Geheimnisse und Rätsel
„Schneller, du Nichtsnutz, die Steine werden sich nicht von selbst bewegen!", knurrte einer der Wachen schroff und schnitt Legolas mit der gerippten Peitsche, die er in der Hand hielt, über den Rücken.
Legolas' Gesichtszüge waren angespannt und zusammengekniffen, als er mit der Wut auf diese Menschen, die in ihm brannte, kämpfte. Er blieb still, trotz der Verspottungen seiner Aufseher, hob einen weiteren großen, scharfkantigen Klumpen Stein und trug ihn hinüber zu dem kleinen Karren, der sich schnell füllte.
Dutzende hoffnungsloser Sklaven arbeiteten schwer in diesen FelsfeldernSteinbrüchen, Knechte König Melèchs und dazu verurteilt, Steine und Geröll für Dorolyns Nutzen einzusammeln, von jetzt an bis zu dem Tag, an dem sie starben, der recht bald kommen würde, weil die Sterberaten in den Steinbrüchen hoch waren.
Ganze Flotten grausamer, spottender Sklaventreiber bewachten sie und trieben die armen Seelen immer wieder ohne Pause an. Aber von allen war Legolas der einzige Sklave, der die fragwürdige Ehre besaß, eine eigene Wache zu haben, die ihm zugeteilt worden war. Andererseits war Legolas der einzige Sklave, dessen ganzes Leben nicht an diese eine, zermürbende Arbeit gebunden war. Wirklich nicht, König Melèch mochte es, sein bevorzugtes Schmuckstück immer in Reichweite zu haben; trotzdem war Legolas seit dem Tag, an dem sie ihn gefangen genommen hatten, nichts als Ärger für die Männer aus Dorolyn gewesen.
Der starke Wille des Elben weigerte sich, gebrochen zu werden und er konnte nicht dazu bewegt werden, weder von Schmerzen noch von irgendwelchen Zwängen, seinen Schwur zu brechen, den verschlagenen König niemals als seinen Herren oder Meister anzuerkennen. Die drei Wochen, die Legolas in Melèchs Sklaverei verbracht hatte, waren für den Elben die Hölle gewesen. Seine letzte Dreistigkeit hatte ihm als Strafe eineinhalb Wochen harter Arbeit in den Steinbrüchen eingebracht.
Die Wachen, die Melèch ihm zuteilten, waren dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass der Gefangene erstens nicht entkam und zweitens, dass er die doppelte und manchmal dreifache Arbeitsschicht schieben musste, die ihm der König aufgetragen hatte, im Versuch, einen Teil der Kraft aus seinem widerspenstigen Sklaven herauszuziehen. Womit Melèch nicht rechnete, war die Kraft der elbischen Ausdauer.
Legolas konnte sehr viel länger weitermachen als die Wachen, die ihm zusahen, was die Männer maßlos verärgerte. Sie teilten sich Schichten ein, während Legolas dazu gezwungen war, Tag und Nacht schwer zu arbeiten. Elben brauchten nur wenig Ruhe und konnten auf ihre eigene Art und Weise Kraft schöpfen, selbst, wenn sie auf den Füßen waren und sich bewegten. Deshalb hatte Legolas in den ersten drei oder vier Tagen seiner Strafe nicht einmal das geringste Anzeichen von Erschöpfung gezeigt. Aber dennoch, als die zweite Woche anbrach, begann die schroffe, harte Arbeit, die außergewöhnlich ungeeignet für einen Waldelben war, ihren Tribut an Seele und Körper des jungen Prinzen zu fordern.
Es half nicht im Geringsten, dass die Männer, die ihn bewachten, sich mehr als daran erfreuten, das Leben des Elben zum Elend zu machen. Weil sie keine begründeten Fehler für seine Arbeit finden konnten, griffen sie darauf zurück, sie selbst zu erschaffen und nichts, was Legolas tat, war ihnen schnell genug oder gut genug, um sie zu befriedigen.
Schwere Eisenketten verbanden Legolas' Hand- und Fußgelenke miteinander und mit dem dicken Eisenband um seinen Hals. Zusammen mussten die hässlichen Fesseln sehr viel mehr als dreißig Pfund wiegen und ihr Gewicht den ganzen Tag mit herumzuschleppen, vereinfachte die Arbeit des Elben nicht gerade.
Die Werkzeuge benutzend, die ihm zur Verfügung gestellt worden war, schlug Legolas einen weiteren Steinblock von der Felswand ab, an der er mit wiederholten Schlägen einer stumpfen Spitzhacke arbeitete. Legolas rollte den großen Brocken, den er abgeschlagen hatte, mit einiger Anstrengung auf dem Boden entlang bis zum Karren und hob ihn darauf, auf die anderen Steine. Er atmete schwer vor Anstrengung und sein Körper war schweißbedeckt, sodass seine zerrissenen, verschmutzten Kleider an seinem Körper klebten, wenn er sich bewegte.
Die langen Finger des Elben waren zerschnitten und bluteten von mehr als einer Woche Arbeit, vom Bearbeiten und Befördern der scharfen, zerklüfteten Steinstücke. Er hatte ein Stück Stoff um seine Handflächen und Handgelenke gewickelt wie es andere Steinarbeiter taten, aber selbst dieser Schutz konnte die Schnitte und Blasen, die er sich in seiner Zeit hier zugezogen hatte, nicht verhindern.
Wieder landete die Peitsche seiner Wache auf Legolas' Schultern; es kam für den Elben völlig unerwartet und ließ ihn auf dem unebenen Untergrund straucheln. Legolas fiel schmerzhaft mit seinen Hände und Knie auf die Steine, was seiner Wache nur eine Entschuldigung mehr bot, ihn zu schlagen.
Schnell war Legolas mit, unter diesen Umständen, einer erstaunlichen Anmut wieder auf den Füßen und arbeitete weiter, aber die Wache fand noch eine andere Entschuldigung, ihn auszuschelten.
„Das nennst du Arbeit?", spottete der Mann missbilligend. „Sieh dir doch die schlampigen Ecken an diesen Kieselsteinen an, die du hier herausschlägst. Glaubst du wirklich, wir können mit denen irgendwas bauen?" Ein brennender, schmerzender Hieb auf den Schultern des Elben verdeutlichten seine Worte. „So viel zur elbischen Handwerkskunst!", spottete er.
Legolas ballte seine schmerzenden Hände zu Fäusten. Er hatte einfach genug von diesen unmöglichen, arroganten Menschen.
„Wenn ihr Perfektion für euer Mauerwerk wollt, holt euch einen Zwerg", sagte Legolas kurz, in seine Augen funkelte ein wütendes Feuer, als er sich zu dem Mann umdrehte. „Zu den Fähigkeiten der Elben gehört in der Erde herumzubuddeln genauso wenig wie leblose Steine abzuschlagen."
Wie erwartet wurde Legolas für seine gewagten Worte zu Boden geschlagen.
Bevor er sich wieder aufrichten konnte, war die Wache auf die Kette getreten, die den Halsring des Elben mit seinen Handgelenken verband und hielt Legolas so auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten.
„Du besitzt weit mehr Frechheit als es für einen Sklaven gut ist", sagte der Mann finster, hob seine Peitsche und ließ sie wiederholt auf den Rücken seines hilflosen Gefangenen niedersausen.
Legolas verzog vor Schmerz das Gesicht, als neue Hiebe über die schon alten Wunden gelegt verteilt wurden. Er wusste, dass, wenn er nur still daliegen und es hinnehmen würde, das Auspeitschen bald vorbei sein würde, aber sein starker Geist rebellierte gegen die Unterwerfung, die dazu nötig war.
Legolas kämpfte mit dem Mann, der ihn am Boden hielt und brachte die Wache fast aus der Balance. Natürlich reagierte der überhaupt nicht gut darauf.
Der Mann trat Legolas mit seinem anderen Bein in die Brust, drückte die Ketten noch fester in die steinige Erde und fluchte verärgert: „Ein AufdringlicherAufsässiger, hm? Das werden wir dir austreiben müssen, nicht wahr?"
Legolas schnappte keuchend nach Luft, als die grausame Peitsche zwei Mal auf dieselbe Stelle fiel und ihn tief schnitt. Die Wache platzierte sechs weitere brennende Hiebe, bevor er endlich zurück trat und dem Elb erlaubte, sich langsam und schmerzhaft wieder auf seine Füße aufzurichten.
Legolas schöpfte einige Male tief und zitternd Atem, schwankte leicht und musste sich selbst für einen Moment gegen die Wand lehnen. Er war so erschöpft wie es Elben nur selten waren. Ihm waren weniger als fünf Stunden Schlaf erlaubt waren, seitdem er vor über einer Woche hier her gebracht worden war. Die Arbeit war auslaugend und die Misshandlungen wurden nur immer schlimmer.
„Mach weiter, zurück an die Arbeit!", verlangte die gnadenlose Wache und warf einen weiteren pfeifenden Hieb auf die blutigen Schultern des Elben.
Legolas stieß einen leisen, keuchenden Schmerzensschrei wegen des unerwarteten Schlages aus, bevor er sich gefangen hatte und ihn schnell unterdrückte.
Das lange, goldene Haar des Elben war nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden, um es aus dem Weg zu haben, aber ein paar Strähnen hatten sich gelöst, hafteten an seinem Gesicht und fielen ihm in die Augen. Mit zitternden Händen strich Legolas seine Haare zurück und hob seine Spitzhacke erschöpft ein weiteres Mal.
***
Nacht hing über dem Land und die hellen Sterne funkelten vom Himmel herab. Die Arbeit in den Steinbrüchen hörte nie auf, sondern ging in Schichten bei Fackellicht in der Nacht weiter. Legolas fragte sich unwillkürlich, welchen unglaublichen Bedarf an Steinen und Steinmetzen Dorolyn hatte, der so extreme Maßnahmen erforderte. Es gab seiner Meinung nach einige Geheimnisse an diesem Ort.
Die meiste Zeit wurde von dem Elben verlangt, dass er genauso in der Nacht ohne Pause arbeitete wir am Tag, aber in dieser Nacht wurden ihm sogar ein paar Stunden Ruhe erlaubt. Es war gut so, weil Legolas eine Pause brauchte, mehr, als er es sogar sich selbst zugestehen wollte.
Die reine Last der Hoffnungslosigkeit all der anderen Wesen um ihn herum erschuf eine dunkle Wolke, die an seiner Kraft zehrte und als Legolas mit überkreuzten Beinen zu Boden sank, schloss er seufzend seine Augen, als wollte er die graue Wolke, die über ihm ausharrte, verjagen.
Seine Ketten rasselten und knirschten, als er sich zurück gegen die Spalte des Felsens hinter ihm lehnte und vor Schmerzen das Gesicht verzog, als er sich gegen seinen pochenden Rücken gegen den Felsen lehnte.
Als er seine Augen wieder öffnete, konnte Legolas den hellen, mit Sternen gefüllten Himmel auf ihn herabschauen sehen und er spürte, wie ihn ein wenig Frieden füllte, als er aus dem unveränderbaren Gesicht des Himmels Kraft schöpfte. Sein Blick suchte Eärendil, den Stern, der den Elben der liebste war und fand ihn auch. Selbst hier, inmitten all dieses Elends und Leidens, schien Eärendil immer noch.
Böse Menschen wie Melèch konnten die Sterne nicht unterwerfen und auf ihre Knie zwingen, und genauso wenig konnten sie Legolas' Geist unterwerfen.
Legolas zog ein Bein an seine Brust, ließ seinen erschöpften, schmerzenden Körper leicht gegen den Felsen lehnen und begann, leise in seiner Muttersprache zu singen, als er zu den Sternen hinaufblickte. Es war ein sanftes, bewegendes Lied, aber kein trauriges. Es sprach vom Strom der Zeit, von der sich wandelnden Erde und den unwandelbaren Sternen. Es sprach von Dingen, die der junge Elb noch erleben konnte und von Verständnissen, die sehr viel älter waren als seine im Vergleich wenigen Jahre.
Als Legolas sang, fühlte er sich besser und seine klare Stimme wurde lauter und bezaubernder, falls das möglich war.
Die fließenden elbischen Worte schwebten auf dem Wind und schienen einen vergrabenen Funken in den Herzen der hoffnungslosen Gräber Grabenden zu berühren, die immer noch in den Steinbrüchen hart arbeiteten, denn sie alle sahen auf und ein nachdenklicher Blick huschte über vorher leblose Gesichter.
„Du da, halt den Mund!", fauchte eine von Legolas' Wachen schroff.
Der Elb gehorchte, aber er lächelte leise in der Dunkelheit. Sie konnten ihn zum Schweigen bringen, aber sie konnten weder das Lied der Sterne zum Schweigen bringen, noch die Hoffnung, die im Herzen und der Seele jedes lebenden Wesens ruhte und nur darauf wartete, von einer gleichgesinnten Flamme mit genügend Kraft erweckt zu werden, um die Dunkelheit der Verzweiflung zu verdrängen.
***
Legolas war überrascht, als er am nächsten Tag aus den Steinbrüchen weggebrachtholt und zurück zum Palast gebracht wurde. Er wusste, dass er noch mindestens zwei weitere Tage seiner Bestrafung abzuarbeiten hatte, und es sah diesen Leuten nicht ähnlich, ihm einen Aufschub zu gewährleisten.
Als er nachfragte, sagte seine Wache nur, dass König Melèch einige Gäste unterhielt und wollte, dass seine neue Trophäe in seiner Nähe war. Legolas' Lippen kräuselten sich verachtend bei diesem Gedanken, aber er gab ihnen keinen Grund, ihn noch weiter zu misshandeln. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass diese Leute nicht zögerten, Übertretungen jeglicher Art zu bestrafen, ob sie nun echt waren oder nur fiktiv.
Als er zurück im Palast war, wurde der Elb gewaschen und seine Wunden versorgt. Als er in Tunika und Hose, beides aus tief smaragdfarbenem Samt und einem königlichen Sklaven gebührend, gekleidet war, war alles, was jetzt noch auf Legolas' Status hindeutete, die gold plattierten Ketten, welche die zerkratzten, eisernen ersetzten, die er zuvor getragen hatte.
Als der Elb zu dem König gebracht wurde, runzelte Melèch in grimmiger Belustigung die Stirn, weil Legolas, hätte er nicht die Fesseln getragen, das Benehmen und die Haltung besaß, die ihn mehr königlich erscheinen ließ als die eigenen Söhne des Königs.
„Du siehst, wie du leben könntest, wenn du dich nur benehmen würdest, Nindäl", sagte Melèch, als Legolas dazu gezwungen wurde, vor ihm zu knien und zu huldigen.
Legolas begegnete den Augen des Königs fest. „Goldene Ketten sind immer noch Ketten", sagte er kalt. „Ich sehe kaum einen Unterschied."
Melèch grinste schwach. Dieser Sklave hatte die einzigartige Fertigkeit, ihm unter die Haut zu gehen. Er war ein Mann, der es mochte, sich mächtig und beherrschend zu fühlen und Legolas hatte genau den gegenteiligen Effekt auf ihn.
„Ich habe heute Abend ein paar Gäste zum Essen, du wirst uns bedienen. Und mach keine Fehler; wenn du mich vor diesen Leuten in Verlegenheit bringst, werde ich nicht nur dich, sondern auch jeden Küchensklaven des Personals bis an die Grenzen ihres Lebens auspeitschen lassen." Melèchs finstere, grübelnde Augen sagten deutlich, dass er keine leeren Drohungen machte. „Also wenn du nicht ihr Blut auf deinem hübschen Köpfchen haben willst, Junge, solltest du mich besser nicht enttäuschen."
Legolas nickte kurz. Melèch hatte bereits gelernt, dass fast der einzige Weg, das gute Benehmen des Elben sicher zu stellen, war, die Konsequenzen von Legolas' Taten mit den Schicksalen anderer Unschuldiger zu verbinden.
Es stellte sich heraus, dass Melèchs Gäste zum Essen wirklich eine sehr seltsame Mischung waren. Einer der Männer war groß und sah edel aus mit fließendem, dunkelbraunem Haar, das unter einem schimmernden Turban, der seinen Kopf umfasste, heraus flutete. Der Schnitt der Kleider des Mannes war schlicht, und doch war ihre Beschaffenheit und Pracht vorzüglich in einer herunterspielenden Art und Weise. Der zweite Gast war ein entschieden hochmütiger Kerl, der so viele Juwelen und Kostbarkeiten trug, dass Legolas dachte, dass er unter ihrem Gewicht sicherlich umkippen musste. Der dritte Mann aber schien am wenigsten hinein zu passen. Er war gut angezogen, aber die feinen Umgangsformen schienen ihm ungewohnt zu sein. Eine lange Narbe entstellte eine Seite seines Gesichtes von der Stirn bis zum Kinn und ging direkt über seine Augen, hatte aber offensichtlich die Sehfähigkeit des Mannes nicht beeinträchtigt. Buschige Augenbrauen und Bart ergänzten die schielenden Augen des Mannes und obwohl Legolas versuchte, sich nie voreilige Meinungen über andere zu bilden, mochte er den Mann von Anfang an nicht.
„Willkommen, meine Freunde", begrüßte Melèch seine Gäste höflich. „Ich bin geehrt, dass Ihr meine Einladung angenommen habt."
Der Braunhaarige nickte nur mit dem Kopf und Narbengesicht grunzte, aber der glitzernd juwelenbesetzte Mann sah sich mit einer gewissen Abneigung um.
„Ich finde mich in seltsamer Gesellschaft wieder, Melèch", sagte der Mann eitel, als er einen bedeutenden Blick in Richtung Narbengesicht warf. „Was genau ist unsere Angelegenheit hier?"
Weil der Kerl den Titel des Königs völlig ignoriert hatte, nahm Legolas an, dass er ebenso Angehöriger einer königlichen Familie sein musste und diese Ahnung wurde wenige Momente später bestätigt.
„Ich werde alles zu seiner Zeit erklären, Elnon", sagte Melèch und versteckte seine Verärgerung gut. „Aber zuerst denke ich, dass es an der Zeit für Vorstellungen ist. König Elnon von Ilnnarion, das ist Lord Esgal aus dem Land hinter den Nebelbergen." Er gestikulierte zu dem großen, königlichen Mann. Legolas wusste, dass Ilnnarion im Westen Dorolyns lag, aber da Lord Esgals Heimatland nicht genannt worden war, konnte er ihn nicht zuordnen. „Und das ist Unuth, ehemals aus Umbar, hat er seine Aufmerksamkeit kürzlich auf unseren Teil der Welt gerichtet." Diese Vorstellung gehört zum narbengesichtigen.
Legolas Lippen kräuselten sich leicht in verstecktem Abscheu, als sich seine Abneigung gegen diesen Kerl festigte.
Lord Esgal hob eine gepflegte Augenbraue. „Die Korsaren von Umbar entfernen sich selten so weit von ihren Schiffen", stellte er kühl fest. „Das ist mir ein Rätsel, was bringt Euch so weit von Eurer Heimat weg, Meister Unuth?"
König Elnon schnaufte leicht. „Kein so großes Wunder, wenn Ihr Eure Augen offen haltet. Wenn ich nicht sehr falsch liege, hat Unuth hier die Reste unseres schönen Landes für die letzten paar Jahre genossen. Seid Ihr nicht der Führer dieser Räuber, die ‚Rhûnsûl' oder der ‚Ostwind' genannt werden, weil niemals etwas Gutes aus dem Osten weht?"
Unuth grinste und verbeugte sich leicht und spöttisch. „Mein Ruf eilt mir voraus wie ich sehe." Er schien von den unfreundlichen Worten des spießigen Adeligen nicht gestört zu sein, in Wirklichkeit schien er ihre Verachtung zu genießen.
In den letzten paar Jahren hatte Legolas viel von den Rhûnsûl gehört. Unuth und seine Bande von Piraten und Wegelagerern hatten die Länder nördlich von Düsterwald schon seit einiger Zeit terrorisiert, sie brannten nieder, plünderten und nahmen Gefangene. Die Hauptaufgabe der Rhûnsûl war die der Sklavenhändler, obwohl niemand wusste, wohin die armen Seelen, die sie sich nahmen, verschwanden, nur, dass sie niemals wieder gesehen wurden.
Es war wirklich eine seltsame Zusammenkunft und Legolas' Interesse war erweckt. Es tat ihm jetzt nicht zu leid, dass von ihm verlangt wurde, anwesend zu sein. Je länger er in Dorolyn verbrachte, desto sicherer war er, dass König Melèch etwas im Schilde führte … etwas größeres, das der Elb sich im Augenblick vorstellen konnte. Wenn er die Chance hatte, etwas der Gespräche dieser Männer mit anzuhören, konnte er vielleicht etwas Wichtiges in Erfahrung bringen.
Als die drei Gäste um den eleganten Tisch Platz genommen hatten, Elnon auf seiner rechten, Esgal an seiner linken Seite und Unuth ihm gegenüber, klatschte Melèch in die Hände und zeigte somit, dass er wollte, dass Legolas ihnen Wein ausschenkte.
Legolas gehorchte, holte den gerillten Weinkrug und füllte die Kelche im Uhrzeigersinn, beginnend mit König Melèchs und danach König Elnons. Er hielt seine Augen auf seine Aufgabe gesenkt und bewegte sich leise, wie es von ihm erwartet wurde, teilweise wegen der Drohung, die über den Köpfen der anderen glücklosen Bediensteten hing, falls er sich nicht benehmen sollte und teilweise, weil er wollte, dass es ihm erlaubt wurde, zu bleiben und sie weiter zu bedienen, damit er ihnen zuhören konnte, wenn sie redeten.
„Gefällt Euch mein neuster Gewinn?", fragte der König, als Legolas Elnons Kelch füllte. Obwohl es schien, dass Elnon es nur sehr ungern zugab, aber er sah wirklich so aus, als wäre er von diesem ungewöhnlichen Bediensteten recht beeindruckt.
„Ein Elb?", sagte der König von Ilnnarion überrascht, bevor er schnell seine sorgfältig ausgefeilte Geringschätzigkeit wieder zeigte. „Ich nehme an, er macht mehr Ärger als er es wert ist."
Melèch lächelte. „Oh, er ist ein Sturer, keine Frage, aber wir arbeiten daran, nicht wahr, Junge?", sagte er und fuhr mit einer Hand absichtlich über Legolas' Rücken, der ihm zugewandt war. Er wusste genau, dass der Elb von den letzten Schlägen immer noch wund war.
Legolas' Körper heilte schneller als der eines Menschen, aber die Misshandlungen waren immer noch frisch und Melèchs Bewegung war unerwartet, deshalb verkrampfte er sich sogar und zuckte leicht zusammen, als der König absichtlich Druck auf die immer noch offenen Wunden, die Legolas' Tunika verbarg, ausübte. Für einen Augenblick zuckte der Schmerz über die schönen Gesichtszüge des Elben, bevor Legolas ihn schnell verbannte und sein Gesicht wieder in seine unempfindliche Maske verwandelte und starr um Elnon herumging, um Unuths Glas zu füllen.
Lord Esgal beobachtete all das ohne Kommentar, aber ein dunkler Schatten von Missbilligung flammte in den Tiefen seiner tiefbraunen Augen auf, als sein Blick Legolas um den Tisch herum folgte.
„Ich habe dir eine Frage gestellt, Sklave!" Melèchs Stimme war scharf und Legolas' Finger fassten den Griff des Kruges fester. Er hatte nicht gemerkt, dass die Aussage des Königs eine Antwort verlangte, aber jetzt, da er es tat, fühlte er, wie sein sturer Stolz in ihm aufstieg, um eine zu verweigern.
„Ich sagte: nicht wahr?" König Melèchs Ton war täuschend sanft, aber Legolas konnte die Gefahr in ihm hören, sollte er sie verweigern. Seinen Stolz unterdrückend, zwang Legolas sich dazu zu antworten, für die anderen.
„Ja … Sir." Legolas weigerte sich immer noch, Melèch als das anzuerkennen, als das er sich wünschte, anerkannt zu werden. Er wusste, dass er später dafür bezahlen würde, dass er den König nicht Meister genannt hatte, wie er es wollte, aber das war unvermeidlich.
Melèchs Blick durchbohrte den Sklaven, aber für den Moment sagte er nichts. Er würde sich später um Legolas kümmern.
„Also, was denkt Ihr, Unuth? Ihr kennt den Wert eines Sklaven", sagte Melèch beiläufig.
Legolas fühle, wie die Augen des Piraten ihn abschätzend betrachteten und fühlte sich alleine von seinem Blick abgestoßen.
„Dieser hier würde eine ganze Menge einbringen, mein Herr", sagte Unuth mit abschätzenden Augen. „Er ist ein echter Blickfang", lobte der Mann, aber Legolas mochte den Ausdruck in seinen Augen, als er es sagte, ganz und gar nicht.
„Oh ja, es gäbe eine Menge Verwendungen für ihn." Unuth kniff ruhig den Arm des Elben und spürte dessen Muskel unter seinen Fingern.
Unfähig, sich zurückhalten zu können, zog Legolas seinen Arm von der Berührung des widerlichen Mannes weg.
Unuth grinste. „Er würde aber mehr einbringen, wenn er ordentlich gezähmt wäre", sagte er, als würde er über ein Pferd sprechen. „Falls Eure Lordschaft daran interessiert wäre, ihn zu verkaufen, würde ich ihn selbst kaufen …" Er ließ sein Angebot offen.
Melèch schüttelte den Kopf. „Ich bin im Moment nicht soweit, zu verkaufen, Unuth, aber ich könnte ihn Euch manchmal ausleihen, falls Ihr es wünscht, es könnte ihn eine wertvolle Lektion lehren." Er sah während des letzten Teils Legolas direkt an. Es war eine Drohung und der Elb wusste es.
„Es heißt, dass Elben unsterblich sind." Melèch nahm einen Zug aus seinem Glas und grinste. „Ich nehme an, das macht ihn zu einem Erbstück, das ich an meine Kinder weitergeben kann, hm?"
Die Gäste lachten leise bei seinen Worten, aber Legolas fand sie absolut nicht belustigend.
Der Elb ging weiter, um Lord Esgals Glass als letztes zu füllen. Er konnte die Augen des Mannes ebenfalls auf sich spüren, aber die Last seines Blickes war lange nicht so abstoßend wie die Unuths. In Wirklichkeit hatte Legolas, als er näher kam, um den Wein auszuschenken, das seltsamste Gefühl. Er konnte es nicht genau beschreiben, aber es ließ ihn aufsehen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er in Esgals Augen. Der junge Elb stockte, überrascht von dem plötzlichen Funken Vertrautheit, den er im dunklen Blick des Mannes sah. Es hatte diesen Mann noch nie zuvor gesehen so weit er sich erinnern konnte, aber irgendetwas an ihm ließ Legolas zweimal hinsehen.
Legolas' fehlende Aufmerksamkeit veranlasste ein paar Tropfen des rubinroten Weines, auf das strahlend weiße Tischtuch darunter zu fallen.
Sofort hob sich Melèchs Hand und er schlug den Elben so hart ins Gesicht, dass Legolas zu Boden geworfen wurde. Der Krug fiel ihm aus der Hand und landete mit einem Krachen neben ihm, was noch ein größeres Durcheinander auslöste.
Legolas erholte sich schnell von dem unerwarteten Schlag, er setzte sich auf seine Knie und fuhr sich mit der Seite seiner Handfläche über seine blutende Lippe.
„Ungeschickter Dummkopf!", schimpfte Melèch. „Räum dieses Durcheinander auf, sofort!"
Legolas senkte seinen Kopf in einem schnellen Nicken und holte einen Lappen, er hielt seine Augen gesenkt, sodass Melèch den brennenden Zorn in ihnen nicht sehen konnte.
Esgals Augen folgten Legolas still, aber als Legolas ihn ansah, riss der große Mann seinen Blick schnell los.
„Lord Esgal, habt Ihr die Dinge mitgebracht, die ich für eure Schmiede in Auftrag gegeben habe?", wollte Melèch wissen.
Esgal nickte langsam. Die Dinge, von denen gesprochen wurde, waren große, seltsam geformte Metallkreise, die hinten geschlossen werden konnten. In den dicken Platten eingearbeitet war ein feines, kristallartiges Pulver, jedenfalls sagten das die Beschreibungen. Welche Absicht hinter all dem steckte, konnte Esgal sich nicht im Geringsten vorstellen.
„Ich habe es, aber ich muss zugeben, dass seine sich Nützlichkeit sich mir entzieht.", sagte er neugierig.
„Im Moment reicht es, dass Ihr sie hab, ich werde sie mir später ansehen", erwiderte Melèch liebenswürdig genug, vermied es aber, Esgals Frage zu beantworten.
Der Rest der Mahlzeit war glücklicherweise ereignislos, also behielt Legolas seine Ohren offen und seinen Mund zu, als er sie bediente. Wenn er das nicht tat, wurde von ihm erwartet, geduldig in einer weit entfernten Ecke des Raumes zu stehen, wo er leicht herbeigerufen werden konnte, wenn er gebraucht wurde. Er hatte keine Schwierigkeiten damit, für eine lange Zeit vollkommen still zu stehen und hörte aufmerksam allem zu, was gesagt wurde. Und obwohl es die Absicht war, den Sklaven, der sie bediente, in Hörweite zu haben, aber weit genug entfernt, um nichts, was beredet wurde, mitzubekommen, berücksichtigte der Plan die Kraft der elbischen Hörfähigkeit nicht. Legolas' scharfen Ohren war es möglich, klar und deutlich alles aufzufangen, was gesagt wurde.
Zu seiner Enttäuschung wurden keine deutlichen Pläne besprochen und er bekam langsam das Gefühl, dass selbst Melèchs Gäste noch nicht völlig verstanden, was der König von Dorolyn vorhatte. Trotzdem, die vage Vorahnung, die Legolas nach und nach bekam, beunruhigte den Elben stark und im Hinterkopf fürchtete er, dass es nicht nur für den Düsterwald und seine Familie, sondern für viel mehr ernste Gefahr bedeutete.
***
Die Sterne waren wieder zu sehen, als Legolas sanft und leise aus dem dunklen Loch kam, das der Raum sein sollte, in dem er die Nacht zu verbringen hatte und in den stillen Hof schlich. Er bewegte sich sehr vorsichtig und versuchte, mit mäßigem Erfolg, die Lautstärke des Kettengerassels so gering wie möglich zu halten. Für jemanden, der es gewohnt war, sich geräuschlos bewegen zu können, war die störende Behinderung der Ketten sehr ärgerlich.
Trotzdem schaffte es Legolas, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, durch den Hof zu kommen. Wenn es nur so einfach wäre, dem ganzen Palast so leicht zu entkommen … aber der Elb wusste, dass es nicht so war. Er hatte schon einmal versucht zu flüchten, nur um festzustellen, was für ein schwieriges Unterfangen das war. Das Ergebnis dessen war unerträglich furchtbar gewesen. Legolas hatte nicht vor, es noch einmal zu versuchen, bis er sich sicher war, dass er es schaffen konnte.
In dieser Nacht wollte Legolas nur die Sterne sehen und frische Luft schnappen. Er hasste es, in den dicken Steinmauern des Palastes eingesperrt zu sein.
Während Legolas am Brunnen kniete und dem sanften Gurgeln des fließenden Wassers zuhörte, schlüpfte er mit steifen und schmerzenden Gliedern aus seiner Tunika. Melèch war nicht schonend mit ihm umgegangen, nachdem die Gäste des Königs sich für die Nacht zurückgezogen hatten.
Legolas tauchte einen sauberen Lappen in das kühle Wasser des Brunnens. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen, als er mit ihm über seinen Rücken und seine brennenden Schultern fuhr. Das Stück Stoff war rot befleckt, als er es wieder wegnahm, Legolas lehnte sich für einen Moment an den Brunnenrand und atmete schwer in einem unregelmäßigen und irgendwie unebenen Rhythmus. Auf Melèchs Befehl hin war der Mann, der für das Auspeitschen zuständig war, grausam mit dem Sklaven umgegangen und Legolas fühlte sich immer noch benommen und krank vor Schmerzen.
Er fühlte sich wegen seiner Gefangenschaft und Hilflosigkeit schrecklich. Immer im Vordergrund seiner Gedanken war die drohende Gefahr, die seiner Familie gegenüberstand. Düsterwald war eine gute Zehn-Tages-Strecke entfernt und ohne Zweifel hatte König Melèch nicht vor, Misstrauen zu erregen, indem er den ersten Kontakt machte. Offensichtlich war es seine Absicht zu warten, bis die Elben sich zu fragen begannen, warum sie nichts von ihren Boten gehört hatten und noch eine Gruppe aussenden würden, um nach den anderen zu suchen. Dann würde es für König Melèch leicht sein, Überraschung vorzutäuschen und zu sagen, dass keine Gesandten jemals angekommen seien. Eine Suche würde gestartet werden, die letztendlich darauf hinauslaufen würde, dass man die sorgfältig ausgelegten Überbleibsel finden würde, von denen Melèch sichergestellt hatte, dass sie warten würden.
Es könnte mindestens eine Woche oder zwei weitere dauern, bis irgendjemand aus König Thranduils Hofstaat besorgt genug werden würde, um die lange Reise hierher anzutreten. Legolas fragte sich, ob, wenn sie ankommen würden, er eine Chance haben würde zu versuchen, sie zu kontaktieren … aber irgendwie bezweifelte er, dass Melèch dumm genug sein würde, ihm diese Gelegenheit zu gestatten.
Jedenfalls wurde es im Laufe der Zeit immer unwahrscheinlicher, dass es irgendjemandem möglich war zu sagen, welche Elbenkörper im Wald versteckt lagen … Legolas' Herz zog sich bei dem Gedanken, wie sehr es seinen Vater verletzen würde, von seinem Tod zu hören, zusammen. Jeder Unsterbliche, der umkam, war eine traurige Verschwendung und er war sich sicher, dass sein Vater um ihn noch viel mehr trauern würde, weil Legolas aus der Sicht eines Elben kaum erst zu leben begonnen hatte.
In seinen eigenen Gedanken verloren war Legolas sich nicht bewusst, dass noch jemand anderes anwesend war, bis eine ruhige Stimme hinter ihm ihn aufschreckte.
„Suchst du Ihr den Trost der Sterne, junger Elb?"
Legolas wirbelte herum, sah Lord Esgal hinter sich stehen und ihn mit geheimnisvollen, aber nicht unfreundlichen Augen ansehen.
Legolas konnte sich absolut überhaupt nicht vorstellen, wie dieser Mann es geschafft hatte, sich ohne sein Wissen an ihn heranzuschleichen. Zitternd griff sich der Elb schnell seine Tunika und ließ sie zurück über seine schmerzenden Schultern gleiten.
„In Steinwänden ist das Atmen schwer", sagte Legolas vorsichtig. „Ich suchte nur für ein paar Momente frische Luft, nicht mehr." Er verteidigte seine Taten ein wenig beunruhigt. Der stolze Elb hätte es auf keinen Fall gerne zugegeben, aber er hatte Angst davor, Melèchs Zorn zwei Mal in einer Nacht auf sich zu ziehen. Besonders, wenn er schon so große Schmerzen hatte.
„Ruhig, mein Freund, du Ihr hast habt nichts zu fürchten." Esgal schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor, dich Euch an deinen Euren Meister zu verraten."
Legolas' Gesicht wurde hart. „Ich habe keinen Meister", sagte er heftig, bevor er sich selbst stoppen aufhalten konnte und still blieb wie es seine Vorsicht geboten hätte.
Esgal runzelte die Stirn, aber überraschenderweise nicht verärgert oder sogar entrüstet. Er hob seine Hand, um den Elben zum Schweigen zu bringen. „Ich wäre vorsichtiger mit meinen Worten, wenn ich du Ihr wäre. Dein Euer Stolz wird dir Euch hier nicht helfen, glaube ich", warnte er.
Legolas wandte seinen Blick ab. Die Warnung war überraschend aufrichtig, aber das bedeutete nicht, dass er sie akzeptierte.
„Du Ihr seidbist verletzt." Es war keine Frage.
Legolas nickte kurz. „Ein wenig. Es spielt keine Rolle. Ich sollte gehen, bevor ich vermisst werde."
„Setzt dichEuch", befahl Esgal ruhig und zu seiner eigenen Überraschung gehorchte er.
Lord Esgal ließ den Elben am niedrigen Rand des Steinbrunnens Platz nehmen und setzte sich selbst hinter ihn. „Lasst mich deinen Euren Rücken sehen."
Wieder fügte Legolas sich, ohne wirklich zu wissen warum;, irgendwie fühlte er sich dazu gezwungen, diesem Mann zu gehorchen. Die offene Tunika fiel von seinen Schultern und Legolas ließ sie auf dem Steinrand liegen, auf dem sie saßen. Seine Arme waren immer noch durch die Ärmel geschlüpft, aber sein Rücken war genug enthüllt, um den Adeligen hinter ihm zufrieden zu stellen. Legolas strich sein langes Haar über seine Schulter und passte auf, dass es nicht an seinen Verletzungen hängen blieb oder sie weiter verschlimmerte.
Esgals Augen sahen leicht traurig und vielleicht sogar ein wenig verärgert den blutenden Rücken des Elben an. Legolas makellose Haut war von Schichten von wunden, hässlichen Striemen entstellt, die von hartem und wiederholtem Auspeitschen zeugten.
Die älteren Striemen von gesternvom Vortag waren schon am Heilen, dank dem von Natur aus schnellen Regenerationsprozess und es war bemerkenswert, dass sie keine Narben hinterließen, aber die Striemen von dieser Nacht waren immer noch frisch und wund. Es war in diesem Fall fast ein Fluch, dass der Elb so schnell heilte, weil es dadurch Melèch gestattet wurde, seine Wut mehrmals, wenn er es wünschte, an Legolas auslassen zu köonnten, ohne bleibenden oder andauernden Schaden an seinem Sklaven anzurichten. Aber nur, weil es schnell heilte, bedeutete das nicht, dass die Misshandlungen Legolas nicht entsetzlich quälten.
Esgal hob den abgelegten Lappen wieder auf, den Legolas nur Momente davor gehabt hatte und tunkte ihn in den Brunnen. Mit überraschender Sanftheit wusch der Adelige das Blut vom Rücken und den Schultern des Elben und säuberte vorsichtig die Schnitte und Verletzungen.
Legolas versteifte und zog den Atem scharf durch die Zähne ein, bewegte sich aber sonst nicht und gab keinen anderen Ton von sich, obwohl Esgal wusste, dass das, was er tat, so sanft er auch versuchte zu sein, dem Elb große Schmerzen bereiten musste. Legolas' Körper zitterte leicht unter Esgals Händen, aber es schien, als wäre es etwas, das der Elb nicht kontrollieren konnte und der Adelige hielt ihm das nicht als Fehler an.
„Ich bereue, dass du Ihr meinetwegen heute in Ungnade gefallen bistseid." Esgals halbe Entschuldigung kam völlig unerwartet. „Wurdest Ihrdu deswegen geschlagen?"
Legolas schüttelte starr den Kopf und biss sich gegen den Schmerz auf die Lippe. Die Schläge, wie viele andere, waren einzig und allein das die Folge darauf, dass der Elb sich strikt weigerte, Melèch als seinen Herren und Meister anzuerkennen.
„Es scheint, als habe ich eine Art, die Melèchs Zorn leicht auf sich zieht", gab der Elb zu.
Esgal sagte nichts, beendete aber seine Behandlung. Legolas war von der Heilkraft, die er in den Händen und Berührungen des Mannes spürte, überrascht.
„Kenne … kenne ich Euch, Sir?", fragte Legolas zögernd, als er seine Tunika langsam wieder anzog und sein Haar von seinen Schultern schüttelte, sodass es wieder zurück auf seinen Rücken fiel. Irgendwie fühlte es sich nicht seltsam oder erniedrigend an, diesen Mann mit einem Ausdruck des Respekts anzusprechen.
Der Ausdruck in Esgals Augen war unlesbar. Er schüttelte seinen Kopf. „Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind." Das schien irgendwie Legolas' Frage nicht zu beantworten, aber er gab auch keine weiteren Auskünfte.
„Du Ihr solltest jetzt zurückgehen, bevor dich Euch irgendjemand anderes hier erwischt", warnte Esgal und Legolas nickte. Es mag mochte sein, dass er sein Glück herausgefordert herausfordertehatte, aber er zögerte noch einen Moment.
„Lord Esgal, warum seid Ihr heute Abend herausgekommen?", fragte er. Er wünschte, er würde diesen seltsamen Widerspruch eines in dem Menschen verstehen.
Esgal bedachte ihn mit einem geheimnisvollen Lächeln. „Ich bin auch gekommen, um die Sterne zu sehen."
Legolas drehte sich um und wollte gehen, als ein kaum hörbares Flüstern von dem Mann hinter ihm ihn in seinen Schritten erstarren ließ.
„Gil-Estel scheint hell heute Nacht, siehst seht Ihrdu?", sagte Esgal so leise, dass selbst mit seiner elbischen Hörkraft Legolas sich nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte.
Gil-Estel war der alte Name für Eärendil, demn Abendstern. Wie konnte dieser seltsame Mann das wissen? Es gab viele Elben, die es vergessen hatten.
Legolas drehte sich hastig um, aber Esgal war schon verschwunden.
