Hallo, da bin ich wieder. Und diesmal habe ich noch zusätzlich Nachforschungen betreffs der Kleidung der damaligen Zeit gemacht. Was ich herausgefunden habe, steht hier:
WICHTIG - BITTE LESEN:
Kimono (kiru = anziehen, mono = Ding): ein Ding zum Anziehen, allg. Ausdruck
für Kleidung
Yukata: leichte Hauskleidung, meist auch im Sommer getragen
Geta: Holzschuhe mit zwei Querstegen (für den Herbst und Winter)
Zori: Sandalen aus weichem Material
Tabi: Socken die zum Zori getragen werden
Kosode: Untergewand (für Mann und Frau), quadratische Ärmel
Uchikake: alltägliches Übergewand, aufwändig dekoriert, sehr lange Ärmel,
lange Schleppe
Hakama: eine Art Hose, sehr weite Beine mit scharfen Falten, äußere Nähte
sind vom Bund bis zu den Knien offen, Kosode muss darunter getragen werden
Haori: Jacke, die bis zu Oberschenkeln reicht, reines Männergewand, für
kühleres Wetter, über Kosode getragen.
Omiko trägt also Kosode und Uchikake. Da wir ja mit adliger Gesellschaft reisen, wird hier die komplette Ausstaffierung geboten. Weniger als das hätte Aya auch nicht zugelassen.
Tja, auch wenn dieses Kapitel nicht sonderlich aufregend ist, es ist doch
für den weiteren Handlungsverlauf sehr wichtig. Viel Spaß beim Lesen.
Memories of my Love - Teil 3
06. August 1605 (Mitten in der Nacht, um genau zu sein)
Es scheint so, als ob ich heute nicht den Schlaf bekommen werde, der mir
zusteht. Nachdem ich vorhin (vor gut einer Stunde), dieses Tagebuch hier
geschlossen hatte und der festen Ansicht war, jetzt endlich schlafen zu können,
hat mir doch noch jemand dazwischen gefunkt.
Und jetzt bin ich immer noch wach, aus Angst, es könnte wieder etwas passieren.
Wenn Aya mich in ein paar Stunden weckt, bin ich mit Sicherheit nicht in der
besten Verfassung.
Aber ich sollte mich beeilen und diesen Eintrag hier fertig stellen, solange ich
noch wach bin und sämtliche Eindrücke frisch sind.
Was also ist passiert? Ich hatte die Kerze ausgeblasen, mich hingelegt und
wartete darauf, einschlafen zu können. Was leider nicht passierte. Immer wieder
schob sich das Gesicht von Omiko dazwischen. Ich fragte mich, was ihr Geheimnis
sein könnte. Warum sie so eigenartige Kleidung getragen hatte und dann der
Gesichtsausdruck, als keiner von uns dieses Tokio kannte. Was stimmte nicht mit
ihr?
Jedenfalls lag ich eine ganze Zeit wach, bis ich Geräusche auf dem Gang hörte.
Die Tür nebenan wurde zur Seite geschoben, leichte Schritte waren zu hören.
Und sie gehörten mit Sicherheit nicht zu Aya.
Der bewegte sich nämlich komplett lautlos, wie ich zu meinem Leidwesen
feststellen musste. Ich wollte gestern nur etwas von diesem Tabak rauchen
wollen, den die Holländer ins Land gebracht hatten. Plötzlich stand er hinter
mir und sah mich an, als ob ich ihm Gift unters Essen gemischt hätte.
Eigentlich sieht er mich immer so. Er hat mich mit seinem Auftauchen gewaltig
überrascht und der Tabak fiel auf den Boden, in eine Pfütze, um genau zu sein.
Bastard. Aber ich schweife ab. Aya bewegte sich geräuschlos, das hatte ich
sagen wollen.
Da war also jemand auf dem Gang und schlich herum. Ziemlich wahrscheinlich Omiko. Ob sie die Toilette suchte? Konnte nicht sein, Ken hatte ihr vorhin den Weg dorthin erklärt. Außerdem hätte sie dazu in die andere Richtung gehen müssen. Sie befand sich gerade auf dem Weg nach draußen. Wollte vermutlich abhauen. Aber nicht mit mir. Ich habe ihr meine Hilfe zugesagt und ich würde nicht zulassen, dass ein junges Mädchen allein eine so weite Reise unternahm.
Es gab nur einen Weg aus diesem Gasthof und der führte durch das Eingangstor
vorne an der Straße. Bis sie dort angelangt war, würde es bei dem
Schleichtempo noch etwas dauern. Ich bin also schnell aus dem Fenster geklettert
und habe am Tor auf sie gewartet.
Es hätte beinahe romantisch sein können, wie ich im Schatten der Mauer stand.
Blasses Mondlicht fiel auf ihr Gesicht, während sie über den Hof huschte.
Kosode und Uchikake umhüllten ihren Körper. Ihre leuchtend gelben Schuhe
lugten unter dem Uchikake hervor.
Sie wirkte noch schlanker als im Licht der Kerzen. Auch wenn die Kleidung fast
alles verdeckte, was bei einer Frau vorhanden sein sollte, fiel doch auf, dass
etwas an ihr nicht stimmt. Ich konnte nur nicht den Finger darauf halten. Ihre
Haltung war eigenartig, gerade so, als ob sie nie zuvor ein Gewand von diesem
Schnitt getragen hätte. Ihre Bewegungen passten überhaupt nicht zur
Bekleidung, so war es kein Wunder, dass sie mehrmals beinahe stolperte.
Sie sah sich auf dem Weg vom Gebäude zum Tor oft um, als erwartete sie, dass
sie jemand aufhalten würde. Was ja auch stimmte, nur war ich nicht hinter ihr,
sondern vor ihr.
Ich trat aus dem Schatten, stellte mich direkt in ihren Weg.
"Kuso." Meine Augen weiteten sich. Nie zuvor hatte ich eine junge Frau
dieses Wort in den Mund nehmen hören. Überhaupt niemand aus meinem Umkreis
verwendete es und sie errötete nicht einmal. Gut, es war bei dem bisschen
Mondlicht, was wir hatten, auch äußerst schwierig zu erkennen.
"Was willst du denn?" Sie schien nicht besonders davon angetan zu
sein, mich hier vorzufinden.
"Ich habe versprochen dich nach Edo zu bringen. Dieses Versprechen werde
ich auch halten."
Ich glaube, an der Stelle hat sie mit den Augen gerollt. "Ich mache es dir
ganz einfach. Du lässt mich gehen, vergisst dein Versprechen und alles ist
wieder gut."
"Hast du mir denn vorhin nicht zugehört. Es war kein Witz, als ich sagte,
es ist für junge Mädchen dort draußen gefährlich." Wie oft musste ich
das eigentlich wiederholen, bis es in ihren Kopf hineinging.
"Aber ich bin doch gar kein M..." Sie brach ab. Ich antwortete erst
mal nichts, dachte nur nach. Was hatte sie sagen wollen? Das sie kein Mädchen
war? Es würde Sinn machen. Die flache Brust, die Körperhaltung, das
aufbrausende Temperament, die Bereitschaft alles allein machen zu wollen. Eine
junge Frau hätte vermutlich soviel Sinn und Verstand gehabt, dass sie zuhörte,
wenn man sie vor Gefahren warnte. Sie hörte auf keine Warnung. Omiko könnte
also durchaus ein junger Mann sein. Was an der Situation aber nichts änderte.
Allein war es dort draußen für gefährlich.
Ich zog sie vom Tor weg und in Richtung der Wiese hinter dem Gasthof. Sie
folgte mir mehr oder weniger freiwillig. Schließlich hatte ich ja ihren Ärmel
in der Hand.
"Hinsetzen." Sie folgte meinem Beispiel und nahm umständlich Platz.
Offenbar war sie es nicht gewohnt sich in derartiger Aufmachung zu bewegen.
"Noch mal von vorne. Wenn du dich jetzt allein auf die Reise machst, dann
wirst du Edo vermutlich nicht erreichen. Und wenn du es doch bis dahin schaffen
solltest, dann bist du keine freie Person mehr. Du siehst sehr hübsch aus. Es
gibt Dutzende, wenn nicht Hunderte von Männern allein in Edo, die ein Vermögen
dafür bezahlen würden, wenn sie mit dir eine Nacht verbringen dürfen."
Sie schluckte, ich war also zu ihr durchgedrungen.
"Wenn du nicht willst, dass das dein Schicksal für die nächsten Jahre
wird, dann bleibst du besser bei uns. Und es hilft auch nichts, wenn du dich als
Junge tarnst." Ich hatte entschieden, auf Nummer Sicher zu gehen. Nachher
kam sie noch auf den Gedanken in Hakama und Kosode loszuziehen, nur weil sie
sich als Mann sicher fühlte. "Es gibt auch zahllose Männer, die nichts
dagegen hätten, das Bett mit einem gutaussehenden jungen Mann zu teilen. Und
wenn sie dann feststellen, dass du doch nicht das bist, was sie erwartet haben,
wirst du dir wünschen, diesen Menschen nie begegnet zu sein."
Sie sackte immer weiter in sich zusammen. "Ich will dir keine Angst
einjagen. Du musst dir nur bewusst sein, auf was du dich einlässt. Und ich
verspreche dir, solange ich bei dir bin, wird dir nichts passieren." Und
das meinte ich auch so. Sie wirkte wie ein kleiner Engel. (Jetzt sage ich doch
sie, obwohl ich mir fast sicher bin, dass sie ein "er" ist.) Ein
unschuldiger, verlorener Engel.
Für ein paar Minuten saßen wir schweigend nebeneinander. "Und wer
garantiert mir, dass mir dieses Schicksal nicht auch bei euch blüht?"
Dumm war sie nicht. Ein gutes Zeichen. "Garantieren kann ich es nicht. Aber
Aya und Ken sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie sich für
dich interessieren würden."
Ein leises Kichern war zu hören. Es war ihr also auch schon aufgefallen. Und
ihr Lachen klang sehr angenehm in meinen Ohren. "Bleibt also nur die
Gefahr, die von dir ausgeht. Nicht wahr?" Sie sah mich aufmerksam an.
Langsam nickte ich. Ja, die Gefahr, die ich darstellte. "Wenn ich dir etwas
antun würde, würde es auf Aya zurückfallen. Ich stehe auf dieser Reise mehr
oder weniger unter seiner Aufsicht. Wenn ich dich verletze, dann hat er versagt
und dass würde er nicht zulassen. Du bist also bei uns sicher." Aber wenn
ich sie davon überzeugen konnte, dass ich es ehrlich meinte, dann bräuchten
wir Aya ja nichts davon erzählen, wenn wir mal... baden... gehen würden.
Ich ließ ihr die Zeit, über alles nachzudenken. Es war tatsächlich kein
unangenehmes Gefühl, als wir beide dort mitten in der Nacht auf der Wiese
saßen und schwiegen. Zu gerne hätte ich gewusst, was in ihrem hübschen Kopf
vorging. Doch sie blieb lange Zeit still.
Die nächste Frage traf mich völlig unerwartet. "Welches Datum haben wir
eigentlich?"
Hatte sie solange dort am Straßenrand gelegen, dass sie das nicht mehr wusste?
Oder war sie einfach nur durcheinander? Aber so wirkte sie eigentlich nicht. Ich
gab ihr die Antwort nach europäischer Rechnung, verfluchte man dann aber fast
selbst dafür. Wie sollte sie denn damit rechnen können? Ich wollte mich gerade
verbessern und dass Jahr der Tokugawa-Periode nennen, als sie mich unterbrach.
Sie dachte laut vor sich hin und ich verstand von dem, was sie so dachte,
nichts. Zumindest nicht inhaltlich. Es ging darum, dass sie noch Zeit hatte, bis
"es" geschehen würde. Sie wurde immer zuversichtlicher. Bis sie mich
dann ansah.
"Das Versprechen, das ihr mich nach Edo bringt, gilt doch? Ich muss
jemanden besuchen. Es eilt nicht, aber es ist ungeheuer wichtig. Je schneller
wir dort sind, um so besser ist es."
Es war interessant zu sehen, dass sie meine Hilfe plötzlich so freiwillig annahm. Vorhin hatte ich sie beinahe noch dazu zwingen müssen. Ich fragte mich, was ihr eingefallen war, dass sie ihre Meinung so schnell geändert hatte. Doch wie fast schon erwartet bekam ich keine Antwort auf meine Frage.
"Wenn du dort bist, wo du hin willst, bist du da in Sicherheit?"
Ich versucht all meine Sorge um sie in meine Stimme zu legen. Was brachte es
denn, wenn wir sie nach Edo brachten, sie vor dort aus aber noch weiterreisen
musste, um zu ihrer Familie zu kommen.
"Ich... keine Ahnung... Vielleicht...Aber das ist auch egal. Ich muss noch
weiter." Die Fragen, die sie aufwarf, wurden von Minute zu Minute mehr.
Warum sollte sie so weit reisen, wenn sie das Ergebnis nicht kannte? Was konnte
denn so wichtig sein, dass sie dafür ihre eigene Sicherheit zurücksetzte?
"Wenn du nicht weißt, wo du hinsollst... Dann... kannst du auch gerne mit
uns kommen. Mit mir..."
Rückblickend frage ich mich, welcher Teufel mich besessen hat, dass ich ihr das
gesagt habe. Ich komme mir vor wie ein liebeskranker Idiot, der nicht mehr
geradeaus denken kann. Eigentlich hatte ich sie doch langsam davon überzeugen
wollen, dass ich genau der richtige Mann für sie war (oder für ihn). Aber
nein, jetzt sagte ich solchen Unfug. Auch wenn es ernst gemeint war, konnte ich
doch wohl kaum einem jungen Wesen mitten in der Nacht derartige Dinge sagen.
Muss wohl daran gelegen haben, dass ich schon seit über zwanzig Stunden wach
war.
Sie sah mich mit großen Augen an. Zumindest meinte ich das erkennen zu
können, der Mond stand ja nicht höher am Himmel, als noch vor wenigen
Augenblicken.
"Ich denke nicht, dass das nötig sein wird..." Die ersten Worte kam
recht harsch, aber dann wurde ihre Stimme weicher. Als ob sie mich nicht
verletzen wollte. Hatte sie die Zuneigung gehört und wollte mich jetzt nur
nicht vor den Kopf stoßen? Glaubte sie, dass ich ihr nicht mehr helfen würde,
wenn sie mich abwies?
Ich versuchte sie gleichzeitig zu beruhigen und wollte auch endlich ins Bett.
"Gut. Du solltest nur wissen, dass es einen Platz gibt, wo du willkommen
bist. Und in Sicherheit. Wenn du mir jetzt versprichst, nicht mehr
wegzulaufen... Können wir dann wieder reingehen? Aya wird morgen früh gleich
los wollen, da will ich vorher zumindest noch etwas Schlaf finden."
Sie nickte etwas unsicher, als ob sie sich nicht ganz sicher war, auf was sie
sich da eingelassen hatte. "Dann geht es morgen also nach Edo? Wie lange
brauchen wir eigentlich bis dahin?"
Und da hätte wir die nächste unbeantwortete Frage. Wusste sie denn nicht, wo
sie war? "Zwei Tage, wenn nichts dazwischen kommt. Aber es wird ein
anstrengender Ritt."
Sie war schon fast aufgestanden, fiel jetzt aber wieder ins Gras und sah mich
verzweifelt an. "Reiten? Auf Pferden?" So wie sie es sagte, mochte sie
entweder keine Pferde oder hatte noch nie auf einem gesessen. Wohl eher das
Letztere.
"Sag bloß, du bist noch nie geritten?" An diesem Punkt gab ich es
vorübergehend auf ihr Geheimnis entschlüsseln zu wollen. Es war einfach zu
viele Punkte, die keinen Sinn ergaben.
"Ich habe einmal als Kind in einem Park auf einem Pferd gesessen. Aber das
war es dann auch schon." Oh, Aya würde vor Freude im Dreieck springen. Sie
konnte nicht reiten. Auch wenn sie sehr leicht war, bei einem anderen Reiter
konnte sie nicht die ganze Zeit auf dem Pferd sitzen, das würde das Tier
übermäßig anstrengen. Wir mussten es ihr also in groben Zügen beibringen.
Aya würde sich so freuen.
Und wie ich mich freute. Wenn es uns gelänge, ihr morgen das Reiten
beizubringen, würde das einen Tag mehr bedeuten, den ich in ihrer Nähe war.
"Dann lernst du morgen reiten und übermorgen geht es los. Einverstanden?" Eine vage Geste kam von ihr zurück. Was blieb ihr sonst auch übrig? Wenn sie nach Edo wollte, würde sie reiten müssen. Ansonsten wäre sie über eine Woche unterwegs gewesen. Und zu Fuß würde ich diese Strecke mit Sicherheit nicht zurücklegen.
Leise schlichen wir uns zurück in den Gasthof. Mit leicht drohender Stimme
warnte ich sie nochmals, nicht erneut fliehen zu wollen. Ich glaube, sie hatte
endlich begriffen, dass die Welt da draußen nicht ganz so freundlich war, wie
sie manchmal den Anschein machte.
Jetzt sitze ich hier auch schon wieder über eine Stunde an diesem Eintrag, aber
nebenan ist es still. Ist auch besser so.
Gute Nacht.
TBC.
