Hallo,
Willkommen zum bislang längsten Kapitel. *stolz ist*
Kommentardank an: Vampirekiss und Takara.
@Vampirekiss: *g* Yohji x Omi... sind die nicht ein süßes Pairing? Ist sowieso mein Lieblingspärchen. Obwohl, alles mit Crawfish drin ist auch nicht schlecht.
@Takara: Das mit dem Updaten.... Ich hatte in letzter Zeit viel Stress und es sieht auch nicht danach aus, als ob es sonderlich besser wird. Aber dafür sind es diesmal fast sieben Seiten Reintext. Entschädigt dich das?
Wie immer, viel Spaß beim Lesen.
Memories of my love - Teil 5
07. August 1605
Wir sind jetzt einen Tag unterwegs und schon steht es fest, dass wir es nie und
nimmer innerhalb von zwei Tagen nach Edo schaffen werden. Nicht, dass ich
unbedingt etwas dagegen hätte. Jeder Tag, den ich länger mit Omi verbringen
kann, ist ein schöner Tag und vielleicht stehen meine Chancen doch nicht s
schlecht. Ich bin ihm zumindest nicht egal. Glaube ich wenigstens.
Aber erst mal das Wichtige - und der Grund dafür, warum mir Aya vermutlich am
liebsten an die Gurgel springen möchte. Ich habe bei meinen Berechnungen
überhaupt nicht in Betracht gezogen, dass wir unsere Pferde nicht mehr tauschen
werden und Omi ein vollkommen unerfahrener Reiter ist. Wir haben heute nicht
einmal die Hälfte der geplanten Strecke geschafft. Für heute übernachten wir
in dem Rasthof, an dem wir vor zwei Tagen bereits einmal die Pferde getauscht
hatten.
Und hier der tägliche Satz für den Richter: Ich glaube, ich habe nie
jemanden so sehr gehasst wie Aya. Nach der Aktion von heute hat er es mehr als
verdient, dass man ihn langsam und qualvoll tötet. Und dabei weiß ich noch
nicht einmal, was er genau getan hat. Aber ich war und bin so wütend auf ihn,
dass er ich ihn am liebsten grün und blau schlagen möchte. Selbst, als ich
gerade die Worte schreiben, kommt die Wut wieder in mir hoch und ich muss mich
stark kontrollieren, um nicht dieses kleine Buch zu zerreißen, weil ich mich
nicht mehr zurückhalten kann.
Doch erst mal zu den anderen Ereignissen dieses Tages.
Heute morgen hatte ich dem Besitzer des anderen Gasthofes noch Aiko abgekauft. Ich habe es Omi noch nicht gesagt, aber ich würde sie ihm gerne schenken. Nur weiß ich nicht, wie er darauf reagieren wird. Also habe ich es bis jetzt unterlassen, dieses Thema anzusprechen. Ken, Aya und ich tauschen haben vorläufig auch Pferde gekauft. Der Besitzers des Gasthofes hat mir zugesichert, dass er sie zurückkaufen würde und mir nur eine etwas höhere Gebühr für das Leihen berechnet. Wir werden ihm die Pferde dann in ein paar Tagen zurückgeben. Mein Onkel hat ja schon genug Pferde, da brauchen wir nicht noch drei weitere kaufen, nur um für ein paar Tage durch die Gegend zu reiten.
Warum auch immer - es ist mir immer noch nicht klar, warum genau - hat Aya uns heute früh ausschlafen lassen. Es war sicher zwei Stunden nach Sonnenaufgang, bevor er mich aus dem Schlaf gebrüllt hat. Liebevoll und herzlich, wie ich ihn kennengelernt habe. Es war eine ganze Weile später, ehe wir dann tatsächlich aufgebrochen sind.
Omi stand neben Aiko und tätschelte sie sanft. Diese komischen gelben Schuhe, aus den noch eigenartigeren Material, schauten ganz kurz unter dem Uchikake hervor, aber sonst sind sie mir nicht weiter aufgefallen, nicht einmal beim Reiten. Ich weiß wirklich nicht, wie andere Leute darauf reagiert hätten.
Mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Omi gänzlich ohne
Verteidigung unterwegs sein würde. Auch wenn wir in seiner unmittelbaren Nähe
waren, so war er dennoch unbewaffnet.
Ich überlegte kurz hin und her, wie ich ihn darauf ansprechen sollte, entschied
mich dann aber für den direkten Weg. "Möchtest du vielleicht eine Waffe
haben, damit du dich sicherer fühlst? Wir können ja leider nicht ständig in
deiner Nähe sein."
Erstaunt blickte er mich an. Wusste wohl nicht so ganz, wie er dieses Angebot
einsortieren sollte. "Ich... gerne." Er nickte, um seine Aussage zu
bestätigen.
"Gibt es etwas bestimmtes, womit du gut umgehen kannst?" Ich war mir
irgendwie sicher, dass ein Mann, der sich in Frauenkleidern verbarg, noch mehr
Überraschungen auf Lager hatte. Bei Omi scheint mir fast alles möglich.
Konzentration zeigte sich in seinem zierlichen Gesicht, als ob er versuchte,
sich an etwas zu erinnern, dass er zuletzt vor langer Zeit gehört hatte.
"Hast du vielleicht... Wurfmesser...?"
Ich hatte mit meiner Ahnung gar nicht so falsch gelegen. Mit dieser Art von
Waffe hatte ich nicht gerechnet, aber sie passte zu ihm. Er würde sich
verteidigen können, solange der Gegner noch entfernt war. Aber auch im Nahkampf
konnten die Dinger verdammt wehtun, wie ich aus eigener Erfahrung wusste.
"Wurfmesser also?" Ich durchsuchte meine Satteltaschen danach, war ich
mir doch sicher, dass ich irgendwo noch welche hatte. Kurze Zeit später
drückte ich ihm zwei in die Hand. "Hier. Und geh vorsichtig damit um, die
sind gefährlich."
Er steckte sie in den Obi und sah mich kurz an, bevor er aufs Pferd stieg.
"Ich weiß."
Gemütlich setzten wir uns Richtung Edo in Bewegung. Es schien ein sonniger Tag
zu werden. Der Morgentau war verschwunden und die Luft war bereits angenehm
warm, als wir das Gelände des Rasthofes verließen.
Den Vormittag verbrachten wir relativ ruhig. Ich unterhielt mich mit Omi
über seine Familie. Was davon stimmt und was nicht, kann ich natürlich nicht
mit Bestimmtheit sagen, schließlich sagt er uns ja auch nicht die Wahrheit
über sein Geschlecht. Ich glaube aber irgendwie nicht, dass er bei seiner
Familie lügen würde. Dafür scheint es keinen Grund zu geben.
Er kommt anscheinend aus einer ganz gewöhnlichen Familie, die in eben diesem
Tokio wohnt, wo er so dringend hinmöchte. Omi hat noch eine Schwester, die für
ihn so etwas wie die beste Freundin ist. Er kann ihr alles anvertrauen und sie
hat ihm schon so manches Mal aus der Patsche geholfen. So ähnlich wie Ken für
mich ist.
Damit war der ruhige Teil unserer Unterhaltung aber auch vorbei. Danach kam
für ihn wie auch für mich eine Überraschung nach der anderen.
Ich hatte vorher nicht gefragt, das Gespräch war auch nie darauf gekommen, aber
als Omi mir sagte, dass er bereits siebzehn ist, muss ich wohl ziemlich
ungläubig geschaut haben. "Du kannst es mir ruhig glauben. Ich weiß, dass
ich jünger aussehe, aber es stimmt." Siebzehn also, vielleicht ist er doch
nicht so unerfahren, wie er den Anschein macht?
Wir ritten eine Weile schweigend weiter, bis er dann irgendwann nach meiner
Familie fragte. Ich hatte ja schon an unserem ersten gemeinsamen Abend von
meiner Zeit am kaiserlichen Hof erzählt, er musste also geahnt haben, dass ich
adelig bin, doch nun bekam er es direkt gesagt. Seine Reaktion darauf war
gelassen. Er schien sich nicht sonderlich um die Klassenunterschiede zu
kümmern. Vielleicht spielte da auch seine Aussage von gestern mit hinein. ‚Als
der respektiert werden, der er ist'. Erst jetzt wurde mir klar, dass er damit
unfreiwillig sein wahres Geschlecht enthüllt hatte. Komisch, dass mir das
gestern nicht aufgefallen war. Nur da ich gestern nichts dazu gesagt hatte,
würde ich auch jetzt nicht tun.
Wir sprachen über den Adel und die Ansichten einiger meiner Standesgenossen.
Dass sie sich als etwas Besseres sahen, als jemand, der über dem gemeinen Volk
stand. Ich hatte es nie verstehen können, wie man auf andere herabsehen konnte,
nur weil diese Menschen Eltern hatten, die für ihr Einkommen hart arbeiten
mussten.
Vermutlich lag es daran, dass mein Vater auch viel und hart gearbeitet hatte.
Für die Mitglieder meiner Familie waren wir immer nur die armen Verwandten
gewesen. Erst nachdem mein Vater gestorben war und Ken und ich zu unserem Onkel
zogen, habe ich wirklich verstanden, was es heißt, adelig zu sein.
Die letzten zwei Jahre am Hofe haben mir einen Eindruck davon vermittelt, was
ich nie sein möchte. Arrogant und snobistisch, ständig nur auf den eigenen
Vorteil bedacht und nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern.
Ich werde nicht abstreiten, dass es einfach ist, wenn einem Pagen und Diener die
Arbeiten abnehmen, doch möchte ich nicht für den Rest meines Lebens Leute um
mich herum haben. Es ist auch mal angenehm, wenn man sich bewegen kann, ohne
dass ständig jemand um einen herum wuselt.
Wenn ich ehrlich bin, gefiel mir das Leben als kleiner, nicht sonderlich reicher
Adliger besser. Wir hatten ein paar Angestellte, die uns auf dem Hof geholfen
haben, aber alles andere haben wir allein geregelt. Wie in einer glücklichen
kleinen Familie. Ich hoffe, eines Tages wieder so leben zu können. Ohne
großartige Verpflichtungen dem Kaiser gegenüber. Nur ich und meine Liebsten.
Nur würde sich dieser Traum wahrscheinlich nie realisieren lassen. Mein Erbe
würde ich erst in einigen Jahren antreten können und wenn ich nicht aufpasste,
war ich bis dahin mit irgendeiner Dame verheiratet, die ich nicht kannte und
auch nicht kennen wollte. Eine Frau, die sich nur für sich selbst und Mode
interessierte, die sich vielleicht gerade noch um mein Aussehen und Ansehen
scherte, aber das war es dann auch schon. So wollte ich mit Sicherheit nicht den
Rest meines Lebens verbringen.
Omi hatte mir die ganze Zeit aufmerksam zugehört, manchmal hatte ich den
Eindruck, als ob er jedes Wort von mir verschlingen würde. Ich weiß nicht
genau, wie ich es beschreiben soll, doch ich kam mir vor wie ein Studienobjekt.
Neulich Abend hatte ich mich auch schon so gefühlt. Nur kam ich mir da noch wie
ein Märchenonkel vor. Jetzt war ich gerade ein Untersuchungsobjekt geworden.
Ein wirklich eigenartiges Gefühl. Und ein Punkt mehr auf der Liste der Fragen
und Geheimnisse, die Omis so rätselhaft machten.
Jedenfalls war auch für Omi die wahre Natur des Menschen entscheidend. Nicht,
ob jemand aufgrund seines Namens oder gesellschaftlichen Ranges wichtig war.
Nein, es ging darum, sich unabhängig von solchen Dingen zu beweisen.
Gerade das war es, was mich noch mehr dazu brachte, ihn zu lieben. Er würde
alle Menschen akzeptieren, wenn sie für ihre Ideale einstünden. Nur was man
tat war entscheidend, nicht das, was man ist.
Die Mittagspause verbrachten wir auf einer Waldlichtung am Wegesrand. Das Bento hatten wir am Morgen aus dem Gasthof mitgenommen. Nachdem sich Ken und Aya, meiner Meinung getrennt von einander, in den Wald verzogen hatten, saß ich mit Omi allein im Gras. Er stellte mir Fragen über die Kleidung, die Stoffe und die Herstellung. Einen Teil konnte ich ja noch beantworten, aber ich hatte mich nie um das Spinnen und Weben gekümmert. Ich hätte ihm beinahe wirklich abgenommen, dass er eine Frau war, bei dem Interesse, dass er der Mode entgegenbrachte.
Kurz bevor ich mich auf die Suche nach den beiden Vermissten begeben wollten,
hatte ich noch ein sehr einschneidendes Erlebnis. Ich stand direkt vor einem
Baum, wollte mich gerade umdrehen, als Omi mit eiskalter Stimme sagte
"Nicht bewegen." Augenblicklich fror meine Bewegung ein. Der Tonfall
deutete an, dass es für mein Leben sehr wichtig war, dass ich genau seinen
Anweisungen folgte.
Omi holte eines der Wurfmesser aus dem Obi hervor und sah mir direkt in die
Augen. Es war keine Spur von Unsicherheit zu sehen. Viel mehr schien mir, dass
er mir damit versichern wollte, dass er wusste was er tat.
Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, zischte auch schon das
Wurfmesser nur Millimeter an meinem Ohr linken Ohr vorbei. Ich habe mir fast in
die Hose gemacht, als ich begriff, was da gerade passiert war. Wie leicht hätte
er daneben treffen können. Nur wenige Millimeter weiter links und dann hätte
ich jetzt ein Kratzer auf der Wange oder Schlimmeres. Mir wurde wirklich übel
bei diesem Gedanken.
Er blickte mich erneut an und nickte. "Du kannst dich wieder
bewegen." Sehr vorsichtig drehte ich mich um und sah mir an, was mich so in
Gefahr gebracht hatte, dass Omi ein Wurfmesser äußerst knapp an meinem
wunderschönen Gesicht vorbei werfen musste. Eine Giftschlange war durch das
Messer an den Baum gepinnt worden. Die Klinge war direkt durch den Kopf
gegangen.
Mit offenem Mund blickte ich von der toten Schlange zu Omi und zurück.
"Du... du... hast..." E fiel mir wirklich schwer meine Gedanken zu
sortieren und auszusprechen, was ich gerade dachte.
"Ja, ich habe gerade eine Schlange erlegt. Nimm es als Dankeschön dafür,
dass du mir so selbstlos hilfst." Wenn ich mir diese Satz gerade so durch
den Kopf gehen lasse, kann ich nur seufzen.
Ach Omi, wenn du wüsstest. Ich bin bei weitem nicht so selbstlos, wie du
annimmst. All meine Handlungen legen es nur darauf an, solange wie möglich in
deiner Nähe zu sein und dich glücklich zu machen. Aber in dem Moment auf der
Lichtung konnte ich einfach nur Nicken.
"Also ich.... geh dann mal... Ken und Aya..."
Er grinste mich tatsächlich an, offensichtlich darüber amüsiert, mich so
sprachlos zu sehen.
Die Suche nach den Beiden hatte sich aber auch recht schnell erledigt. Wenn
ich geahnt hätte, was passieren würde, wenn Ken und Aya allein sind, hätte
ich Ken nie aus den Augen gelassen.
Ich weiß auch jetzt noch nicht, was dort im Wald passiert ist, aber Ken kam mir
plötzlich tränenüberströmt entgegen. Ich wollte ihn trösten, doch er wies
mich harsch zurück, wollte in diesem Moment nur allein sein.
Wenig später stand dann auch Aya wieder auf der Lichtung. Ich bin mir sehr
sicher, dass der Bastard daran Schuld ist, dass es Ken nicht gut geht. Und in
dem Moment, wo ich herausfinde, was zwischen den beiden geschehen ist, ist Aya
fällig. Ken ist und bleibt mein kleiner Bruder und wenn ihn irgendjemand
verletzt, dann werde ich dafür sorgen, dass Ken gerächt wird.
Es bricht mir wirklich das Herz, wenn ich sehe, wie mein sonst immer so
fröhlicher Ken kein Wort sagt. Er hat den Rest des Tages fast nur geschwiegen
und in dem Moment, in dem wir diesen Rasthof hier erreicht hatten, hat er sich
irgendwo in die Ställe zurückgezogen und ist seitdem auch nicht wieder
rausgekommen.
Ich habe bereits versucht, mit ihm zu reden, doch er antwortet mir nicht. Und
Aya ist nicht einmal auffindbar. Wahrscheinlich ist es auch besser so. Ich kann
gegenwärtig nicht für seine Sicherheit garantieren, wenn er mir unter die
Augen kommt. Während des Rittes hat mich Ken davon abgehalten, diesen
rothaarigen Bastard zu fragen und auszuquetschen, doch jetzt ist Ken nicht da...
Wenn ich nicht Omi und die Sache mit dem Wurfmesser hätte, die mich sehr stark
von dem Problem zwischen Ken und Aya ablenkt, dann hätte sich meine Wut wohl
ins Unermessliche gesteigert.
Da mich Ken mit seinen Blicken und leicht gezischten Worten während des
Rittes am Nachmittag davon abgehalten hat, mit Aya zu reden, hielt ich mich
weiter an Omi. Beide blickten wir häufiger als notwendig auf Aya, der vor uns
ritt und zu Ken, der das Schlusslicht bildete.
Es war lange Zeit sehr schweigsam, keiner von uns wusste so recht, was er sagen
sollte. Dann erinnerte ich mich noch mal an die Schlange, die jetzt nicht mehr
am Baum hing, da Omi das Wurfmesser wieder eingesteckt hatte.
"Wo hast du eigentlich gelernt, so geschickte mit den Messern
umzugehen?"
Ich schien ihn aus seinen Gedanken geholt zu haben, denn für einen kurzen
Augenblick blickte er mich verständnislos an. Dann verschwand die Verwirrung
und ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. "Oh, das. Mein Vater hat
mir das beigebracht. Er hat wirklich Ahnung von solchen Dingen. Von ihm habe ich
den Umgang mit Pfeil und Bogen gelernt. Ich bin gar nicht so schlecht darin. In
meiner Schule bin ich der Beste, habe sogar schon einige Preise gewonnen. Es
macht Spaß. Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon mit meinem Vater zusammen
auf Wettbewerben war. Aber für uns war es eher ein Vater-So... äh...
Vater-Tochter-Ausflug, als ein Wettkampf."
Sein rotes Gesicht, als er sich versprochen hatte, war einfach entzückend. Ich
sagte nichts dazu. Es machte irgendwie Spaß, ihn als Frau zu behandeln, obwohl
ich es doch besser wusste. Sicherlich ist es ein bisschen gemein, doch ich
schade ihm damit ja nicht.
Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, kommt mir die Aussage, dass er zur
Schule gegangen ist, auch recht eigenartig vor. Er hatte doch gesagt, dass er
aus einer ganz gewöhnlichen Familie kommt. Wie kann sie sich es dann leisten,
ihn auf eine Schule zu schicken?
Hatte er nicht auch etwas von Wettbewerben gesagt? Solche, die in seinem Dorf
stattfanden oder meinte er größere, bei denen Bogenschützen aus dem ganzen
Land zusammenkamen. Falls er es tatsächlich schaffte, bei letzteren zu
bestehen, dann würde seine Familie das Preisgeld der Wettkämpfe wohl nutzen,
um ihn auf eine Schule zu schicken.
Man merkte ihm an, dass er nicht dumm war. Auch wenn seine Art der Bildung sich
von der unterschied, die ich in meiner Jugend bekommen hatte. Er hat mich
vorhin, nachdem er mich beim Rauchen dieses holländischen Import-Krautes
gesehen hatte, darüber belehrt, wie gefährlich dieses Zeug ist. Hat etwas von
schwarzen Flecken auf der Lunge, Krebs, Raucherbein und ähnlichem erzählt. Ich
habe kaum ein Wort von dem verstanden, was er da gesagt hat. Aber es schien ihm
wirklich am Herzen zu liegen und um meine Gesundheit zu gehen, dass habe ich
noch begriffen. Ich frage mich, auf was für eine Art von Schule er gegangen
ist, wo er solche Dinge lernt.
Zurück zu der Sache mit dem Bogenschießen und wie Omi es gelernt hatte.
Während unseres Rittes nahm ich erst einmal als gegeben hin. Es erstaunte mich
nicht unbedingt, dass er damit umgehen konnte.
Dass er den Umgang mit Waffen beherrschte, hatte ich in seinen Augen gesehen,
als er das Messer warf. Soviel Sicherheit und Vertrauen in das eigene Können
kam nicht von ungefähr. Die jahrelange Übung hatte ihn bestätigt und ihn ohne
jeglichen Zweifel die Handlung ausführen lassen. All das hatte ich in dem
kurzen Moment, den wir uns anblickten, erkennen können.
Nach unserer Ankunft hier habe ich heute für die Unterkunft gesorgt. Aya war
fast sofort verschwunden, hat nur seine Sachen auf das Zimmer gebracht und sich
dann gleich verdrückt und Ken hat sich in die Ställe zurückgezogen.
Damit blieben noch Omi und ich. Glücklicherweise war dieser Rasthof am Rande
eines kleinen Dorfes gelegen. Ich habe mir also dieses entzückende kleine Wesen
geschnappt und bin mit ihm in das Dorf gegangen. Er trug noch immer seine gelben
Schuhe. Kurzfristig hegte ich die Angst, was die Bewohner dazu sagen würden,
sollten sie die entdecken, doch dann war es mir egal. Hauptsache ist doch, dass
Omi sich wohl fühlt und das war mit diesen Schuhen wohl der Fall.
War er schon an der Kleidung interessiert gewesen, benahm er sich jetzt fast
wie ein Kind. Überall sah er sich um, mit jeder Sekunde wurden die Augen
größer. Ich verstand nicht, was am Leben von Dorfbewohnern so faszinierend
sein konnte, vor allem, wo er doch selber aus diesem Dorf "Tokio" kam.
Omi aber konnte sich kaum noch zurückhalten. Bemühte sich, mit den Menschen
ins Gespräch zu kommen, doch das war nicht so einfach.
Ich hatte es bisher noch erwähnt, doch Omis Wortwahl und Aussprache ist etwas
gewöhnungsbedürftig. Man könnte fast glauben, er kommt aus einer sehr
entlegenen Region, wo die Menschen zwar Japanisch sprechen, das sich aber
anderes entwickelt hat, als unsere Sprache. Gelegentlich verwendet er Wörter,
die ich nicht kenne, aber aus dem Sinnzusammenhang erschließen kann.
Ein weiterer Punkt, der Omi so rätselhaft erscheinen lässt. Er hatte Probleme
sich den Menschen verständlich zu machen und musste gelegentlich auch raten,
was sie ihm gesagt hatten. Ich habe dann für ihn übersetzt, was die Leute im
Dorf sagten und seine Sätze in verständliches Japanisch gebracht.
Zusammen mit seiner Schulbildung frage ich mich, ob dieses Tokio wirklich in der
Nähe von Edo liegt oder ob es nur eine Lüge ist. Doch irgendwie traue ich ihm
nicht zu, dass er mich so anlügen würde.
Seine Begeisterung war kaum noch zu bremsen. Als wir dann am Laden eines
Bogenmachers vorbeikamen, war alles vorbei.
Seine Augen nahmen die Größe von Untertassen an, als ihm der Besitzer
erklärte, wie die einzelnen Bögen beschaffen waren und die Spezialitäten der
Einzelnen. Der wahrscheinlich einzige Grund, warum der Mann einer Frau
überhaupt erklärte, wie die Waffen funktionierten, war unsere Kleidung, die
deutlich sagte, dass wir dem Adel angehörten. Er erhoffte sich wohl ein
Geschäft und ging deswegen auf Omis Fragen ein.
Er sollte mit seiner Einschätzung nicht Unrecht haben. Es dauerte nicht lange
und Omi hatte sich in eine Armbrust verliebt. Sie war nicht besonders groß,
ließ sich aber für eine Waffe dieser Klasse leicht spannen. Omi ging geschickt
mir ihr um und blickte sehr traurig, als er sie wieder hinlegte. Sein Gesicht
sprach Bände. Er hatte das Geld nicht dafür, würde aber all seinen Besitz
verkaufen, damit er die Armbrust haben konnte. Betrübt schlich er nach
draußen.
Jetzt endlich allein, dauerte es nur wenige Sekunden, bis ich mich mit dem Mann
auf einen Preis geeinigt hatte. Er packte mir die Armbrust und ausreichend
Pfeile zusammen und übergab mir dann das Paket.
Vor der Tür fand ich einen trübseligen Omi, dem ich jetzt das Paket wortlos
und mit einem Lächeln in die Hand drückte.
Ungläubig sah er mich an. "Du hast doch jetzt nicht...?"
"Sieh es als Dankeschön für die Lebensrettung heute Mittag."
"Aber..."
"Nichts aber."
Omi schaute hilfesuchend nach links und rechts, legte dann kurzentschlossen das
Paket vorsichtig zur Seite und warf sich mir in die Arme. Es war wirklich ein
wundervolles Gefühl, ihn so in den Armen halten zu dürfen.
Ich hätte ihn gerne länger festgehalten, doch schneller als mir lieb war,
löste sich Omi von mir und trat einen Schritt zurück. "Äh... Gomen."
Er blickte zu Boden und leichte Röte stieg ihm ins Gesicht. Einfach zu
niedlich.
"Schon gut. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wenn du mich umarmen
willst, dann stehe ich jederzeit zur Verfügung." Gut, ich hatte mich mal
wieder etwas zu weit vor gewagt, aber Omi grinste mich einfach nur an. Das kam
für mich absolut unerwartet.
In den zwei Tagen, die wir uns jetzt kannten, hatte er einen gewaltigen Wandel
durchgemacht. War er mir gegenüber anfangs noch sehr feindselig eingestellt,
hatte er gestern schon leichtes Vertrauen in mich. Zumindest schien es mir so.
Und jetzt grinste er mich einfach nur an, wenn ich andeutete, dass ich ihn gerne
länger umarmen würde? Was ging nur in seinem hübschen Kopf vor?
Da ich mir diese Frage nicht beantworten konnte, hob ich das Paket wieder vom
Boden auf und drückte es ihm erneut in die Hand. "Hier. Und schön darauf
aufpassen."
Omi nickte kräftig. Ich hätte auch nicht geglaubt, dass er mit der Armbrust
gedankenlos umgehen würde, so wie er sie im Laden angesehen hatte.
Gemeinsam gingen wir zurück in den Gasthof. Ich musste dabei etwas auf Omi
aufpassen, der sich immer noch nach allem umdrehte, was ihm auch nur halbwegs
interessant erschien. Was so ziemlich alles und jeder war, an dem wir auf
unserem Weg vorbeikamen.
Das Abendessen verlief ziemlich ruhig. Ken hatte sich wieder eingefunden. Immer
noch schweigsam, aber nicht mehr den Tränen nahe. Nur wirkte er sehr bedrückt,
wollte aber weiterhin nicht darüber sprechen, was zwischen ihm und Aya dort im
Wald vorgefallen war.
Da heute jeder sein eigenes Zimmer hat und wir uns recht früh zurückgezogen
haben, sitze ich jetzt hier und beobachte den Sonnenuntergang, während ich mir
den Kopf darüber zerbreche, was das Geheimnis um Omi ist und was Ken hat. Diese
Reisegesellschaft kann einem vielleicht Kopfschmerzen bereiten. Und da dachte
ich vor ein paar Tagen noch, dass Aya mein größtes Problem ist.
Nun ja, wir werden sehen, wie sich der morgige Tag entwickelt. Eigentlich kann
es ja nur noch besser werden.
Gute Nacht.
TBC.
Wie gesagt, Kommentare werden garantiert beantwort.
Also auf auf und fröhliches Fehler suchen. Wer findet sie diesmal?
Und dabei zählen die Ausdrücke "Schlange an den Baum pinnen" und
"Bogenmacher" (wo Omi die Armbrust her hat) nicht. *g*
Habe nämlich bei diesen Stellen lange überlegte und mich dann für diese
Lösung entschieden.
Obwohl, wenn jemand weiß, wie der Mensch heißt, der Bögen und Armbrüste
herstellt, dann nehme ich diese Information gerne an.
So - damit war es dass für diese Mal.
