Anmerkungen: Danke für die eine Review (ich hasse diese Wort), sie hat mir viel bedeutet.

Urheberrechte: „One of these mornings" ist von Moby.

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Leere 

One of these mornings
won't be very long
you will look for me
and I'll be gone

Vielleicht sollte ich aufstehen und diese Lampe endlich ausstellen, damit ich hier im Dunkeln sitzen kann. Vielleicht sollte ich nach Hause fahren und mich in mein Bett fallen lassen. Vielleicht sollte ich aber auch einfach hier sitzen bleiben und weiter auf das Mikroskop starren. Ich weiß nicht, wie lange ich das eigentlich schon tue. Ich sollte diese Probe schon längst untersucht haben. Stattdessen sitze ich auf diesem Drehstuhl und bewege mich nicht, starre einfach weiter auf das graue Mikroskop auf dem Tisch vor mir. Tut man so etwas normalerweise? Sollte ich nicht völlig aufgelöst durch die Gegend rennen, jemanden anschreien oder zumindest weinen? Nicht einmal das tue ich, stattdessen fühle ich mich leer. Bedeutet das jetzt, dass mir das Ganze egal ist? Das ist es nicht. Aber wieso fühle ich dann nichts? Die Tür geht auf. Ich will mich nicht umdrehen, ich will niemanden sehen, ich will mit niemanden reden. „Oh, Sara. Was machst du hier so im Halbdunkeln? Schwarze Messen abhalten?" Greg, anscheinend versucht er gerade mal wieder lustig zu sein, es misslingt ihm gründlich. Normalerweise würde ich ihm jetzt antworten, irgendetwas, nur damit er damit aufhört. Aber ich starre weiter vor mich hin. „Hallo?" Er macht ein paar unsichere Schritte auf mich zu. „Jemand zuhause?" Jetzt fuchtelt er auch noch mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. Ich bekomme langsam Kopfschmerzen. Kann er nicht einfach verschwinden? Ich stehe auf, Greg macht verwundert einen Schritt zurück. „Sag mal, warum seid ihr alle auf einmal so komisch drauf? Cath hat mich vorhin auch im Flur stehen lassen." Ich sehe ihn an, auf einmal wirkt er beinahe niedlich, so verwirrt. Er weiß es also noch nicht, vielleicht sollte ich es ihm sagen, schließlich hat er sich mit Nick auf seine eigene, verquere Art und Weise gut verstanden. Aber ich bin verdammt schlecht in solchen Dingen. Wahrscheinlich ist das jeder. Ich könnte ihn auch einfach hier stehen lassen und sich weiter fragen lassen, was wohl passiert ist. Aber das wäre nicht fair. „Nick ist tot", sage ich leise und gehe an ihm vorbei, ich möchte von ihm keine Fragen hören, die ich nicht beantworten kann. Ich laufe durch den Flur, das Licht flackert, die Tür zum Parkplatz ist nur angelehnt, der Wind bewegt sie, auf, zu, auf, zu. Ich bleibe stehen. Kalte Luft streicht über meine Wangen und lässt mich frösteln. Es tut gut, das zu spüren, wenigstens irgendetwas zu spüren, nur nicht diese Leere. Ich höre Schritte. Bitte nicht Greg, bitte nicht, bete ich. Ich will nicht mit ihm reden. Ich drehe mich um, es ist Gil, er geht über den Flur in sein Büro und schließt die Tür. Er hat mich nicht gesehen, vielleicht ist es besser so. Wahrscheinlich ist keinem von uns im Moment nach reden zu Mute. Aber hat Catherine nicht gesagt, er wäre ... woanders? Was macht er dann hier? Ich sehe in die andere Richtung, aus der er gekommen ist und schlucke. Wieso war er dort drin? Ich gehe wie in Zeitlupe auf die Metalltür zu. Was mache ich da eigentlich? Ich fühle mich seltsam, als ob ich neben mir stehen würde und nur zuschaue. Als ob ich die Welt um mich herum durch eine Glasscheibe wahrnehme, nur schwaches Licht, gedämpfte Töne und kein Gefühl, das zu mir durchdringt. Ich schließe die Tür hinter mir und schalte das Licht an. Es ist kalt, passend zu diesem Raum. Dort liegt er, auf dem Tisch in der Mitte. Alles ist so unwirklich. Ich schaue ausdruckslos auf den leblosen Körper vor mir. Nein, das kann nicht Nick sein, das ist irgendwer, eine weitere arme Seele, die diese Stadt auf dem Gewissen hat, aber nicht Nick. Nicht der Nick mit dem Lächeln auf den Lippen. Nicht der Nick, der mein Freund war. Nicht der Nick, der mir gesagt hat, ich müsse mehr ausgehen. Ich setze mich auf einen Stuhl und betrachte weiter den Körper vor mir. Ein Tuch bedeckt ihn bis zur Brustmitte. Der Körper ist kalt, er lächelt nicht und hat auch keinen lockeren Spruch auf den Lippen. Das kann nicht Nick sein, niemals. Nick würde jetzt neben mir stehen und mir sagen, dass alles wieder in Ordnung kommt. Ich stütze mein Kinn auf meine Hand und warte. Worauf? Ich weiß nicht, auf irgendetwas. Meine Kopfschmerzen werden schlimmer, schließlich stehe ich auf und ziehe das Tuch über seinen Kopf, dann gehe ich. Draußen ist der Wind kräftiger geworden, ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke zu und schaue nach oben, die Wolken sind verschwunden und unzählige Sterne verbreiten ihr Licht. Plötzlich bahnen sich Tränen einen Weg über meine Wangen. Ich bemerke es erst gar nicht, aber dann schmecke ich das Salz auf meinen Lippen. Habe ich darauf gewartet? Vielleicht ...