Tödliche Wahrheit
Die Dunkelheit brach langsam herein, als Melèch seine Gäste und eine kleine Truppe seine Wachen auf dem Hof versammelte um sich für ihren geheimnisvollen Ausflug vorzubereiten. Elnon war verärgert und wollte wissen, wohin sie gehen würden, aber Melèch weigerte sich, es zu sagen.
Elrond fühlte eine wachsende Besorgnis sich in seinem Herzen regte, wusste aber noch nicht, was die Warnung bedeutete. Er war überrascht als er sah, dass Legolas herausgebracht worden war und anscheinend mit ihnen kommen würde. Die Augen des jüngeren Elben waren vor Schmerzen verschleiert und Elrond bemerkte mit kalter Wut die Art wie Legolas sich stützend an der Wand hielt, als er an einer leinenartigen Kette weiter gezerrt wurde, die an den Eisenring um seinen Hals angeschlossen war.
Die einfache, schwarze, langärmlige Tunika, die der Elfprinz trug, versteckte, was auch immer ihm früher an diesem Tag angetan worden war, aber an der Art wie Legolas stolperte, als er ging, wusste Elrond, dass das, was die Kleidung versteckte, ernst war. Der Elbenlord ballte seine Hände an seiner Seite zu Fäusten zusammen und musste seinen eigenen Abscheu und seinen Zorn unterdrücken, als er sich an die frühere, herzlose Bemerkung Melèchs über Legolas erinnerte.
Legolas gab keinen Ton von sich, als die Wachen ihn an seinen wunden Schultern packten und ihn in der Mitte des Hofes anhielten, aber der Schmerz war auf seinem ungewöhnlich blassen Gesicht deutlich zu sehen. Er hatte so starke Schmerzen, dass er sich krank fühlte und leicht auf seinen Füßen schwankte, als die lange leinenartige Kette, die mit seinem Hals verbunden war, an Kapitän Dagreds Sattel befestigt wurde.
Er war, seitdem er Melèchs Sklave geworden war, oft geschlagen worden, aber nie so sehr wie an diesem Morgen. Melèch war entschlossen gewesen, die Elben zum Schreien zu bringen und hatte sich geweigert, seine Männer zurück zu rufen, bis Legolas nicht verhindern konnte, dass Schmerzenslaute aus ihm herausgepresst wurden.
Blutverlust und seine schweren Verletzungen machten den Elben schwindelig und Legolas fühlte, wie sein Herz sank, als alle ihre Pferde bestiegen und ihm klar wurde, dass von ihm erwartet wurde, mit den Pferden Schritt zu halten. Normalerweise wäre das für einen Elben kein Problem, aber in seinem augenblicklichen Zustand brachte der Gedanke Legolas wegen seiner Erschöpfung und Schmerzen fast zum Weinen. Sein schmerzender, verletzter Körper war schon nahe dran aufzugeben und er war gefährlich nahe dran sich zu wünschen, dass er es tun würde.
Elrond merkte nicht, dass Legolas dazu gezwungen war, hinter den Pferden herzulaufen, bis die Gruppe sich in Bewegung setzte. Er biss die Zähne zusammen, als beobachtete, wie der junge Elb sich zusammenriss und hinter Dagreds Pferd herlief. Das Gesicht des Prinzen war unbeteiligt, als er sich selbst dazu zwang, mit den trabenden Pferden mitzuhalten und gegen die Ketten an seinen Fußgelenken zu kämpfen, die seine normalerweise langen Schritte kürzten. Trotz allem anmutig, brauchte es einen anderen Elben um Legolas' Fassade der Kraft zu durchschauen und zu wissen, dass er in Schwierigkeiten steckte.
Nach der ersten Meile oder so begann Legolas zu stolpern als er rannte, er fühlte sich erschöpfter als es ein Elb sollte. Die Kette an seinem Halsring zog ihn weiter vorwärts, als seine Füße versuchten, mitzukommen. Ihm war unglaublich schwindelig und er fühlte sich schwach. Unter seiner Kleidung bluteten seine Wunden immer noch. Er hielt die führende Kette in seinen Händen und versuchte, die Ränder des Eisenringes daran zu hindern, in seinen Hals zu schneiden, als er darum kämpfte, mitzukommen und nicht zu schwanken, als er lief.
Elrond führte sein Pferd hinüber bis er neben König Melèch ritt. Zu viel zu sagen, war riskant, aber Elrond konnte ebenso wenig ruhig bleiben und den jungen Elben leiden sehen. Elrond blickte zurück auf Legolas und ließ seine Gesichtszüge teilnahmslos. „Euer Sklave hat ein paar Schwierigkeiten, mein Lord", bemerkte er so unbeteiligt wie er konnte. „Ich fürchte, dass er uns verlangsamen wird. Wäre es nicht besser, ihn hinter einem der anderen reiten zu lassen und uns schneller zu unseren Angelegenheiten zuzuwenden?"
Melèch blickte dorthin zurück wo Legolas immer noch versuchte, mitzukommen. Er schien den Gedanken für einen Moment in Betracht zu ziehen, bis er seinen Kopf verneinend schüttelte.
„Er wird mithalten oder dafür bezahlen, wir werden nicht aufgehalten werden.", sagte der König kalt. Seiner Meinung nach hatte Legolas für eine ganze Menge zu bezahlen. Er hatte seine wahre Identität vor Melèch geheim gehalten und dem König viel Kummer bereitet. Trotzdem war Melèch sicher, dass, was Dor-Gor im Sinn hatte, den Elben für seinen Betrug mehr als bezahlen lassen würde.
Mit nicht mehr, das er sagen konnte, ließ Elrond sein Pferd ein wenig zurückfallen, wo er ein heimliches Auge auf Legolas werfen konnte.
Legolas zwang sich so weit zu gehen wie er konnte, aber es war nicht weit genug. Zwei Meilen später fiel er auf seine Knie und wurde von der Kette ein paar Meter vorwärts gezogen. Er stolperte auf seine Füße, nur um ein paar Schritte später wieder zu fallen. Er versuchte, den dicken Verschluss zu öffnen, der die Kette an seinem Halsring befestigte, aber es war dafür gefertigt worden, nur von jemandem geöffnet zu werden, der von aus der anderen Richtung daran arbeitete. Er war nicht dazu bestimmt, von demjenigen geöffnet zu werden, der ihn trug. Legolas konnte seine Füße nicht schnell genug so weit bringen, dass er sich wieder stellen konnte um mit dem Pferd mitzuhalten und der Elbenprinz hielt sich an der Kette fest um zu verhindern, an seinem Hals weitergezerrt zu werden, als er ein paar Meter weit unsanft über den Boden gezogen wurde.
Dagred hielt sein Pferd an und sprang ab.
Legolas kniete im Staub, er wusste, was kommen würde, war aber nicht dazu fähig, seinen erschöpften Körper weiter zu zwingen. Seine Atemzüge waren schnell und unregelmäßig, als er sich leicht zusammenkrümmte und sich instinktiv anspannte, als Dagred näher kam.
Er stöhnte leise durch seine Zähe, als Dagreds Reitpeitsche auf seinen schon verletzten Schultern landete. Sein Körper zitterte, seine Kraft war verbraucht. Er wünschte, dass er sterben und diesen Ort der Leiden ein für alle Mal verlassen würde. Für einen Unsterblichen war ein solcher Wunsch wirklich eine ernste Angelegenheit.
„Steh auf, Sklave! Beweg dich!", befahl Dagred forsch und schlug den Elben noch einmal. Legolas fiel nach vorne auf seine Hände, unfähig, ein leises Wimmern vor Schmerzen zu unterdrücken. Aber er konnte nicht aufstehen.
Elrond zuckte jetzt zusammen, als Dagred Legolas schlug. Er wusste, dass der junge Elb nicht die Kraft hatte, weiterzugehen und fühlte, wie Galle in ihm aufstieg, als er die leisen Laute der Leiden des Prinzen hörte.
Der Elbenlord schloss für einen Moment seine Augen und holte tief Luft um sich selbst zu beruhigen. Sein Kopf sagte ihm, dass er die Mission nicht gefährden konnte, wenn er endlich so nahe dran war, zu finden was er suchte, aber sein Herz sagte ihm, dass er nicht dabeistehen und zusehen konnte wie das passierte, wenn er je wieder mit sich selbst leben können wollte.
Elrond sprang von seinem Pferd. Er legte die Strecke mit einigen langen Schritten zurück und löste schnell und ruhig die führende Kette von Legolas' Halsring. Dagred praktisch aus dem Weg stoßend legte der Elbenlord seinen Arm unter Legolas' Achseln und zog den jüngeren Elben schnell auf seine Füße. Elrond ging zurück zu seinem eigenen Pferd, während er seinen Gefährten unterstützte, hob Legolas mit überraschender Anmut auf sein Pferd und setzte den Prinzen vor sich.
Dagred und die anderen waren so überrascht, dass sie für einen Moment nicht reagierten.
Einen kalten und, so hoffte er, teilnahmslosen Blick Melèch zuwendend, der ihn angespannt anstarrte, bemühte Elrond sich um so viel Leichtfertigkeit wie er konnte. „Bei den Sternen, Melèch, wenn wir darauf warten, dass das weitergeht, werden wir nie irgendwohin kommen."
König Elnon kam ihm unerwartet zur Hilfe, die Ungeduld des hochmütigen Monarchen wurde zu groß, als hätte sie einen eigenen Willen. „Er hat Recht, wisst Ihr, können wir das nicht einfach hinter uns bringen? Ich will nicht den Rest meines Lebens hier verbringen."
Melèch beugte sich den Wünschen seiner Gäste, obwohl er es nicht mochte, wenn ihm gesagt wurde, was er mit seinen Dingen tun sollte. Er warf einen letzten, harten Blick auf Elrond, bevor er sein Pferd anspornte und seinen Männern befahl, weiter zu reiten.
Legolas lehnte sich schwach nach vorne gegen die schützende Umarmung Elronds als sie ritten, obwohl der junge Prinz offensichtlich versuchte, stark zu sein und sich vor dem Elbenlord nicht zu blamieren. Jetzt, da er so nah war, konnte Elrond sehen, dass die Rückseite von Legolas' Tunika mit Blut befleckt war, das die dunkle Farbe des Stoffes vor zufälligen Blicken versteckte.
„Ihr hättet das nicht tun sollen, mein Lord", wisperte Legolas zwischen seinen immer noch mühsamen Atemzügen. Er fürchtete, dass Elrond sich wegen der Freundlichkeit, die er ihm gegenüber gezeigt hatte, in große Gefahr gebracht haben könnte.
Elrond war still, Legolas schloss seine Augen und suchte Kraft, die er nicht finden zu können schien. „Es tut mir leid", flüsterte er leise, unglücklich.
„Ihr braucht Euch für nichts zu entschuldigen." Elronds Stimme war leise und ernst, trotzdem aber auch überraschend sanft. „Still jetzt und spart Eure Kraft, ich habe das Gefühl, dass wir bald beide all die Kraft brauchen werden, die wir besitzen." Der Schatten und die Warnung in seinem Herzen und Verstand wurden größer, je näher sie wohin auch immer kamen wo Melèch sie hinbrachte.
***
Die Gesellschaft hielt letztendlich vor einer großen Höhle. Der Eingang der Höhle öffnete sich gähnend in den zerklüfteten Felsen, die ihn umgaben, wie der große Rachen eines riesigen Drachen, die großen Stalaktiten, die von der Decke hingen, sahen für alle wie riesige, drohende Zähne aus.
Die Höhle war dunkel und Schrecken entwich ihr. Beide Elben wussten, dass was immer sich darin befand, Böses ausstrahlte wie verfaulender Kadaver Gestank von sich gab. Sie hatten keine Angst, aber Misstrauen überkam sie beide.
Melèch und Unuth stiegen als erstes ab, langsamer gefolgt vom Rest der Gruppe. Der König von Dorolyn ließ den Großteil seiner Wachen draußen und nahm nur Dagred und einen anderen mit um sich um Legolas zu kümmern, den Dagred von Elrond mit einem vernichtenden Blick wegholte.
Legolas fühlte, wie Dunkelheit aus der Höhle ausströmte als würde ein kalter Strom in seine Brust treffen und er wehrte sich, als er vorwärts in den Eingang gezogen wurde. Er war sich plötzlich sicher, dass dort drinnen der Untergang wartete, in dieser tintenschwarzen Dunkelheit und er hatte keine Eile, ihm zu begegnen. Seine Augen weiteten sich leicht. Er wusste nicht, was es war, das er fürchtete, aber eine kalte Finsternis ergriff sein Herz und irgendetwas in ihm schrie, dass er nicht unter diesem im Schatten liegenden Bogen durchschreiten sollte.
Dagred trat den Elben an die Hinterseite seiner Knie, aber anstatt ihn vorwärts zu bringen, ließ das den geschwächten Gefangenen wieder zu Boden fallen. Dieses Mal war es Melèch, der sich bückte und Legolas Halsring schnappte.
„Kommt jetzt, Eure Hoheit", spottete Melèch, als er den Elben grob zurück auf seine Füße zog. „Es gibt da jemanden, der Euch treffen möchte und es ist für einen Prinzen nicht höflich, andere warten zu lassen."
Zu ihrer Rechten erstarrte Elrond fast unmerklich bei den Worten.
Falls es überhaupt möglich war, wurde Legolas' Gesicht noch blasser. Melèch wusste es. Irgendwie wusste Melèch, wer er wirklich war. Ein schwacher Entsetzensschauer lief ihm den Rücken hinunter, als er grob durch den Eingang unter den tropfenden, zahnartigen Vorsprüngen, die über ihnen hingen, gezogen wurde.
Elrond, Unuth und Elnon folgten, obwohl Unuth den Weg ganz gut zu kennen schien und Elronds Vermutungen, dass der Sklavenhändler bereits wusste, was vor sich ging, erreichten ihren Höhepunkt.
Elnon beschwerte sich über die feuchte Dunkelheit der Höhle, aber seine Beschwerden waren zögernd, als die bedrückende Atmosphäre des Ortes selbst ihn zu beeinflussen schien.
Nur König Melèchs Jagdfalken schien völlig unbesorgt zu sein, er schwebte nach unten, um ihnen nach innen zu folgen und ließ sich auf einem der Felsvorsprünge nichtin zu weit innen nieder.
Für seinen Teil fühlte sich Elrond, als bekäme er eine heftige Gänsehaut.
„Das ist ein böser Ort." Legolas' Worte, seltsam ruhig und seine Situation distanziert betrachtend, sprachen aus, was Elrond dachte.
Dagred und die andere Wache entzündeten ihre Fackeln und das Licht des Feuers tanzte auf den Höhlenwänden und warf eine unheimliche Beleuchtung auf die säuleartigen Stalaktiten und Stalagmiten, die wie große Fledermäuse von der Decke über ihnen hingen und von unten wie Zähne abstanden.
Um sie herum standen unter den kleineren Stalagmiten große Säulen aus zerklüftetem Stein, die sich bis in die unglaublich riesige Höhle erstreckten, weiter als das Auge sehen konnte. Aus irgendeinem Grund schienen sie weder natürlich, noch gutartig zu sein, aber man wusste kaum, warum. Ungefähr zweihundert Meter drinnen nahm das natürliche Aussehen der Höhle ab und es schien als wären Mienenarbeiter an der Arbeit gewesen, weil man die Spuren von Hacke und Spaten, die an den Wänden gearbeitet hatten, sehen konnte. Während die natürlichen Stalaktiten abnahmen, gingen die großen säulenartigen Gebilde weiter, es sah aus, als wären sie nicht grundlos aus dem festen Stein gemeißelt worden.
Melèch wandte sich an seine Gäste, sein Blick richtete sich auf Elnon und Elrond. „Nun ist die Zeit dazu gekommen, Fragen zu beantworten", sagte er mit einem dunklen Funkeln in seinen Augen.
„Was ich anbiete ist ein Abkommen, das uns allen von Nutzen sein wird. Was würdet ihr sagen, Elnon, wenn ich eine Armee hätte, die die Aufstände in Eurem Land ein für allemal beenden könnte, und alles, was es Euch kosten würde, wäre der Preis, sie auszustatten? Esgal hat uns bereits gesagt, dass seine Leute gegen den richtigen Betrag uns mit allem ausstatten können, was wir brauchen", sagte Melèch.
Elnon sah leicht skeptisch aus. „Wenn es möglich wäre, würde ich sagen, dass es mir das wert wäre, wenn es möglich wäre." Elnon betonte das Wort. „Aber Dorolyn hat keine solche Armee und ich sehe keine in diesem dunklen Loch."
Melèch lächelte fast unmerklich. „Nur deshalb, weil Ihr nicht richtig hinseht."
Plötzlich erhob sich eine große Gestalt aus den Schatten am Ende der Höhle, fast, als wäre eine der riesigen Säulen zum Leben erwacht und ließ jeden in der Gruppe, außer Melèch, Unuth, und die den beiden Elben aufzufahren und einen Schritt zurückzutreten.
Dor-Gor erhob sich zu seiner ganzen Größe von 10 Fuß und Legolas' Augen weiteten sich bei dem Anblick. Die Kreatur war anders als alles, was er jemals zuvor gesehen hatte. In manchen Hinsichten wie ein Mann proportioniert, hätte die Kreatur für eine Art Troll gehalten werden können, abgesehen davon, dass sein Gesicht weit gerissener war und, dass es nicht vor dem Tageslicht, das vom Eingang der Höhle hereinkam, zurückschreckte. Groß und kompakt wie es war sah es aus, als wäre es aus lebendem Stein gehauen worden und gerade in diesem Moment zum Leben erwacht. Seine raue, granitartige Haut faltete und kräuselte sich in einer völlig unnatürlichen Art und Weise, als es sich bewegte.
„Willkommen, mächtige Herren der sterblichen Welt", begrüßte Dor-Gor sie mit einem einschmeichelnden Grinsen, das auf seinem beängstigenden Gesicht irgendwie falsch wirkte.
Elnon versteckte sich ungeniert hinter Kapitän Dagred und der anderen Wache und starrte angstvoll zu dem monströsen Wesen vor ihnen auf. Er war die Art Mann, die sich wohl und stark fühlten, wenn es darum ging, die Exekution von dutzenden von hilflosen Dörflern anzuordnen, die beschuldigt wurden, Aufstände aufzurühren, aber ein ausgesprochener Feigling, wenn es um irgendetwas ging, das er nicht kontrollieren konnte. „W– was ist das?", fragte er Melèch angstvoll.
Elronds Augen verengten sich stark. Der Elb wusste bereits die Antwort darauf, obwohl er angenommen hatte, dass es völlig unmöglich war.
„Dor-Gor ist von einer alten Rasse, die es schon gegeben hat, als die Welt jung war", antwortete Melèch ruhig. „Seine Leute sind so etwas wie lebende Steine, stark und unzerbrechlich. Seht Euch um, meine Freunde, das ist unsere Armee." Der König schwang seine Arme um die Innenseite der Höhle. Plötzlich machte die bedrückende Anwesenheit der großen, seltsam geformten Steinsäulen Sinn. Sie waren kein Stein, es waren mehr Kreaturen wie Dor-Gor und doch … bewegten sie sich nicht.
„Eure Armee ist nutzlos, Melèch." Elrond schüttelte seinen Kopf und klopfte mit seinen Knöcheln an eine der Säulen. „Sie sind so tot wie Stein."
„Oh nein, nicht tot, nur in einem sehr tiefen Schlaf …" Dor-Gor lachte. „Seht, vor vielen Jahrhunderten hatten wir ein paar … Unstimmigkeiten … mit den Einheimischen. Der König des Düsterwaldes und seine Leute banden uns rücksichtslos an diesen verzauberten Schlaf und schlossen uns in dieser Höhle ein, in festem Granit eingefasst. Aber sie irrten sich in ihren Plänen und mein Schlaf war nicht so tief wie der der anderen." Wilder Hass flammte in seinen Augen auf und sein Blick richtete sich auf Legolas. Der junge Elb bewegte sich leicht, unruhig. Er bekam das starke Gefühl, dass Dor-Gor ebenso genau wusste, wer und was er war.
Elrond wusste genau von den Ereignissen, die Dor-Gor erwähnte und kannte die Details, die die Kreatur weggelassen hatte. Vor einer sehr langen Zeit, als König Thranduil noch ein junger Elb war und Elronds eigener Vater und seine Mutter immer noch die Ebenen Mittelerdes bewanderten, hatten diese Kreaturen das Land in diesem Gebiet heimgesucht und verwüstet und viel Tod und Zerstörung gebracht. Eines der größten Probleme mit ihnen war, dass sie sich nicht normal vermehrten, aber nach der Art verfuhren, dass sie Stein schlugen und ihm mit dunklen Künsten Leben einhauchten, sodass ihre Anzahl in einer sehr kurzen Zeit dramatisch zunehmen konnte, wenn sie nur genug Stein hatten, mit dem sie arbeiten konnten.
Durch eine Verbindung von Gerissenheit und Kampf hatten die Elben dem letztendlich ein für alle Mal ein Ende gesetzt und Legolas' Vater und Großvater hatten sie in ihrem Steingrab eingeschlossen, wo sie für immer bleiben sollten … aber anscheinend war irgendetwas schief gegangen.
„Ich erweckte Dor-Gor zufällig, aber das Schicksal hat auf diese Chance herabgelächelt und uns mit einer ungleichen Möglichkeit ausgestattet." Melèch nahm die Erklärung wieder auf. „Glaubt Ihr nicht, dass Eure Aufständler bei dem Schrecken fliehen würden, wenn sie einer solchen Armee gegenüberstehen würden, Elnon?"
Elnon nickte langsam, als seine Gier seine Angst überkam. Seine Augen verengten sich leicht. „Alles gegen eine Gage an Euch, nehme ich an?"
Melèch winkte die Frage mit einem Schulterzucken ab. „Sicherlich habe ich Kosten einzuziehen … Unuths Sklaven sind nicht billig, und es waren alle, die er beschaffen konnte, nötig, um diese Höhle zu säubern. Es scheint, dass die Luft hier unten nach einiger Zeit ungesund wird und eine enttäuschende Anzahl von ihnen starb ständig." Die Worte waren harsch und gleichgültig. „Aber von Euch, Elnon, werde ich nichts für mich selbst nehmen, nur den Preis für Lord Esgals Bewaffnungen werde ich von Euch verlangen um meine neue Armee zu unterstützen."
„Aber was hat Dor… was auch immer sein Name ist, davon?", hakte Elnon nach. Der König war offensichtlich der Meinung, dass niemand irgendetwas für nichts tat, und er hatte Recht.
„Zum einen Schutz." Melèch war offensichtlich sehr zufrieden mit seinem eigenen Plan. „Seht, die Haut dieses Geschöpfes ist so stark, dass nichts sie durchdringen kann. Sie haben nur einen schwachen Punkt, direkt zwischen ihren Schlüsselbeinen. Und das, Lord Esgal, ist der Punkt, an dem Euer Puzzelteil ins Spiel kommt."
Plötzlich verstand Elrond. Natürlich, die Ringe, die er Melèch mitgebracht hatte, würde perfekt um Dor-Gors Hals passen und die schwache Stelle an der Unterseite des Halses vor jeglichen Verletzungen schützen.
„Zweitens kann Dor-Gor diese Höhle nicht verlassen, bis seine Gefährten erweckt wurden, aber um das zu tun, brauchte er jemanden, der ihm das brachte, was er brauchte, um sie zu beleben", fuhr Melèch fort. „Und das habe ich nun getan."
Auf ein Nicken von Melèch griffen Dagred und die andere Wache grob Legolas' Arme und zerrten ihn nach vorne. Legolas wehrte sich, wurde aber vor der scheußlichen Kreatur auf die Knie gezwungen.
Dor-Gor bückte sich und platzierte sein großes, gemeißeltes, hässliches Gesicht nur ein paar Zentimeter von dem des jungen Elben entfernt. Die langen Zähne der Kreatur glitzerten bösartig.
„Kleiner Elbenprinz, deine Väter legten diesen Fluch auf uns, aber du wirst den Preis dafür bezahlen." Er grinste boshaft.
Legolas' Gesichtszüge verhärteten sich und er starrte eisig zu dem Ungeheuer auf, sich weigernd, angstvoll zurückzuweichen oder irgendwelche Anzeichen des Entsetzens zu zeigen, das durch seine Adern strömte.
„Gondrauko", spie Legolas den alten elbischen Namen für diese Kreaturen aus. „Von dir euch wird immer noch in unseren Legenden gesprochen und dein euer Vermächtnis ist ein böses. Es macht jetzt Sinn. Das ganze Gestein in den Steinbrüchen, es war nicht zum Bauen, es ist für dich, damit du daraus mehr von deiner entstellten Art formen kannst, wenn du erst deine ganze Kraft zurückerlangt hast." Schreckliche Erkenntnis überkam ihn.
„Du weißt es, jetzt nimm dieses Wissen mit ins Grab. Der Rest deiner erbärmlichen Art wird dir bald genug folgen, weil wir unaufhaltbar sind! Und dieses Mal werden wir uns ein für alle Mal um euch Elben kümmern", drohte Dor-Gor.
Legolas schreckte nicht vor ihm zurück. „Du bist einmal besiegt worden, du wirst wieder besiegt werden."
Dor-Gor lachte nur. „Ich denke nicht, Kleiner. Und selbst wenn, wirst du nicht da sein, um es zu sehen. Bereitet ihn vor." Der letzte Kommentar war an Dagred und seinen Gefährten gerichtet. Dagred schlang seine Hand in die Haare des Elben und zog Legolas' Kopf nach vorne, während sein Gefährte die Schultern des jungen Prinzen hielten und sie so den Hals des Elben entblößten.
Dor-Gor hob ein scharfes, zerklüftetes Stück Stein, das einem verzerrten Dolch ähnelte und legte es mit der Spitze nach unten gegen die Unterseite von Legolas' Kopf.
