Am nächsten Morgen saßen die vier Hobbits gerade beim Frühstück und fingen an, darüber zu sprechen, wie lange sie wohl noch in Bruchtal bleiben würden, als Frodo plötzlich der Bissen im Halse stecken blieb und er sich blass und zitternd von seinem Platz erhob. Die anderen sahen ihn besorgt an, doch als sie seinem Blick folgten, erkannten sie in einiger Entfernung Legolas, der gerade mit den anderen Elben zurückkehrte. „Bleib ganz ruhig, Frodo", sagte Merry leichthin, doch Frodo hörte ihn nicht und blieb weiter wie erstarrt stehen, bis Legolas die Hobbits entdeckte und rasch auf sie zukam. Der Elb begrüßte zuerst Merry, Pippin und Sam, die er lange nicht gesehen hatte und wandte sich dann Frodo zu, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. „Es ist schrecklich, dich im Ungewissen lassen zu müssen, doch wir haben nicht die geringste Spur von Schagrat entdecken können und haben die Suche nun abgebrochen. Er kann nicht mehr in dieser Gegend sein, sonst hätten wir irgendwann auf ihn stoßen müssen. Es tut mir leid, Frodo." Frodo sagte kein Wort und konnte nur ein Nicken andeuten, und im nächsten Moment wandte er sich verstört ab und ließ die anderen einfach stehen. Legolas und die Hobbits schauten ihm ratlos hinterher. Nur Sam murmelte: „Das gefällt mir überhaupt nicht, wenn ihr mich fragt..."
Natürlich ließ Sam die erschütterte Verfassung seines Herrn keine Ruhe, und als er ihn später nicht in seinem Zimmer fand, begann er nervös nach ihm zu suchen. Zuerst konnte er ihn nirgends entdecken, und er machte sich Vorwürfe, dass er ihm nicht sofort gefolgt war. Doch als er nach einer weiteren vergeblichen Stunde noch einmal in das Zimmer hinein sah, erblickte er Frodo auf seinem Bett sitzend, als wäre er nie fort gewesen.
„Bin ich froh, Herr Frodo, dass ich dich endlich gefunden habe." Frodo sah ihn nicht an, und seine Stimme klang müde. „Ich war nur spazieren, Sam." Sam trat vorsichtig näher. „Ich mache mir Sorgen um dich, Frodo, du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt, als du vorhin einfach so gegangen bist, ohne ein Wort zu sagen." Frodo seufzte: „Ist schon gut, Sam, ich wollte nur nachdenken, und du musst dir deswegen keine Gedanken machen." Das beruhigte Sam jedoch wenig. „Trotzdem, du sahst überhaupt nicht gut aus vorhin, und wenn ich ehrlich bin, ist es jetzt nicht viel besser..."
„Verdammt, Sam, laß mich in Ruhe!", zischte Frodo plötzlich wütend. Er war aufgesprungen und starrte Sam so bösartig an, als würde er ihn hassen. Sam war so erschüttert über diesen Anblick, dass er sich krampfhaft an einer Stuhllehne festhielt, um seinen Halt nicht zu verlieren. Doch der Augenblick verging so schnell, wie er gekommen war, und als Frodo das bestürzte Gesicht seines Freundes sah, kam er schlagartig wieder zur Besinnung und stammelte: „Sam, was... was habe ich gesagt... oh Sam, es tut mir so leid, das wollte ich nicht." Er ließ sich verstört und kraftlos wieder auf sein Bett sinken und barg verzweifelt das Gesicht in den Händen.
Sam löste sich aus seiner Erstarrung und lief zu seinem Herrn. Er setzte sich neben ihn auf das Bett, nahm ihn in den Arm und flüsterte beruhigend: „Ist schon gut, Frodo, ist nicht so schlimm, das wird schon wieder." Doch als Frodo seinen Blick langsam wieder hob, sah er unendlich traurig aus, und seine Stimme klang flehend. „Ich möchte nach Hause, Sam, bitte, ich möchte nur noch nach Hause." Sam nickte und stand entschlossen auf. „Du hast recht, Herr Frodo, ich bin ja auch wieder gesund. Ich werde sofort packen, und in einer Stunde können wir aufbrechen." Auch Frodo erhob sich jetzt, denn er musste plötzlich über Sams Eifer lächeln und legte ihm freundlich seine Hand auf die Schulter. „Morgen, Sam... morgen wird genügen. Laß uns morgen aufbrechen." „Natürlich, Herr Frodo, ganz wie du willst." „Also gut, Sam, dann werde ich dich mal in Ruhe packen lassen und noch einmal zu Legolas gehen, denn ich war vorhin wirklich nicht sehr höflich zu ihm." Damit verließ er seinen Freund.
Als Frodo gegangen war, spürte Sam plötzlich, dass er zitterte, und er setzte sich einen Moment hin, um sich wieder zu fassen. Doch er wusste, was er im Gesicht seines Freundes gelesen hatte. Er erinnerte sich an diesen Gesichtsausdruck, denn er hatte Frodo schon einmal so gesehen, damals in Mordor... Sam schüttelte sich vor Grauen. „Was soll ich denn nur tun", murmelte er zu sich selbst, „ich kann doch nicht einfach zusehen, wie er weiter so leidet. Es ist so furchtbar, als würde er dieses schreckliche Ding noch immer tragen. Denk nach, Samweis Gamdschie, dir muss doch irgendetwas einfallen..."
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Gandalf, der gekommen war, um mit Frodo zu sprechen. „Oh, Herr Gandalf, es tut mir leid, Frodo ist nicht hier. Er wollte zu Legolas gehen, weil er vorhin..." „Ich verstehe", unterbrach ihn der Zauberer, „denn deswegen bin ich hier. Aber dann braucht mich Frodo jetzt wohl nicht. Doch vielen Dank für die Auskunft, Samweis." Er wollte sich schon zum Gehen wenden, doch etwas in Sams Augen ließ ihn zögern. „Ist etwas nicht in Ordnung, Sam?" fragte er besorgt, und trat nun doch ein, um sich zu setzen. Sam errötete leicht und stotterte: „Ach... Herr Gandalf... gar nichts ist in Ordnung", und dann erzählte er dem Zauberer, was vorgefallen war.
Gandalf nickte verständnisvoll und seufzte. Doch dann ergriff er Sams Hand und sah ihm freundlich in die Augen. „Ich verstehe, dass du dir große Sorgen machst. Doch vielleicht ist das gar nicht nötig, obwohl ich weiß, dass du dich immer um deinen Herrn sorgen wirst, und das ist es, was dich ehrt, mein lieber Samweis." Sam blickte verlegen zu Boden. „Du bist es, der Frodo am meisten Halt gibt, und ich denke, dass er genau das jetzt braucht und dass er unter deinen fürsorglichen Händen bald wieder der Alte sein wird. Gib ihm nur ein wenig Zeit." Sam rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und sah den Zauberer dann respektvoll an. „Das ist es ja eben, Herr Gandalf, ich finde, Frodo ist überhaupt nicht mehr wie früher. So viel hat er noch nie gegrübelt, und er lacht auch viel zu selten, falls du verstehst, was ich meine."
Gandalf drückte seine Hand und erwiderte ernst: „Nun, Sam, wir alle werden durch unsere Erfahrungen verändert, und niemand bleibt so, wie er einst war. Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Frodo hat für Mittelerde ein Opfer dargebracht, das wirklich alles von ihm gefordert hat. Er musste so vieles dafür aufgeben. Und ich kann es auch nicht herunterspielen, dass Frodos ganzes Selbst am Schicksalsberg zerschmettert wurde, als er Saurons düsterer Macht am Ende nicht mehr widerstehen konnte. Die Erinnerung daran wird ihn wohl immer quälen. Doch kannst du, Sam, ihm jetzt helfen zu spüren, dass es ein paar Dinge gibt, die sich nie geändert haben, Dinge wie deine Liebe und Treue zu ihm und auch die neu erwachte Lieblichkeit des Auenlandes. Zeige es ihm, Samweis, damit er endlich sieht, was er alles vor dem Untergang bewahrt hat. Auch wenn manche seiner Wunden wohl niemals verheilen werden und der Schmerz von nun an sein ständiger Begleiter sein mag, gibt es doch Hoffnung, dass er irgendwann wieder ein glückliches und erfülltes Leben genießen kann. Denkst du nicht auch?"
Sam nickte eifrig. „Du kannst dich auf mich verlassen, Herr Gandalf, ich werde nicht von seiner Seite weichen. Und ich werde nie aufhören, ihn zu lieben und zu beschützen." Der Zauberer lächelte gütig. „Das weiß ich, Sam. Und wenn es in dieser Welt keine Zuverlässigkeit gäbe, dann würdest du sie wohl erfinden. Es beruhigt mich ungemein, Frodo in deinen treu sorgenden Händen zu wissen." Er strich dem Hobbit liebevoll über die Wange. Schließlich erhob er sich mit den Worten: „Ich bin froh darüber, dass euer Weg euch nun in das Auenland zurückführt, denn nur dort kann Frodo wieder zur Ruhe und auf andere Gedanken kommen. Und es wird ihm auch gut tun, deine Rosie und die kleine Elanor um sich zu haben. Doch nun, mein lieber Samweis, will ich dich nicht länger aufhalten. Denn wenn ihr morgen aufbrechen wollt, hast du sicher noch eine Menge zu tun." Der Zauberer nickte Sam noch einmal zu und entfernte sich schließlich.
Kapitel 16Frodo hatte sich sein Leben lang nicht an allzu frühes Aufstehen gewöhnen können. Unmöglich für die meisten Hobbits, die einzig der Frühstückshunger beizeiten aus dem Bett trieb, ließ er zu gern die erste Mahlzeit ausfallen, um lieber noch ein wenig zu träumen. Zum zweiten Frühstück jedoch hatte Bilbo ihn stets mit sanftem Nachdruck aus dem Schlaf gerüttelt, war sein Onkel doch ohnehin immer der Meinung gewesen, dass Frodo viel zu dünn für einen Hobbit sei. Und so brachte es auch Sam an diesem letzten Morgen in Bruchtal nicht übers Herz, seinen Herrn zeitiger zu wecken, war er doch mehr als froh darüber, dass Frodo so friedlich schlief. Besorgt, wie Sam nun einmal war, hatte er natürlich während der Nacht öfter nach ihm geschaut.
So kam es, dass alle anderen bereits gegessen hatten und nun schon die Packpferde beluden, während Frodo noch am Frühstückstisch saß und Gandalf ihm dabei Gesellschaft leistete. Frodo aß mit großem Appetit, wie der Zauberer mit Erleichterung feststellte. Überhaupt schien dem Hobbit das Elbendomizil in dieser Beziehung außerordentlich gut zu tun. Gandalf betrachtete ihn nachdenklich und sagte dann: „Ja, Frodo, nun ist es soweit, und jeder geht wieder seiner eigenen Wege. Auch Legolas hat sich vorhin ja schon verabschiedet, um endlich einer Einladung unseres Zwergenfreundes Gimli zu folgen. Und auch ich werde euch leider nicht ins Auenland begleiten können, da mich andere Aufgaben fortrufen." Frodo nickte verständnisvoll. „Ich weiß, Gandalf, so bist du schon immer gewesen, ständig rastlos und unterwegs zu mehr oder weniger geheimen Zielen, über die du dich beharrlich ausschweigst." Der Zauberer lächelte. „Nun, Frodo, auch der Frieden in Mittelerde will bewahrt sein, und das geschieht nicht unbedingt von allein. Aber du hast schon recht, es liegt wohl nicht in meiner Natur, allzu lange an einem Ort zu verweilen, denn sonst wäre ich wohl ein Hobbit geworden."
„Du muscht misch aber wirklisch bald beschuchen kommen", nuschelte Frodo mit vollem Mund, wobei er bereits nach dem nächsten Stück Brot griff. Gandalf beobachtete ihn belustigt und begann zu sinnieren: „Ja, mein lieber Hobbit, ich glaube wirklich, es ist höchste Zeit, dass du wieder nach Hause kommst, bevor du dir noch mehr orkische Tischsitten angewöhnst." Frodo verschluckte sich fast, wurde rot bis unter die Haarwurzeln und schob erschrocken den Teller von sich, was den Zauberer nun wirklich in gutmütiges Lachen ausbrechen ließ. Frodo blickte ihn gequält an, denn dieser Vorfall war ihm überaus peinlich. Er wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken Doch Gandalf sagte schmunzelnd: „In der Tat, Frodo, es ist eine alte Weisheit, dass Beeinflussung niemals einseitig vonstatten geht." „Das ist ja grauenvoll", flüsterte Frodo entsetzt. Gandalf gluckste noch immer: „Mein lieber Frodo, es tut mir leid, denn ich wollte dir auf keinen Fall den Appetit verderben, welchen du gerade so schön zur Schau gestellt hast." Frodo rief verzweifelt: „Jetzt hör schon auf damit", doch dann musste auch er lachen, „bei den Valar, du kannst wirklich grausam sein." Gandalf klopfte ihm gutmütig auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, denn unter Sams und Rosies aufmerksamer Fürsorge wirst du sehr schnell wieder zu einem hundertprozentigen Hobbit werden."
Frodo lächelte beruhigt, doch plötzlich sah er Gandalf ernst an, als er an etwas anderes dachte. „Wird Schagrat jetzt auch schnell wieder zu einem hundertprozentigen Uruk-hai werden, wenn er nicht mehr in meiner Nähe ist?" Gandalf seufzte: „Das weiß ich nicht, Frodo. Niemand vermag wohl genau zu sagen, was in einem solchen Geschöpf vorgeht." Frodo nickte traurig, und Gandalf strich ihm über den Kopf. „Frodo, du weißt, dass ich nie von dir verlangt habe, meinem Rat zu folgen, aber wenn ich dir trotzdem einen geben darf, dann mache dir nicht zu viele Gedanken über diese Sache, denn sie liegt nicht mehr in deinen Händen. Du hast getan, was du konntest und musst diesen Uruk nun loslassen." Frodo hörte dem Zauberer aufmerksam zu. „Das Schicksal hat vorerst entschieden, dass sich eure Wege wieder trennen, und du hast jetzt gewiss andere Aufgaben zu erfüllen. Du solltest versuchen, einfach dein Leben weiterzuleben, so gut du das eben kannst. Das Auenland wartet auf dich." Frodo drückte dem Zauber die Hand. „Du hast recht, Gandalf, und ich werde versuchen zu tun, was du mir rätst. Ich wünschte nur...", doch dann winkte er ab, ließ den Rest des Satzes unausgesprochen und schien wieder in Gedanken versunken zu sein.
Der Zauberer blickte ihn forschend an, ließ sich jedoch seine Besorgnis nicht anmerken. Er von allen konnte am besten begreifen, was in Frodo vorging, kannte er doch dessen Fähigkeit zu tiefem Mitgefühl mit geschundenen Kreaturen, und hatte der Hobbit doch selbst an Leib und Seele grausam erfahren müssen, was es bedeutet, von gewaltigen dunklen Mächten verformt und zerstört zu werden. Gandalf liebte Frodo für dieses Mitgefühl, und er bedauerte es um so mehr, dass er ihm jetzt nicht helfen konnte. Er legte seine Hand sanft auf Frodos Arm. „Es ist Zeit aufzubrechen." Frodo nickte und erhob sich gemeinsam mit dem Zauberer, und sie machten sich auf den Weg, um die übrige Reisegemeinschaft am Torbogen zu treffen.
Gandalf kniete sich vor den Hobbit und sah ihm fest in die Augen. „Ich werde euch im Auenland besuchen kommen, sobald es meine Zeit erlaubt." „Danke für deine Freundschaft, Gandalf," entgegnete Frodo lächelnd und umarmte den Zauberer herzlich. Inzwischen waren auch die mitreisenden Elben und Hobbits sowie Aragorn herangekommen, und dieser winkte Frodo zu sich heran, während Gandalf den übrigen Hobbits noch liebevoll durch die lockigen Haare fuhr. Die drei verabschiedeten sich respektvoll von ihm, bis auf Pippin, der ausrief: „Laß dir ja nicht wieder zu viel Zeit, um dich mal an das Auenland zu erinnern", was ihm einen gespielt entrüsteten Blick des Zauberers eintrug. Dann kam Arwen heran und küsste jeden der Hobbits zum Abschied auf die Stirn. Aragorn hob Frodo auf sein Pferd, und auch Merry, Pippin und Sam wurden nun von Elben auf deren Reittiere hochgenommen. „Ich werde bald zurück sein, mein Liebes", sagte Aragorn, und Arwen nickte lächelnd. Die Männer des Königs würden bei Arwen in Bruchtal bleiben und auf seine baldige Rückkehr warten. Die kleine Gemeinschaft von Reisenden setzte sich nun in Bewegung und war nach der nächsten Biegung den Blicken der Zurückbleibenden entschwunden.
Der Rückweg ins Auenland verlief problemlos und ohne Zwischenfälle. Die Zeiten waren seit Saurons Sturz wirklich sehr viel ruhiger geworden. Die anfängliche Besorgnis, dass inzwischen wieder böswillige Orks in der Gegend ihr Unwesen treiben könnten, zerstreute sich bald, denn nirgends war eine Spur von solchen Wegelagerern zu entdecken. Allerdings hatten die Elben bisher auch nicht den allein durch die Gegend irrenden Uruk-hai ausfindig machen können, und Aragorn wollte lieber annehmen, dass er sich vielleicht in Richtung Düsterwald zurückgezogen hatte, anstatt irgendwo in der Nähe zu lauern. Trotzdem würde er von nun an die Grenzen des Auenlandes wieder schärfer von Waldläufern bewachen lassen, wenigstens für die nächste Zeit. Noch war die Gefahr für die Hobbits nicht vorüber. Sie mussten erst sicher sein, dass sich die übrig gebliebenen Orks wieder in die Tiefen des Düsterwaldes verkrochen hatten, ohne Schaden anzurichten, denn Aragorn wollte sie trotz allem nicht grundlos verfolgen oder töten lassen. Er musste bei dieser Überlegung lächeln, denn offensichtlich hatte ihm Frodo unbemerkt einen solch milden Gedanken in den Kopf gepflanzt. Wenn der Hobbit doch nur diesen schrecklichen Uruk-hai für eine Weile vergessen könnte. Aragorn hoffte inständig, dass Frodo nicht wieder von Schwermut übermannt werden würde wie damals, nachdem er Saurons Schicksal besiegelt und sich trotz allem keinerlei Gefühl von Triumph hingegeben hatte.
Schließlich wurden die Hobbits gesund und munter vor der Tür von Beutelsend abgesetzt, und eine überglückliche Rosie konnte endlich ihren Sam wieder in die Arme schließen. Und die kleine Elanor quietschte vor Begeisterung, als sie der wunderschönen Elben ansichtig wurde. Alle waren in freudiger Hochstimmung, weil die quälende Zeit der Ungewissheit vorbei war. Aragorn und die Elben wollten jedoch bald wieder aufbrechen, um nach Bruchtal zurückzukehren, und es wurde auch höchste Zeit, dass der König sich wieder nach Gondor begab. Elanor war deswegen ganz traurig, und so gestattete Aragorn sich und seinen Begleitern, noch einmal großartig von Rosie und Sam bewirtet zu werden, bevor sie weiterziehen würden. Die Zeit verging viel zu schnell. Als sich schließlich alle voneinander verabschiedeten, trat Frodo noch einmal zu Aragorn und sagte: „Ich danke dir für deine Sorge um mich, ich weiß das sehr zu schätzen." Aragorn lächelte sanft und umarmte den Hobbit liebevoll. „Du wirst das Richtige tun, da bin ich sicher, lieber Freund." Daraufhin nahm der König noch einmal Sam zur Seite. „Pass gut auf ihn auf, Samweis Gamdschie!" Sam nickte ernst: „Ich werde ihn nicht aus den Augen lassen." Der König und die Elben ritten schnell von dannen, nicht nur, um die verlorene Zeit aufzuholen, sondern vielmehr, um der gemütlichen Gastfreundschaft der Hobbits widerstrebend zu entkommen, denn sie alle hätten wohl gern länger bei diesen freundlichen und warmherzigen Geschöpfen verweilt.
Kapitel 17Glückliche Zeiten brachen nun an, denn in der Tat hielt ein ruhiges und beschauliches Leben wieder Einzug in Beutelsend. Sam konnte sich an seiner Familie nicht satt sehen, die er solange entbehrt hatte, und Frodo schrieb weiter an der Chronik des Auenlandes und verbrachte unzählige Stunden in seinem Studierzimmer. Merry und Pippin kamen oft zu Besuch und wurden jedes Mal besonders von Elanor ungern wieder fortgelassen, und so war im Grunde jeder von ihnen mit seinen eigenen Dingen beschäftigt und ausgefüllt. So vergingen mehrere Monate ohne besondere Ereignisse, wie es so typisch für das Auenland ist. Die Jahreszeiten wechselten, und nach einem milden Winter stand nun ein herrlicher Frühling ins Haus, der fast schon sommerlich warm war und reiche Blüte trug. Gerade hatte der Monat Thrimidge begonnen, und somit war der Sommer wirklich nicht mehr fern.
Frodo liebte es, auf der Bank vor dem Haus zu sitzen, in der milden Vormittagssonne Tee zu trinken und zu lesen, doch nahm er wohl kaum bewusst wahr, dass sich die Sonnenstrahlen wie Balsam in seine verwundete Seele geschlichen hatten. Er spürte nur, dass er nach langer Zeit endlich wieder relativ glücklich und zufrieden war, wenn man von gelegentlichen Alpträumen einmal absah. Er hatte sogar erstaunt festgestellt, dass er oft über mehrere Tage nicht mehr an Schagrat, Kankra, Sauron oder Gollum dachte, was ihm letztlich sogar ganz lieb war, denn irgendwann in dieser friedlichen Zeit musste er für sich beschlossen haben, dass es so wohl am besten sei. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass er als Hobbit ja noch andere Lebensziele haben musste, als sich ewig mit finsteren Mächten zu messen. Es war schon schwer genug, beim Verfassen der Chronik öfter auf dunkle Zeiten zurückkommen zu müssen. Wie auch immer, Frodo liebte sein Leben wieder, und nur Sam bemerkte manchmal die Schatten, die sich von Zeit zu Zeit auf Frodos Gemüt legten.
An diesem Tag jedoch packte Frodo die Wanderlust, als sich die Sonne langsam in den Nachmittag neigte. Er holte kurzentschlossen seinen Rucksack, füllte ihn mit etwas Proviant, griff nach seinem Buch und zog los, den Hang hinauf. „Ich bin in ein paar Stunden zurück, Sam, bevor es dunkel wird, versprochen." Sam, der im Garten arbeitete, schaute ihm lächelnd nach, sorgte er sich doch in letzter Zeit viel weniger um seinen Herrn und Freund, der sogar wieder angefangen hatte, Onkel Bilbos Wanderlieder vor sich hinzusummen, und das war allemal ein gutes Zeichen.
Frodo wanderte über den Hügel bis zu einem Wäldchen und erreichte schnell die kleine Lichtung, die er schon als Kind geliebt hatte. Hierher hatte er sich immer zurückgezogen, wenn die anderen Kinder aus Hobbingen ihn wegen seiner Herkunft gehänselt hatten, allen voran sein Vetter Lotho Sackheim-Beutlin. Sie hatten ihn oft ein Halbblut von einem Brandybock genannt, der niemals ein richtiger Beutlin sein würde. In der Tat, Frodo hatte es nicht leicht gehabt, als sein Onkel Bilbo ihn verwaist bei sich aufgenommen hatte, nachdem Frodos Eltern auf dem Brandyweinfluss ertrunken waren. Doch das war lange her, Lotho war tot, und mit seiner Tante Lobelia hatte Frodo sich nach den Wirren des Ringkrieges längst ausgesöhnt, denn schließlich hatte sie ihm zum Zeichen ihrer Reue Beutelsend wieder übereignet.
Er ließ seine Erinnerungen ziehen und setzte sich unter einen Baum, um sich erst einmal zu stärken. Nach ein paar Bissen von Rosies leckerem Brot vertiefte er sich wieder in sein Buch. Die Sonne wärmte ihn, und das Vogelgezwitscher und Gesumm von Bienen und Käfern zeugten von soviel Frieden, der über dieser Lichtung lag, dass Frodo sich bald entspannt ausstreckte, um ein gemütliches Nickerchen zu machen. Schnell war er fest eingeschlafen.
Doch dann verfinsterte sich die Sonne und verschwand schließlich ganz. Schwärzeste Nacht war plötzlich um ihn, und sie war erfüllt von fürchterlichem Knurren und Grollen. Frodo konnte sich nicht mehr bewegen, denn eine finstere Macht drückte ihn unerbittlich zu Boden. Und dann sah er ihn, den riesigen Uruk-hai, der langsam auf ihn zukam und grauenvoll die Zähne fletschte. Sein Knurren wurde immer drohender. Langsam beugte das Ungeheuer sich zu ihm herab. Der Hobbit spürte, wie schwarze Klauen ihn packten, um ihm das Herz herauszureißen...
Nein!!! Frodo fuhr keuchend hoch und blinzelte verstört in die Sonne. Dann atmete er erleichtert auf und versuchte, den Alptraum rasch zu verscheuchen. Doch es wollte ihm nicht recht gelingen, und er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass das drohende Knurren noch immer da war und direkt aus den Büschen hinter ihm an sein Ohr drang...
Frodo spürte, dass sein Mund trocken wurde und sein Herz zu rasen begann. Vor Entsetzen waren seine Glieder wie gelähmt. Das Knurren wurde lauter und schärfer, doch schien es vorerst nicht näher zu kommen. Der Hobbit schloss verzweifelt die Augen, um seine Panik zu unterdrücken. Was würde er erblicken, wenn er sich umwandte? Unter Aufbietung aller Kräfte stand er schließlich zitternd auf und drehte sich um.
Zunächst konnte er nichts entdecken außer den dichten blühenden Büschen. Doch das schreckliche Geräusch schien genau aus ihrem Inneren zu kommen. Frodo schluckte gequält. War er es? Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis die Gestalt des riesigen Uruk-hai schließlich langsam und schwerfällig aus dem Gehölz hervorbrach. Gelbgrüne Augen funkelten den Hobbit mit undeutbarem Ausdruck an. Schagrat? Frodos Mund formte den Namen, doch es kam kein Laut über seine Lippen. Ganz langsam begann der Hobbit, vor dem zähnefletschenden Riesen zurückzuweichen, der ihn offensichtlich nicht erkannte.
Frodos Gedanken überschlugen sich. Was sollte er nur tun? Zum Fliehen war es zu spät, denn er hatte einen blutverkrusteten Dolch in Schagrats Pranke entdeckt. Selbst wenn der Hobbit jetzt losrennen würde, hätte er wohl kaum die Chance, einem gut gezielten Wurf zu entkommen. Der Uruk fauchte und kam Schritt für Schritt näher. „Schagrat, ich bin es... erkennst du mich denn nicht?" Frodos Stimme klang dünn und hilflos. Doch plötzlich sah er, was er in seiner ersten Betäubung gar nicht wahrgenommen hatte. Der Körper des Riesen war von unzähligen klaffenden Wunden bedeckt, und aus vielen von ihnen sickerte noch immer Blut. Der Hobbit starrte Schagrat verstört an. „Was ist passiert, bitte, sag doch etwas." Statt einer Antwort brach der Uruk langsam in die Knie und stürzte schließlich kraftlos zu Boden, wo er schwer atmend liegen blieb.
Plötzlich alle Gefahr außer Acht lassend, lief Frodo zu ihm und kauerte sich neben den Riesen. Der Uruk rührte sich nicht, und seine Augen zeigten noch immer kein Erkennen. Zitternd berührte der Hobbit die Schulter des Ungetüms. Schagrats Atem ging in ein Röcheln über, und Frodo flüsterte panisch: „Bleib ganz ruhig, Schagrat, ich werde schnell Hilfe holen. Bitte hab keine Angst, bleib einfach ruhig liegen, ich bin bald zurück." Er hoffte inständig, dass der Uruk ihn verstanden hatte, und stürzte davon, als wäre ein Balrog hinter ihm her.
Sam und Rosie waren gerade dabei, in der Küche eine Mahlzeit vorzubereiten, als Frodo atemlos hereinplatzte. „Rosie, ich muss allein mit Sam sprechen!" Ihm schoss noch durch den Kopf, dass sein Auftreten nicht gerade den Regeln der Höflichkeit entsprach, doch Rosie nickte nur wortlos und verließ rasch die Küche. Sams Augen wurden groß. „Herr Frodo, was ist denn passiert?" „Schnell, Sam, er ist gekommen, und er ist schwer verletzt. Wir müssen ihm helfen." Frodo begann hektisch in Schubladen und Regalen nach nützlichen Utensilien zu suchen. Sam konnte nur verwirrt stottern: „Was... wer..., Herr Frodo, wer ist gekommen?" „Schagrat, es ist Schagrat, schnell..."
Frodo fuhr fort, planlos durch die Küche zu hetzen, und so sah er nicht, dass Sams Gesicht schlagartig um eine Spur blasser wurde und er sich nicht rühren konnte. „Aber... aber Frodo, jetzt warte doch mal... was hast du denn vor?" Frodos Stimme überschlug sich fast beim Suchen. „Das weiß ich doch auch nicht, nur beeil dich, wir müssen ihn erst einmal herbringen, und dann..." „Du bist verrückt, Frodo!", rief Sam in höchster Panik und sah im selben Moment, dass Frodo mitten in der Bewegung innehielt und seine Schultern sich verkrampften. Als er sich schließlich zu Sam umwandte, war alle Farbe aus seinem Gesicht gewichen. „Natürlich, Sam," stieß er gepresst hervor, „das weiß doch wohl jeder im Auenland, oder?"
Sam wurde rot und stammelte beschämt: „Frodo... ich... es tut mir leid..." Seine Augen füllten sich mit Tränen, doch Frodo war bereits auf ihn zugeeilt und hatte ihn in seine Arme gerissen. „Nein, Sam, mir tut es leid, ich habe nicht daran gedacht, dass allein schon die Erwähnung seines Namens dich in Angst und Schrecken versetzen muss." Er sah seinen Freund um Verständnis bittend an. „Aber Sam, ich muss das tun, ich kann einfach nicht anders. Ich kann ihn doch jetzt nicht im Stich lassen. Kannst du das verstehen?" Sam schluckte, doch dann nickte er schniefend und wischte sich die Augen. Frodo nahm Sams Gesicht in seine Hände. „Du musst natürlich nicht mitkommen, Sam, das kann ich nicht von dir verlangen. Zeige mir nur..." Doch Sam unterbrach ihn entschlossen: „Das kommt überhaupt nicht in Frage, Herr Frodo, dass du dort allein hingehst. Das wäre ja noch schöner. Lass mich nur schnell etwas zusammenpacken, und dann können wir gehen." Frodo nickte dankbar, und Sam holte schnell ein paar Kräuter und Tinkturen sowie Tücher zum Verbinden der Wunden. Als die beiden den Flur entlang hasteten, kamen sie an Rosie vorbei, die in Sams Blick nur lesen konnte, dass jetzt keine Zeit für Erklärungen war. Doch als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, seufzte Rosie zu sich selbst: „Hoffentlich sind sie nicht gerade wieder zu einer langen Reise ins Ungewisse aufgebrochen." Sie biss sich unruhig auf die Lippen.
Kapitel 18Die beiden Hobbits erreichten atemlos keuchend die Lichtung, und der Uruk lag noch genau dort, wo Frodo ihn verlassen hatte. Er hatte sich offenbar noch immer nicht bewegt, nur sein Atem klang rasselnd und qualvoll. Frodo kniete sich wieder neben ihn und berührte vorsichtig seinen Arm, während Sam respektvollen Abstand hielt. „Kannst du mich hören, Schagrat?", versuchte Frodo verzweifelt zu dem Riesen durchzudringen. „Komm, Sam, schnell... tu doch etwas", flehte er, aber Sam rührte sich nicht. Als Frodo sich jedoch hilfesuchend zu ihm umwandte, erkannte er plötzlich mit erschütternder Gewissheit die Wahrheit in den Augen seines Freundes, noch bevor Sam sie überhaupt aussprach. „Er stirbt, Herr Frodo,... wir können gar nichts für ihn tun, es ist zu spät..." Frodo starrte ihn einen Moment lang wie gelähmt an, doch Sam schüttelte nur traurig den Kopf.
Frodo wandte sich wieder Schagrat zu und kämpfte verzweifelt gegen das Schwindelgefühl und die Tränen an, die ihn zu überwältigen drohten. Er ergriff behutsam die große Pranke des Uruks und blickte ihm wehmütig ins Gesicht. In diesem Moment schlug Schagrat erschöpft die Augen auf. „Bist du wieder traurig, Würmchen?", fragte er mit brüchiger Stimme, und das Sprechen bereitete ihm große Mühe. Frodo versuchte tapfer zu lächeln, doch wollte es ihm nicht recht gelingen. „Nein, Schagrat, ich bin wirklich froh, dass du hier bist." Der Uruk drückte Frodos Hand und sprach leise brummend weiter: „Ich bin gekommen, um dir etwas zu sagen, Frodo." Er nahm einen angestrengten Atemzug. "Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben, und dein Freund auch nicht, denn die Orks, die in Kankras Diensten standen, sind nicht mehr da. Ich habe sie alle getötet."
Frodo hielt den Atem an. „Was ist passiert? Haben sie dich angegriffen?" Schagrat schnaufte mühsam: „Ich habe lange in der kleinen Höhle gehaust, die wir damals entdeckt hatten. Es war niemand in der Nähe, der mich gestört hätte. Doch eines Tages kamen diese dummen Orks dort vorbei, die ganze Rotte..." Er machte eine Pause und schloss vor Schwäche die Augen, und Frodo an seiner Seite hatte das Gefühl, vor Hilflosigkeit zu vergehen. „Bitte, Schagrat, du musst nicht sprechen, wenn es zu anstrengend ist." Doch der Uruk drückte wieder seine Hand und fuhr langsam fort: „Sie sahen mich nicht, und so belauschte ich ihr Gespräch und erfuhr, dass sie auf dem Weg hierher waren, um sich wieder ein paar Halblinge zu holen." Frodo lief ein Schauer über den Rücken, und er drehte sich rasch zu Sam um, der zaghaft näher herankam. Der Riese atmete schwer. „Kankra schien zu schlafen, und einen Anführer hatten sie auch nicht, also zogen sie ziellos und streitlustig durch die Gegend. Und wie ich hörte, waren sie wohl am meisten darüber wütend, dass ich dich nicht mit ihnen geteilt hatte, und deshalb wollten sie endlich herausfinden, was so besonders ist am Fleisch der Halblinge." Frodo und Sam tauschten einen entsetzten Blick miteinander, während Schagrat wieder angestrengt Atem holte.
Er bemerkte Frodos gequälte Miene und sprach keuchend weiter: „Nein, Würmchen, du musst dir wirklich keine Sorgen machen, denn ich bin aus meinem Versteck hervorgekommen, um den Dummköpfen diese Idee auszureden, falls du verstehst, was ich meine. Ich wollte nicht, dass sie dir noch einmal etwas tun, und deinen Freunden auch nicht. Ich habe sie alle erwischt, und an meinem Dolch klebt noch ihr dunkles Blut, willst du es sehen?" Frodo beeilte sich zu sagen: „Ist schon gut, Schagrat, ich glaube dir auch so." Der Uruk seufzte leise: „Es waren sehr viele, und sie waren gut bewaffnet. Ich dachte fast, ich würde es nicht mehr schaffen, dir die Nachricht zu bringen..." Seine Stimme brach vor Erschöpfung.
Frodo rang einen Moment lang um seine Fassung und unterdrückte ein Zittern. „Hast du Schmerzen, Schagrat?" Der Uruk versuchte zu lachen, doch der Laut ging in ein Röcheln über, und er hustete Blut. Dann sagte er: „Was für eine dumme Frage, Würmchen, du weisst doch, dass die Uruk-hai keine Schmerzen fühlen, wenn sie verwundet werden." Frodo nickte traurig. „Entschuldige, das hatte ich vergessen." Schagrat sah den Hobbit nachdenklich an. „Weißt du, was komisch ist, Würmchen? Diese anderen Schmerzen, die mich so oft quälten... sie sind plötzlich nicht mehr da. Denkst du, dass die Krankheit jetzt vorbei ist?" Frodo schluckte tapfer. „Ja, Schagrat, ganz bestimmt ist es so." Die Stimme des Riesen wurde schwächer. „Das ist gut, kleiner Frodo, denn es ist ein schönes Gefühl. Es ist so ruhig in mir, vollkommen ohne Schmerzen, aber ich weiß nicht, wie dieses Gefühl heißt." „Man nennt es Frieden, Schagrat", entgegnete der Hobbit leise. „Frieden", wiederholte der Uruk genauso leise, „das ist wirklich ein gutes Gefühl, nicht wahr?" „Ja, das ist es, Schagrat." Frodo blickte dem Riesen liebevoll in die Augen, und Schagrat erwiderte seinen Blick mit großer Ruhe. Dann schlossen sich seine Augen langsam, und er hörte auf zu atmen. „Leb wohl, mein Freund", flüsterte der Hobbit kaum hörbar. Und einen Moment lang war es so still auf der Lichtung, als würden selbst die Vögel und Insekten respektvoll schweigen.
Frodos Tränen fielen auf die Brust des toten Riesen, genau auf die Stelle, wo bis eben noch das Herz schlug, dieses gequälte Herz, das nun endlich seine Ruhe gefunden hatte. Betäubt überließ sich der Hobbit seiner Trauer über den Tod eines Geschöpfes, um dessen Seele er so verzweifelt und vergebens gekämpft hatte. Der Schmerz nahm von ihm Besitz, doch er wehrte sich nicht dagegen und vergaß alles andere um sich her. Lange saß Frodo da wie versteinert. Sam, der dicht hinter ihm stand, wagte kaum zu atmen, als befürchtete er, sein Herr könnte beim geringsten Laut in Scherben zerspringen.
Frodo konnte seinen Blick nicht von Schagrat abwenden, über dessen Antlitz sich ein tiefer Frieden gebreitet hatte. Irgendwann jedoch spürte er Sams tröstende Hand auf seiner Schulter, und er flüsterte gequält: „Ich konnte ihn nicht retten, Sam, ich habe wieder versagt." Er ließ betrübt den Kopf sinken. Doch dann vernahm er wie durch einen Nebel Sams behutsame Stimme: „Aber das ist doch nicht wahr, Frodo. Er ist hierher gekommen, zu dir. Er hat dich beschützt und für uns gekämpft, und er wollte dich wiedersehen, bevor er stirbt. Du warst sein einziger Freund. Oh doch, und ob du ihn gerettet hast." Frodo brauchte einen Moment, um die Worte zu verstehen, doch dann wandte er Sam langsam sein Gesicht zu und lächelte unter Tränen. „Sam, mein wundervoller Sam, was würde ich nur ohne dich tun?" Sie umarmten sich schweigend, und Sam hielt seinen Herrn tröstend in den Armen und wartete geduldig, bis Frodos Tränen versiegt waren.
Als Frodo seinem Freund endlich wieder in die Augen sah, war sein Gesicht ruhig und friedlich. „Wir sollten ihn begraben, Sam", sagte er gefasst. Sam nickte ernst: „Du hast recht, Herr Frodo, lass mich nur rasch das Nötige holen, ich werde schnell zurück sein." Frodo nickte dankbar, und Sam wollte schon aufspringen, doch Frodo hielt ihn zurück. „Sam, ich habe noch eine Bitte an dich." „Ja, Herr Frodo?" „Es wäre mir lieb, wenn du zu niemandem darüber sprechen würdest. Nicht, dass es irgendwie schlimm wäre, es ist nur, ich denke, dass niemand es verstehen würde." Sam drückte beruhigend seine Hand. „Mach dir keine Sorgen deswegen, mir wird kein Sterbenswörtchen über die Lippen kommen."
In diesem Moment jedoch ließ ein Rascheln dicht hinter ihnen sie zusammenfahren, und sie drehten sich erschrocken um. Merry und Pippin standen dort, schweigend und mit ernsten Gesichtern, jeder von ihnen mit zwei Schaufeln in der Hand. Sam wollte schon einen verdrossenen Gesichtsausdruck aufsetzen, weil ihm klar war, dass die beiden wieder irgendwo heimlich gelauscht haben mussten, doch er entschied sich anders, als er ihre feierlichen Mienen sah. Merry nickte Frodo wortlos zu, und dieser bedeutete den beiden mit seinem Blick, dass sie willkommen waren. Die Hobbits legten die Schaufeln ins Gras und traten vorsichtig näher. Eine Weile standen sie alle zusammen schweigend da und betrachteten den toten Uruk. Dann sagte Merry bestimmt: „Wir sollten uns jetzt an die Arbeit machen, denn auch wenn wir zu viert sind, wird es eine Zeit dauern." Frodo nickte stumm, und jeder der vier nahm sich eine Schaufel. Sie hatten bis in die Abenddämmerung hinein zu tun und betrachteten anschließend noch eine Weile nachdenklich ihr vollendetes Werk.
Plötzlich ließ Sam sich vorsichtig vernehmen: „Herr Frodo, mir ist etwas eingefallen..." Frodo blickte ihn erwartungsvoll an und bemerkte, dass Sam leicht errötete, wie immer, wenn er Angst hatte, etwas Dummes zu sagen. „Was ist es, Sam?" fragte er aufmunternd. Sam räusperte sich verlegen. „Na ja, ich meine, vielleicht hast du ja immer noch Zweifel. Und da dachte ich, ich könnte vielleicht einen Baum hierher pflanzen. Und falls er im nächsten Jahr blühen sollte, dann weißt du es genau. Und wenn nicht, dann... ach, es ist ein dummer Gedanke..." Er brach kopfschüttelnd ab, doch Frodo legte ihm liebevoll den Arm um die Schulter. „Sam, das ist eine wundervolle Idee. Ja, das solltest du tun, das wäre sehr schön."
Die Abenddämmerung sah die vier Hobbits einträchtig auf dem Rückweg nach Beutelsend nebeneinander laufen. Merry hatte Frodo seinen Arm um die Schulter gelegt, und Sam und Pippin trugen die Schaufeln. Frodo fühlte Wärme sein Herz durchströmen. Er war erfüllt von Dankbarkeit für die stumme Anwesenheit seiner Freunde, die ihn wortlos trösteten und für ihn da waren, ohne Fragen zu stellen.
Am nächsten Tag stand Frodo früher als gewöhnlich auf, weil er gemeinsam mit Sam auf die Lichtung zurückkehren und dort den Setzling einpflanzen wollte. Doch beim Frühstück bemerkte er, dass Sam verlegen auf seinem Stuhl hin- und herrutschte. „Was ist es diesmal, Sam, raus damit." Sam blickte Frodo unsicher an: „Ich habe da wieder so eine Idee, und ich hoffe, du nimmst mir das jetzt nicht übel..." „Habe ich dir schon einmal etwas übel genommen, jetzt sag schon, was es ist!" Sam schluckte. „Also, ich meine, das hier sollte vielleicht mein Anteil an der ganzen Sache sein, denn immerhin hatte ich ja auch eine ziemlich enge Bekanntschaft mit Schagrat.... falls du verstehst, was ich meine. Na ja, und da dachte ich, vielleicht sollte ich diesen Baum allein pflanzen und... und bei der Gelegenheit könnte ich diesem Schagrat sagen, dass ich dankbar bin, dass er dich heil zurückgebracht hat und dass ich ihm auch sonst inzwischen verziehen habe. Ich hoffe, du bist jetzt nicht gekränkt..." Frodo lächelte kopfschüttelnd. „Hast du mich denn jemals gekränkt, Sam?" Sam errötete. „Ja, gerade gestern..." „Jetzt komm schon, Sam!" Frodo drückte seine Hand und sah ihn beinahe zärtlich an. „Sam, ich verstehe dein Bedürfnis, und ich respektiere deinen Wunsch. Wenn du das möchtest, dann soll es so geschehen." Sam senkte verlegen den Blick und hatte es plötzlich sehr eilig aufzubrechen. Er wollte es wohl doch lieber schnell hinter sich bringen. Frodo schaute ihm versonnen nach.
Kapitel 19Sam war noch nicht lange fort, als Rosie strahlend in die Küche kam. „Es ist Besuch da, Herr Frodo, über den du dich sehr freuen wirst." Frodo erhob sich erwartungsvoll, und sein Herz machte einen freudigen Satz, als er den spitzen Hut des Zauberers im Türrahmen erblickte. „Gandalf, was für eine Freude, dich zu sehen", rief er begeistert und flog dem Zauberer in die Arme. Gandalf lachte gutmütig: „Das wirst du wohl immer tun, egal, wie alt du bist, mein lieber Junge." Er strubbelte dem Hobbit freundlich durch die Haare. Frodo strahlte und griff sofort nach dem Teekessel. „Erst einen Tee, und dann erzähl mir, was es Neues in der Welt gibt." Der Zauberer hob beschwichtigend die Hand: „Nicht so schnell, mein lieber Hobbit, sage mir erst, wie es dir inzwischen ergangen ist, denn immerhin hattest du gerade einiges durchgemacht, als wir uns das letzte Mal begegneten."
Frodo unterdrückte schnell einen Gedanken an Schagrat und berichtete: „Es geht mir wirklich gut, alles ist wieder friedlich hier, aber das weißt du ja sicher schon. Ich schreibe wieder an der Chronik und bin ein gutes Stück vorangekommen. Eigentlich gibt es nichts Besonderes zu berichten. Du weißt ja, wie es im Auenland so zugeht, und daran hat sich nicht viel geändert. Und jetzt erzähl du, spann mich nicht so auf die Folter, denn du hast sicher die interessanteren Geschichten." Gandalf lachte gütig über die Ungeduld des Hobbits und wollte ihn nicht länger zappeln lassen. So war Frodo schon immer gewesen, Feuer und Flamme für Geschichten aus fernen Ländern. Manche Dinge ändern sich nie, dachte der Zauberer, und so erzählte er ausführlich, was es Neues in Gondor, Rohan und Bruchtal gab. Frodo lauschte gebannt seinem Bericht und vergaß schnell alles andere.
Später saßen sie auf der Bank vor dem Haus und genossen die milde Vormittagssonne. Der Zauberer rauchte seine Pfeife, und Frodo las ihm die neuesten Kapitel aus dem Roten Buch vor, die er seit seiner Rückkehr aus Bruchtal niedergeschrieben hatte. Der Zauberer nickte von Zeit zu Zeit anerkennend, nicht ohne unauffällig im Gesicht des Hobbits zu lesen. Als Frodo geendet hatte, klopfte Gandalf seine Pfeife aus und sagte wie nebenbei: „Und nun, mein lieber Hobbit, sage mir, wie es dir wirklich geht. Bist du glücklich, Frodo?" „Nun ja, ich denke schon, ich war in letzter Zeit seltener krank, und auch die Alpträume kommen nicht mehr so oft. Ja, ich denke, ich bin jetzt wieder glücklich. Ich habe meine Freunde um mich, und das ist wundervoll. Dass mich die meisten anderen Hobbits für ein bisschen verdreht halten, daran werde ich nichts mehr ändern können, und es ist mir inzwischen auch egal. Ja, ich bin wohl glücklich. Wirklich, Gandalf, du brauchst dich nicht um mich zu sorgen."
Der Zauberer lächelte fürsorglich. „Das weiß ich, mein lieber Frodo, denn die Jahre haben dich reifen lassen, und du bist längst stark genug, um für dich selbst einzustehen. Und ich denke, du selbst brauchst dich jetzt auch nicht mehr zu sorgen..." Frodo blickte ihn fragend an. Gandalf sprach weiter: „Ich habe das sichere Gefühl, dass der Baum, den Sam gerade pflanzt, im nächsten Frühjahr reiche Blüte tragen wird." Frodo senkte den Blick. „Ich verstehe", sagte er leise. Der Zauberer drückte ihm die Hand und sprach weiter. „Eigentlich war ich bereits gestern abend auf dem Weg nach Hobbingen und kam dabei an der kleinen Lichtung hinter dem nächsten Hügel vorbei, die du schon als Kind so geliebt hast..." Frodo sagte nichts, denn er schämte sich ein wenig, dass er nicht den Mut gefunden hatte, Gandalf eher davon zu erzählen.
Der Zauberer spürte seine Verlegenheit und nahm ihn freundschaftlich in den Arm. „Frodo, du hast recht daran getan, diesem unglücklichen Wesen solche Kostbarkeiten zu offenbaren. Du hast ihm deine Freundschaft und Güte geschenkt, und du hast dabei immer auf dein Herz gehört. In keinem Mythos und keiner Legende ist je zuvor von einer solchen Tat berichtet worden. Diese Begebenheit würde ich gern eines Tages zu hören bekommen, wenn du sie mir aus deiner Chronik vorliest." Der Hobbit sah Gandalf zweifelnd an, doch dieser fuhr fort: „Ich weiß, dass es nicht in deinem Wesen liegt, dich siegreichen Gefühlen hinzugeben, und diese Bescheidenheit spricht sehr für dich. Und doch ist und bleibt es ein Wunder, was du getan hast, und sollte schon deshalb in den Annalen von Mittelerde nicht ohne Erwähnung bleiben. Denn weißt du, Frodo, Wunder geben Hoffnung, und Hoffnung ist eine der wundervollsten Gaben, die uns geschenkt werden kann."
Frodo nickte nachdenklich. „Du hast Recht, Gandalf, wie so oft. Dann sollte ich wohl tun, was du mir vorschlägst, denn es mag ein Weg sein, den Schmerz zu überwinden, der mich sicher noch lange begleiten wird, weil ich einen Freund verloren habe." Der Zauberer blickte ihm plötzlich ernst in die Augen. „Weiß Sam, dass du immer noch die Gnade hast, in den Westen zu gehen?" Der Hobbit schüttelte den Kopf. „Nein, Gandalf, ich habe es ihm nicht gesagt. Denn weißt du, er wäre innerlich hin- und hergerissen zwischen seinem Wunsch, mich ohne Schmerz und Leid in den Unsterblichen Landen zu wissen, und seiner Trauer, mich wieder zu verlieren. Das kann ich ihm nicht noch einmal antun, jedenfalls jetzt noch nicht." Der Zauberer nickte verständnisvoll.
„Und weißt du, Gandalf, meine Liebe zum Auenland ist viel stärker, als ich glaubte. Siehst du, und das alles möchte ich gern noch ein wenig genießen, also habe ich mich entschieden, meine Schmerzen lieber noch eine Weile zu erdulden. Vielleicht mögen sie mit der Zeit erträglicher werden. Wieviel Zeit mir bleibt, weiß ich nicht, denn viel zu tief sind die Wunden, die mir zugefügt wurden. Ich glaube nicht, dass mir noch allzu viele Jahre vergönnt sind, und irgendwann wird für Sam die Zeit des Abschieds kommen, aber jetzt noch nicht, Gandalf. Es ist zu früh dafür, und ich habe gerade durch mein Erlebnis mit Schagrat erkannt, wie viele wertvolle Freunde es gibt, die ich für die nächste Zeit gern noch um mich hätte. Verstehst du das?"
Gandalf lächelte gütig. „Was gäbe es da nicht zu verstehen, mein lieber Hobbit. Du hast ganz sicher eine kluge Wahl getroffen in vielerlei Hinsicht. Besonders was deine Freunde angeht, so glaube ich, dass es gerade bei eurer eingeschworenen Gemeinschaft von vier Hobbits wohl so ist, dass einer nicht ohne den anderen blühen, wachsen und reifen kann, wie bei einem liebevoll gepflegten Garten." Frodo lächelte und nickte. Und dann zog Gandalf spitzbübisch die Augenbrauen zusammen. „Und weißt du, Frodo, eines willst du doch bestimmt nicht verpassen. Ihr vier seid zusammen durch so viele schöne und schreckliche Erlebnisse gegangen, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass selbst ein Peregrin Tuk eines Tages erwachsen sein wird."
Frodo sah den Zauberer schelmisch an. „Ist das dein Ernst?", er schüttelte sich, „was für ein schrecklicher Gedanke!" Sie brachen in schallendes Gelächter aus, und Gandalf drückte den Hobbit liebevoll an sich. Frodo strahlte ihn an: „Noch einen Tee, Gandalf?" „Gern, mein lieber Junge."
Ende