Disclaimer – siehe Kapitel 1
Kapitel 2 - der Finger der Anklage
Mag
die Absicht noch so edel erscheinen,
so ist es am Ende doch nur das Resultat,
welches zählt.
~U.A.D.~
Aus der einzelnen Träne wurden rasch mehr, bis Hermione ihre Hand von Dumbledore befreite um mit beiden Händen ihr Gesicht zu bedecken, während sie still vor sich hinweinte. In den letzten Tagen hatte sie viel geweint, und obwohl sie sich Mühe gegeben hatte, dies nicht vor Mdme Pomfrey zu tun, so hatte sie die Tränen nicht immer zurückhalten können. Und nun weinte sie sogar vor Dumbledore, obwohl sie tief in ihrem Innern sicher war, dass alle Tränen der Welt ihr nicht helfen konnten – auch Fawkes' nicht.
Dumbledore schaute sie immer noch mit derselben besorgten Miene an, als sie Minuten später ihre Hände wieder senkte und an ihm vorbei aus dem Fenster blickte. Es gab nur einen Grund wieso er hier war, und sie wusste was er von ihr wollte. Er verlangte von ihr, dass sie ihm erzählte, was mit ihr los war, was während der Schlacht geschehen war und weshalb sie Mdme Pomfreys und Professor Flitwicks Versuche ihr zu helfen ignoriert hatte. Doch sie konnte nicht.
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf im Versuch ihre Gedanken zu sortieren. Ja, weshalb hatte sie jede Hilfe verweigert? Weshalb hatte sie bis jetzt nicht zu erkennen gegeben, was ihr fehlte? War es aus Angst von Hogwarts verbannt zu werden? Von allen ausgelacht und verspottet zu werden? Ihre Freunde zu verlieren? Oder war es aus Furcht gesagt zu bekommen, dass es keine Hilfe für sie gab?
Und was genau war eigentlich mit ihr geschehen? Sie konnte sich nur daran erinnern, dass sie in der Nähe von Voldemort gestanden und erbittert um ihr Leben gekämpft hatte, als irgend etwas sie getroffen hatte. Oder nur gestreift? Die Erinnerung an diese letzten Sekunden, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte, war verschwommen und unklar, und das nächste, an das sie sich erinnern konnte, war in der Krankenstation aufzuwachen. Während sie in ihrem Bett gelegen und an die Decke gestarrt hatte, hatte sie aus dem Augenwinkel die Bewegung der anderen im Zimmer wahrgenommen, welche ebenfalls während dem letzten Kampf verletzt worden waren. Doch es hatte seine Zeit gedauert, bis sie begriffen hatte, was nicht stimmte – was falsch war. Irgendetwas war nicht so, wie es sein sollte, und als sie am darauffolgenden Morgen wieder aufgewacht war, hatte sie es erkannt. Etwas fehlte.
Erneut quollen Tränen aus ihren Augen, doch dieses Mal nicht aus Verzweiflung sondern aus Wut, und sie biss fest auf ihre Zähne um nicht laut herausschreien zu wollen. Ja, etwas fehlte, und sie wusste nicht einmal, wem sie die Schuld dafür geben konnte.
Dumbledore hatte ihr Wechselbad der Gefühle schweigend mitverfolgt und begann nun erneut auf sie einzureden, als er bemerkte, dass sie sich in einen Wutanfall hineinsteigerte – immer noch im Unklaren, was genau diesen auszulösen schien. Mitten im Satz brach er jedoch ab und blickte zur Türe, welche heftig aufgestossen wurde. Hineingestapft kam Mdme Pomfrey mit Snape in ihrem Kielwasser, und ohne ein weiteres Wort verschwand sie in ihrem Büro, dessen Türe sie laut hinter sich zuknallte.
"Albus", begrüsste Snape Dumbledore mit einem leichten Senken des Kopfes.
Dumbledore selbst nickte nur leicht und bemerkte eine Verschiebung des Gewichtes auf dem Bett, als Hermione näher zur Wand rutschte.
"Sie ist immer noch hier?", fragte Snape, obwohl es sich mehr um eine Feststellung als um eine Frage handelte.
"Ja, das ist sie. Ich habe mir gedacht, dass du sie vielleicht ebenfalls untersuchen könntest um herauszufinden, ob sie Spuren eines Giftes oder sonst eines Trankes aufweist, der ihren Zustand rechtfertigt."
Snape trat näher an das Bett heran, und während er dies tat, rückte Hermione noch weiter ab. "Miss Granger", sprach er sie an und setzte sich an den Platz auf dem Bett, den Dumbledore für ihn frei gemacht hatte. Hermione presste ihre Lippen noch fester zusammen bis sie beinahe weiss waren.
Was war los mit ihr? Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie verspürte eine tiefe Abscheu beim Gedanken, dass Snape sie berühren könnte. Irgendetwas an diesem Mann liess sie erschaudern und erfüllte sie mit Unbehagen. Nicht, dass sie ihn bisher sonderlich gemocht hatte – wieso auch? – doch diese Gefühle waren ihr vollkommen neu. Als er seine Hand ausstreckte um sie tatsächlich am Kinn zu berühren, zuckte sie zurück. Einerseits weil sie nicht wollte, dass er in Kontakt mit ihr kam, andererseits weil sie den seltsamen Drang verspürte, ihre Zähne in seiner Hand zu versenken.
Irritiert über ihr seltsames Verhalten blickte Snape zu Dumbledore, welcher nur mit den Schultern zuckte. Auch er konnte sich keinen Reim aus Hermiones Benehmen machen, sagte aber nichts. Irgendwie musste Snape sie jedoch untersuchen, schliesslich war dies sein Auftrag, und da sie sich nicht von ihm berühren liess, musste er zu magischen Mitteln greifen.
Mit geschickter Armbewegung schüttelte er seinen Zauberstab in seine rechte Hand und hielt ihn Hermione entgegen, den passenden Zauberspruch bereits auf den Lippen, als er Hermione erstarren sah. Voller Entsetzen starrte sie mit grossen Augen auf den schwarzen Ebenholzstab in seinen Händen, bevor sie ihren Kopf langsam hob und ihre Blicke sich trafen.
Die Erinnerung – vergessen? verdrängt? unterdrückt? – brach mit einem Mal über ihr zusammen. Sie sprang auf und stand nun in ihrem Bett, ihren Rücken an die Wand gepresst. Die Haare standen ihr wirr vom Kopf ab und gaben ihr ein wildes, irres Aussehen, welches durch das Nachthemd das sie trug nur unterstützt wurde. Ihre Lungen füllten sich bis aufs Äusserste, und ihr Mund öffnete sich zu einem lauten, verzweifelten Schrei. Sie spürte ihre Kehle sich öffnen und ihre Stimmbänder vibrieren, aber das Einzige was zu hören war, war nichts.
Snape war vom Bett aufgesprungen in Erwartung gleich einen Schrei zu hören, welcher mit ziemlicher Sicherheit durch ganz Hogwarts hätte hallen sollen. Und nun, als nicht das geringste Geräusch erklang, war er sich nicht sicher, ob er nicht den Schrei dieser beängstigenden Stille vorgezogen hätte.
Noch einmal schnappte Hermione nach Luft um zu schreien. Wieder nichts. Die Verzweiflung stand ihr offen ins Gesicht geschrieben, als sie sich wieder und wieder bemühte, ihrer Kehle einen Laut zu entringen. Was hatte sie erwartet? Seit einer Woche hatte sie heimlich im Dunkel der Nacht versucht sich selbst etwas zuzuflüstern, ja, sie hatte sogar wie eben laut zu schreien versucht – und das Resultat war immer dasselbe gewesen.
Sie sah den jüngeren der beiden mit halb geöffnetem Mund zu ihr starren, während Dumbledore neben ihm die Stirn in Falten gelegt hatte. Selbst Fawkes, welcher immer noch auf ihrem Bett sass, schien ungläubig zu ihr hochzublicken. Der Augenblick war vorüber kaum hatte er begonnen, und als Snape sich rührte, löste sich auch Hermiones Erstarrung. Mit ihrer rechten Hand zeigte sie vorwurfsvoll auf den Zaubertränkemeister und schrie wiederholt: "ER war es! ER war es!"
Es dauerte einen Moment bis Dumbledore verstand was ihre Lippen formten jedoch nicht zu hören war, und er drehte sich zu Snape um. Dieser zuckte jedoch nur mit den Schultern: "Ich weiss nicht, was sie damit meint, Albus."
Dumbledore dachte kurz nach, bevor er zu Mdme Pomfreys Büro schritt. Einige leise Worte wurden zwischen den beiden gewechselt, und als er das Zimmer wieder betrat, hielt er in der einen Hand eine Pergamentrolle, in der anderen Feder und Tintenfass. Er streckte sie Hermione entgegen und bat sie alles aufzuschreiben, an was sie sich erinnern konnte. Sie verstand ohne Worte und nahm die Gegenstände an sich.
Ihre Hand zitterte, als sie die Feder ins Tintenfass tauchte und anschliessend die Spitze aufs Pergament setzte. Die ersten Worte waren kaum lesbar, doch je mehr sie schrieb, desto schneller wurden ihre Handbewegungen und regelmässiger ihre Buchstaben.
/ER ist es gewesen, Sir. Ich kann mich wieder genau erinnern. Wir – Ron, Neville und ich – standen hinter Harry und wehrten uns gegen zwei Todesser, doch ich hatte Sie-wissen-schon-wer die ganze Zeit im Augenwinkel. Und als ich aufblickte, sah ich gerade wie Professor Snape auf ihn zielte. Ein dunkler Strahl kam aus seinem Zauberstab, aber Sie-wissen-schon-wer sprang zur Seite und statt dessen streifte der Zauber mich an der Schulter. Und dann bin ich hier wieder aufgewacht. ER war es. Es war Professor Snape./
Snapes Gesicht wurde um einiges bleicher. "Nein", murmelte er, "nein, das kann nicht sein."
"Was, Severus?", fragte Dumbledore zurück.
"Nein, nein. Bei allen Göttern, nein.", fuhr dieser fort und begann im Raum auf und ab zu gehen.
Nicht lange, und Dumbledore packte ihn fest am Arm und zwang ihn somit stehen zu bleiben. "WAS, Severus? Was ist es?"
"Omnino Silentium", hauchte er ungläubig.
"WAS?", rief Dumbledore.
"Es... es...", begann Snape mit seiner Erklärung, nicht sicher, wie er es formulieren sollte, "ich habe auf den Dunklen Lord gezielt, Albus. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er rechtzeitig ausweichen würde und wusste nicht, dass hinter ihm Miss Granger gestanden hat. Ich dachte, der Fluch wäre ins Leere gegangen, als er zur Seite gesprungen war."
Hermione beobachtete die Szene vor sich, während die beiden sich erregt unterhielten, doch schien es ihr mehr wie ein Film zu sein, der vor ihr ablief, denn das wirkliche Leben. Ein Film, dessen Tonspur fehlte. Sie sah die Lippen von Snape und Dumbledore sich bewegen und nahm an, dass es um sie ging, doch mehr konnte sie nicht erahnen.
"Bist du des Wahnsinns einen so gefährlichen Fluch anzuwenden? Hast du nicht nachgedacht, wen du statt dessen treffen könntest?", entgegnete Dumbledore erhitzt.
"Soweit ich mich erinnere warst du es, der uns gesagt hat, alle Mittel seien rechtens wenn es darum ginge, den Dunklen Lord aufzuhalten.", versuchte Snape sich zu rechtfertigen.
Dumbledore funkelte ihn wütend an, erwiderte aber nichts. Er versuchte Hermione zuzulächeln, doch es wollte ihm nicht recht gelingen, und sie spürte, dass ihr Zustand noch schlimmer war, als sie bisher angenommen hatte. Nun genau wissend was mit ihr los war, versuchte er gar nicht erst mit ihr zu sprechen, sondern nahm die Schriftrolle an sich und schrieb mit geschwungener Handschrift: /Machen Sie sich keine Sorgen, Miss Granger, es wird alles gut werden. Und nun entspannen Sie sich bis wir wieder zurückkommen und alles Weitere besprechen./
Er glaubte die Zeilen selbst nicht, liess es aber dabei bewenden. Was nützte es, sie unnötig in Panik zu versetzen? Dann liess er Fawkes zurück auf seine Schulter klettern, nun sicher, dass der Phönix hier nichts ausrichten konnte. Sich von Hermione abwendend winkte er Snape zu, dass er ihm folgen soll. Das letzte Wort in dieser Sache war noch lange nicht gesprochen.
Kaum war die Türe hinter ihnen geschlossen, stoppte Snape und zwang so Dumbledore ebenfalls anzuhalten.
"Es tut mir leid was geschehen ist, Albus. Wirklich. Sie war... ist eine klevere Person, aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen, so gerne ich es auch tun würde. Uns bleibt nichts Anderes, als der Wahrheit ins Auge blicken; sie ist ein Krüppel geworden – ich habe sie zum Krüppel gemacht... Sie mochte vielleicht früher eine brillante Hexe gewesen sein, doch nun ist sie nichts anderes mehr als eine Bürde. Schick sie so schnell wie möglich zurück zu ihren Eltern und lass sie in ihrer Welt als 'normaler' Mensch glücklich werden – so kannst du allen viel Kummer und Leid ersparen, glaube mir. Sie hat hier nichts mehr verloren.", adressierte Snape den Direktor.
"Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen?", gab Dumbledore zischend zurück.
"Was denn? Die Wahrheit sagen? Ich habe bereits gesagt, dass es mir leid tut, und es ist wohl das Beste nach vorne zu blicken, oder? Wieso soll ich um den heissen Brei reden, wenn es ja doch nichts ändern würde? Sie taugt nichts mehr, und jede Sekunde die sie noch länger hier bleibt, ist verschwendet. Ja, am Anfang mag es vielleicht hart für sie sein, aber sie wird sich daran gewöhnen müssen. Und das wird sie – sie ist zäh."
"Darf ich dich vielleicht daran erinnern, Severus, dass dies alles deine Schuld ist?"
Snape zuckte als Erwiderung mit den Schultern. Was konnte er tun? Was konnte er sagen? Er hatte bereits eingestanden, dass es sein Fehler gewesen war. Er hatte die Lage auf dem Schlachtfeld falsch eingeschätzt gehabt, doch passierte das nicht jedem irgendwann? Mitten im Kampf blieb einem oft nur der Bruchteil einer Sekunde um eine Entscheidung zu fällen, und manchmal traf man die richtige Wahl, manchmal nicht. Ja, es tat ihm leid um diese gescheite junge Frau – ein weiteres Opfer des Krieges -, doch dies änderte nichts an der Situation, in der sie sich nun befand. Snape spürte die Schuld an seinem Inneren nagen, doch er wischte das unangenehme Gefühl mit einem leichten Kopfschütteln zur Seite. Es war nichts mehr als ein weiterer Stein in seiner Mauer aus Schuld und Sünde.
"In mein Büro, sofort.", befahl Dumbledore, und an seinem Tonfall konnte Snape erkennen, dass der alte Zauberer keine Widerworte duldete. Gehorsam folgte er dem Direktor den Korridor entlang, nicht ein einziges Mal zur Krankenstation zurückblickend.
Kaum waren die beiden Zauberer verschwunden, war ein Rascheln zu hören und aus dem Nichts tauchten zwei Köpfe auf; der eine mit Sommersprossen und roten Haaren, der andere mit Brille und wirrer, dunkelhaariger Frisur. Rasch wurden auch die zwei dazugehörigen Körper sichtbar, und der Rotschopf beugte sich zu seinem Freund um ihm etwas zuzuflüstern. "Hast du das gehört, Harry?"
TBC....
-----------
Hehehe.
Um
ehrlich zu sein, beschränken sich meine Latein-Kenntnisse auf 'erare humanum
est' (abgesehen von 'Carpe Diem')... den Zauberspruch habe ich per
Internet-Uebersetzung zusammengefügt - ohne Gewähr auf grammatikalische
Korrektheit:
omnino : völlig, gänzlich, vollständig, perfekt , komplett
silentium : Schweigen, Ruhe, Stille, Dunkelheit, Finsternis
@Aphrael: Yep, ich habe OotP gelesen (oder soll ich sagen: verschlungen?) – es werden aber kaum konkrete Hinweise auf HP5 in meiner Story vorkommen. *hem hem*
