Willkommen zu einem neuen Teil (der auch nur ein halber Teil ist), aber das werdet ihr bestimmt überleben. ^_~
Kommentardank an alle, die mir eine Mail geschickt haben. Ich glaube, dass ich alle beantwortet habe. Wenn das nicht stimmt, bitte melden (das liegt dann mal wieder an meinem Siebhirn).

Im Rahmen der Aktion "Wir lernen neue Wörter" (bzw. wiederholen diese):
Gaijin = Ausländer (wörtl.: fremder Mensch)
Haori = etwas Jackenähnliches, wird über dem Kosode getragen (aber nur von Männern)

Die Muster auf dem Kosode sind für Männer und Frauen verschieden. Sähe ja auch komisch aus, wenn ein Mann ein Kleidungsstück tragen würde, das filigrane Blumenmuster hat.

Viel Spaß beim Lesen.

Memories of my Love - Teil 6

Yohjis Tagebuch
08. August 1605 - später Abend

Ich weiß wirklich nicht, wie ich den heutigen Tag zusammenfassen soll. Es ist so viel passiert, meine Gefühle haben scheinbar alle fünf Minuten eine neue Richtung eingeschlagen und dann ist da ja noch Aya. Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist. Eigentlich müsste ich wütend auf ihn sein, weil er gegen meinen Willen über meine Zukunft entscheiden will. Doch auf der anderen Seite, ist sein Befehl genau das, was ich mir gewünscht habe. Ich habe protestiert, doch es war mehr Schein als Sein.
Ich kann einfach nur mit dem Kopf schütteln, wenn ich mir die Bilder des heutigen Tages wieder ins Gedächtnis rufe. Aber ich sollte wohl mit dem Morgen anfangen, dann macht meine ganzes Gerede auch irgendwann Sinn.

Irgendwann im Laufe der vergangenen Nacht musste Aya wohl zurück gekehrt sein, denn er holte uns mal wieder auf seine liebreizende Art aus dem Schlaf. Mehr oder minder glücklich nahmen wir dann unser Frühstück zu uns.
Ken hatte sich inzwischen etwas gefangen. Er war immer noch nicht so fröhlich, wie ich ihn kannte, aber zumindest redete er wieder. Das war doch schon ein Anfang. Aya gab nach wie vor kein Zeichen von sich, dass darauf hindeutete, was zwischen ihm und Ken passiert war. Wenn man ihn ansah, hatte man eher den Eindruck, dass es gar nichts gab, dass ihn kümmerte. Er war vollkommen gefühllos, sah Ken nur ein einziges Mal. Aber auch da zeigte sich keine Emotion auf seinem Gesicht. Was war da gestern nur geschehen?
Zuvor hatte Aya doch relativ häufig zu Ken geblickt und ihn manchmal sogar verträumt angesehen. Aber davon war heute rein gar nichts zu merken. Für den heutigen Tag habe ich beschlossen, mir darüber keine weiteren Gedanken zu machen. Der Stand der Dinge in ihrer Beziehung hat sich nämlich bis jetzt - weit nach Sonnenuntergang - nicht verändert.

Wir saßen also beim Frühstück. Ken auf dem Wege der Besserung, Aya sagte wie üblich nichts und Omi? Sein erster Satz nach "Guten Morgen" war "Noch mal vielen Dank für die Armbrust". Ich musste so grinsen. Wie oft wollte er sich eigentlich noch bei mir bedanken? Obwohl, wenn er mich dabei jedes Mal umarmte wie gestern, dann konnte er das tun, so oft er wollte. Es gefiel mir, ihn so strahlend zu sehen.
Der heutige Morgen begrüßte uns mit einem weniger schönen Wetter. Es regnete zwar glücklicherweise nicht, aber es war reichlich bewölkt. Die Temperaturen waren über Nacht etwas gesunken und damit endlich angenehm geworden.

Es scheint langsam Gewohnheit zu werden, dass die Aufregung erst am Mittag einsetzt, denn auch heute war es so. Wir hatten uns am Wegesrand für die Mittagspause niedergelassen und nahmen das Bento zu uns. Die Köchin des Gasthofes hatte es kunstvoll zubereitet. Ich hatte in den letzten Tagen nicht so gut gegessen, wie bei ihr.
Während der Pause hatte ich streng darauf geachtet, dass immer nur einer meiner beiden Problemkindern, Ken und Aya, in den Wald verschwand. Die Ereignisse des gestrigen Tages wollte ich absolut nicht wiederholt sehen. So saß ich also mit schweigend neben Aya, als sich auch noch Omi in den nahen Wald verdrückte, um sich zu erleichtern.

Wenig später ritt plötzlich ein Mann mit flammendrotem Haar aus dem Wald hervor. Verfolgt von Ken, der nur wenige Sekunden nach dem Unbekannten aus dem Wald rannte. Und dann kam Omi. Die Haare zerzaust und mit einem Riss an seinem Uchikake.
Verwirrt blickten Aya und ich dem Mann auf dem Pferd hinterher. Noch bevor Ken bei uns angekommen war, war der Fremde auch schon wieder verschwunden. Er ritt in die Richtung, aus der wir gerade gekommen waren.
Ich musste mich bemühen, um aus dem Durcheinander, das diesen ersten Sekunden folgte, die Wahrheit herauszufinden. Ken rief uns noch vom Waldrand zu, dass wir den Mann verfolgen sollten, doch meine erste Sorge galt Omi. Er war ziemlich aufgelöst und zitterte am ganzen Körper. Da ich einfach keine andere Idee hatte, nahm ich ihn einfach in den Arm und hielt ihn fest, bis es ihm besser ging.
Irgendwann wurde er wieder ruhiger und sah mich aus seinen blauen Augen an. Er wirkte immer noch leicht blass, war aber längst nicht mehr so verängstigt, wie noch vor wenigen Minuten. "Danke." Langsam löste er sich aus meiner Umarmung.
"Schon gut." Zärtlich wuschelte ich durch seine Haare und versuchte anschließend vergeblich sie wieder zu bändigen. "Was ist denn jetzt eigentlich passiert."

Omi ließ sich ins Gras fallen und starrte gedankenverloren auf den Wald. Inzwischen hatte es auch Ken aufgegeben und setzte sich neben ihn. Schlussendlich nahmen auch Aya und ich Platz.
"Also, ich war gerade fertig mit...", er drückte sich darum zu sagen, was er getan hatte "und wollte mich noch kurz nach dem Hibiskus umsehen, die ich beim Weg in den Wald gesehen hatte. Ich beugte mich also nach unten und betrachtete ihn, als mich jemand von hinten angriff.
Ich hatte absolut nichts gehört, weiß wirklich nicht, wie der so plötzlich hinter mir stehen konnte. Er hielt meine Hände fest im Griff, ich hatte nicht einmal die Chance, nach den Wurfmessern zu greifen. Mit der anderen Hand hielt er mir den Mund zu. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, doch er war einfach zu stark. Flüsterte mich noch etwas ins Ohr. Er war wirklich so widerlich." Omi schwieg für ein paar Sekunden und blickte zu Boden. Als er weitersprach, sah er nicht auf. "Er wollte mich verkaufen. Hat gesagt, dass er da einen Käufer hat, der gerne mit jungen Mädchen spielt. Sein Tonfall war so ekelig. Ich... Na ja, und dann war auf einmal Ken da und hat den Typen angegriffen. Ich konnte mich von ihm lösen, doch er versuchte mich zurück zu holen. Dabei ist der Uchikake dann gerissen. Es tut mir wirklich leid, ich..."
An dieser Stelle musste ich ihn einfach unterbrechen. Er war gerade überfallen worden und sorgte sich um ein ersetzbares Kleidungsstück? "Kami, das ist doch egal. Hauptsache ist doch, dass du unverletzt bist. Verstanden?" Nachdem Omi das begriffen hatte, sprach er weiter. "Ken hat dann mit dem Mann gekämpft. Ich konnte einfach nicht, es..."
"Shhhh" Ken streichelte sanft seinen Arm. "Ist nicht so schlimm. Ich an deiner Stelle wäre sicher genauso durcheinander gewesen. Soll ich weiter reden?" Omi nickte zaghaft.

"Ich war gerade auf dem Weg zurück zu euch, als ich Geräusche hörte, die mir irgendwie komisch vorkamen. Und dann habe ich Omiko gesehen, die vergeblich versuchte, sich gegen diesen Gaijin zu wehren. Er war ziemlich kräftig, aber seine Technik war nicht sonderlich ausgefeilt. Ich habe ihm eine Stichwunde am Arm zufügen können. Dann hat er aufgegeben und ist wie von der Tarantel gestochen abgehauen. Wir hätten ihn verfolgen sollen. Wer weiß denn, ob er so was nicht noch mal versucht. Dieses Schwein, sich an einem wehrlosen jungen Mädchen zu vergreifen. Und sie war bestimmt nicht die Erste, die er überfallen hat. Ich würde ihn nur zu gerne in die Finger kriegen. Dann soll er mal sehen, wie es ist, mit einem ebenbürtigem Gegner zu kämpfen."

Schweigen senkte sich herab. Ich blickte wieder zu Omi. "Und wie geht es dir jetzt?"
Er sah mich aus seinen großen blauen Augen an. "Es geht, denke ich. Ich glaube nur, ich habe erst jetzt wirklich verstanden, was du mir neulich sagen wolltest." Ich erinnerte mich an unser Gespräch am ersten Abend, als wir mitten in der Nacht auf der Wiese gesessen hatte. Da hatte ich Omi noch genau vor solchen Menschen gewarnt. Nur hätte ich nicht vermutet, dass wir tatsächlich auf so jemanden treffen würden.

Ken spielte währenddessen gedankenverloren mit einem Grashalm herum. "Ob der Typ ihn auch angegriffen hätte, wenn er Omiko für einen jungen Mann gehalten hätte?"
"Wie bitte?" Zusammen mit Omi und Aya drehte ich mich zu ihm um.
"Ich meine", fing er an sich zu erklären "wenn dieser Typ gedacht hätte, dass Omiko ein Mann ist. Dann hätte er sie vielleicht gar nicht überfallen."
Fragend blickte ich Ken an. "Und wie hast du dir das gedacht? Willst du Omiko etwa in Haori und Kosode stecken und sie dann als Mann verkaufen?"
"Ja. So in etwa. Ihre Haare sind sowieso recht kurz für eine Frau, es könnte also klappen."
Innerlich habe ich mich fast kaputt gelacht. Hatte Ken denn nicht gemerkt, dass hier ohnehin ein Mann vor ihm saß? Wohl nicht, sonst hätte er so was ja nicht gesagt. Aber für Omi wäre es sicherlich erleichternd, wenn er endlich wieder männliche Kleidung tragen konnte.

"Kens Idee ist gar nicht so schlecht." Und dieser Satz kam von Aya, der seit etwa 24 Stunden kaum einen Blick in Richtung Ken geworfen hatte. "Wir hätten weniger Probleme in den Gasthöfen." Woher er das jetzt wieder wusste, war mir nicht klar. Schließlich hatten bis jetzt immer Ken und ich uns mit den Besitzern rumschlagen müssen.
Der Eigentümer des ersten Gasthofes war alles andere als begeistert gewesen, als Omi als junge Frau sich mit einem von uns das Zimmer geteilt hatte.
Jedenfalls waren Ken und Aya für die Idee. Mir persönlich war es ja egal. Aber Omi sah in Frauengewändern wirklich niedlich aus. Obwohl, vermutlich sah Omi immer niedlich aus. Egal, was er anhatte. Oder was nicht.
Jetzt galt es nur noch herauszufinden, was Omi selbst von dieser Idee hielt. "Würde es dir denn etwas ausmachen, wenn du in andere Kleidung schlüpfen müsstest?"
Omi schüttelte heftig den Kopf. Wer konnte es ihm denn verdenken? Wahrscheinlich war er mehr als froh, aus seinem Uchikake heraus zu kommen.
"Gut. Dann werde ich in dem Dorf, wo wir heute Abend halt machen, dir noch einen Haori besorgen und einen neuen Kosode besorgen." Omi nickte begeistert.

"Meinst du nicht, dass du noch etwas vergessen hast?" Ayas Tonfall war so was von arrogant, dass ich am liebsten gar nicht auf diese Frage eingegangen wäre. Doch wenn er schon so "gnädig" war, mich an etwas zu erinnern, dann musste es wohl wichtig sein.
"Und das wäre?" Wenn er herablassend sein konnte, dann konnte ich das schon lange.
"Omi wird in Frauenkleidern den Rasthof betreten, erst dann willst du ihm männliche Kleidung kaufen und morgen reisen dann vier Männer ab. Es interessiert mich wirklich, wie du das erklären willst."
Gut. Er mochte recht haben und das kostete er bis aufs Letzte aus. Man konnte die Überlegenheit seiner Gedankengänge praktisch fühlen. Aber sein Argument war nun einmal stichfest.

Ich überlegte kurz, wie wir dieses Problem lösen konnten. Die erste Lösung die mir einfiel, war Omi hineinzuschmuggeln. Doch dann hätten wir ein Pferd zu viel gehabt. Und vielleicht wäre es uns auch gar nicht gelungen und irgendjemand hätte Omi entdeckt. Also schied diese Möglichkeit aus.
Mein zweiter Einfall war da schon besser. Wir nahmen einen Kosode und einen Haori von Ken und drückten sie Omi in die Hand. Unter Bewachung von uns dreien (mit dem Rücken zu Omi), zog er sich im Wald um und kam dann als junger Mann in etwas zu groß geratener Kleidung wieder hervor. Jetzt mussten wir uns um das Problem Frau/Mann keine Sorgen mehr machen.

Aber während ich hier sitze und schreibe, bekomme ich gerade ein Problem. Da läuft schon seit ein paar Minuten jemand vor meiner Tür auf und ab. Und nach kurzer Einschätzung der Lage muss es wohl Ken sein. Omi ist in seinem Zimmer und wird strengstens von Aya bewacht.
Da ich nicht annehme, dass Aya seinen Posten aufgibt, kann es sich also nur mein kleinen Bruder handeln, der da nervös herumtrampelt. Und ich werde hier mit dem Schreiben nicht weiterkommen, bevor er damit aufhört. Wird also Zeit, sich mal mit ihm zu unterhalten.

TBC.

Kapitel 6 ist damit beendet - auch wenn der Tag nicht vorbei ist. Will jetzt jemand Zeter und Mordrio schreien?
Dafür gibt es aber bald Teil 7 - mit einer super knuffigen Szene.

PS: Ist jemand dahinter gekommen, wer Omi da überfallen hat? Noch mal zur Erinnerung: Er hat flammendrotes Haar und wurde als "Gaijin" bezeichnet. Na, klingelt's? *g* (Und wenn das nicht hilft: Wir sind immer noch in einer WK-FF. Klingelt's jetzt?)