Disclaimer – siehe Kapitel 1
Kapitel 3 - der vergessene Fluch
Heutzutage
kennt ein Mensch
von allen Dingen den Preis
und von keinem den Wert.
~Oscar Wilde~
Dumbledore hatte die Türe nicht ganz geschlossen, als er die Schreibutensilien geholt hatte, und so konnte Mdme Pomfrey durch den Türspalt ins andere Zimmer schielen, wo Hermione, Dumbledore und Snape sich befanden. Auf diese Weise vermied sie es, mit dem Zaubertränke-Meister länger als notwendig im gleichen Raum zu verbringen, und gleichzeitig konnte sie erfahren, was mit Hermione los war.
Sie musste ihre Ohren spitzen, als Snape vor sich hin flüsterte, doch als ihr Gehirn seine Worte schliesslich verarbeitet hatte, wurde ihr schlagartig kalt.
"Omnino Silentium", wiederholte Mdme Pomfrey leise – so leise, dass sie sich selbst beinahe nicht hören konnte -, wie aus Angst, der Fluch könnte Schlimmeres heraufbeschwören, würde er zu laut ausgesprochen. Sie hatte während ihrer Ausbildung durch puren Zufall etwas davon erfahren, doch bisher hatte sie noch nie jemanden gesehen oder von jemandem gehört, der ihm zum Opfer gefallen war. Sie wusste nicht viel über diesen speziellen Fluch, doch was sie wusste, liess sie einige Male leer schlucken.
Nicht unbedingt illegal wie die Unverzeihlichen, so gehörte er doch mehr in den dunkelgrauen Bereich der Magie. 'Omnino Silentium' war einer der 'Vergessenen'; eine Ansammlung uralter, verdrängter Flüche, die in kaum einem der moderneren Werke – sprich in den letzten 500 Jahren – eine Erwähnung gefunden hatten. Oder, besser gesagt, sie waren nur ein einziges Mal gesammelt niedergeschrieben worden, und dieses Buch existierte offiziell nicht. Doch nun wusste sie, dass Snape eine Kopie davon besitzen musste.
Die Vergessenen waren ein Tabu – in der magischen Welt sprach man nicht über sie, und schon gar nicht wandte man sie an. Die meisten von ihnen waren auf die Psyche des Opfers ausgerichtet, nur wenige verursachten physische Schäden. Und nicht einmal eine Handvoll verursachte beides, so wie 'Omnino Silentium' dies tat.
Auf den ersten Blick mochte es vielleicht aussehen, als ob dieser spezielle Fluch nur das Gehör und das Sprachvermögen ausser Kraft setzte, doch er tat seine Wirkung auch auf geistiger Ebene. Einem Menschen dieses Sinnes zu berauben war ein drastischer Eingriff in dessen Leben, vor allem dann, wenn die Person ansonsten körperlich gesund war und bisher ein normales Leben geführt hatte. Nur wenige hatten genug Willenskraft und Stärke, sich dadurch nicht den Lebensmut rauben zu lassen. Und in Mdme Pomfreys Augen das Schlimmste daran war, dass die Vergessenen permanent und unwiderruflich waren. Es gab nicht den geringsten geschichtlichen Hinweis auf einen Gegenzauber. Hermione war verdammt, und sie konnte nichts dagegen unternehmen.
Während sie zwischen Mitleid und Verzweiflung für Hermione und Wut auf Snape hin- und herschwankte, hörte sie, wie die Türe zur Krankenstation sich öffnete und wieder schloss, und Stille kehrte ein. Die beiden Männer mussten das Zimmer wohl verlassen haben, und Mdme Pomfrey stand auf um nach Hermione zu sehen. Sie hatte Dumbledore noch nie so wütend gehört, und sie fand, dass er alles Recht der Welt dazu hatte. Eine weitere Kerbe in Snapes Lebensholz – wenn dies so weiterging, dann würde nichts mehr von ihm übrig bleiben um wiedergeboren zu werden. Er konnte einem ebenfalls leid tun, doch heute tat er es Mdme Pomfrey nicht.
Hermione hatte sich wieder hingelegt, und die Krankenschwester setzte sich zu ihr, um ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, während sie sie höflich anlächelte. Konnte sie ihr auch nicht helfen, so würde sie Hermione die Zeit, die sie noch hier war, wenigstens so angenehm wie möglich machen. Sie schälte die zerknitterte Pergamentrolle aus Hermiones verkrampften Händen und liess sie in den Falten ihres Rockes verschwinden, um sie später zu vernichten. Keine fremden Augen sollten einen Blick darauf werfen können – abgesehen von ihr.
Mdme Pomfrey blickte auf als es klopfte, Hermione indes rührte sich nicht. Wieso auch? Mit einem Tätscheln auf Hermiones Unterarm stand sie auf, strich ihre Uniform glatt und ging zur Türe.
Noch einmal klopfte es, und als Mdme Pomfrey schliesslich öffnete, war gerade noch das Ende von Harrys Satz zu hören: "... sie kann uns nicht ewig von ihr fernhalten."
"Was wollt ihr hier?", fragte die Krankenschwester in einem härteren Tonfall als beabsichtigt. Für einen Moment lang stand sowohl Harry wie auch Ron der Mund offen, bevor Ron sie ansprach: "Wir wollen sie endlich sehen, Mdme Pomfrey. Sie können uns nicht davon abhalten, unsere Freundin zu besuchen..."
Während Ron vor sich hin plapperte, reckte Harry seinen Hals um an Mdme Pomfrey vorbeizublicken und einen Blick auf Hermione zu werfen, doch die Krankenschwester erkannte seine Absicht und bewegte sich von einer Seite zur anderen um ihm die Sicht zu versperren.
"... und... und wir haben vorhin Snape –"
"Professor Snape", unterbrach sie Ron.
"- überhört, wie er mit Dumbledore –"
"Professor Dumbledore"
"- geredet hat. Und er hat gesagt, dass sie ein Krüppel sei und dass es seine Schuld ist. Und nun wollen wir mit eigenen Augen sehen, dass sie ok ist und persönlich hören, dass es ihr gut geht. Biiitte, Mdme Pomfrey. Können wir sie sehen?", flehte Ron und sah dabei einem Cocker-Spaniel nicht unähnlich.
Die Krankenschwester wollte gerade den Kopf schütteln und die Türe wieder schliessen, als sie sich ein wenig zur Seite bewegte, und Harry seine Gelegenheit gekommen sah. Geschickt schlängelte er sich unter ihrem Arm durch und rannte zu Hermiones Bett. Mdme Pomfrey, überrascht durch diese plötzliche Aktion, liess die Türe los, und ehe sie sich versah, befand sich auch Ron im Raum.
Mit vor Schreck geweiteten Augen setzte sich Hermione auf und zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Was wollten sie hier?
"Hermione!", rief Harry mit strahlendem Gesicht, "Endlich. Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung? Was hat Snape dir angetan?"
"Hermione?", fragte Ron unsicher, als sie nicht antwortete, "Was ist denn los mit dir?"
Mdme Pomfrey hatte die drei Freunde mit traurigem Blick beobachtet und schloss nun zu ihnen auf. "Sie kann euch nicht hören.", sagte sie zu den beiden, und Harry wie auch Ron zuckten erschrocken zusammen.
***
Nachdem sie das Büro des Direktors erreicht und sich hingesetzt hatten, bekam Snape eine Tasse Tee in die Hand gedrückt. Er hätte lieber etwas Stärkeres gehabt, wagte aber nicht danach zu bitten.
"Was mag Voldemort getan haben um Severus Snape so wütend zu machen, dass dieser seinen Kopf verliert?", sinnierte Dumbledore, scheinbar nicht an den anderen gerichtet.
Nicht zugeben wollend, dass der alte Zauberer wieder einmal voll ins Schwarze getroffen hatte, antwortete Snape ausweichend: "Ich habe nicht den Kopf verloren."
"Nein? Und was hat er dir angetan?", fragte Dumbledore weiter.
"Nicht der Rede wert."
Dumbledores Augenbrauen hoben sich ungläubig. Er kannte seinen Zaubertränke-Meister mittlerweile gut genug um eine Lüge als solche erkennen zu können, wenn sie ihm präsentiert wurde. "Hast du Poppy schon aufgesucht?"
Wie schon Mdme Pomfrey vorher, so presste auch Snape seine Lippen zusammen, lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme. "Ich brauche sie nicht." Das stimmte zwar nicht, aber der Grund, weshalb er sie nicht aufsuchen wollte und warum er es trotzdem hätte tun sollen, ging Dumbledore nichts an – zumindest nicht in den Augen von Snape.
"Was um alles in der Welt ist eigentlich los mit euch beiden? Ihr benehmt euch wie zwei unreife, trotzige Kinder!"
"Sie hat angefangen...", begann Snape und merkte dann, dass er tatsächlich wie ein schmollendes Kind klang. "... Wenn du es wissen willst, dann frag Poppy selbst. Ich werde es überleben, keine Sorge. Und zudem, ich glaube nicht, dass dies der Grund ist, weshalb ich hier bin, oder?"
Dumbledore schüttelte den Kopf und strich sich über den Bart. So vieles musste überdacht und geplant werden, jetzt da sie wussten, was mit Hermione los war. Er konnte zwar nicht über ihren Kopf entscheiden, was mit ihr geschehen sollte, doch konnte er zumindest den Weg für sie ebnen. Sie hatte ein Recht darauf zu erfahren, was genau mit ihr passiert war und wie ihre Zukunft aussehen würde. Am Ende zählte allein ihr Entschluss, wohin sie gehen und was sie tun wollte, doch zumindest konnte er sie in die richtige Bahn lenken.
"Was heckst du aus, Albus?", fragte Snape, als Dumbledore seiner Meinung nach zu lange geschwiegen hatte.
"Ich möchte, dass sie hier bleibt.", antwortete er, worauf Snape verächtlich schnaubte.
"Du weißt genau, wie ihr Leben aussehen würde, bliebe sie in der magischen Welt."
"Ich meinte Hogwarts.", berichtigte Dumbledore Snapes Aussage.
Snape verdrehte die Augen. "Und was soll sie hier noch tun? Wie sollte sie weiter lernen und zaubern, wenn sie weder etwas hört noch sprechen kann? Sie wird nicht einmal ihren Abschluss machen können!"
"Mir wird schon etwas einfallen. Aber ich werde sie nicht gehen lassen – nicht einfach so."
"Hast du dich selbst zum neuen Pestalozzi der magischen Welt erklärt oder was?"
"Woher weißt du, dass Pestalozzi ein Zauberer gewesen war?"
"Sein Ur-Urenkel ist ein Todesser gewesen... aber du schweifst schon wieder vom Thema ab, Albus. Wieso versuchst du immer das auszubügeln, was ich verbrochen habe? Es ist geht auf mein Konto, dass sie nun in diesem Zustand ist, und so sollte ich und nicht du mich darum kümmern, was aus ihr wird. Ich habe genug Geld auf der Seite – ich werde dafür sorgen, dass sie ein anständiges Leben führen kann, abseits der ganzen Magie."
"Und möglichst weit weg von dir, damit ihr Anblick dich nicht ständig daran erinnert, was du getan hast?", fragte Dumbledore in scharfem Tonfall.
Snape funkelte ihn an, doch es hatte keinen Sinn, dieses mal die Wahrheit zu umgehen. "Ja", gab er zu.
"Gut. Und ich sage dir, dass ich sie nicht kampflos aufgebe."
"Lass sie gehen, Albus.", erbat Snape, "Lass sie los."
Doch Dumbledore schien ihn nicht hören zu wollen. "Irgendwie wird es sich schon richten lassen.", sagte er nach einer Weile und stand auf. Snape erkannte darin, dass er für den Moment entlassen war und folgte dem Direktor.
"Glaubst du wirklich, dich mit deinem Geld von deiner Schuld freikaufen zu können?", fragte Dumbledore ernsthaft, als er den Ausgang des Büros erreicht hatte und die Türe öffnete.
Snape blieb im Türrahmen stehen, dachte kurz nach und antwortete, ohne sich umzudrehen, mit einem schlichten "Nein." Und damit verliess er den Raum und liess Dumbledore stehen.
***
Mit einem Glas Whiskey in der Hand setze Snape sich vor das prasselnde Feuer und starrte in die orangen Flammen. Er fühlte sich... durchschaut – wie immer nach einem längeren Gespräch mit Dumbledore. Er hatte sich immer als Meister des Wortspieles betrachtet, oder zumindest als jemandem, der gut darin war, die Wahrheit zu umgehen. Doch Dumbledore liess in jedes Mal daran zweifeln oder übertrumpfte ihn sogar. Was hatte er vor?
Snape kannte den Blick, den der alte Zauberer ihm ganz am Schluss zugeworfen hatte. Er würde auf der Hut sein müssen, wollte er genügend früh entdecken, was Dumbledore ausheckte. Und dieses Mal würde er sich nicht austricksen lassen.
Seine Gedanken schweiften ab zu dem Punkt, welcher den Stein ins Rollen und die Kette unglücklicher Umstände ins Leben gerufen hatte. Omnino Silentium – der vergessene Fluch. Er hatte monatelang recherchiert auf der Suche nach etwas, womit er sich bei Voldemort für das rächen konnte, was er ihm angetan hatte. Nachdem er unzählige Bücher durchforstet hatte, war er schliesslich fündig geworden; ein alter, vergessener Text von Wulfraim Dunnet, dessen Existenz zu nicht viel mehr als einem Mythos verkommen war.
Er hatte die Vergessenen vor über 600 Jahren gesammelt, katalogisiert und gruppiert sowie eine Anzahl eigener Flüche hinzugefügt, und aufgrund seiner Arbeit waren diese Flüche – bevor sie in Vergessenheit gedrängt wurden – allgemein als Wulfraim's Bann bekannt gewesen. Perfide, kleine Zauber, die den Körper des Opfers so fein durchzogen, dass sie nur entdeckt werden konnten, wenn man explizit danach suchte.
Wulfraim war in erster Linie ein Jäger gewesen, betrachtete aber die Fluch-Forschung als sein grösstes Hobby und setzte alles daran, damit berühmt zu werden. Geboren und aufgewachsen auf der Isle of Islay im Westen Schottlands, genoss er an demselben Ort mit seiner Frau ein ruhiges Leben in einer kleinen magischen Gemeinschaft.
Sein Lebenswerk, ein Buch von in der Dicke seines Unterarmes, war nach beinahe 100 Jahren soeben fertiggestellt gewesen, als er wie üblich spätabends von der Jagd nach Hause kam und seine Frau mit einem anderen Mann im Bett erwischte. Obwohl Wulfraim als ruhiger, ausgeglichener Mann gegolten hatte, so wurde er beim Anblick, der sich ihm bot, von einer Sekunde zur anderen zum Berserker und tötete zuerst den Liebhaber, dann seine Frau. Doch damit nicht genug, er hatte gefallen am Geschmack von Blut gefunden, und mit einem erschreckend grossen Wissen an Flüchen und Bannsprüchen zog er durch die Gemeinschaft und verstümmelte und zerstörte.
Als der Tag anbrach, war nicht mehr viel vom kleinen Dorf übrig, und als Wulfraim erkannte, was er getan hatte, verbrannte er das vermeintlich einzige Exemplar seines Buches und stürzte sich von der Klippe. Es gab jedoch zwei Dinge, von denen er nicht wusste und welche verhinderten, dass diese Nacht in Vergessenheit geriet. Das erste war ein kleines Mädchen, zwölf Jahre alt, welches hinter einem Holzstapel Schutz vor Wulfraim gesucht und so überlebt hatte um davon zu berichten. Das zweite war seine Frau, die in aller Heimlichkeit, während er jeweils auf der Jagd gewesen war, seine Arbeit abgeschrieben und vor ihm versteckt hatte – im Glauben daran, dass es ihr später vielleicht einmal von Nutzen sein konnte.
Es war keine Diskussion im alten Rat der Magier darüber notwendig, was nun geschehen sollte, und Wulfraim Dunnets Name und Existenz wurden ausradiert, die Erinnerung des Mädchens modifiziert und seine Arbeit totgeschwiegen. Alles schien damals so einfach gewesen zu sein, und es hätte auch funktioniert, hätte nicht jemand die Notizen von Wulfraims Frau und das Tagebuch des Mädchens gefunden, welches sie geschrieben hatte, bevor man ihr der Erinnerung hatte berauben können. Doch wie meistens wenn Menschen etwas Gefährliches doch für sie Kostbares besassen, so schwiegen sie, und das Wissen um die Vergessenen wurde nicht sehr weit getragen. Nur wenige Kopien des gesamten Werkes existierten heute, und diese wurden zumeist unter der Hand weiterverkauft oder befanden sich weggeschlossen in irgendwelchen obskuren Privatsammlungen – zum Beispiel in der eines bestimmten Zaubertränke-Meisters einer bekannten Schule für Hexerei und Zauberei.
Und Omnino Silentium hatte Snape am meisten angesprochen. Er hatte Voldemort für immer seines hässlichen Lachens berauben sollen – das Lachen, welches Snape in seinen Träumen verfolgte und dessen Erinnerung ihn auch während des Tages immer wieder aufschrecken liess. Das Lachen, welches erklungen war, als Voldemort ihn verkrüppelt hatte.
Ja, vielleicht hätte er Mdme Pomfrey aufsuchen und sich von ihr helfen lassen sollen, doch dies stand ausser Frage. Obwohl Snape den Gegenzauber – zwei simple Worte – kannte, so wusste er, dass man Zaubersprüche nicht auf sich selbst anwenden durfte ohne einen magischen Kurzschluss zu riskieren. Und irgend jemanden sonst wollte er mit seinem... Problem nicht belästigen. Dazu war er einfach zu stolz, und Snape war sich sicher, dass auch Voldemort dies gewusst hatte. So versuchte er sich einzureden, dass es keine Rolle spielte, was mit ihm geschehen war. Vollkommen unwichtig und belanglos. Oder?
Hatte er wirklich auf dem Schlachtfeld so spontan gehandelt, wie er es Dumbledore und auch sich selbst gegenüber behauptet hatte? Hatte seine Aktion ernsthaft nur der Absicht gedient, dem Potter-Jungen zu helfen? Weshalb hatte er dann monatelang die Rache gegenüber Voldemort geplant und nach einem passenden Fluch gesucht? Weshalb hatte er schliesslich im letzten Kampf zugeschlagen, obwohl das Risiko, objektiv betrachtet, zu gross gewesen war? Weil er Angst gehabt hatte, eine bessere Gelegenheit würde nicht mehr kommen, und er würde seine einzige Chance verpassen? Und weil er, egal ob Voldemort nun sterben würde oder nicht, ihm wenigstens demonstrieren wollte, dass er nicht vergessen hatte, was der andere ihm angetan hatte?
Snape schüttelte irritiert den Kopf und nahm einen grosszügigen Schluck Whiskey. "Nein", flüsterte er zu sich selbst, "es hat nichts mit damit zu tun." Wieso auch? Schliesslich hatte er schon so lange keine Frau mehr unter sich gehabt, dass er sich kaum mehr erinnern konnte... Und da es keine Aussicht auf Veränderung in dieser Hinsicht gab, so spielte ein bisschen Impotenz doch auch keine Rolle, oder? ODER? Er war nach wie vor Snape, jedoch weniger Mann als zuvor, ehe Voldemort ihn für einen unbedeutenden Fehler seinerseits bestraft hatte.
Er liess seine Gedanken erneut um diese letzten Minuten auf dem Schlachtfeld kreisen, bis zu dem Punkt, an dem er den Zauberspruch geschrieen und auf Voldemort gezeigt hatte. Und dieser Gedankengang führte unweigerlich zu Hermione Granger und zu seinem Versagen.
"Oh mein Gott", kamen seine verzweifelten Worte unabsichtlich über seine Lippen, "was habe ich getan." Ein plötzlicher Schmerz liess seine Eingeweide sich krampfhaft zusammenziehen.
Seinen Ellbogen auf dem Knie aufstützend und mit der Hand an seiner Stirn beugte er sich nach vorne, so dass sein Gesicht durch seine Haare bedeckt wurde. Früher, als er noch gänzlich hinter Voldemort gestanden hatte, waren ihm solche Gefühle fremd gewesen. Kalt und rücksichtslos hatte er damals gehandelt, doch nun schien ihn die Schuld immer öfters erdrücken zu wollen und liess ihm keine Luft zu atmen. Nach wie vor versuchte er sie hinter einer kalten Maske zu verbergen, doch in seinem Innern zerfrass sie ihn.
Er hatte harte wenn auch wahre Worte vor der Türe des Krankenzimmers gesprochen, doch waren sie dem Kopf des alten Snape entsprungen. Dem Snape, der ohne Rücksicht auf Verluste Rache hatte verüben wollen – und gescheitert war. Und nun würde er dafür büssen müssen.
TBC....
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Alles klar? Ich hoffe, dass ich euch nicht unterwegs irgendwo verloren habe und ihr mir noch folgen könnt...
