Frodo hörte nur noch den zornig überraschten Aufschrei des Riesen, bevor er fallen gelassen wurde und so hart auf dem Boden aufschlug, dass er einen Moment lang völlig benommen war. Der Hobbit konnte nicht klar denken, er nahm nur undeutliche Stimmen in einiger Entfernung wahr und glaubte eine davon zu erkennen. Legolas? Doch bevor er sicher sein konnte, wurde er brutal an den Haaren hochgezerrt und schrie vor Schmerz auf: „Schagrat, nein...." Die Antwort war ein dermaßen drohendes Grollen, dass Frodo das Blut in den Adern gefror. „Du dreckige Ratte von einem Halbling, ich habe immer gewusst, dass du mich reinlegen würdest, wenn du nur die Gelegenheit dazu hättest." Frodos Herz setzte einen Moment aus. „Das ist nicht wahr, Schagrat, und du weißt es", schrie er in höchster Not. Doch der Uruk zerrte nur noch stärker an ihm. „Halt den Mund, du winselnder Wurm, oder ich reiße dir den Kopf ab." Frodo wusste nicht, was in diesem Moment schlimmer war, seine Todesangst oder die niederschmetternde Erkenntnis, dass alles umsonst gewesen war. Schagrat beugte sich zu ihm hinunter, nahm Frodos Kopf in eine seiner riesigen Pranken und bog ihn langsam zurück, um in die angstvoll geweiteten Augen des Hobbits zu starren. Genau das ist es, was mir Spaß macht, dachte der Uruk befriedigt. Er wollte sich an dieser Angst weiden...
Im selben Moment gab auf der anderen Seite der Lichtung Aragorn den dringenden Befehl, dass niemand seiner Männer schießen oder sich anderweitig rühren dürfe. Nur Legolas hielt seinen Bogen noch immer gespannt. „Ich könnte von hier aus sein Herz treffen, vertrau mir." Doch Aragorn legte rasch seine Hand auf den Arm des Elben. „Nein, Legolas, ein Uruk-hai ist nicht so schnell mit einem Pfeil umzubringen. Er braucht nur den Bruchteil einer Sekunde, um Frodo das Genick zu brechen, und das dürfen wir auf keinen Fall riskieren." Der blonde Elb ließ widerwillig den Bogen sinken. Sein Hass auf den Uruk war groß, und er würde ihn bis ans Ende der Welt verfolgen, sollte er seinem Freund auch nur ein Haar krümmen.
Aragorn schloss für einen Moment verzweifelt die Augen. Sollte Frodo jetzt getötet werden, würde er sich das niemals verzeihen können. Er blickte wieder angestrengt über die Lichtung. Frodo schien auf den Uruk einzureden, aber Aragorn war sich nicht sicher, denn die Entfernung war zu groß, um etwas Genaues erkennen zu können. Legolas, dessen elbische Augen und Ohren weitaus schärfer waren, berichtete ihm, was er an Wortfetzen auffangen konnte. Doch selbst er konnte kaum etwas verstehen, da der Hobbit offenbar sehr leise und eindringlich sprach. Für die Männer sah es fast so aus, als hätte das grässliche Ungeheuer Frodo als Geisel genommen, was allerdings eine eher ungewöhnliche Verhaltensweise für einen Uruk war. Der kleine Trupp von Menschen und Elben hatte fest damit gerechnet, dass er sie sofort wie ein Wahnsinniger angreifen würde. Doch so konnten sie im Moment nur abwarten, was weiter geschehen würde. Diese Hilflosigkeit bereitete Aragorn ohnmächtige Qualen. Er hatte nicht im Traum damit gerechnet, gerade hier auf Frodo und seinen Entführer zu treffen. Überhaupt war er eigentlich mit ganz anderer Botschaft unterwegs gewesen...
Schagrat starrte dem Hobbit noch immer dumpf knurrend ins Gesicht, und Frodo erkannte erschüttert, dass jede falsche Geste ihn in diesem Moment das Leben kosten würde. Er hatte wieder eine gefährliche Bestie vor sich, die sich im Angesicht der lauernden Krieger einzig auf einen Kampf einlassen würde. Die schwarze Macht hatte jedes andere Gefühl in ihm verdrängt. Unter höchster Gefahr für sich selbst versuchte der Hobbit verzweifelt, auf den Uruk einzureden. „Du musst weglaufen, Schagrat, bitte, du darfst nicht kämpfen," flehte er. Doch der Riese lachte grauenvoll und düster. „Ein Uruk-hai läuft niemals vor einem Feind davon, du dämlicher Winzling." „Aber sie werden dich töten, Schagrat." „Das ist mir egal, und dir kann es ja wohl auch egal sein." Frodo war am Boden zerstört. Sollte wirklich alles vergebens gewesen sein? Doch wenigstens redete der Uruk mit ihm, also schien ihn irgendetwas zögern zu lassen. Frodo hatte nur diese eine Chance. Er musste jetzt zu Schagrat durchdringen, oder sie würden beide sterben.
Der Hobbit spielte seine letzte Karte, und seine leise Stimme zitterte. „Verstehst du denn nicht, ich möchte nicht, dass du stirbst. Ich bin dein Freund, erinnere dich... du würdest mich sehr traurig machen. Schagrat, ich möchte, dass du lebst. Bitte tue es für mich... du weißt, dass ich dich niemals verraten würde, sieh mich an und höre auf dein Herz..." Frodo verstummte, denn jedes weitere Wort würde sinnlos sein. Der Uruk fletschte die Zähne, doch er rührte sich noch immer nicht. Der Hobbit hatte ihn offensichtlich verunsichert. Schagrat senkte seinen funkelnden Blick in Frodos flehende Augen, und die Zeit schien sich endlos zu dehnen...
Urplötzlich jedoch brüllte Schagrat ohrenbetäubend auf, stieß den Hobbit grob von sich und war in der nächsten Sekunde im dichten Wald verschwunden. Im selben Moment erhob sich lautes Stimmengewirr am anderen Rand der Lichtung. Frodo rappelte sich hektisch auf und versuchte angestrengt auszumachen, wohin der Uruk verschwunden war, doch Schagrat war wie vom Erdboden verschluckt. Eine behutsame Hand legte sich auf die Schulter des Hobbits, und er sah verwirrt auf. „Aragorn?" Der König kniete vor ihm, und seine Stimme klang besorgt: „Bist du verletzt, Frodo?" „Nein, es geht mir gut." Jetzt erst wagte es Aragorn, seinen Freund erleichtert in die Arme zu nehmen, und Frodo schmiegte sich aufatmend an ihn.
Aragorns Stimme zitterte leicht, als er sagte: „Ich hatte nicht mehr gehofft, dich lebend wiederzusehen...", und Frodo nickte verstehend. Doch dann sah er dem König angsterfüllt in die Augen. „Weißt du etwas von Sam?" Aragorn lächelte und nahm das Gesicht des Hobbits in seine Hände. „Mach dir keine Sorgen, es geht ihm gut. Er ist in Bruchtal, und Arwen ist gekommen und kümmert sich um seine Genesung. Auch Merry und Pippin sind dort, denn er brauchte dringend etwas heimatliche Unterstützung. Ein Hobbit sollte nie ohne einen anderen sein, das habe ich inzwischen gelernt." Frodo kämpfte mit den Tränen der Erleichterung.
In diesem Moment stieß auch Legolas zu ihnen. Der Elb umarmte Frodo herzlich und küsste ihn lächelnd auf die Stirn. Doch wurde sein Blick gleich wieder ernst. „Ich werde sofort mit ein paar Männern die Fährte dieses Uruks aufnehmen und ihn verfolgen." „Nein", schrie Frodo auf, „das dürft ihr nicht. Es ist nicht so, wie ihr denkt. Schagrat hat mich vor Kankra gerettet und hierher gebracht." Legolas blinzelte irritiert, und Aragorns Stimme klang verwundert: „Frodo, dieser Uruk-hai hätte dich eben um ein Haar getötet, ich weiß, was ich gesehen habe." Der Hobbit schüttelte hektisch den Kopf. „Er war doch nur verstört, weil er verwundet wurde. Bitte lasst ihn in Ruhe, ihr dürft ihm nichts tun." Doch der König sprach mit Nachdruck weiter: „Frodo, wir können es auf keinen Fall zulassen, dass ein Uruk-hai in diesen Wäldern sein Unwesen treibt. Er ist eine gefährliche und brutale Bestie, ein Diener der schwarzen Macht, und wir müssen dringend dafür sorgen, dass er unschädlich gemacht wird."
Der Hobbit riss gereizt ein Grasbüschel aus dem Boden und sprang energisch auf. „Verdammt, hört ihr mir überhaupt nicht zu?" Seine Stimme war scharf geworden, und Aragorn und Legolas tauschten einen besorgten Blick miteinander. „Er ist kein normaler Uruk-hai, nicht mehr, er hat sich verändert. Ich weiß, wovon ich rede. Wenn ihr ihn jetzt jagt, dann war alles umsonst." Der König wurde etwas strenger. „Jetzt beruhige dich, Frodo, und dann wirst du einsehen, dass ich nicht anders entscheiden kann. Denn wie du schon bemerkt hast, ist der Uruk verwundet und gerade deshalb noch unberechenbarer. Er ist eine Gefahr für alle, die seinen Weg kreuzen. Es tut mir leid, wenn du das nicht verstehst, aber diese Entscheidung liegt nicht bei dir." Frodos Stimme überschlug sich fast: „Ich werde das nicht zulassen, das wäre wie Verrat, denn er vertraut mir. Wenn ihr ihn tötet, werde ich euch das nie verzeihen." Seine Augen blitzten zornig, und er hob einen Stein vom Boden auf und schleuderte ihn wütend an den nächstbesten Baumstamm.
„Jetzt reicht es, Frodo Beutlin!" Auch Aragorn hatte sich erhoben und seine strenge Stimme wurde so laut, dass der Hobbit ihn nur mit offenem Mund anstarren konnte. „Wir haben wochenlang Todesängste um dich ausgestanden und verzweifelt nach dir gesucht. Jetzt waren wir auf dem Weg zurück nach Bruchtal, um die traurige Botschaft zu überbringen, dass alle Anzeichen dafür sprechen, dass du nicht mehr am Leben bist. Hast du eine Ahnung, wie wir uns gefühlt haben? Und dann finden wir dich hier geradewegs in den Klauen eines Uruk-hai. Doch nachdem du diesen glücklich entkommen bist, kannst du an nichts anderes denken als an diese grässliche Bestie. Oh, Verzeihung, Herr Beutlin, ich hatte vergessen, dass du dich ja immerhin ganz kurz nach Sam erkundigt hast. Doch wie es den anderen ergangen ist, scheint dich überhaupt nicht zu kümmern. Statt dessen verschwendest du deine Gedanken einzig und allein an diesen Uruk, und ganz nebenbei benimmst du dich gerade selbst wie einer!"
Der Hobbit zuckte erschrocken zusammen. Tat er das wirklich? Frodo errötete vor Scham und konnte nur stammeln: „Ich habe... ich wollte doch nur..." Er brach bestürzt in Tränen aus. Doch Aragorn kniete bereits vor ihm und hielt in sanft an den Schultern fest. „Es tut mir leid, Frodo, ich wollte dich nicht anschreien. Du hast gerade so viel durchgemacht, sei mir nicht böse." „Nein, Aragorn," schluchzte Frodo, „du hast ja recht, ich benehme mich furchtbar... es ist nur, ich habe so sehr um diesen Uruk gekämpft, es kann doch nicht alles umsonst gewesen sein..." Seine Stimme klang so erschüttert, dass Aragorn sich hilfesuchend zu Legolas umwandte.
Der Elb kam heran und strich Frodo tröstend über den Kopf. „Was denkst du denn, was wir sonst tun sollten?" Der Hobbit zuckte verzweifelt die Schultern und flüsterte flehend: „Ich weiß es doch auch nicht, nur bitte, tötet ihn nicht." Aragorn seufzte: „Du weißt, das wir das nicht versprechen können..." Der Hobbit ergriff bittend die Hand des Elben. „Legolas, glaubst du, dass ein Uruk-hai noch einen letzten elbischen Funken in sich tragen könnte?" Legolas sah den Hobbit eine Weile schweigend an und schüttelte dann traurig den Kopf. „Nein, Frodo, das Schicksal der Orks wurde vor vielen tausend Jahren besiegelt. Da ist nichts Elbisches mehr in ihnen, es ist schon lange zerstört." Doch Frodo blieb hartnäckig. „Und wenn man diesen Funken wiederfinden könnte, auch wenn es noch einmal tausend Jahre dauert, es muss doch eine Möglichkeit geben, und das hier könnte ein Anfang sein..."
Aragorn legte dem Hobbit seine Hand auf die Schulter. „Frodo, du verrennst dich da in etwas. Es mag ja sein, dass du diesen Uruk eine Weile in Schach halten konntest. Und wer, wenn nicht du, könnte so etwas schaffen, denn du hast diese Gabe. Aber du kannst ihn nicht zähmen. Er wird immer bleiben, was er ist, so traurig das für dich auch klingen mag. Du hast es doch gerade selbst erlebt." Frodo schlug die Hand des Königs trotzig von seiner Schulter. „Du verstehst überhaupt nichts!" Aragorn runzelte die Stirn über das Verhalten des Hobbits, blieb jedoch ruhig. „Also gut, Frodo, ich habe jetzt keine Zeit für diese Diskussion, denn ich muss eine Entscheidung treffen, die nicht warten kann. Ich muss an das Wohl vieler denken. Aber ich schlage dir einen Kompromiss vor." Der Hobbit blickte ihn fragend an. Aragorn fuhr mit ernster Stimme fort: „Wenn du für diesen Uruk-hai deine Hand ins Feuer legen kannst, dann werde ich ihn nicht verfolgen lassen. Ich werde dich dann beim Wort nehmen. Also frage ich dich jetzt, Frodo, kannst du dafür bürgen, dass dieser Uruk niemanden angreifen wird und auch sonst keine Gefahr darstellt?"
Frodos Lippen zitterten und seine Augen füllten sich wieder mit Tränen. Er sagte kein Wort. Doch als er Aragorns Blick nicht mehr standhalten konnte, senkte er traurig den Kopf. Der König verspürte einen Stich im Herzen, aber er konnte Frodo diese Qual jetzt nicht ersparen. Wortlos nickte er Legolas zu, der nach einem mitfühlenden Seitenblick auf Frodo loslief, um ein paar Männer und Elben um sich zu sammeln, die mit ihm die Verfolgung aufnehmen würden.
Aragorn wandte sich wieder dem Hobbit zu. Frodo hielt den Kopf noch immer gesenkt und schwieg. Doch der König sah, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Der Anblick schmerzte ihn so sehr, dass er den Hobbit am liebsten tröstend in den Arm genommen hätte. Doch statt dessen sagte er nur: „Die übrigen Männer werden dort drüben für die Nacht ein Lager aufschlagen. In aller Frühe werden wir dann aufbrechen und morgen noch Bruchtal erreichen. Wenn du Hunger bekommst oder erfahren möchtest, wie es deinen Freunden inzwischen ergangen ist, kannst du später ans Feuer kommen. Ich werde dort sein." Damit wandte er sich ab und ging, nicht ohne sich dabei verzweifelt auf die Lippen zu beißen.
Kapitel 11Es war bereits dunkel, als sich Frodo still zu Aragorn ans Feuer setzte, der sich einen Platz etwas abseits von seinen Männern gesucht hatte, um dort auf den Hobbit zu warten. „Hast du Hunger, Frodo?" Der Hobbit nickte stumm und wich Aragorns Blick verlegen aus. Doch der König erhob sich höflich, um seinen Gast zu bewirten und wartete schweigend, bis Frodo seinen Hunger gestillt hatte. Er würde ihm alle Zeit geben, die er brauchte. Endlich wagte es Frodo zu sprechen, auch wenn seine Stimme vorerst unsicher und brüchig klang. „Ich würde jetzt gern hören, wie es euch allen inzwischen ergangen ist."
Aragorn nickte, zündete sich eine Pfeife an und begann zu erzählen. „Wir müssen auf Sam gestoßen sein, kurz nachdem er von den Orks zurückgelassen wurde. Sam konnte sich nicht genau erinnern, wie und wann das gewesen war, denn er hatte hohes Fieber und war überhaupt in einem bedrohlichen Zustand. Also ließ ich ihn schnellstens von ein paar Männern nach Bruchtal bringen. Ich hielt es überdies für das beste, Merry und Pippin mit diesem Trupp mitzuschicken, obwohl sie natürlich lieber weiter nach dir gesucht hätten, denn sie waren krank vor Angst und Sorge. Ich hatte dir vorhin gesagt, dass es Sam inzwischen gut geht. Nun, das war zwar nicht gelogen, doch ahnte ich gleich, dass die Tatsache, dass er dich in Kankras Höhle glauben musste, seine Heilung erheblich verzögern würde. Ich schickte deswegen einen Boten zu Arwen, die sofort nach Bruchtal eilte, um sich mit elbischem Geschick um deinen lieben Freund zu kümmern. Bei den Valar, Asfaloth ist wirklich ein Pferd, das beinahe fliegen kann, wie du ja selbst weißt. Jedenfalls erhielt ich vor zwei Tagen Nachricht von Arwen, dass es Sam den Umständen entsprechend gut geht."
Aragorn zog an seiner Pfeife, und Frodo lauschte ihm aufmerksam. „Während ich mich noch notdürftig um Sam kümmerte, um ihn wenigstens für die Reise stabil zu halten, holten Legolas und Gandalf noch ein paar Elben heran, die uns bei der Suche nach dir unterstützen würden. Wir sind den Spuren der Entführer dann weiter gefolgt bis in den Düsterwald. Dort hatten wir Pech und wurden von einer Rotte Orks angegriffen, wir haben ein paar von ihnen getötet und konnten den Rest in die Flucht schlagen, doch leider kamen bei diesem Kampf auch zwei der Elben ums Leben." Frodo schluckte verstört. „Doch einen der Orks konnten wir gefangen nehmen, und als wir ihn verhörten, stellte sich heraus, dass es sich genau um die Horde handelte, die euch beide verschleppt hatte.
Der gefangene Ork lachte hämisch, als er mitbekam, dass wir auf der Suche nach dir sind, und dann erzählte er uns, dass wir zu spät kämen, denn sein eigener Anführer, dieser Verräter von einem Uruk, hätte dich in seiner Gier vor Kankras Nase weggeschnappt, weil er dich schon die ganze Zeit für sich allein haben wollte. Gerade dieser Ork hätte nämlich deutlich gehört, wie Schagrat zu dir sagte, dass er dich am liebsten selbst fressen würde." Frodo nickte atemlos: „Ich verstehe, und da musstet ihr mich für tot halten..." Aragorn seufzte: „In der Tat, wir waren am Boden zerstört, sind aber dann noch weiter bis zu Kankras Höhle vorgedrungen. Und Gandalf hat all seine Magie eingesetzt, um etwas von Kankra zu erfahren. Es war gespenstisch, er bestand darauf, ganz allein in diese Höhle zu gehen und hat es sich nicht ausreden lassen. Frage mich nicht, wie er das angestellt hat, aber das Monster hat ihm diese Geschichte letztlich bestätigt."
Aragorn schüttelte den Kopf. „Es war grauenvoll für uns, Frodo. Natürlich haben wir versucht, diesen Schagrat aufzutreiben, aber uns war auch klar, dass er sich schnellstens aus dem Staub gemacht haben dürfte, bevor seine eigenen Orks ihn als Verräter in Kankras Netz werfen würden. Überdies scheint er wirklich ein Talent dafür zu haben, wie vom Erdboden verschluckt zu bleiben, denn wir konnten nicht die geringste Spur von ihm entdecken. Vielleicht gelingt ihm das ja auch dieses Mal..."
Der Hobbit sah Aragorn forschend an, doch der König sprach gleich weiter: „Nach mehreren Tagen der Suche blieb uns nichts weiter übrig, als ohne Hoffnung umzukehren. Nur Gandalf wollte noch einmal allein zu Kankras Höhle zurück, um, wie er sich ausdrückte, ein weiteres Tänzchen mit ihr zu wagen, was immer er damit meinte. Du weißt ja, wie geheimnisvoll er immer tut. Der Rest von uns war jetzt auf dem Weg nach Bruchtal, um Sam und den anderen die furchtbare Botschaft zu überbringen, dass du wahrscheinlich..." Er seufzte wieder. „Nicht im Traum hätten wir ahnen können, dass dieser Uruk dich nicht fressen würde, sondern dich statt dessen fast bis nach Hause trägt. Denn er muss dich über weite Strecken getragen haben, ist es nicht so? Ein Hobbit wäre wohl kaum so rasch vorwärts gekommen." Frodo nickte stumm und traurig in Erinnerung an Schagrat.
Der König fuhr fort: „Gandalf wird ebenfalls bald in Bruchtal zu uns stoßen, er sagte, er würde nicht länger als fünf Tage im Düsterwald verweilen und uns dann folgen. Nun, jedenfalls sind wir heute Nachmittag an dieser Lichtung angelangt und erblickten den Uruk-hai, der dich gerade gewaltig durchschüttelte, ein sehr beunruhigender Anblick, und wir wollten ihn unbedingt erst einmal ablenken, bevor er etwas Schlimmeres mit dir anstellt... und den Rest kennst du ja. Was mich betrifft, so habe ich bereits einen Boten nach Bruchtal geschickt, um von unserer morgigen Ankunft zu berichten und vor allem natürlich auch, dass du nun bei uns und in Sicherheit bist..." Aragorn nickte dem Hobbit zu, was besagte, dass er seinen Bericht beendet hatte.
Frodo sah den König wie um Entschuldigung bittend an, bevor er leise sagte: „Es tut mir leid, dass ihr meinetwegen so viel durchgemacht habt. Und in der Tat hatte ich in den ersten Tagen auch kaum geglaubt, dass ich das alles überleben würde... es war sehr hart und schwierig für mich, besonders als wir bei Kankra ankamen... Aber dann wurde alles so anders..." Er stockte, als würde er mit seinen Erinnerungen kämpfen. Aragorn legte ihm behutsam seine Hand auf den Arm. „Ich wollte dir nicht wehtun, Frodo." Der Hobbit sah ihn wehmütig an. „Das weiß ich, Aragorn. Du hast nur getan, was du tun musstest. Und das Schlimme ist, das du recht hast. Schagrat ist wirklich unberechenbar. Aber er ist auch oft ganz anders..." Er ließ den Kopf sinken und schien um seine Fassung zu ringen. Da hörte er Aragorns sanfte Stimme: „Möchtest du mir davon erzählen?" Frodo blickte auf und nickte langsam: „Das würde ich gern...".
Doch in diesem Moment wurden sie unterbrochen, da Legolas mit dem Suchtrupp in das Lager zurückkehrte. Aragorn bemerkte, dass der Hobbit leicht zitterte, als er den blonden Elben erblickte, der sich aus der Gruppe gelöst hatte und nun zielstrebig auf sie zukam. „Wir konnten bisher keine einzige Spur finden, dieser Uruk scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Wir haben die Suche bis morgen unterbrochen, denn in der Nacht wäre es zu gefährlich für die Männer, die im Dunkeln nicht so gut sehen wie Elben. In der Morgendämmerung werden wir erneut losziehen und dann wohl für ein paar Tage unterwegs sein." Der König nickte bestätigend und blickte schnell zu Frodo, der jedoch wieder überraschend gefasst zu sein schien.
Auch Legolas wandte sich jetzt an den Hobbit. „Ich verstehe, dass du dich sorgst, Frodo, und ich wünschte, ich hätte einen anderen Auftrag zu erfüllen, der keinem meiner Freunde Qualen bereiten muss." Er schüttelte traurig den Kopf. Doch Frodo nickte verständnisvoll und sagte: „Das weiß ich zu schätzen, Legolas, doch es ist im Moment wohl einfach nicht zu ändern. Ich war gerade dabei, Aragorn von meinen Erlebnissen zu berichten. Wenn du möchtest, dann setze dich doch zu uns. Vielleicht versteht ihr ja dann ein wenig besser, warum ich euch vorhin so bedrängt habe." Der Elb nickte lächelnd und setzte sich neben Aragorn, um dem Bericht des Hobbits zu lauschen.
Frodo hatte in der Tat das dringende Bedürfnis, die Vielzahl seiner schönen und schlimmen Momente und Erfahrungen mit seinen beiden Freunden zu teilen, hatte sie doch ihr schwerer gemeinsamer Kampf gegen eine übermächtige Dunkelheit vor langer Zeit untrennbar eng miteinander verbunden. Und so erzählte er ihnen alles, an das er sich erinnern konnte, wohl auch, um es für sich selbst noch einmal zu überdenken. Einzig die Sache mit dem Zwerg ließ er mit einem Seitenblick auf Legolas lieber unerwähnt.
Kapitel 12Als er geendet hatte, sah Legolas ihn mitfühlend an. „Das ist eine unglaubliche Geschichte, Frodo, und es erfüllt mich mit großer Freude und Erleichterung, dich nun wohlbehalten wiederzusehen, nachdem wir schon alle Hoffnung aufgegeben hatten." Der Hobbit nickte ernst. „Verstehst du jetzt, warum ich vorhin so überstürzt reagiert habe?" Der Elb lächelte freundlich. „Ich habe dich immer verstanden, Frodo, ich habe die Angst und Besorgnis in deinen Augen gesehen, und ich kenne dein mitfühlendes Herz seit langer Zeit." Frodo blickte ihn dankbar an. Er hatte plötzlich das untrügliche Gefühl, dass Legolas alles tun würde, um Schagrat nicht unnötig zu verletzen oder Schlimmeres. Doch war ihm natürlich auch klar, dass der Elb dafür keine Garantie übernehmen konnte. Sie alle wussten genau, wie unerbittlich ein Uruk-hai kämpfen würde, wenn er sich von Feinden umringt sah.
Kurz darauf erhob sich Legolas entschuldigend, um zu den anderen Elben hinüberzugehen, denn er hatte in Aragorns Blick gelesen, dass dieser gern noch einmal allein mit Frodo sprechen wollte. Für eine Weile herrschte Schweigen am Feuer, bevor der König ruhig fragte: „Denkst du, dass diese Begebenheit unsere Freundschaft auf die Probe stellen wird?" Der Hobbit dachte einen Moment nach und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein, Aragorn, und was ich vorhin sagte, tut mir leid. Ich hatte nicht bedacht, wie schwierig die ganze Situation ist." Aragorn nickte verstehend und sprach weiter: „Ich hoffe, du verstehst meine Sorge, aber ich habe einfach Angst, dass dein Herz wieder verletzt werden könnte, und das würde auch mich sehr schmerzen. Denn ich glaube, dass du dich schlicht übernimmst in deinem dringenden Wunsch, diesem Uruk zu helfen. Aber du kannst nicht mehr tun, als du schon getan hast, und ich denke, das weißt du auch selbst." Er schwieg einen Moment und sah den Hobbit an, der seinen Blick wieder gesenkt hielt.
„Frodo, du musst endlich zur Ruhe kommen nach allem, was das Schicksal von dir gefordert hat. Du hast härtere Entbehrungen erfahren als jeder andere von uns. Du hast Unglaubliches geleistet gegen alle Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Die Zeit mag schnell vergehen, und doch ist es noch nicht lange her, dass du eine schier unlösbare Aufgabe erfüllt hast, die niemand außer dir hätte meistern können. Wer könnte mehr von dir verlangen?" Frodos Schultern verkrampften sich und er flüsterte kaum hörbar: „Ich habe sie nicht erfüllt, und du weißt es." Aragorn zog scharf die Luft ein. „Ich verstehe", sagte er ernst, „du denkst, du wärst am Schicksalsberg gescheitert. Wahrscheinlich denkst du auch, du hättest bei Gollum versagt. Und jetzt versuchst du verzweifelt, deine vermeintlich begangenen Fehler an Schagrat wieder gut zu machen. Ist es nicht so?"
Frodo zitterte wieder, und seine Schultern bebten. Aragorn hatte sich erhoben, um sich näher an den Hobbit heranzusetzen. Er nahm ihn behutsam in die Arme, und Frodo barg sein Gesicht weinend an der Schulter des Königs. „Ich hätte auf Gandalf hören müssen", flüsterte er unter Tränen, „er hatte mir dringend davon abgeraten, den Ring jemals zu benutzen. Er hatte recht, und hätte ich auf ihn gehört, dann würde Gollum jetzt vielleicht noch leben und..." Er schluchzte, und Aragorn erwiderte leise, doch eindringlich: „Was versuchst du hier zu rechtfertigen, Frodo Beutlin? Dass du nicht vollkommen bist? Dass du Schwächen gezeigt hast im Angesicht einer übermächtigen Gefahr? Was verlangst du da von dir? Wie kannst du nur so unerbittlich hart zu dir selbst sein?"
Er seufzte, und der Hobbit blickte ihn ratsuchend an. „Frodo, du darfst dir selbst gegenüber nicht so ungerecht sein, denn es würde dich irgendwann zerstören. Es ist Zeit, die Bürde abzulegen. Du kannst dich nicht für alles verantwortlich fühlen, denn das Schicksal geht seine eigenen Wege, und wir können ihm nicht unseren Willen aufzwingen." Frodo blickte wehmütig zu Boden, und der König fuhr fort: „Du hast für Schagrat getan, was du konntest, und das ist wirklich wundervoll, doch musst du ihn, der nun heimatlos ist, jetzt trotzdem ziehen lassen. Du musst jetzt das sehen, was vor dir liegt. Sam braucht dich, Frodo. Er hat schlimme Ängste und Schmerzen ertragen müssen, und die lange Ungewissheit über dein Schicksal hat ihn fast zerbrochen. Du musst jetzt entscheiden, wo du wirklich hingehörst und wo dein Zuhause ist."
Frodo sah den König lange nachdenklich an, dann jedoch nickte er langsam. „Du hast sicher recht, Aragorn. Doch es ist nicht einfach für mich, und ich werde über vieles, was du mir gesagt hast, nachdenken müssen. Nur wisse, dass ich nie zuvor deutlicher gespürt habe, wie unendlich wertvoll deine Freundschaft für mich ist." Aragorn lächelte mild und strich dem Hobbit leicht über die Wange. „Versuche jetzt ein wenig zu schlafen, Frodo, denn wir werden in aller Frühe aufbrechen." Damit erhob er sich, um Frodo seinen eigenen Gedanken und einem hoffentlich heilsamen Schlaf zu überlassen. Und in der Tat ließ der Hobbit sich bald von einer warmen Regung einhüllen, die sich wie Geborgenheit anfühlte, denn er wusste sich von Freunden umgeben, die ihn immer schützen und verstehen würden. Langsam glitt er in einen sanften Traum hinüber und sah Sam im Garten von Beutelsend...
Kapitel 13In der Morgendämmerung trat der König zu Legolas, der gerade mit den anderen Elben zu einer erneuten Suche nach dem Uruk-hai aufbrechen wollte. Sie hatten beschlossen, dass nun ausschließlich die Elben diesen Auftrag weiterführen würden, und Aragorns Männer sollten mit ihm nach Bruchtal gehen und später nach Gondor zurückkehren, denn der König würde nicht mehr lange in dieser Gegend verweilen können. Seine Pflichten würden ihn wohl bald zurückrufen. „Wenn du mich fragst, Legolas, so wäre es mir am liebsten, wenn wir nie wieder etwas von diesem Schagrat sehen oder hören. Ich glaube, das wäre das Beste für alle, besser jedenfalls, als Frodo schlimme Kunde bringen zu müssen." Der Elb nickte bestätigend. „Du hast Recht, Aragorn, auch ich möchte nicht, dass Frodo deswegen leiden muss, und ich werde alles tun, damit es nicht soweit kommt. Doch wir alle haben unsere Kampferfahrungen mit dieser Rasse. Andererseits kann die Ungewissheit noch quälender sein, wenn man großen Anteil am Schicksal eines anderen nimmt." Er zuckte seufzend die Schultern. Aragorn nickte ihm noch einmal zu: „Wir sehen uns in ein paar Tagen in Bruchtal. Viel Glück, mein Freund!"
Als die Elben im Wald verschwunden waren, ging Aragorn zurück zu seinem Lagerplatz, um Frodo zu wecken, und nach einem raschen Frühstück machten sie sich auf den Weg. Da die Männer beritten waren, würden sie in ein paar Stunden Bruchtal erreichen. Aragorn nahm Frodo vor sich auf sein Pferd Hasufel, und sie ritten zügig, auch im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Uruk irgendwo abseits des Weges lauern könnte.
Die Sonne neigte sich schon in den Nachmittag, als sie das letzte Stück des Weges erreichten, der sie geradewegs in das malerische Tal hinunterführen würde. Plötzlich erblickten die Männer zwei kleine Gestalten, die gerade in der Ferne um die nächste Wegbiegung kamen und beim Anblick des Trupps loszurennen schienen, denn sie kamen jetzt rasch näher. „Aragorn, da vorn sind Merry und Pippin, bitte lass mich rasch hinunter!", rief Frodo aufgeregt. Der König tat ihm lächelnd den Gefallen. Und jetzt war auch Frodo nicht mehr zu halten und rannte den beiden Hobbits entgegen. Aragorn lächelte versonnen, als er seine kleinen Freunde vor Glück aufschreien hörte und zusah, wie Pippin Frodo hochhob und wie verrückt herumwirbelte. Merry und Pippin konnten nicht aufhören, ihren Vetter immer wieder an sich zu drücken und ihm freudig durch die Haare zu strubbeln, und Frodo ließ es lachend geschehen. In diesem Moment reiner Wiedersehensfreude hatte er alles andere vergessen.
Merry platzte heraus: „Das war ein schöner Reinfall, denn Sam wollte unbedingt mit uns kommen, um dir entgegen zu laufen. Doch leider hatte er nicht mit der Hartnäckigkeit der schönen Arwen gerechnet. Sie hat sich einfach nicht erweichen lassen, weil er sich ihrer Meinung nach noch ein paar Tage schonen muss. Na, er war ja auch wirklich ganz schön krank, aber es geht ihm schon viel besser, du wirst sehen..." Frodo strahlte über das ganze Gesicht beim Klang der so lang vermissten Stimmen seiner liebsten Freunde. Auch Pippin plapperte drauf los: „Dafür siehst du aber erstaunlich gut aus, wenn man bedenkt, dass du fast gefressen worden wärst...", was ihm einen gehörigen Katzenkopf von Merry eintrug. „Au, was habe ich denn jetzt schon wieder angestellt?" Merry verdrehte die Augen, und Frodo brach in schallendes Gelächter aus. Wie sehr hatte er das vermisst.
Merry und Pippin bedrängten Frodo so eifrig mit Fragen, dass er sich lächelnd von ihnen überreden ließ, mit ihnen das letzte Stück nach Bruchtal zu Fuß zu laufen. Eigentlich kam es ihm sogar gelegen, denn auch wenn er es kaum erwarten konnte, Sam in seine Arme zu schließen, wollte er sich doch gern noch ein wenig auf diesen Moment vorbereiten. Und nachdem Aragorn überzeugt war, dass dieser Pfad von Elbenaugen gut bewacht und daher ungefährlich sei, willigte er gern ein, mit seinen Männern vorauszureiten und die Hobbits ihrem munteren Gespräch zu überlassen.
Die drei waren so vertieft, dass sie kaum bemerkten, dass sie bald in Bruchtal angelangt waren und ihnen ein paar Elben unterwegs freundlich zunickten. Frodo lachte gerade über einen Auenlandwitz von Merry, als sein Blick auf Sam und Arwen fiel, die in einiger Entfernung in der Mitte eines großen Platzes standen und ihnen von dort entgegensahen. Frodo brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er sah, aber als er Arwens liebevolles Lächeln erblickte, löste er sich aus seiner atemlosen Erstarrung und rannte los. Doch er stoppte seinen schnellen Lauf kurz vor Sam, als er bemerkte, dass sein Freund anscheinend nur unsicher auf den Beinen stand. Sam konnte in diesem Moment nur „Herr Frodo..." stammeln und brachte nicht einmal ein Lächeln zustande, dafür jedoch kullerten ihm dicke Tränen über die Wangen. Frodo berührte dieser Anblick so sehr, dass auch er feuchte Augen bekam. Er nahm seinen geliebten Freund so behutsam in die Arme, als hätte er Angst, ihn zu zerbrechen, und Sam klammerte sich an ihn, als würde er ihn nie wieder loslassen wollen. Beide waren viel zu bewegt, um sprechen zu können, nur Frodo flüsterte kaum hörbar: „Sam, mein wundervoller Sam..."
Arwen, Merry und Pippin zogen sich still zurück, um den beiden Freunden diesen Moment ganz für sich allein zu schenken. Frodo weinte still, und Sam schluchzte hörbar an seiner Schulter. Lange standen sie so da, bis Frodo seinen Freund vorsichtig bei der Hand nahm und ihn zu einer nahe gelegenen Bank unter Schatten spendenden Bäumen führte. Sie setzten sich, und Sam konnte Frodo noch immer nur fassungslos anschauen, als könne er kaum begreifen, dass sein Herr tatsächlich aus den bodenlosen Tiefen der Finsternis zurückgekehrt war. Frodo lächelte ihn liebevoll an, und immer wieder streichelte er sanft die Tränen aus Sams Gesicht. „Es ist alles wieder gut, Sam, ich bin ja jetzt da..." flüsterte er beruhigend.
Sam schniefte noch einmal und fand endlich seine Sprache wieder. „Frodo... Herr Frodo... ich konnte es kaum glauben, als heute morgen der Bote nach Bruchtal kam... und was er sagte... ich bin so glücklich, aber du darfst mir nie wieder solche Angst einjagen." „Ich werde es versuchen, Sam", erwiderte Frodo leise, „aber jetzt sag mir, wie es dir geht, du warst so krank, als wir dich zurückgelassen haben, und ich hatte schreckliche Angst um dich." Sofort protestierte Sam: „Du hast ja wohl viel Schlimmeres erlebt, direkt in den Rachen dieses Ungeheuers haben sie dich gezerrt", wieder lief ihm eine Träne über die Wange, „und, Herr Frodo, ich habe manchmal geträumt, dass ein Bote kommt mit einer furchtbaren Nachricht... und dann kam heute morgen tatsächlich einer und..." Er schluchzte auf in Erinnerung an den Schrecken, den ihm dieser Anblick bereitet hatte, und Frodo kam nicht umhin zusammenzuzucken, weil er wusste, wie nahe Sam der möglichen Wahrheit damit kam. Fast hätte eine ganz andere Botschaft Bruchtal erreicht. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig, entschied er rasch.
Doch irgendetwas schien mit Sam nicht zu stimmen. Frodo nahm Sams Hände in seine eigenen und blickte forschend in die Augen seines Freundes. Aufmunternd sagte er: „Jetzt komm schon, Sam, schenke mir wenigstens ein Lächeln, damit ich sehe, dass du dich auch wirklich freust, mich wieder bei dir zu haben." Doch statt dessen senkte Sam nur verstört den Blick. „Was ist los, Sam?" Frodos Stimme klang eine Spur besorgter. Sam wurde rot und stammelte: „Es war nicht richtig... und so furchtbar... ich meine, dass ich dich nicht beschützen konnte und einfach allein gelassen habe, so ganz allein mit diesen schrecklichen Ungeheuern..." „Sam, was redest du denn da", fragte Frodo fassungslos, „wie kannst du so etwas sagen?" Sam ließ sich nicht beirren. „Ist doch wahr, und außerdem wärst du ohne mich erst gar nicht in diesen Schlamassel geraten, ich habe dich doch erst in Gefahr gebracht..." In Frodos Gesicht spiegelte sich Bestürzung. „Sam, ich verstehe nicht, denkst du etwa, ich würde dir deswegen Vorwürfe machen?" „Nein, Herr Frodo", beeilte Sam sich zu sagen, „das würdest du nie tun, aber ich selbst mache mir Vorwürfe, weil..."
„Sam!" Frodo war aufgesprungen. „So etwas darfst du nicht sagen, ja nicht einmal denken. Das ist doch völlig verrückt!" Sam sah ihn unsicher an. Frodo setzte sich wieder, ergriff die Hände seines Freundes und sah ihm fest in die Augen: „Jetzt hör mir mal zu, Sam! Ich will so etwas nie wieder hören. Wie kannst du nur denken, dass du dafür verantwortlich wärst? Das ist einfach nicht wahr, Sam." Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Muss ich dich etwa daran erinnern, was geschehen wäre, wenn du Kankra damals nicht aufgehalten hättest? Hast du das etwa vergessen? Also rede nie wieder solch einen Unsinn!" Sam blickte zu Boden und murmelte zerknirscht: „Das war jetzt wohl ganz schön dumm von mir, oder? Es ist ja nur, diese ganze Zeit, wo ich nicht wusste, ob du noch lebst... das war einfach so schlimm für mich, und da macht man sich eben so Gedanken, falls du verstehst, was ich meine..." Frodo seufzte. „Ich weiß, was du meinst. Für mich war diese Zeit der Ungewissheit auch sehr schlimm. Und genau deswegen würde ich dich jetzt wirklich gern wieder lächeln sehen. Komm schon, Sam!" Endlich tat ihm Sam den Gefallen, und Frodo strubbelte ihm freundschaftlich durch die Haare. „Na siehst du, das gefällt mir schon viel besser."
In diesem Moment kam Aragorn heran, und er hatte eine gespielt würdevolle Miene aufgesetzt. „Meine Herren, die Elben von Bruchtal schicken mich als Boten, um euch mitzuteilen, dass sie zu Ehren von Herrn Beutlin ein kleines Wiedersehensfest auszurichten wünschen. Ihr werdet in einer Stunde zu einem selbst für Hobbits überaus üppigen Abendmahl erwartet." Frodo errötete leicht, wie immer, wenn ihm seiner Meinung nach zuviel Aufmerksamkeit zuteil wurde, doch er antwortete höflich: „Danke, Aragorn, das ist eine große Ehre für mich."
Später am Abend lauschten die Männer, Hobbits und Elben mit atemloser Spannung Frodos Erzählung. Er hielt seinen Bericht diesmal etwas kürzer, denn natürlich war er nach den Anspannungen der letzten Wochen doch sehr erschöpft und wünschte sich jetzt nichts sehnlicher als ein weiches, warmes Federbett. Niemand verübelte es ihm daher, dass er sich bald zurückzog, und auch Sam war es unter Arwens sorgsamer Pflege noch nicht gestattet, so lange aufzubleiben. Frodo begleitete seinen Freund bis zu dessen Zimmer, denn Sam war bis zu seiner völligen Genesung in einem anderen Teil des Hauses untergebracht worden. „Gute Nacht, Sam. Ich freue mich sehr auf morgen, denn dann werden wir eine Menge Gelegenheit zum Reden haben." „Gute Nacht, Herr Frodo, aber du musst dich erst einmal richtig ausschlafen." „Keine Sorge, Sam, das werde ich..." Frodo winkte zum Abschied und spazierte langsam an duftenden Büschen vorbei zu seinem Zimmer. Er spürte, dass sich die heilsame Atmosphäre dieser elbischen Heimstätte bereits auf seine Seele gelegt hatte und seufzte erleichtert.
Frodo fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf, und so bemerkte er nicht, dass sich mitten in der Nacht die Tür zu seinem Zimmer leise öffnete. Sam kam vorsichtig hereingeschlichen und ließ es sich nicht nehmen, sich am Fenster auf einen bequemen Stuhl zu setzen, um über den Schlaf seines Herrn zu wachen.
Kapitel 14Die nächsten beiden Tage verbrachten die vier Hobbits gemeinsam in glänzender Laune, und fern der Heimat hatten sie sich soviel zu erzählen, dass die Zeit wie im Fluge verging. Auch Aragorn und Arwen gesellten sich oft zu ihnen, und der König genoss es besonders, seine kleinen Freunde aus dem Auenland wieder einmal um sich zu haben, denn seit sie ihren gemeinsamen schweren Auftrag erfüllt hatten, waren doch letztlich alle ihrem eigenen Weg in ein neues Leben gefolgt.
Sam und Aragorn tauschten manchmal besorgte Blicke, weil sie bemerkten, dass Frodo von Zeit zu Zeit zwischen Grübelei und Unruhe hin- und hergerissen zu sein schien, doch hielten sie es für das Beste, ihn nicht darauf anzusprechen. Oft ließ Frodo seinen Blick in die Ferne schweifen, als würde er am Horizont nach etwas Ausschau halten.
Sam war in dieser kurzen Zeit völlig genesen, denn dass er Frodo wieder um sich wusste, hatte seiner Krankheit in Windeseile den Garaus gemacht. Arwen war nun mehr als zufrieden mit ihrem kleinen Schützling, denn es war schließlich noch nicht lange her, dass der schwerkranke Hobbit ganz Bruchtal in besorgte Aufregung versetzt hatte. Nur manchmal erschien ein etwas gequälter Ausdruck auf Sams Gesicht, wenn er Frodo über seine Erlebnisse sprechen hörte, denn er hatte offensichtlich seine eigenen Befindlichkeiten, was Schagrat betraf, und das konnte ihm ja wohl niemand verdenken. Frodo jedoch schien es nicht zu bemerken.
Schließlich verkündete der König, dass er Gandalf entgegenreiten wolle, um ihm persönlich die frohe Botschaft von Frodos Rettung zu überbringen. Aragorn hatte seine eigenen Gründe, dies zu tun, denn er wollte dem Zauberer bei dieser Gelegenheit auch seine Besorgnis über Frodos seelisches Befinden mitteilen, dessen Unruhe sich wohl erst wieder legen würde, wenn er endlich Nachricht über Schagrats Schicksal erhielt.
Aragorn war noch keinen halben Tag unterwegs, als er Schattenfells freudiges Wiehern vernahm, denn das Pferd des Zauberers hatte längst seine Witterung aufgenommen. Die beiden Männer begrüßten sich herzlich und stiegen von ihren Pferden, um erst einmal in Ruhe eine Pfeife zu genießen. Dann berichtete der König, was seit ihrer Trennung geschehen war, doch ging er auf Frodos Erlebnisse nur in Kürze ein, denn er wollte es natürlich dem Hobbit überlassen, seinem guten Freund alles genauestens zu erzählen. Dafür erwähnte er seine eigenen Gespräche mit Frodo und konnte hierbei eine angespannte Miene nicht unterdrücken.
Gandalf nickte verstehend, doch lächelte schließlich. „Mein lieber Aragorn, von Zeit zu Zeit scheinst du Hobbits noch immer zu unterschätzen. Ich verstehe deine Sorge, doch Frodo ist stark, und er wird damit fertig werden, egal wie es ausgeht. Und was seine seelischen Wunden angeht, denke ich, dass es einfach noch seine Zeit braucht, bis sie verheilen. Manche von ihnen wird er für immer tragen, das ist wahr, doch er selbst hat diese Entscheidung getroffen, indem er nicht über das Meer gefahren ist, und hat somit beschlossen, diese Verletzungen zu dulden. Also wird er lernen müssen, damit zu leben, und ich denke, er weiß, was er tut. Er ist ein sehr kluges Geschöpf, Aragorn, und du solltest ihm ein wenig mehr vertrauen."
Aragorn lächelte. „Ich danke für die Zurechtweisung, mein lieber Zauberer, doch waren es wohl meine Liebe und Zuneigung zu diesem unglaublichen Hobbit, die sich in meiner tiefen Sorge auszudrücken suchten." „Oh nein," erwiderte Gandalf, „rechtfertige dich nicht dafür, denn wer könnte deine Gefühle besser verstehen als ich? Auch ich habe mich schon oft um Frodos Wohl gesorgt, und doch müssen wir auch hier dem Schicksal vertrauen und dürfen uns diesem nicht allzu sehr in den Weg stellen." Aragorn nickte verständnisvoll und sah dann den Zauberer fragend an: „Sag mir, Gandalf, was ist eigentlich aus Kankra geworden?" Gandalf lächelte plötzlich spitzbübisch und zog wieder an seiner Pfeife. „Nun, mein lieber Aragorn, lass es mich mal so ausdrücken, dass ich ihr ein liebliches Schlaflied gesungen habe. Sie wird uns keinen Ärger mehr machen, jedenfalls nicht für die nächsten einhundert Jahre." Der König wusste, dass Gandalf kein weiteres Wort dazu sagen würde, und ließ es dabei bewenden. Der Zauberer würde wohl immer seine Geheimnisse haben, die jenseits der Geschicke seiner Freunde lagen. Die beiden Männer bestiegen wieder ihre schnellen Pferde, um endlich nach Bruchtal zu eilen, wo sie sicher schon mit großer Spannung erwartet wurden, und bald hatten sie ihr Ziel erreicht.
Gandalf umarmte Frodo lange und herzlich, wobei er nicht ganz verbergen konnte, dass erst vor kurzem eine tiefe Verzweiflung von ihm abgefallen war. „Mein lieber Frodo, selten verspürte ich größere Freude als an diesem Tag, da ich dich gesund und munter wiedersehe." Auch Frodo war überglücklich. „Es ist so schön, dich zu sehen, Gandalf, denn viel zu lange habe ich deinen klugen Rat schmerzlich vermisst." Danach begrüßte der Zauberer auch die anderen Hobbits mit einer freundlichen Umarmung, nur Pippin kniff er dabei leicht in die Wange, was den überraschten Hobbit zu der verwirrten Frage veranlasste, ob er etwa wieder etwas angestellt hätte. „Nein, mein lieber Peregrin," erwiderte Gandalf mit gespielter Strenge, „das war rein vorsorglich..." Pippin verzog gequält das Gesicht, und die Umstehenden konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Nach dem Abendmahl zogen sich Gandalf und Frodo zurück, um sich in aller Ruhe über die jüngsten Ereignisse auszutauschen. Frodo erzählte dem Zauberer vertrauensvoll alles, was ihm inzwischen widerfahren war, und ihm gegenüber ließ er auch die Zwergengeschichte nicht aus. Gandalf lauschte Frodos Bericht schweigend, nur ab und zu nickte er gedankenvoll. Schließlich kam der Hobbit zum Ende und sah den Zauberer erwartungsvoll an. „Nun, mein lieber Hobbit", ließ sich Gandalf endlich vernehmen, „so etwas konntest wirklich nur du fertig bringen. In der Tat habe ich noch nie von solch einer Begebenheit gehört, Frodo. Mit einem Uruk zu sprechen wie mit einem normalen Wesen und ihm gar Verstand und Gefühle zu entlocken, das ist schon ein kleines Wunder." Er nickte respektvoll und klopfte Frodo anerkennend auf die Schulter.
Doch der Hobbit sah ihn plötzlich schmerzerfüllt an. „Gandalf, ich habe Angst um Schagrat, und es kommt mir beinahe wie Verrat vor, dass ich gar nichts für ihn tun kann. Statt dessen warte ich jeden Tag zitternd darauf, dass Legolas zurückkehrt, um mir Kunde von seinem Tod zu bringen." Er ließ traurig den Kopf sinken. „Ich verstehe, Frodo," erwiderte der Zauberer verständnisvoll, „und natürlich musst du mit dieser Möglichkeit rechnen. Nur wenn du mich fragst, ist es vielleicht ein gutes Zeichen, dass er noch nicht gefunden wurde. Und wer weiß, welche Mächte des Schicksals dafür gesorgt haben, dass er bis jetzt verschwunden bleibt. Das Leben ist voller Rätsel und Geheimnisse, und niemand vermag vorauszusehen, was geschehen wird. Man findet Freunde, und manchmal verliert man sie auch wieder, Frodo. Was auch immer geschieht, du wirst dich dem stellen und damit fertig werden müssen, und das ist alles, was du tun kannst, mein lieber Junge."
Frodo seufzte, wusste er doch, dass der Zauberer ihm keinen anderen Rat erteilen konnte. Doch dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. „Aragorn hat mir erzählt, was du über Kankra gesagt hast. Heißt das also, dass sie noch lebt?" Gandalf nickte. „Ja, das ist wahr, Frodo, sie erfreut sich bester Gesundheit und ist nur etwas ruhiger geworden, woran ich nicht ganz unbeteiligt bin." Der Hobbit sah ihn fragend an. „Warum hast du sie nicht getötet? Es lag doch sicher in deiner Macht, das zu tun." Der Zauberer blickte ihn forschend an. „Es geht nicht darum, was in meiner Macht liegt oder nicht. Warum hätte ich das tun sollen, Frodo? Nun, ich weiß, dass Kankra immer eine schreckliche Erinnerung für dich und Sam bergen wird. Doch würde ich gegen den Auftrag der Valar handeln, denn Kankra ist ein uraltes Wesen, zwar bösartig, doch hat sie die Geschicke von Mittelerde niemals vorsätzlich gefährdet. Sie sitzt nur in ihrer Höhle und lauert auf Beute, wie jedes andere Raubtier auch. Mal abgesehen davon, dass sie sich in jüngerer Zeit etwas eigenwilliger Methoden bedient hatte, um an ihre Opfer zu gelangen."
Frodo runzelte die Stirn und sah den Zauberer einen Moment lang zweifelnd an. Gandalf war für ihn in der Tat manchmal nicht einfach zu verstehen. Der Zauberer fuhr nach einer Pause fort: „Wie auch immer, es gibt keinen Grund, sie zu töten, es sei denn aus persönlicher Rachsucht. Würdest du dich gern an ihr rächen, Frodo?" Der Hobbit zuckte zusammen. Darüber hatte er bisher nicht nachgedacht. Doch langsam schüttelte er den Kopf. „Nein, Gandalf, ich denke nicht. Und so beruhigt es mich ungemein zu wissen, dass sie fürs erste oder auch für die nächsten hundert Jahre keine Gefahr mehr darstellt." Gandalf lächelte versonnen, offensichtlich hatte ihm Frodos Antwort gefallen, und der Hobbit hatte plötzlich das untrügliche Gefühl, wieder einmal geprüft worden zu sein. „Doch nun ab ins Bett mit dir, Frodo, bevor sich der gute Sam wieder Sorgen macht, dass dein Schlaf zu kurz kommt." Gandalf verabschiedete sich lächelnd.
wird fortgesetzt...
