Titel: Sternenlicht
Autor: Hope Calaris
E-Mail: Hope_Calaris@gmx.net
Altersfreigabe: ab 12
Inhalt: Das CSI-Team muss mit einem tragischen Ereignis fertig werden ... (PoV)
Anmerkungen: Aus heiterem Himmel traf mich vor ein paar Tagen die Erkenntnis, dass ich bei meiner Abschied-Reihe jemanden vergessen habe. Allerdings gehört die daraufhin entstandene Geschichte nicht wirklich zu der Reihe, da diese in sich bereits abgeschlossen ist. „Sternenlicht" steht also etwas außen vor.
Und noch etwas am Rande: Endlich habe ich es geschafft, diesen Titel (der mir schon seit zwei Jahre durch den Kopf spuckt) für eine meiner Geschichten zu verwenden. HA!
Danke: An Deni, die die erste Betaleserin war, die ich jemals hatte. (Und die ihre Sache gut gemacht hat ;)
Urheberrechte: CSI gehört CBS und ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte.
Sternenlicht

von Hope Calaris

„Nick ist tot."

Dieser Witz ist mies, eindeutig. Nicht einmal ich hätte ihn erzählt. Ich starre Sara an und warte auf die Auflösung, dieses „Haha, reingefallen" und dass Nick irgendwo in diesem verdammt finsteren Zimmer aus einem Schrank raus springt um mir in die Seite zu boxen und mich anzugrinsen.

Nichts.

Sara geht stumm an mir vorbei und das Zimmer wird irgendwie noch dunkler. Ein Witz verfehlt seine Wirkung, wenn man die Pointe vergisst. Anscheinend hat ihr das niemand beigebracht. Ich warte immer noch.

Nichts.

Saras Worte hallen in meinem Kopf wieder, reihen sich wie eine boshafte Schlange unaufhaltsam aneinander und ergeben plötzlich einen schrecklichen Sinn. Oh, verdammt ... Von einem Moment zum anderen tragen mich meine Füße nicht mehr und ich sitze auf dem kalten Boden gegen einen Schrank gelehnt. Oh, verdammt ... das darf einfach nicht wahr sein. Tausend Gedanken wirbeln durch meinen Kopf, der gleichzeitig doch so erschreckend leer ist.

Was ... ? Wie ... ? Warum ... ?

Selbst die Fragen ergeben keinen Sinn.

Ich schaue mich um. Ein schmaler Lichtstreifen fällt vom Flur in den Raum, beinahe wie der Strahl eines einsamen Sternes am Himmel, doch niemand ist an der Tür zu sehen. Niemand, den ich fragen könnte, denn das ist es, was Menschen in diesen Situationen tun. Sie blicken über ihre Schulter und suchen jemanden, den sie fragen können. Jemanden, der immer die richtigen Antworten hat und für sie alles wieder in Ordnung bringt. Jemanden, der alles erledigt und es nebenbei noch schafft ihnen ihr Lieblingsgericht zu kochen.

Doch da steht niemand und es wird auch niemand da stehen.

Ich stehe auf, meine Beine zittern, trotzdem schaffe ich es zu meinem Tisch, zurück in die Welt der Lebenden. Um mich herum sind plötzlich wieder Menschen, die über einen Fall diskutieren, sich von den ersten Schritten ihrer Kinder erzählen oder über den neuesten Blondinenwitz lachen. Es ist seltsam diese Menschen zu sehen, die vollkommen normal handeln. Als ob die Welt gerade nicht wieder einen Riss bekommen hätte.

Ich frage mich, wie sie noch so weitermachen können. Wo sie doch gesehen haben, wozu Menschen fähig sind. Wo sie den Abgründen der menschlichen Seele jedes Mal aufs Neue begegnen und der Tod ihr ständiger Begleiter ist.

Für mich war das nicht so, ich saß immer nur hier und habe analysiert, was man mir gegeben hat. Der Tod war immer weit, weit weg, irgendwo anders, wo er mich nicht erreichen konnte. Dass ist jetzt anders. Jetzt kann ich ihn förmlich riechen, wie er um mich herumweht und alles durchdringt. Der Tod ist nicht Meilen entfernt, nein, er ist hier. Er hat mich eingeholt, auf eine schreckliche Art und Weise.

„Sanders?" Die Stimme lässt mich zusammen zucken. Sie gehört dem Mann, den ich jetzt am allerwenigsten sehen will, Ecklie. Ich drehe mich zu ihm um und für einen Moment höre ich auf mich zu bewegen. Das ist nicht der normale, selbstgefällige und von sich überzeugte Ecklie. Der Mann, der vor mir steht, hat dunkle Ringe unter den Augen, seine Mundwinkel hängen herab und sein Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt, als ob er die Last auf seinen Schultern kaum noch tragen könne.

„Wissen ... wissen Sie schon von Stokes?", fragt er. Fast kommt er mir verängstigt vor. Ich vertraue meinen Stimmbändern nicht, also nicke ich nur. Er wirkt irgendwie erleichtert, wahrscheinlich weil er mir nicht die Nachricht überbringen muss, dieses Schicksal hat Sara getroffen. Er verlagert unruhig sein Gewicht von dem einen Bein auf das andere und plötzlich frage ich mich, woher Ecklie eigentlich von Nicks ... Tod weiß. Ich habe niemanden außer das Team der Nachtschicht darüber reden hören und Ecklie gehört zur Tagesschicht. Also was macht er eigentlich hier? Ich überlege. Die einzige plausible Erklärung, die mir einfällt, ist, dass er ... Er scheint meine Gedanken erraten zu haben, denn er beginnt wieder zu sprechen.

„Ich leite die ... ", er unterbricht und sucht nach dem richtigen Wort, „Ermittlungen." Prima, Ermittlungen klingen ja auch so viel besser, nicht nach etwas Endgültigem, nicht nach Tod und dem Ende eines Lebens. Ecklie wartet noch einen Augenblick, aber als ich nichts erwidere, geht er. Nach ein paar Schritten bleibt er noch einmal stehen und dreht sich um. „Gehen Sie nach Hause, Sanders", meint er, dann ist er um die Ecke verschwunden.

Ein Gedanke geht mir durch den Kopf, während ich aufstehe und meine Jacke überziehe. Vielleicht ... vielleicht ist Ecklie dieses Mal die Person, die hinter mir steht. Die Person, die alles regelt und die mir sagt, was ich tun soll. Zugegeben, ein ziemlich merkwürdiger Gedanke. Nick würde wahrscheinlich lachen, wenn er das hören könnte.

Auf dem Parkplatz weht mir kalte Luft entgegen. Die Wolkendecke, die den ganzen Tag wie ein Schleier aus dichtem Stoff über Las Vegas gehangen hat, ist verschwunden und an ihrer statt beleuchten nun Sterne die Stadt in der Wüste. Ich bleibe stehen und sehe nach oben. In einem Magazin habe ich gelesen, dass man jetzt Sterne kaufen kann. Es gibt sogar Menschen die daran glauben, dass die Seele nach dem Tod als Stern weiterlebt. Ich war nie ein besonders gläubiger Mensch, doch komischerweise gefällt mir die Idee. Ich gehe zu meinem Wagen und steige ein. Durch die Frontscheibe betrachte ich noch einmal den Sternenhimmel.

Was meinst du, Nick, soll ich dir einen Stern kaufen? So, dass du für uns scheinen kannst, wenn die Nacht mal wieder zu dunkel ist und wir unseren Weg nicht finden.

Ich schalte das Autoradio ein und fahre los, während die unzähligen Sterne silbern am Himmel glitzern.

Ende