Aren on Tour

oder ‚Was Euch Charly und Joey verschwiegen haben'

Kapitel 2

Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen und so kommt es, dass ich noch vor dem Frühstück im Stall bin.

Als ich gerade dabei bin, Wasser in die Tröge zu schütten, höre ich weiter hinten im Stall ein Geräusch; da scheint jemand über den strohbedeckten Boden zu laufen. Ich begebe mich auf die Suche nach dem Besucher, und sehe, wie Josephine ihren Kopf gerade in eine der leeren Boxen steckt.

"He, schon so früh auf den Beinen?" begrüße ich sie. Sie dreht sich blitzschnell um und sieht mich an. Als sie mich erkennt, wandelt sich ihr Gesichtsausdruck von Neugier zu abschätzigem Missfallen. Oje, bei der hab ich es mir wohl verscherzt...

Ich kehre zu den Pferden zurück, und fahre fort sie zu versorgen; Josephine hat sich an einen Balken gelehnt und sieht mir zu. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Elena schnuppernd in ihre Richtung geht, und dann höre ich auch schon Josephines überraschten Ausruf. "He, ich bin nicht Herkules!"

Elena scheint Gefallen daran gefunden zu haben, Josephine als ihre Kopfstütze zu benutzen. Lachend frage ich "Wer ist Herkules?", denn von dem habe ich noch nie etwas gehört. "Nicht so wichtig." antwortet sie und seufzt.

Ich bücke mich nach dem nun leeren Wassereimer und sage, um sie ein wenig aufzumuntern: "Das ist Elena, sie scheint dich gern zu haben. Genau wie ihr Herr."

Wie erwartet hellt sich Josephines Gesicht erheblich auf und sie wird sehr rot im Gesicht. "Legolas hat über dich gesprochen. Sogar eine ganze menge. Auch zu seinem Vater. Thranduil wollte dich gestern nur in Verlegenheit bringen, nimm das nicht so ernst."

Josephine wird noch roter und scheint das Thema wechseln zu wollen, denn sie sagt schnell: "Elena, das ist ein schöner Name, hat er eine Bedeutung?" "Ja, es bedeutet ‚von den Sternen'. Wie du vielleicht siehst, haben alle anderen aus der Familie weiße Pferde, wie es sich für Pferde von Königen gehört. Aber Legolas hat Elena als Fohlen in Düsterwald gefunden und seinen Kopf durchgesetzt. Wir waren damals auf einem Streifzug. Das haben wir ziemlich oft gemacht, als wir noch jung waren. Heute muss Legolas andere Prioritäten setzen und ihm bleibt nicht mehr so viel Zeit. Wie dem auch sei, als wir durch den Wald gezogen sind, haben wir plötzlich ein klägliches Wiehern vor uns gehört und sind sofort hingeeilt. Auf einer Lichtung stand ein Fohlen, zitterte am ganzen Leib und war auch sonst in einer schlechten Verfassung." Ich verfüttere ein paar Leckerchen. "Ich fürchtete schon, es würde weglaufen, wenn wir uns ihm nähern. Aber es schien sofort Zutrauen zu Legolas zu fassen, und in dieser Sekunde hat er wohl beschlossen sie zu behalten. Später hat er ihr einen Namen gegeben, der an dieses Ereignis erinnern sollte..."

Ich blicke zu Josephine rüber, die gedankenverloren Elenas Kopf krault. Ich bezweifle, dass sie zugehört hat. "Auf jeden Fall ist Elena seit dem–" fahre ich etwas lauter fort, werde aber sofort von Josephine unterbrochen, die plötzlich den Kopf hebt. "Ist Legolas zu Fuß unterwegs?" "Nein ist er nicht." Ich denke ich weiß, worauf sie hinaus will, aber da werde ich sie wohl enttäuschen müssen. "Er ist mit einem anderen Pferd unterwegs." Die Enttäuschung ist ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. "Wieso?" "Ach, ich dachte nur..." Ich hebe eine Augenbraue, um zu zeigen, dass ich ihr das nicht abnehme und lächle. "Keine Angst, er kommt ja heute oder morgen zurück."

Josephine seufzt schwer und verabschiedet sich dann von mir, zweifellos um nach Charlotte zu suchen. Ich hoffe nur, die beiden tauchen nachher beim Frühstück auf...

Den Rest des Morgens und des Vormittages verbringe ich damit, die Pferde ein wenig herumzureiten, damit sie sich die Beine vertreten können. Seit dem es zu gefährlich geworden ist, Reisen zu unternehmen, kommen sie kaum noch zum Einsatz.

Als ich gegen Mittag sehe, dass die beiden Mädchen im Schloss herumlungern, und nicht wirklich wissen, was sie mit sich anfangen sollen, beschließe ich den beiden Düsterwald zu zeigen. Na ja, zumindest die nähere Umgebung ums Schloss.

Der Mittag vergeht sehr ruhig; Charlotte und Josephine folgen gebannt dem, was ich zu sagen und zu zeigen habe und es macht mir großen Spaß die beiden herumzuführen. Besonders Josephine freut sich über die Anekdoten, die ich ihnen über Legolas' und meine Streifzüge erzähle. Charlotte ist erstaunlich ruhig, stellt nur hier und da ein par Fragen und beobachtet mich ansonsten die ganze Zeit.

Wenn sie mich mit ihren glitzernden braunen Augen so intensiv ansieht, läuft mir eine Gästehaut nach der anderen über den Rücken...

Am Nachmittag beschließen die Mädchen, das sie eine Abkühlung brauchen und liefern sich eine Wasserschlacht am Fluss. Ich bleibe dabei natürlich auch nicht trocken, und triefend begeben wir drei uns irgendwann wieder zum Schloss zurück, wo ich die beiden zu ihren Zimmern bringe und mich dann auf meines begebe, um mir trockene Kleidung anzuziehen.

Den Rest des Tages verbringe ich hauptsächlich in Gedanken an Charlotte; denn diese Blicke gehen mir nicht mehr aus dem Kopf.

Ich hole die beiden am Abend zum Essen ab und gemeinsam begeben wir uns zum Speisesaal.

Wir sind noch nicht ganz durch den zweiten Gang, als plötzlich die Tür auffliegt und ein zerzauster und dreckiger, aber gutgelaunter Legolas im Raum steht.

"Hallo Vater! Freust du dich? Ich bin früher da als erwartet. Oh, wir haben Gäste?!"

Gäste? Gäste?! Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Legolas ist blind, denn die beiden am Tisch sind unmöglich zu verwechseln.

"Haben wir uns denn so verändert?" flüstert Josephine in Charlottes Richtung. Ihr Gesichtsausdruck wandelt sich von einer Sekunde zur nächsten von Freude zu Ärger und wieder zurück. Aber dann strafft sie die Schultern, tritt hinter Legolas und tippt ihm auf die Schulter. "Die Begrüßung in dieser Welt lässt echt zu wünschen übrig.!" Ihre Stimme zittert dabei und ist gegen Ende nur noch ein Krächzen.

Legolas wirbelt herum, als würde Sauron persönlich hinter ihm stehen und guckt als ob ein Geist vor ihm stünde.

Ich muss mir fast auf den Fingerknöchel beißen, um nicht laut loszulachen, und Charlotte neben mir gibt unterdrückte Prustlaute von sich.

Als Legolas und Josephine sich begrüßen, werfe ich einen Blick auf Charlotte. Sie scheint sich für die beiden zu freuen, aber Wehmut und Traurigkeit sind ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich muss mich schwer zusammenreißen, um nicht nach ihrer Hand zu greifen und zu versuchen sie irgendwie zu trösten.

Nach kurzer Zeit ziehen die beiden Mädchen sich mit Legolas zurück, um etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen. Ich wünschte, ich wüsste, was da vor sich geht...

Nachdem die drei verschwunden sind, kommt Dinrían auf mich zu und will etwas besprechen. "Arengórë, meint Ihr es ist richtig Legolas – den Prinzen von Düsterwald! – mit den Menschenmädchen alleine zu lassen?" "Warum nicht? Ich glaube kaum, dass die beiden ihm etwas antun werden." Dinrían hebt zweifelnd die Augenbrauen. "Also wenn man mich fragt," den Valar sei Dank tun wir das nicht, "kommen die beiden mir gemeingefährlich vor. Ihre seltsame Redensart und die Art und Weise, wie sie sich verhalten... Und wir wissen auch immer noch nicht, was sich in dem Rucksack befindet, den sie bei sich hatten." "Ich schlage vor, wir bitten Charlotte und Josephine uns den Inhalt zu zeigen. Ist das akzeptabel für dich, Dinrían?" Dinrían schnaubt, nickt aber und entfernt sich.

Ich massiere mir mit zwei Fingern die Schläfen, um die Kopfschmerzen niederzukämpfen, die sich plötzlich bemerkbar machen. Ich stehe noch auf dem Gang als hinter mir eine Stimme ertönt. "Arengórë!" Ich drehe mich zu Legolas um und lächle ihn an. Er klopft mir freundschaftlich auf die Schulter und lächelt zurück. "Na, alles klar?" Ich hebe spöttisch eine Augenbraue. "Alles klar?" Legolas grinst. "Das muss ich wohl von den Mädchen haben. Wenn man mit ihnen zusammen ist, gewöhnt man sich schnell ihre Redensweise an." "Scheint mir auch so... Und, was hattet ihr so wichtiges zu besprechen?" "Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich weiß, dass wir uns immer alles erzählt haben, aber ich fürchte, dass du dich mit der Erklärung zufrieden geben musst, dass es etwas zwischen den Mädchen und mir ist. Und ich fürchte auch, dass wir morgen nach Bruchtal aufbrechen werden." "Nach Bruchtal? Morgen schon?" "Ja, es ist sehr dringlich. Es tut mir leid!" Nicht so leid wie mir...

"Ich könnte euch begleiten. Du brauchst bestimmt Hilfe mit den beiden." "Ist das deine Ausrede?" Als ich Legolas fragend ansehe, klopft er mich nur grinsend auf die Schulter. "Ich würde mich freuen wenn du mitkommst."

Also ist es beschlossene Sache, dass ich die drei nach Bruchtal begleite. Legolas hat mir nur soviel verraten, dass sie dort die anderen Gefährten treffen wollen. Also lerne ich sie auch endlich kennen. Als Legolas das erste Mal aufgebrochen ist, wollte ich mich seinem Gefolge anschließen, aber ich hatte einen anderen Auftrag, und so konnte ich nicht mitgehen.

Wir packen unsere Sachen und bereiten alles vor. Dazu gehört auch, den beiden Mädchen etwas reisetaugliches zum Anziehen zu besorgen, denn sie können wohl kaum in den Kleidern reiten und ich bezweifle, dass ihre eigene Kleidung die Strapazen einer Reise aushalten würde. Nach einigem Suchen haben wir die beiden kleinsten Tuniken aufgetrieben und ich lasse an Charlottes Hose noch die Beine kürzen.

Kurz vor Sonnenaufgang sind wir fertig und begeben uns zu den Zimmern der Mädchen, um sie zu wecken. Ich betrete Charlottes Zimmer, schließe die Tür hinter mir und bleibe stehen. Charlotte liegt auf der Seite in ihrem Bett; ein verirrter Sonnenstrahl streift ihr Gesicht und lässt ihre Haut golden leuchten.

Ich wecke sie nur ungern, denn sie sieht so friedlich aus, aber es wird langsam Zeit. Ich trete neben ihr Bett und berühre leicht ihre Schulter. "Charlotte, wach auf!" sage ich leise. Nach einem kurzen Augenblick regt sie sich und schlägt dann ihre Augen auf, um mich verschlafen anzusehen. Sie blinzelt ein paar Mal und scheint erst mal sortieren zu müssen, wer da vor ihr steht. "Aren?" "Ja. Du musst aufstehen, die Sonne geht schon auf." Charlotte reibt sich die Augen um den letzten Schlaf zu vertreiben, und schwingt dann ihre Beine aus dem Bett.

"Ich habe etwas für dich." sage ich und halte ihr ihr neues Outfit entgegen. Sie steht auf und nimmt es entgegen. Als sie erkennt was es ist, sieht sie zwischen mir und sich selbst hin und her. Ich kann ihre Skepsis verstehen, wenn man bedenkt, dass ich – und Elben im Allgemeinen – mehr als einen Kopf größer bin als sie. "Keine Sorge, ich habe es für dich ändern lassen." Charlotte lächelt mich dankbar an und verschwindet dann im Bad um sich umzuziehen. Ich beschließe vor der Türe zu warten.

Nach kurzer Zeit treten Legolas und Josephine aus ihrem Zimmer. Die Tunika passt ihr sehr gut, was aber auch kein Wunder ist, da sie ja ziemlich groß ist. Wir müssen nicht lange warten, dann kommt auch Charlotte dazu und als die beiden Mädchen sich sehen, bekommen sie einen Lachanfall. Ich kann ihre Heiterkeit gut verstehen, denn sie sehen aus, als hätten sie sich verkleidet. Besonders Charlotte, der trotz der Änderungen alles etwas zu weit ist und die Ärmel ihres Untershirts gehen bis zu den Fingerspitzen; was sie aber schnell abändert, indem sie sie einfach hochkrempelt.

Nach dem wir schnell gefrühstückt haben – und die Mädchen dabei auch erfahren, dass ich mitgehe – machen wir uns auf zum Stall. Legolas und ich haben die beiden sanftmütigsten Pferde ausgesucht, da wir nicht wissen, ob sie reiten können.

Charlotte läuft so nah neben mir, dass unsere Hände sich ein paar Mal kurz berühren und ich nur zugreifen bräuchte, um sie an die Hand zu nehmen.

Als wir um eine Ecke biegen, können wir die vier Pferde sehen, die vor dem Stall stehen. Charlotte guckt mich an, und als ich nur zurückgucke, reagiert sie völlig unerwartet. "NEIN, VERGISS ES! Ganz sicher NICHT!" "Aber–" Doch da ist auch schon Josephine bei uns und fällt mit ein. "Das ist doch nicht euer Ernst!" sagt sie zu Legolas und deutet auf die Pferde. "Willst du, dass wir uns das Genick brechen?" "Wollt ihr nach Bruchtal laufen?" Nein, das wollen sie nicht, wenn ich ihre Gesichtsausdrücke richtig lese. Charlotte hat sich inzwischen wieder beruhigt, ist aber jetzt etwas blass um die Nasenspitze.

Als Legolas und ich aufgesessen sind, und die Mädchen es uns nachgetan haben, ertönt eine klägliche Stimme. "Ich bin noch nie alleine geritten..." sagt Charlotte. Ich lenke mein Pferd neben ihres. "Keine Sorge. Du musst dich nur festhalten, dein Pferd macht denn Rest." Sie nickt, auch wenn sie nicht besonders begeistert aussieht.

Als wir die Pferde in Bewegung setzen, schlägt Legolas erst mal ein langsameres Tempo an, damit Charlotte sich an das Pferd gewöhnen kann. Josephine scheint gleich in ihrem Element zu sein und sie trabt fröhlich neben Legolas her – ich weiß gar nicht, warum sie sich so aufgeregt hat.

Extra für die Mädchen haben wir ihren Pferden Sättel aufgelegt, da wir wissen, dass Menschen nicht daran gewöhnt sind auf den baren Rücken von Pferden zu sitzen. Das Zaumzeug haben wir allerdings weggelassen, denn das hätten unsere elbischen Pferde wohl nicht zugelassen. Also bleibt Charlotte die einzige Möglichkeit sich am Sattel festzuhalten, was sie auch tut. Sie sitzt völlig verkrampft da und ist kalkweiß im Gesicht.

Ich lege ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Entspann dich. Anar wird dich nicht abwerfen." "Na, wenn du das sagst..." Ihr Ton hört sich noch sichtlich zweifelnd an.

Es dauert eine Weile bis Charlotte sich ans Reiten gewöhnt hat und nicht mehr völlig verkrampft im Sattel sitzt. Doch Anar, die friedlich hinter uns her trottet, scheint ihr so viel Verstrauen einzuflößen, dass sie irgendwann auch bereit ist, das Tempo zu erhöhen.

Die Mädchen, die lange Ritte nicht gewohnt sind, fangen ab Mittag an herumzuquengeln. Nach dem 20sten Mal "Wann sind wir denn da?" oder "Mir tut der Hintern weh!" ist es auch nicht mehr lustig. Und zu einem anderen Gespräch sind die beiden momentan nicht im Stande.

Wenn die drei nicht die wären, die sie sind, hätte ich schon längst mein Pferd gewendet und wäre zurückgeritten. Doch Legolas zu liebe, lasse ich es über mich ergehen, dass ich zum 100sten Mal gefragt werde "Wann machen wir denn eine Pause?!" und antworte so geduldig wie möglich.

Wir reiten, bis die Sonne beginnt unterzugehen – nur von vereinzelten Pausen unterbrochen – und dann halten Legolas und ich Ausschau nach einem Lagerplatz. Legolas lenkt sein Pferd etwas vom Weg weg und hält auf eine Baumgruppe zu. "Hier ist der Boden zu felsig, dort drüben sollte er besser sein." Also halten wir uns etwas weiter nach links. Als wir das nächste Mal halten, stellen wir fest, dass das Gelände schlecht einzusehen ist, wir aber eine optimale Zielscheibe abgeben würden. Charlotte und Josephine folgen uns – inzwischen vor Erschöpfung – schweigend, machen aber wenig begeisterte Gesichter. Als wir einen geeigneten Platz gefunden haben, lassen die beiden sich beinahe von ihren Pferden fallen und packen ihr Schlafzeug aus. Sie schaffen es gerade noch ihr Abendessen zu sich zu nehmen, und dann rollen sie sich neben dem Feuer, das ich entzündet habe, zusammen und schlafen sofort ein.

Legolas und ich besprechen noch dies und das und dann übernimmt Legolas die erste Wache. Ich lege mich ebenfalls neben das Feuer und schlafe fest (wenn man das bei Elben so sagen kann) bis Legolas mich nach der Hälfte der Nacht weckt. Ich setzte mich auf einen kleinen Felsen in der Nähe und beginne meine Wache. Ich beobachte Charlotte, da ich gerade nichts besseres zu tun habe. Natürlich nur um mich zu vergewissern, dass sie gut schläft.

Sie liegt mir zugewandt und die Flammen malen goldenes Licht auf ihr Gesicht, so dass es entspannt und friedlich aussieht. Charlotte dreht sich plötzlich um. Ich kann ihr Gesicht nicht mehr sehen, doch jetzt reflektiert das Feuer auf ihrem Kopf, als würden viele kleine Flammen über ihr Haar tanzen.

Nachdem ich sie einige Zeit angestarrt habe, wird Charlotte unerwartet unruhig. Sie wälzt sich von einer Seite auf die andere und scheint keine bequeme Lage finden zu können. "Sedho! Losto lim. Sedho..." flüstere ich ihr zu und nach einem kurzen Augenblick wird sie wieder ruhig, ohne aufgewacht zu sein.

Den Rest der Nacht schaue ich die mir die Sterne an, die heute besonders hell zu funkeln scheinen, aber nach einiger Zeit senke ich meinen Blick immer wieder in Charlottes Richtung. Irgendwann verfärbt sich der Himmel von tiefschwarz zu blau und ich stehe auf um alle zu wecken, damit wir aufbrechen können, sobald die Sonne aufgegangen ist.

Kurz danach haben die Mädchen einen Streit angefangen. Obwohl eigentlich nur Charlotte streitet bzw. herumschreit und Josephine nachsichtig lächelnd daneben steht. Charlotte scheint doch etwas gereizt zu sein...

Der Tag vergeht wie der vorherige. Wir reiten fast ununterbrochen und es bleibt auch kaum Zeit sich die Landschaft anzusehen, da Legolas unerbittlich zur Eile antreibt.

Ab dem Nachmittag geht es bergauf (allerdings nicht was die Stimmung von Charlotte angeht) und wir können unser Nachtlager am Fuß des Nebelgebirges aufschlagen. Diesmal sind die Mädchen nicht so müde wie gestern, und wir vier sitzen noch ein wenig um das Lagerfeuer herum und unterhalten uns.

"Legolas, was passiert, wenn wir wirklich auf Orks oder Ähnliches treffen?" fragt Josephine plötzlich. Ich kann mich erinnern mit halbem Ohr gehört zu haben, dass die Mädchen sich unterwegs schon darüber unterhalten haben. "Da mach dir mal keine Sorgen! Wir werden schon gut auf euch aufpassen." Josephine und Charlotte ziehen beide ein Gesicht und letztere fügt in einem seltsamen Ton hinzu "Na, dann brauch ich mir ja keine Sorgen zu machen!", lächelt aber.

Legolas und ich müssen wohl beide etwas verständnislos geguckt haben, denn Josephine fährt hilfreich fort: "Ja, das ist ja gut und schön, dass ich aufpasst. Da haben wir ja auch nichts gegen. Aber wir würden uns bei weitem sicherer fühlen, wenn wir nicht nur daneben stehen müssten, wenn ihr euch abschlachten lasst." "Ah!" Die beiden wollen also lernen sch zu verteidigen. "Na endlich ist bei euch der Groschen gefallen!" Was ist denn ein Groschen? Ich schaue mich am Boden um, was einen Heiterkeitsausbruch der Mädels auslöst. "Was?!" Als Charlotte nur jappst und abwinkt, frage ich nicht weiter. Stattdessen hole ich mein Schwert hervor und reiche es ihr, und Legolas reicht seines an Josephine. Es braucht keine fünf Sekunden und es steht fest, dass sie die Schwerter nicht handhaben können, ohne sich selbst mehr zu verletzen als ihre Gegner, da sie einfach zu schwer sind. Aber was nun? Ich überlege kurz und dann fällt mir ein, dass Legolas und ich beide unsere Ersatzbögen dabei haben, und Pfeile sind auch schnell hergestellt. Sie sind zwar nicht so gut wie unsere, die von Elben-Meistern hergestellt wurden, aber sie erfüllen ihren Zweck.

"Etwas höher zielen, und vergiss nicht den Arm gestreckt zu lassen." Swisch "Verdammt!" "Reg dich nicht auf. Übung macht den Meister."

Mit den Bögen klappt es gleich viel besser. Die beiden sind zwar nicht perfekt, aber sie lernen schnell und um in eine Horde Orks zu schießen reicht es alle male (immerhin treffen sie selbst in der Dunkelheit ab und zu das Ziel) und schließlich ist auch nicht vorgesehen, dass wir sie irgendwo alleine lassen.

Sichtlich zufrieden legen die beiden sich schlafen.

Der nächste Tag beginnt friedlich, bis... Richtig, die Mädchen sich schon wieder streiten. Ich kann erst nicht verstehen, worum es geht, aber Charlotte wird immer lauter und Legolas und ich haben ein wenig das Tempo gedrosselt, damit die Mädchen aufholen und wir eventuell dazwischen gehen können.

"Bist du verrückt? Wir können doch nicht so einfach hier bleiben! Ich für meinen Teil habe nicht vor, in einem Hobbithöhlenloch zu vergammeln, Frodo hin oder her!" "Was kann ich denn dafür," kontert Josephine, "dass du Probleme mit deinem Schatz hast, weil dir so ein blondes Muskelpaket von Elb über den Weg gelaufen ist?" "Könntest du das nicht noch etwas lauter herausschreien? Ich glaube, Sauron hat's noch nicht ganz mitbekommen!!!" "Ich hab also recht???? Volltreffer!" Legolas neben mir fängt an zu grinsen und ich sehe ihn fragend an, er hebt aber nur andeutungsweise die Schultern. Das Grinsen verschwindet allerdings nicht.

"Nein, hast du nicht, ich will gar nichts von ihm!" Ich weiß nicht, was mich gestochen hat, aber in dem Augenblick drehe ich mich im Sattel um und frage, "Echt nicht?". Charlotte und Josephine sehen uns an, als hätten sie uns völlig vergessen und Letztere grinst mich plötzlich breit an. "Nein, das geht dich überhaupt nix an!" "Du Charly, ich glaube schon, dass er–" wendet sich Josephine wieder an ihre Freundin, wird aber sofort unterbrochen. "Halt gefälligst dein Schandmaul!" Josephine, die sich davon überhaupt nicht beeindrucken lässt, reitet ein Stück vor und fängt an, zu trällern: "Dam dam dada, dam dam dada..."

Ich kenne die Melodie nicht, aber Charlotte anscheinend schon, denn sie läuft vor Wut rot an und klammert sich an ihre Zügel, dass die Knöchel weiß hervortreten. Legolas lenkt sein Pferd vorsichtshalber neben Josephine, so dass ich jetzt neben Charlotte reite, die ein gefährliches Gesicht macht, und ich sie – nachdem sie mich kurz angesehen und abfällig geschnaubt hat – lieber nicht anspreche.

~~~~~

"Sedho! Losto lim. Sedho..." = "Ruhig! Schlaf weiter. Ruhig..."