dahinter begann alles undeutlich und schwarz zu werden, sodass man das Gefühl hatte, Spinnen, Kobolde und anderes Ungetier würde dahinter auf einen lauern. Dieser Wald hatte mehr Ähnlichkeit mit dem Düsterwald als mit dem vielbesungenen goldenen Lórien!
Und das alles hatte an dem Tag begonnen, als Gena/Grennrey verschwunden war. Natürlich konnte das kein Zufall sein. Das brachte ihn wieder zu Gena zurück. Ohne es gemerkt zu haben, hatte er die ganze Zeit über den Felsen neben sich gestrichen. Fast erschrocken zog er die Hand zurück und starrte sie verständnislos an. Sollte er am Ende in sie verliebt sein? Natürlich war ihm der Gedanke schon öfter gekommen, aber er war ihm stets absurd erschienen.
Sein Herz an eine Sterbliche zu verlieren! Ja, natürlich gefiel sie ihm, die Art, wie sie sich bewegte, ihr Haar trug , ihre unerwarteten Temperamentsausbrüche, ihre Ehrlichkeit... eigentlich gefiel ihm ja alles an ihr, besonders ihre ungewöhnlich dunklen Augen, die ihn von dem Tag an fasziniert hatten, da er sie im Wald aufgelesen hatte. Er hätte nur zu gerne gewusst, wie sie gelebt hatte, dort, wo sie herkam.... . Aber Liebe? Eine gewisse Anziehung war zweifelsohne stets vorhanden gewesen.....Legolas stöhnte und lehnte sich gegen den Felsen. Verdammt, er war ein Elb und bei all den Göttern alt genug um sich über sein Gefühlsleben im Klaren zu sein!
Unruhig stand er wieder auf und kickte einen Stein ins Wasser. Er kam sich wie ein Narr vor, hier zu stehen und in Erinnerungen zu schwelgen, während dieser Wächter Gena womöglich die schlimmsten Grausamkeiten zufügte. Aber er konnte sich schlecht ein Pferd schnappen und alleine losreiten, ohne überhaupt zu wissen, wo er suchen sollte. Es fehlte jeglicher Anhaltspunkt für eine Suche, und er bezweifelte, dass irgendjemand in Lórien, es sei denn er wäre mit ungemeinem Wissen und hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet, einen solchen finden würde... . Drei Personen kamen ihn in den Sinn, auf die jene Bezeichnung zutreffen würde. Und seltsamerweise wusste Legolas im selben Moment, da er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, welche von den dreien er zu Rate würde. Mochten die anderen ruhig in ihren Zimmern sitzen bis die weiße Sonne hinter dem Horizont versank- er konnte nicht länger stillstehen und abwarten.
*
"DU?! Aber du bist doch...du bist..."- "...euer Diener, Mylady"- "Eine KRÄHE!", beendete Gena ihren Satz und starrte auf den schwarzen Vogel nieder als wäre er...na ja, eben das was er war: Ein sprechender Vogel.
"Das habt Ihr ganz richtig erkannt, Mylady. Nun, da ihr zu dieser wunderbaren Erkenntnis gekommen seid- könntet Ihr eure Lautstärke etwas drosseln? Er könnte sonst auf uns aufmerksam werden, und das wäre nicht so gut."
Gena gehorchte, aber bloß aus dem Grund, da sie ohnehin sprachlos war. Darum also diese seltsame Aussprache! Natürlich ließ es sich mit einem gebogenen Schnabel nicht so gut reden, und vermutlich waren auch die Stimmbänder des Tieres nicht für eine solche Verwendung geschaffen. Aber was wunderte sie sich? Sie befand sich hier in Mittelerde, das hatte sie wohl in den Stunden in diesem Glaskäfig vergessen, während sie darauf gewartet hatte, dass eine Armee Elben, Zwerge und Ritter durch ein Weltentor zu ihr kam, um sie aus den Klauen des dunklen Magiers zu befreien. Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass sie inzwischen Teil eines Märchens geworden war. Bloß, dass ein Happy - End nicht ganz so offensichtlich war wie in den Geschichten ihrer Heimat.
Endlich fand sie die Sprache wieder, mehr oder weniger.
"Wer....ich meine: Wieso..? Und wie...?"- "Ordnet eure Gedanken, dann sprecht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt", verlangte die Krähe höflich, dennoch mit einem leicht drängenden Unterton in der Stimme. Gena nickte, atmete tief durch und beruhigte sich somit ein wenig. Sie betrachtete die Krähe einige Sekunden, dann rief sie überrascht aus: "Dich kenn ich doch! Du hast mich ständig beobachtet, in meiner und in dieser Welt!" Sie hatte wohl zu laut geschrieen, denn das Tier schlug hastig mit den Flügeln und hopste gleichzeitig eine Winzigkeit zurück. "Oh, entschuldige", murmelte Gena und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern.
"Ihr meint vermutlich die Welt auf der anderen Seite des Tores?", krächzte der Vogel und legte den Kopf schräg, als Gena mit einem Nicken bestätigte. "Die kenne ich nur aus Geschichten, ich selbst war noch nie dort. Aber vermutlich hat er euch von meinen Artgenossen beschatten lassen". Der Vogel mochte recht haben, denn für Gena sahen diese Viecher alle gleich aus. Was sie wiederum misstrauisch stimmte. "Wer sagt mir, dass du nicht einer von seinen Spähern bist? Schließlich seid ihr Krähen ja bekannt für eure Falschheit und eure schwarzen Seelen!" "Streckt euren Arm aus!", verlangte das Tier und Gena folgte zögernd. Die Krähe breitete ihre beachtlichen Schwingen aus und ließ sich mit zwei kräftigen Schlägen auf ihrem Arm nieder. "Achas, die Botin der Angst ist zu euren Diensten", krächzte der Vogel. Es war also eine Krähenfrau.
Achas....
Gena runzelte die Stirn. "Ich glaube, ich erinnere mich an dich. Ich...Grennrey hat dir einst das Leben gerettet und dich aufgezogen. Doch wie bist du hierher gelangt?" "Auf einem sehr viel umständlicheren Wege als Ihr, Mylady", antwortete Achas, "auf einem Weg, den Ihr nur beschreiten könntet, wäret Ihr klein und hättet Flügel wie ich."
Gena war ein wenig enttäuscht, hatte aber mit einer Antwort wie dieser gerechnet. Es wäre ja auch zu leicht gewesen. Seufzend ließ sie sich zu Boden sinken und stellte Achas vor sich auf das Spiegelglas.
"Kannst du mir sagen, wo ich hier bin?" Sie sah sich bedeutend um. "Er hat eine Zeit lang hier gelebt, bevor es ihm zu begrenzt wurde und er an die Oberfläche zurückkehrte um nach Dienern und einer Hülle für sich zu suchen. Ihr kennt die Mienen Morias?" Gena nickte. "Sind sie es? Befinde ich mich irgendwo in den Mienen?" "Die Mienen befinden sich weit über euch", erstickte Achas auch diesen winzigen Hoffnungsschimmer im Keim, "so weit, dass der Weg zu den brennenden Feuern der Hölle in Schritten gemessen weit kürzer wäre."
Schön, dann war ihre Lage noch viel beklagenswerter als sie bisher befürchtet hatte. Gena blinzelte, als ihr etwas einfiel. "Was hattest du vorhin damit gemeint, dass Grennrey kein Tor öffnen könnte, selbst wenn sie es versuchte?" "Damit meinte ich, dass eure Magie hier unten zu schwach ist." "Er hat sie also gebannt?" Achas krächzte etwas in der Sprache ihres Volkes, bevor sie antwortete: "Ihr scheint viel von eurem einstigen Wissen eingebüßt zu haben in diesem sterblichen Körper. Es benötigt keinen starken Zauber, um eure Kräfte in den Tiefen der Dunkelheit zu lähmen. Alles, was er tun musste war, euch weit genug von dem goldenen Wald fortzuschaffen." Gena brauchte fast eine geschlagene Minute, um aus Achas' Worten schlau zu werden. Denn wenn das was sie sagte stimmte, warum hatte sie hellsehen und kämpfen können, als sie noch in ihrer Welt gewesen war? Sie konnte sich keinen Ort vorstellen, der weiter von Mittelerde entfernt sein sollte als ihre Heimat. Die Krähe schien mit ihren unheimlichen gelben Augen in ihren Kopf geblickt zu haben, als sie weitersprach: "Eure Welt ist der unseren näher, als ihr ahnt, Mylady. Viel näher. Darüber hinaus braucht Ihr Unmengen an Energie um ein Weltentor zu öffnen. Doch nun lasst uns lieber darüber sprechen, wie wir euch hier rausschaffen wollen." Gena zog eine Augenbraue hoch. "Wir? Du willst mir also helfen?" "So wie Ihr einst mir geholfen habt. Ich stehe noch immer tief in eurer Schuld. Ihr traut mir doch?" "Wen meinst du eigentlich, wenn du er sagst?", fragte Gena hastig und ließ die Frage damit unbeantwortet.
"Er ist so alt wie die Welt selbst und vielleicht noch viel, viel älter...doch, wenn ich ehrlich bin, weiß ich selbst nicht so genau, was er ist, und woher er kam. "
Nicht zum ersten Mal glaubte Gena tief in sich die Antwort auf genau diese Fragen zu kennen. Wäre es nicht ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ihr wäre in diesem Moment ein passender Name für ihn eingefallen....Aber es musste eine andere Erklärung geben.
So oder so, um etwas zu unternehmen, musste sie erst einmal hier rauskommen.
Mit erhobener Stimme befahl sie: "Dann...flieg nach Lórien und sag ihnen, wo ich bin und dass es mir gut geht, und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen." Gena brach ab. Es würde lächerlich klingen, wenn die Krähe ihnen diese Nachricht überbrachte. Natürlich würden sich die anderen Sorgen machen! "Sage ihnen, dass sie nichts unternehmen sollen, außer ich lasse sie Gegenteiliges wissen. Erzähle ihnen alles, was du über den Wächter weißt. Wenn sie fragen, warum er mich festhält, sag, du wüsstest es nicht..." -Dieses würde der Krähe nicht schwer fallen, da sie es ja tatsächlich nicht wusste- "... es würde sie nur unnötig sorgen und änderte nichts an der Situation." "Wie Ihr wünscht, Herrin", krächzte Achas und schwang sich in die Luft. Doch bevor sie davonfliegen konnte, hielt sie Gena noch einmal zurück. "Sag Legolas, dass es mir Leid tut, ihm soviel Kummer bereitet zu haben", fügte sie schweren Herzens hinzu und für ihren Geschmack hörte es sich zu sehr nach einen Abschied für immer an. Tränen stiegen in ihren Augen auf, doch sie blinzelte sie hastig fort. Achas krächzte, ein Zeichen sie verstanden hatte und flog aus dem Tor. Gena zuckte wie unter einem Hieb zusammen und stürzte zu der Pforte hin. "Achas- warum nennst du dich die Botin der Angst?!", rief sie ihr hinterher.
"Weil die Empfänger meiner Nachrichten meist in Angst und Schrecken versetzt werden! Das wisst Ihr doch, Mylady!", hörte sie Achas' Stimme zwischen ihren Flügelschlägen hindurch sagen, und Gena war sich nicht sicher, ob der Laut, der ihren Worten folgte, ein schadenfrohes, verklingendes Lachen in der Ferne oder bloß eine Einbildung ihrer Fantasie war.
Aber wie auch immer- nun würden die anderen wenigstens wissen, wie es um sie stand. ......................
Wenn euch dieser ständige Wechsel Gena/Legolas/Gena. nicht gefällt, dann sagt es. Mir fällt es so jedenfalls leichter, den Überblick zu bewahren. Die Geschehnisse laufen immer etwa zeitgleich ab, sodass keine Fehler in der Zeit entstehen.
"Das Mädchen scheint ihm am Herzen zu liegen".
"Du bemerkst aber auch alles", spöttelte Haldir sarkastisch. Gimli spuckte auf die Schneide seiner Axt und polierte diese zum nun x- ten Male mit einem alten Stofflappen. Dabei ging er äußerst sorgfältig vor, achtete darauf, dass jeder noch so kleiner Blutfleck oder Schmutzpartikel darauf restlos eliminiert wurde, wobei er eine einzige Stelle wenn nötig Dutzende Male bearbeitete. Haldir schmunzelte und schüttelte innerlich den Kopf über die Zwerge, die kein Auge für die Schönheit der Natur hatten aber etwas so Banalem wie einer Axt soviel Fürsorge entgegenbrachten.
Doch der Zwerg schien seine spitze Bemerkung überhört zu haben, vermutlich absichtlich, denn er murmelte kopfschüttelnd weiter: "Er wird sich doch nicht ausgerechnet in eine Sterbliche vernarrt haben? Noch dazu in eine so schwierige."
Haldir antwortete nicht, sondern sah stattdessen besorgt zu Legolas und Aragorn hinüber, die in einer leisen, aber offensichtlich heftigen Debatte steckten. Aragorn stand ruhig vor dem Kamin im Versammlungssaal, während der Elbenprinz nervös hinter ihm auf- und abging und heftig mit den Händen gestikulierte.
Haldir konnte Gimlis Bedenken nur zu gut verstehen. Sich in eine zerbrechliche Sterbliche mit zwei Persönlichkeiten, unkontrollierbaren magischen Fähigkeiten und dem Temperament eines Kindes zu verlieben....und noch dazu ein Elb vom reinen Blut zu sein, dessen Unsterblichkeit nicht aufzuheben war.....er hätte nie gedacht, dass er das einmal von sich behaupten würde, aber: In der Haut seines Freundes wollte er, zumindest in diesem Moment, nicht stecken.
Auch er hatte diese unscheinbare Sterbliche ins Herz geschlossen, viel schneller als es seine Art war, und auch von Aragorn, Galadriel, Céleborn und den Bewohnern Lóriens, die sie kannten, konnte man dies behaupten. Außer Arwen vielleicht hatten sie alle liebgewonnen, aber man konnte es ja nicht allen Recht machen. Arwen....Haldir runzelte besorgt die Stirn. Die Königin lag seit gestern in den Wehen. Hoffentlich würde die Geburt ohne Komplikationen ablaufen.
Aragorn hatte die vergangenen Stunden an ihrer Seite verbracht, bis dass ihn die elbischen Hebammen hinausgeschickt hatten. Er sah blass und geschwächt aus, und man konnte ihm seine Sorge um das ungeborene Kind im Gesicht ablesen.
"Aber es muss doch IRGENDETWAS geben das wir unternehmen können!", platzte es plötzlich aus Legolas heraus und erst als betretenes Schweigen in Raum einkehrte begriff er, dass er geschrieen hatte.
Haldir und Gimli sahen überrascht von ihren Waffen auf und einander erstaunt an. Legolas schien sich nicht ganz unter Kontrolle zu haben! Gimli hatte nicht damit gerechnet so etwas noch zu seinen Lebzeiten erleben zu dürfen. Seltsamerweise beunruhigte ihn dieser aus der Fassung geratene Legolas äußerst, anstatt ihn zu belustigen. Dasselbe traf auch auf Haldir zu.
"Denkst du denn, wir unternähmen nicht schon alles in unserer Macht stehende?" Aragorns Stimme war leise, doch wäre er nicht so erschöpft gewesen, hätte er gebrüllt wie Legolas. Genas Verschwinden, der Angriff der Orks, und die bevorstehende Geburt seines und Arwens Kindes, all diese Ereignisse zehrten ebenso sehr an seinen Nerven wie an denen seines elbischen Freundes, wenn nicht noch mehr. Denn schließlich war er der König Gondors, und selbst hier in Lórien erwarteten die Leute weise Entschlüsse und einen kühlen Kopf von ihm.
Obgleich seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern war, zuckte Legolas wie unter Peitschenhieben zusammen.
Er starrte verschämt zu Boden und fragte sich, was in ihn gefahren war. "Amin hiraetha, Aragorn", entschuldigte er sich und blieb endlich stehen. Der König winkte ab und seufzte. Es war, als entwiche der letzte Rest seiner Kraft aus ihm. "Ich bin dir nicht böse, mein Freund", verzieh er ihm und rang sich ein verständnisvolles Lächeln ab, "bei Sonnenuntergang findet eine große Zusammenkunft statt. Bis dahin musst du dich gedulden. Es wäre dreist, nun überstürzt zu handeln." Leiser, sodass es wirklich nur der Prinz hören konnte, fügte er hinzu: "Hab Geduld. Ich weiß, was in dir vorgeht."
Legolas nickte, doch Aragorns Antwort beruhigte ihn kein bisschen. Bis zum Sonnenuntergang waren es noch viele Stunden, in denen, bei Illuvatár, Undenkliches mit Gena geschehen mochte.......
* "Bitte! Tut mir das nicht an!"
Gena lockerte ihre Finger, bog und streckte sie und setzte erneut an. Mit aller Macht konzentrierte sie sich auf die Energie, die durch ihren Körper floss. Sie versuchte, sie zu bündeln und irgendwie dazu zu bringen, in ihre Finger zu fließen.
Sie spürte, wie sich diese tatsächlich etwas erwärmten, aber das war auch schon alles. Kein gleißender Blitz, der die Wand durchschlagen hätte, kein Weltentor, um sie hier raus zu befördern, nicht einmal ein mickriges Leuchten. Gena presste die Augenlider fest aufeinander, bis bunte Sterne auf ihrer Netzhaut tanzten, dann murmelte sie einige Zauberformeln- zumindest glaubte sie, dieselben Worte gesagt zu haben, als sie das letzte Mal ein Tor geöffnet hatte. Doch auch diese Mühe erwies sich als umsonst.
Fluchend ließ sie die Hände sinken und sah vorwurfsvoll auf ihre geröteten Finger hinab. Endlich kam ihr die Idee, nach Grennrey zu rufen, doch so sehr sie auch in sich hineinhorchte, fand sie kein Zeichen von der Hexe.
"Und ich dachte du wolltest mir helfen", murmelte sie nervös. Langsam aber sicher begann die Lage ernst zu werden. Wieder fiel ihr Blick zu der Pforte hin, die in die Dunkelheit führte. Ihr schauderte, als sie sich an ihren Fluchtversuch zurück erinnerte. Es war ein schreckliches Gefühl gewesen, als sie plötzlich gewusst hatte, dass sie am Rande eines bodenlosen Abgrunds stand...Gena brach ab und runzelte die Stirn. "Bodenloser Abgrund...", flüsterte sie. Woher kannte sie diese Worte? Ach ja... Reyfil hatte einmal davon gesprochen, als er ihr von der Ringgemeinschaft erzählt hatte. Die Mienen von Moria- ja, das war es gewesen. Als dieser Zauberer, Gandalf, in den Abgrund...einen bodenlosen Abgrund gestürzt war. Befand sie sich am Ende etwa...? Nein. Gena sah sich um. Dieser Saal hier hatte wirklich nichts von einer Miene an sich. Aber vielleicht war da draußen etwas....mit wenigen Schritten war sie bei dem Tor und streckte die Hände von sich. Jetzt musste es einfach funktionieren! "Grennrey, wo immer du auch bist, hilf mir. Wenigstens ein bisschen!" "Sie kann euch nicht helfen, selbst wenn sie es versuchen würde". Gena erschrak unsäglich, als sie die Stimmer vernahm, zumal sie eine ähnliche noch nie zuvor vernommen hatte..
Reflexartig wich sie von dem Tor zurück, denn die Stimme kam eindeutig aus der Dunkelheit dahinter. Aber das war doch unmöglich! Welches Geschöpf mochte dort draußen überleben? "Wer ist da?!", rief sie und hob die Arme kampfbereit vor sich. Eine hilf- und sinnlose Geste, die einzig und allein dazu diente, ihr etwas Mut zu geben. "Hat er euch hier eingesperrt? Er hat so selten Gäste hier unten, der letzte kam vor Äonen..." Diese Stimme! Sie klang schnatternd und krächzend, die Worte klangen sonderbar abgehackt und waren von so falscher Betonung, als wäre ihr Erzeuger der menschlichen Sprache nicht mächtig. "WER SPRICHT DA?", fragte Gena noch einmal lauter und versuchte weiter vergeblich, den Schleier der Dunkelheit vor dem Tor mit ihren Blicken zu durchbrechen. Ihre Stimme zitterte hörbar, was sie verärgerte. Sie würde diese Situation auch ohne Grennreys Hilfe meistern! Plötzlich, hoch über ihr, am oberen Rande des Durchganges, vernahm sie eine Bewegung, und im nächsten Augenblick glaubte sie den verschwommenen Umriss einer Hand dahinter zu erkennen.
"Wer bist du?!"
Die Antwort ließ auf sich warten und verwirrte sie mehr, als dass sie ihre Neugier gestillt hätte. "Euer ergebener Diener, Mylady". "Was soll das heißen?" Da, es war einer Hand nicht unähnlich, und doch war es keine...und dahinter...Gena war sich fast sicher, das Leuchten eines gelben Augenpaares gesehen zu haben. "Ihr erinnert euch nicht? Das triffst mich zutiefst, Lady Grennrey", antwortete die Stimme. "Woher kennst du diesen Namen? Und wer bist du?", schoss es aus Gena hervor, und sie wich automatisch einen weiteren Schritt zurück.
"Ihr erkennt meine Stimme nicht wieder? Na, vielleicht kann ich eurem Gedächtnis ein wenig nachhelfen, indem ich mich euch zeige".
*
"Ich weiß, was in dir vorgeht".
Legolas runzelte unwillig die Stirn, nahm einen Stein und schleuderte ihn auf die still daliegende Wasseroberfläche hinaus, bevor er in Gedanken versunken weiterging. Was Aragorn gesagt hatte, war keine gedankenlos dahergesagte Floskel gewesen, dazu kannte er seinen Freund zu gut. Und auch die Blicke der anderen waren ihm nicht entgangen, insbesondere der Galadriels. Er hatte schon oft erlebt, dass sie jemanden so angesehen hatte, das letzte Mal war es Frodo gewesen, als er gemeinsam mit ihm und den anderen Gefährten in Lórien geweilt hatte. Er war kein Narr und lange genug auf der Welt um zu wissen, was sich hinter diesen Blicken verbarg: Anteilnahme, Verständnis, Ermutigung- aber vor allen Dingen Mitleid.
Er schätzte es nicht, bemitleidet zu werden.
Gerade jetzt erreichten Gimli und die anderen mit ihrem Mitgefühl vermutlich genau das Gegenteil dessen, was sie wollten. Seine Freunde standen hinter ihm, aber anstatt neuen Mut aus dieser Tatsache zu schöpfen, ließ sie Legolas sich noch hilfloser vorkommen. Darum hatte er auch Galadriels Palast verlassen und war hierher an den Waldsee "geflüchtet", ohne sich wirklich dessen bewusst geworden zu sein. Erst als er vor jenem Felsen stand, auf dem er Gena damals sitzend vorgefunden hatte, hielt er an und sah sich um, als wäre er soeben aus einem Traum erwacht.
Der See war noch nicht zugefroren, obgleich seine Oberfläche silber- bläulich schimmerte wie frisches Eis und völlig glatt und unbewegt in der Landschaft lag. Die Sonne stand noch nicht hoch über den kahlen Baumwipfeln und war- wie nun schon seit Tagen- kraftlos und spendete schon lange nicht mehr ausreichend Licht, um Nacht und Nebel vollends aus dem grauen Wald zu vertreiben. Das traurige Bild, welches der Wald bot, spiegelte seinen eigenen Stimmung wieder. Den wenigsten war es aufgefallen, denn der Großteil von Lóriens Volk hatte sich in sein warmes Zuhause zurückgezogen, aber der Wald hatte sich mehr verändert, als der Wechsel der Jahreszeit es üblicherweise zur Folge hatte. Legolas wandte dem See den Rücken zu und sah erschaudernd zum Waldrand hin . Der Wald schien das ohnehin spärliche Sonnenlicht regelrecht in sich aufzusaugen, und man sah nur wenige Schritte weit zwischen den Bäumen hindurch, dahinter begann alles undeutlich und schwarz zu werden, sodass man das Gefühl hatte, Spinnen, Kobolde und anderes Ungetier würde dahinter auf einen lauern. Dieser Wald hatte mehr Ähnlichkeit mit dem Düsterwald als mit dem vielbesungenen goldenen Lórien!
Und das alles hatte an dem Tag begonnen, als Gena/Grennrey verschwunden war. Natürlich konnte das kein Zufall sein. Das brachte ihn wieder zu Gena zurück. Ohne es gemerkt zu haben, hatte er die ganze Zeit über den Felsen neben sich gestrichen. Fast erschrocken zog er die Hand zurück und starrte sie verständnislos an. Sollte er am Ende in sie verliebt sein? Natürlich war ihm der Gedanke schon öfter gekommen, aber er war ihm stets absurd erschienen.
Sein Herz an eine Sterbliche zu verlieren! Ja, natürlich gefiel sie ihm, die Art, wie sie sich bewegte, ihr Haar trug , ihre unerwarteten Temperamentsausbrüche, ihre Ehrlichkeit... eigentlich gefiel ihm ja alles an ihr, besonders ihre ungewöhnlich dunklen Augen, die ihn von dem Tag an fasziniert hatten, da er sie im Wald aufgelesen hatte. Er hätte nur zu gerne gewusst, wie sie gelebt hatte, dort, wo sie herkam.... . Aber Liebe? Eine gewisse Anziehung war zweifelsohne stets vorhanden gewesen.....Legolas stöhnte und lehnte sich gegen den Felsen. Verdammt, er war ein Elb und bei all den Göttern alt genug um sich über sein Gefühlsleben im Klaren zu sein!
Unruhig stand er wieder auf und kickte einen Stein ins Wasser. Er kam sich wie ein Narr vor, hier zu stehen und in Erinnerungen zu schwelgen, während dieser Wächter Gena womöglich die schlimmsten Grausamkeiten zufügte. Aber er konnte sich schlecht ein Pferd schnappen und alleine losreiten, ohne überhaupt zu wissen, wo er suchen sollte. Es fehlte jeglicher Anhaltspunkt für eine Suche, und er bezweifelte, dass irgendjemand in Lórien, es sei denn er wäre mit ungemeinem Wissen und hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet, einen solchen finden würde... . Drei Personen kamen ihn in den Sinn, auf die jene Bezeichnung zutreffen würde. Und seltsamerweise wusste Legolas im selben Moment, da er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, welche von den dreien er zu Rate würde. Mochten die anderen ruhig in ihren Zimmern sitzen bis die weiße Sonne hinter dem Horizont versank- er konnte nicht länger stillstehen und abwarten.
*
"DU?! Aber du bist doch...du bist..."- "...euer Diener, Mylady"- "Eine KRÄHE!", beendete Gena ihren Satz und starrte auf den schwarzen Vogel nieder als wäre er...na ja, eben das was er war: Ein sprechender Vogel.
"Das habt Ihr ganz richtig erkannt, Mylady. Nun, da ihr zu dieser wunderbaren Erkenntnis gekommen seid- könntet Ihr eure Lautstärke etwas drosseln? Er könnte sonst auf uns aufmerksam werden, und das wäre nicht so gut."
Gena gehorchte, aber bloß aus dem Grund, da sie ohnehin sprachlos war. Darum also diese seltsame Aussprache! Natürlich ließ es sich mit einem gebogenen Schnabel nicht so gut reden, und vermutlich waren auch die Stimmbänder des Tieres nicht für eine solche Verwendung geschaffen. Aber was wunderte sie sich? Sie befand sich hier in Mittelerde, das hatte sie wohl in den Stunden in diesem Glaskäfig vergessen, während sie darauf gewartet hatte, dass eine Armee Elben, Zwerge und Ritter durch ein Weltentor zu ihr kam, um sie aus den Klauen des dunklen Magiers zu befreien. Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass sie inzwischen Teil eines Märchens geworden war. Bloß, dass ein Happy - End nicht ganz so offensichtlich war wie in den Geschichten ihrer Heimat.
Endlich fand sie die Sprache wieder, mehr oder weniger.
"Wer....ich meine: Wieso..? Und wie...?"- "Ordnet eure Gedanken, dann sprecht. Ich weiß nicht, wie viel Zeit uns bleibt", verlangte die Krähe höflich, dennoch mit einem leicht drängenden Unterton in der Stimme. Gena nickte, atmete tief durch und beruhigte sich somit ein wenig. Sie betrachtete die Krähe einige Sekunden, dann rief sie überrascht aus: "Dich kenn ich doch! Du hast mich ständig beobachtet, in meiner und in dieser Welt!" Sie hatte wohl zu laut geschrieen, denn das Tier schlug hastig mit den Flügeln und hopste gleichzeitig eine Winzigkeit zurück. "Oh, entschuldige", murmelte Gena und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern.
"Ihr meint vermutlich die Welt auf der anderen Seite des Tores?", krächzte der Vogel und legte den Kopf schräg, als Gena mit einem Nicken bestätigte. "Die kenne ich nur aus Geschichten, ich selbst war noch nie dort. Aber vermutlich hat er euch von meinen Artgenossen beschatten lassen". Der Vogel mochte recht haben, denn für Gena sahen diese Viecher alle gleich aus. Was sie wiederum misstrauisch stimmte. "Wer sagt mir, dass du nicht einer von seinen Spähern bist? Schließlich seid ihr Krähen ja bekannt für eure Falschheit und eure schwarzen Seelen!" "Streckt euren Arm aus!", verlangte das Tier und Gena folgte zögernd. Die Krähe breitete ihre beachtlichen Schwingen aus und ließ sich mit zwei kräftigen Schlägen auf ihrem Arm nieder. "Achas, die Botin der Angst ist zu euren Diensten", krächzte der Vogel. Es war also eine Krähenfrau.
Achas....
Gena runzelte die Stirn. "Ich glaube, ich erinnere mich an dich. Ich...Grennrey hat dir einst das Leben gerettet und dich aufgezogen. Doch wie bist du hierher gelangt?" "Auf einem sehr viel umständlicheren Wege als Ihr, Mylady", antwortete Achas, "auf einem Weg, den Ihr nur beschreiten könntet, wäret Ihr klein und hättet Flügel wie ich."
Gena war ein wenig enttäuscht, hatte aber mit einer Antwort wie dieser gerechnet. Es wäre ja auch zu leicht gewesen. Seufzend ließ sie sich zu Boden sinken und stellte Achas vor sich auf das Spiegelglas.
"Kannst du mir sagen, wo ich hier bin?" Sie sah sich bedeutend um. "Er hat eine Zeit lang hier gelebt, bevor es ihm zu begrenzt wurde und er an die Oberfläche zurückkehrte um nach Dienern und einer Hülle für sich zu suchen. Ihr kennt die Mienen Morias?" Gena nickte. "Sind sie es? Befinde ich mich irgendwo in den Mienen?" "Die Mienen befinden sich weit über euch", erstickte Achas auch diesen winzigen Hoffnungsschimmer im Keim, "so weit, dass der Weg zu den brennenden Feuern der Hölle in Schritten gemessen weit kürzer wäre."
Schön, dann war ihre Lage noch viel beklagenswerter als sie bisher befürchtet hatte. Gena blinzelte, als ihr etwas einfiel. "Was hattest du vorhin damit gemeint, dass Grennrey kein Tor öffnen könnte, selbst wenn sie es versuchte?" "Damit meinte ich, dass eure Magie hier unten zu schwach ist." "Er hat sie also gebannt?" Achas krächzte etwas in der Sprache ihres Volkes, bevor sie antwortete: "Ihr scheint viel von eurem einstigen Wissen eingebüßt zu haben in diesem sterblichen Körper. Es benötigt keinen starken Zauber, um eure Kräfte in den Tiefen der Dunkelheit zu lähmen. Alles, was er tun musste war, euch weit genug von dem goldenen Wald fortzuschaffen." Gena brauchte fast eine geschlagene Minute, um aus Achas' Worten schlau zu werden. Denn wenn das was sie sagte stimmte, warum hatte sie hellsehen und kämpfen können, als sie noch in ihrer Welt gewesen war? Sie konnte sich keinen Ort vorstellen, der weiter von Mittelerde entfernt sein sollte als ihre Heimat. Die Krähe schien mit ihren unheimlichen gelben Augen in ihren Kopf geblickt zu haben, als sie weitersprach: "Eure Welt ist der unseren näher, als ihr ahnt, Mylady. Viel näher. Darüber hinaus braucht Ihr Unmengen an Energie um ein Weltentor zu öffnen. Doch nun lasst uns lieber darüber sprechen, wie wir euch hier rausschaffen wollen." Gena zog eine Augenbraue hoch. "Wir? Du willst mir also helfen?" "So wie Ihr einst mir geholfen habt. Ich stehe noch immer tief in eurer Schuld. Ihr traut mir doch?" "Wen meinst du eigentlich, wenn du er sagst?", fragte Gena hastig und ließ die Frage damit unbeantwortet.
"Er ist so alt wie die Welt selbst und vielleicht noch viel, viel älter...doch, wenn ich ehrlich bin, weiß ich selbst nicht so genau, was er ist, und woher er kam. "
Nicht zum ersten Mal glaubte Gena tief in sich die Antwort auf genau diese Fragen zu kennen. Wäre es nicht ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, ihr wäre in diesem Moment ein passender Name für ihn eingefallen....Aber es musste eine andere Erklärung geben.
So oder so, um etwas zu unternehmen, musste sie erst einmal hier rauskommen.
Mit erhobener Stimme befahl sie: "Dann...flieg nach Lórien und sag ihnen, wo ich bin und dass es mir gut geht, und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen." Gena brach ab. Es würde lächerlich klingen, wenn die Krähe ihnen diese Nachricht überbrachte. Natürlich würden sich die anderen Sorgen machen! "Sage ihnen, dass sie nichts unternehmen sollen, außer ich lasse sie Gegenteiliges wissen. Erzähle ihnen alles, was du über den Wächter weißt. Wenn sie fragen, warum er mich festhält, sag, du wüsstest es nicht..." -Dieses würde der Krähe nicht schwer fallen, da sie es ja tatsächlich nicht wusste- "... es würde sie nur unnötig sorgen und änderte nichts an der Situation." "Wie Ihr wünscht, Herrin", krächzte Achas und schwang sich in die Luft. Doch bevor sie davonfliegen konnte, hielt sie Gena noch einmal zurück. "Sag Legolas, dass es mir Leid tut, ihm soviel Kummer bereitet zu haben", fügte sie schweren Herzens hinzu und für ihren Geschmack hörte es sich zu sehr nach einen Abschied für immer an. Tränen stiegen in ihren Augen auf, doch sie blinzelte sie hastig fort. Achas krächzte, ein Zeichen sie verstanden hatte und flog aus dem Tor. Gena zuckte wie unter einem Hieb zusammen und stürzte zu der Pforte hin. "Achas- warum nennst du dich die Botin der Angst?!", rief sie ihr hinterher.
"Weil die Empfänger meiner Nachrichten meist in Angst und Schrecken versetzt werden! Das wisst Ihr doch, Mylady!", hörte sie Achas' Stimme zwischen ihren Flügelschlägen hindurch sagen, und Gena war sich nicht sicher, ob der Laut, der ihren Worten folgte, ein schadenfrohes, verklingendes Lachen in der Ferne oder bloß eine Einbildung ihrer Fantasie war.
Aber wie auch immer- nun würden die anderen wenigstens wissen, wie es um sie stand. ......................
Wenn euch dieser ständige Wechsel Gena/Legolas/Gena. nicht gefällt, dann sagt es. Mir fällt es so jedenfalls leichter, den Überblick zu bewahren. Die Geschehnisse laufen immer etwa zeitgleich ab, sodass keine Fehler in der Zeit entstehen.
