Diese Geschichte wurde am 19.06.2003 beendet. Inhalte von HP5 sind daher nicht berücksichtigt und gibt keine Spoiler. Das Lesen der Geschichte ist also vollkommen gefahrlos *g*

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Kapitel 2:

The Drugs Don't Work
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Es war noch so früh am Morgen, daß die Sonne gerade erst über die grasbewachsenen schottischen Hügel der Gegend um Eddinburgh empor kroch. Die beiden großen vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster des Zimmers, in dem ein Mädchen vor einem riesigen Spiegel stand, hatte sie kaum erreicht und die Dämmerung tauchte den großen Raum in ein mysteriöses Zwielicht.

Aidan drehte sich vor ihrem Spiegel hin und her und prüfte jeden einzelnen Zentimeter, den ihr Blick erreichte, haargenau und skeptisch. Doch dann hellten sich ihre Züge auf und sie lächelte zuversichtlich.

Vielleicht nicht perfekt, aber es würde schon reichen, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er war schließlich auch nicht gerade der Traummann aller Frauen und sie hatte ihn trotzdem nicht nur bemerkt, sondern auch seine wahre Schönheit erkannt.

Ein Hauch von Röte stieg ihr ins Gesicht und legte sich auf ihre porzellanfarbene Haut, als sein Bild vor ihrem Inneren Auge auftauchte und fast war sie versucht, albern zu kichern, aber sie hielt sich zurück. Sie mußte sich einige ihrer kindlichen Züge abgewöhnen, denn sie war jetzt erwachsen, eine stolze junge Frau und als solche paßte das einfach nicht mehr zu ihr. – Außerdem interessierte er sich sicher nicht für ein Kind, schließlich war er schon über vierzig Jahre alt.

Gedankenverloren griff sie nach ihrem Zauberstab auf ihrem Nachttisch und ließ sich auf ihr Bett fallen. Ein kurzer eleganter Schwung mit dem Stab und sofort erschien kurz unterhalb der hohen Decke langsam ein verschwommenes Bild.

Aidan lächelte, als das Bild klarer und die Züge des Zaubertrankmeisters von Hogwarts deutlicher wurden. Seine harten Augen, der bittere Ausdruck um seine Lippen, das perfekt kontrollierte Mienenspiel. Sie kannte dieses Bild nur zu gut und sie liebte es.

Plötzlich loderte in ihrem Kamin, der bis zu diesem Zeitpunkt kalt und leer gewesen war, ein helles Feuer auf. Aidan schreckte auf, doch es dauerte nur den Bruchteil eines Augenblicks, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Ihr Blick wurde unbeteiligt und kalt, ihre Mimik ausdruckslos.

Das Gesicht eines Mädchen, kaum älter als Aidan selbst, erschien in den Flammen und grinste ihr entgegen.

„Aislin?" Die Freundin winkte ihr zu.

„Hi Aidan! – Was machst du gerade? Mir ist fürchterlich langweilig." Aidan lächelte und strich ihr langes, schwarzes Haar zurück, bevor sie ein blutrotes Band nahm und ihre Haare damit zurückband.

„Es ist doch noch ewig früh am Tag, wie kann einem da schon langweilig sein?" Aislin hob die Schultern.

„Du kennst mich doch!" Aidan stand grübelnd vor ihren Kleiderschrank und zog schließlich ein dunkelrotes Kleid hervor.

„Was meinst du?" fragte sie Aislin, die den Daumen hob und ihr zuzwinkerte.

„Ich hab eigentlich nichts Besonderes getan... ich hab ein bißchen nachgedacht." Das Grinsen auf dem Gesicht der Freundin wurde breiter und mit einer schwungvollen Bewegung warf sie ihre blonden Locken zurück.

„Ich kann mir sogar denken, über was." Einen Moment funkelten Aidans violette Augen die Freundin gefährlich an, aber dann wurde ihr Blick weicher. Sie wußte ja, daß Aislin es nicht böse meinte.

„Kein Grund, mich zu verspotten."

„Das habe ich nicht getan. – Aber ich habe doch recht, es ging wieder um diesen fürchterlichen Kerl oder?" Aislin sah das verträumte Glitzern in den Augen der Freundin und wieder einmal konnte sie einfach nicht verstehen, warum Aidan sich ausgerechnet so einen Menschen wie Severus Snape für ihre ersten Schwärmereien hatte aussuchen müssen.

„Er ist kein fürchterlicher Kerl!" verteidigte Aidan Severus und sah ihre Freundin ernst an. „Ich weiß ganz genau, daß er nicht einfach nur ein Ekel ist. Er ist in Wahrheit sicher ganz anders, als er sich seinen Schülern gegenüber immer gibt." Aislin kicherte.

„Sicher, da hast du ganz bestimmt recht. – Hör mal, Aidan, du steigerst dich da in etwas hinein, was nicht gut für dich ist. Snape ist dein Lehrer und er ist noch dazu ein Verräter." Aidan zuckte und ganz automatisch wanderte ihr Blick zur Tür ihres Zimmers, als erwartete sie, daß sie sich plötzlich öffnete und ihr Vater hereinkam, der jedes Wort gehört hatte.

„Du redest genau wie mein Vater!" schmollte Aidan und sie fühlte sich wirklich in diesem Moment von ihrer besten Freundin verletzt. Sie ärgerte sich über dieses Gefühl. Aber so sehr sie es auch wollte, sie schaffte es einfach nicht, die ganzen Gefühle, die sie empfand, einfach abzuschalten. Es ging nicht. Sie waren da und riefen sich auch immer wieder in ihr Gedächtnis zurück.

„Onkel Durrikan hat schließlich auch recht!" entgegnete Aislin fast schon kalt. Wieder sahen die Freundinnen sich in die Augen.

„Du solltest so etwas wirklich nicht sagen, Aislin. Du weißt, wie ich von der ganzen Sache denke. Ich teile Vaters Ansichten nicht und in meinen Augen ist Severus auch kein Verräter."

„Er hat den Dunklen Lord hintergangen. Die Sache ist ganz klar." Sie waren Freundinnen, seit sie beide ganz kleine Kinder gewesen waren. Sie hatten sich schon viele Jahre vor ihrer gemeinsamen Schulzeit in Hogwarts kennen gelernt, da Aidans Vater der Bruder von Aislins Mutter war. Die ganzen Jahre über, waren sie ein Herz und eine Seele gewesen, immer einer Meinung, einfach unzertrennlich. Aber seit einiger Zeit trieb sich ein Keil in diese perfekte Freundschaft. Zum ersten Mal gab es etwas, in dem sie beide nicht einer Meinung waren.

Lord Voldemort.

Obwohl ein Teil ihrer beider Leben, war Aislin eine überzeugte Anhängerin seiner Lehre von der perfekten Zaubererwelt ohne Schlammblüter und Aidan war es nicht. Sie glaubte nicht an die schönen Märchen, die er Leuten wie ihrem Vater und ihrer Tante erzählte. Sie glaubte nicht, daß alles besser werden würde, wenn er die Welt in seinen Händen hielt und die Schlammblüter aus ihren Reihen ausmerzte.

Doch bis auf Aislin wußte das niemand. In der Schule wurde schon seit mehreren Jahren gemunkelt, daß Aidan gleich nach ihrem Abschluß in die Kreise des Fürsten der Finsternis eintreten würde und Aidan ließ sie in dem Glauben. Es interessierte sie nicht, was diese Dummköpfe dachten. Sie kümmerte sich nicht darum, daß sie in eine Schublade gesteckt wurde, nur weil ihr Vater ein Todesser war.

Aidan hatte schon früh gelernt, daß man vorsichtig sein mußte, wenn es um den Kontakt mit anderen Menschen ging und so war und blieb Aislin ihre einzige Freundin. Doch jetzt veränderte Aislin sich, war nicht mehr die, die sie einmal gewesen war. – Oder vielleicht irrte Aidan sich auch und sie war in Wahrheit diejenige, die sich veränderte. Aber was machte das schon für einen Unterschied? Der Punkt war, daß sie und ihre einzige Freundin auf dem Weg waren, sich zu entzweien.

„Laß uns über etwas anderes sprechen, ja Aislin?" bat sie leise und die Freundin merkte, daß sie wieder einmal einen Punkt angeschnitten hatte, der Aidan weh tat. Doch sie wollte die Hoffnung auch noch nicht aufgeben, daß sie es vielleicht doch noch eines Tages schaffen würde, Aidan von der richtigen Seite zu überzeugen.

„Wenn es in London so langweilig ist, dann komm doch mal wieder für ein paar Wochen zu mir? Mein Vater hat sicher nichts dagegen und wir könnten mal wieder nächtelang durchquatschen." Aislin lächelte und nickte.

„Ich werde Mutter fragen, die Idee ist wirklich gut. – Ich geh dann mal runter zum Frühstück, dann kann ich sie auch gleich fragen. Mach's gut, Aidan." Die Flammen im Kamin erstarben.

„Ja, du auch." Sagte Aidan leise, obwohl Aislin sie längst nicht mehr hören konnte. Sie sank zurück auf ihr Bett und starrte das Bild von Severus an, das noch immer an der Decke zu sehen war.

In den Augen ihrer Familie und ihrer Freundin mochte er ein Verräter sein, aber Aidan spürte eine tiefe Verbundenheit zu ihm, erkannte sich in dem, was er sagte und tat, wie er sich gab, nicht gerade selten selbst wieder. Auch wenn sie über seine Vergangenheit nichts weiter wußte, als daß er Todesser gewesen war und Lord Voldemort verraten hatte, wußte sie doch, daß er und sie sich ähnlicher waren als alle anderen glaubten.

Und das nicht nur, weil man auch sie bald als Verräter bezeichnen würde.


Etwa zur gleichen Zeit saß Harry allein in seiner jetzt leeren Wohnung in London. Seit Cho ihn vor wenigen Tagen verlassen hatte, war die Wohnung sehr kalt geworden und er fühlte sich nur noch in ganz seltenen Momenten zu Hause.

Und trotzdem hatte er es immer noch nicht fertig gebracht, ihr zu schreiben oder sogar zu ihr zu gehen. Trotzdem blieb er stur wie ein alter Bock. Manchmal konnte Harry sich nur über sich selbst wundern, aber andererseits war da auch ein kleines nagendes Stimmchen in ihm, das ihm sagte, er solle nicht hinter Cho herlaufen. Sie würde schon von alleine wiederkommen.

Harry seufzte tief. Leider verriet ihm diese verfluchte Stimme aber nicht gleich noch, warum sie das tun sollte.

Denn das war Harry klar. Cho hatte keinen Grund, einfach so wieder zu ihm zurück zu kommen. Und er kannte Cho. Er war nicht der einzige Sturkopf, der unter diesem Dach gelebt hatte.

Ein leises Klopfen an der Tür riß Harry aus seinen Gedanken und mit einer sachten Bewegung seines Zauberstabs öffnete sich die Wohnungstür.

„Komm rein, Ron." Sagte er, ohne sich vorher zu vergewissern, daß es auch wirklich der Freund war. Aber Harry wußte es, mußte sich nicht erst umsehen.

Ron betrat die Wohnung und schloß die Tür hinter sich wieder. Als er Harry wie ein Häufchen Elend in seinem Sessel sitzen sah, lächelte er ein wenig mitleidig. Er wußte, sein Freund wollte dieses Mitleid nicht, aber das änderte noch lange nichts an der Tatsache, daß er es empfand.

Harry tat ihm mehr leid als jeder andere Mensch auf der Welt. Denn kein anderer war so berühmt und beliebt wie sein bester Freund und gleichzeitig so einsam. Oft genug hatte er Harry für all die Aufmerksamkeit beneidet, die ihm zuteil wurde, aber es gab auch Momente – Momente wie diesen – da war er sehr froh, einfach nur Ron Weasley zu sein.

„Wie geht es dir?" fragte er fröhlich und klopfte Harry auf die Schulter, bevor er sich neben ihn auf die Couch fallen ließ. Sogar er bemerkte Chos Fehlen sofort. Die Wohnung war anders, weniger herzlich. Er mußte an seine Mutter denken, die immer zu ihm gesagt hatte, daß eine Frau das Herz eines Hauses war. Er lächelte. Er mußte seine Mum und seinen Dad unbedingt demnächst mal wieder besuchen.

„Nicht schlecht, nicht gut." Antwortete Harry und Ron sah das traurige Leuchten in seinen grünen Augen.

„Wie hast du dich jetzt entschieden? Wirst zurück nach Hogwarts gehen?" Ron wußte, daß er hoffnungsvoll klang. Und er wußte, daß Harry dieser Ton nicht entging. Nicht nur Cho machte sich Sorgen um Harry und hoffte, daß er bald aufhören würde, Zielscheibe für Voldemort zu spielen, aber Ron sagte es ihm nie. Er wußte, man konnte es ihm vom Gesicht ablesen und das mußte genügen.

„Noch gar nicht. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, Ron." Harry stand auf. "Möchtest du auch etwas trinken, Ron?" fragte er, als er in Richtung Küche ging.

„Nein danke. – Ich weiß nicht, warum dir diese Entscheidung so schwer fällt, Harry. Dumbledore bietet dir da eine großartige und sehr wichtige Aufgabe an. Und in gewisser Weise hat Snape recht. Du solltest diese Aufgabe wahrnehmen und Quidditch erst mal in den Hintergrund rücken." Harry kam aus der Küche zurück und Ron sah sofort, daß sich ein zorniges Funkeln in seine Augen geschlichen hatte.

„Wie schön, daß ihr in der letzten Zeit alle der Meinung seid, Snape habe in allem, was er sagt, recht!" fauchte er Ron giftig an. Ron runzelte die Stirn.

„Nun mal hübsch langsam, Harry!" beschwichtigte er seinen Freund und fragte sich gleichzeitig, in welches Wespennest er da wohl gerade gestochen hatte. Harry war sonst nicht so leicht auf die Palme zu bringen. Harry funkelte ihn noch einen Moment an, wandte seinen Blick dann aber wieder in Richtung Fenster. Die Spatzen, die diese Straße zu Tausenden bevölkerten lieferten sich draußen im Sonnenschein kleine Kämpfchen um Futter, daß die Leute auf ihre Fensterbänke streuten. Er lächelte. Diese kleinen Biester hatten es gut.

„Er hat mir bisher nichts getan, obwohl er sicherlich mehr als eine Möglichkeit gehabt hätte. Es gibt für mich also eigentlich doch gar keinen Grund, mich wieder in Hogwarts zu verkriechen." Begann Harry leise und wieder einmal fragte sich Ron, in welcher Welt sein Freund eigentlich wirklich lebte. Es konnte nicht die selbe Welt sein, die Ron sein Zuhause nannte oder man mußte sich ernsthafte Gedanken um Harrys geistige Gesundheit machen.

„Hallo?!" fragte er deshalb ein wenig aufgebracht und Harry blinzelte seinen Freund überrascht an.

„Harry, auf welchen Egotrip befindest du dich gerade mal wieder?" Fassungslos starrte er seinen besten Freund an, der scheinbar gar nicht begriff, was er von ihm wollte. Harry hob die Schultern.

„Auf gar keinem." Ron kniff die Lippen zusammen und schüttelte langsam den Kopf.

„Du willst mir nicht erzählen, daß du Dumbledores Brief so aufgefaßt hast, daß er dich aus dem Verkehr ziehen will oder? – Harry, bitte sag mir, daß du nicht wirklich so gottverdammt blöd bist! Es geht hier wirklich ausnahmsweise mal nicht darum, deinen Hintern in Sicherheit zu bringen!" Harry schluckte. Obwohl Ron noch ganz ruhig klang, merkte man doch schon, daß er sich in seine aufkommende Wut reinsteigerte.

Was hatten die Leute in der letzten Zeit nur mit ihm? Erst Cho, dann Snape und jetzt auch noch Ron. Sie alle machten ihm die gleichen Vorwürfe und er verstand noch nicht einmal so recht, warum eigentlich. Er war doch einfach nur wie immer. Warum sollte das plötzlich falsch sein, wo es doch sonst immer richtig gewesen war?

„Schön, ja, die Konsequenz wäre wohl, daß du in Hogwarts gleichzeitig auch etwas sicherer wärst, aber in erster Linie geht es wohl darum, daß Dumbledore verzweifelt ist und dich um Hilfe bittet! Geht das in deinen Dickkopf? Er braucht dich. Er will dir nichts geben, er will etwas von dir haben. – Und in anbetracht der Tatsache, wie viel du von Dumbledore in der Vergangenheit bekommen hast, sollte es für dich leicht sein, sofort zuzusagen und deine Zelte hier abzubrechen.

Statt dessen denkst du wirklich darüber nach, ob du es schaffen würdest, für eine unbestimmte Zeit kein Quidditch mehr zu spielen! Harry, da kann man gar nicht anders, als Snape recht geben!" Harry ließ den Kopf hängen und Ron wurde ein wenig sanfter.

„Wenn du irgendwelche wirklich guten Gründe hast, warum du nicht nach Hogwarts gehen möchtest, dann sag sie mir. – Aber wenn nicht, dann setz dich endlich hin und schreib Dumbledore, daß du kommen wirst.

Ich wäre froh, wenn er mir diese Aufgabe anbieten würde! Du trägst endlich aktiv zum Kampf gegen den Dunklen Lord bei!" Harry starrte auf seine Hände. Feine, langgliedrige Hände. Aber diese Hände konnten doch nichts weiter, als einen Schnatz fangen.

Harry hatte noch nie mit jemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit Ron. Aber er hielt sich selbst für ein Nichts, schon seit er Hogwarts vor vier Jahren verlassen hatte.

Hermine war eine großartige Wissenschaftlerin geworden, Ron arbeitete im Ministerium, sogar Neville hatte es geschafft, sich in der Winkelgasse mit einem kleinen Laden eine halbwegs gesicherte Existenz aufzubauen. Nur er, der großartige Harry Potter, er hatte nie etwas fertig gebracht.

Er mußte sogar gestehen, er hatte es noch nicht einmal versucht. Er spielte Quidditch wie ein Gott und nebenher studierte er ein wenig zum Spaß weiter die Verteidigung gegen die dunklen Künste, aber mehr war da nicht.

Jetzt war ihm sogar noch die Frau weggelaufen. Was war er also schon? Ein Nichts! Und Dumbledore konnte so etwas wie ihn garantiert nicht gebrauchen.

Er im Kampf gegen Lord Voldemort. Was sollte er schon ausrichten? Früher, als Kind, da hatte er Macht über den schwarzen Zauberer gehabt, aber durch seine eigene Dummheit hatte dieser es geschafft, den Schild, den seine Mutter mit ihrem Opfer um ihn errichtet hatte, nieder zu reißen und seitdem gab es nichts mehr, was noch besonders an ihm war.

„Harry?" fragte Ron sanft und Harry blickte auf. Ron schien besorgt.

„Ja?"

„Du bist so seltsam in der letzten Zeit. Willst du nicht endlich damit rausrücken, was wirklich los ist? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß ich dich all die Jahre falsch eingeschätzt hab." Ron grinste und Harry fühlte die Wärme, die sich in ihm ausbreitete. Na ja, vielleicht war er kein komplettes Nichts. Er hatte Ron, der immer noch an ihn glaubte. Sein Freund.

„Es... es ist nichts großartiges. Ich habe nur manchmal das Gefühl, daß ihre alle vielleicht ein bißchen viel erwartet, das ist alles. – Ginge es um Quidditch, dann würde ich sofort sagen, klar, kein Problem! Aber hier geht es um etwas, was für mich mehr mit Zufall als mit meinen Fähigkeiten zusammenhängt. – Ron, ich bin doch nur ‚der Junge, der überlebte', weil meine Mum sich für mich geopfert hat. Ich bin es nicht, weil ich irgendwie großartig bin oder so." Ron nickte verständnisvoll, seine sonst immer zu Späßen bereite Miene selten ernst.

„Du hast Angst." Ihre Blicke trafen sich und Harry wollte erst widersprechen, aber was hatte das schon für einen Sinn? Warum sollte er leugnen, was doch nur zu wahr war? Also nickte er einfach nur.

„Das ist gut." Harry blickte ihn überrascht an.

„Wieso sollte das gut sein?" Ron lächelte.

„Na, weil Angst vorsichtig macht. – Wenn man Angst davor hat, zu versagen, dann wird man besonders gründlich, denkt an jede Kleinigkeit. Das ist gut." Harry lachte und es wirkte irgendwie befreiend. Ron hatte eine herrlich positive Einstellung, egal um was es ging, er konnte der Sache immer noch etwas gutes abgewinnen. Das hatte er ihm eindeutig voraus und vermutlich war das noch nicht einmal das einzige, auch wenn Ron nur allzu oft dachte, hinter Harry anzustehen.

„Und du glaubst nicht, daß ich der falsche bin, Kindern beizubringen, wie man sich gegen Voldemort verteidigt? – Ich meine, ich hatte doch einfach immer nur Glück." Ron schüttelte den Kopf und lehnte sich entspannt in die Lehne der Couch zurück. Er hatte Harry so weit und er wußte es.

„Ach was, Harry. Du kannst es und du bist der richtige für den Job. Jetzt schreib schon endlich den Brief und sag Dumbledore, daß du nächste Woche nach Hogwarts kommst." Einen letzten Moment zögerte Harry noch, doch dann stand er auf und ging ins Schlafzimmer, um Pergament und Feder zu holen.

Etwa eine halbe Stunde später flatterte eine verschlafen und mürrisch dreinblickende Schneeule über das sonnige London hinweg in Richtung Norden.

Der Westturm war bereits in das goldene Licht der untergehenden Sonne getaucht, als Severus die Tür zum Treppenhaus öffnete und auf das Plateau hinaustrat. Obwohl es ein warmer Tag gewesen war, war es hier oben angenehm kühl und weniger drückend als auf den Ländereien.

Mit einem besorgten Ausdruck auf dem Gesicht lehnte er sich an die dicke Berüstung des Turms und ließ seinen Blick in die goldene Ferne schweifen.

Vor wenigen Minuten erst, war Hedwig mit Harrys Antwort angekommen und obwohl Dumbledore ihm diese noch nicht mitgeteilt hatte, war Severus doch klar, was Harry ihm geschrieben hatte. Es gab nur eine Antwort. – Oder besser gesagt, es durfte nur eine geben.

Severus wußte nicht, was er jetzt empfinden sollte. Einerseits hoffte er inständig, daß Harry begriffen hatte, wie wichtig er war und seinen grenzenlosen Egoismus, den er vor wenigen Tagen an den Tag gelegt hatte, in irgendeine Kiste eingemottet hatte, andererseits aber drang auch die kleine Stimme in seinem Hinterkopf immer deutlicher zu ihm durch, die ihm sagte, daß er und Harry im gleichen Schloß vermutlich zu nah beisammen waren.

Severus seufzte und faßte sich an die Stirn, die unangenehm glühte. Es nahm Oberhand. Diese ganze Situation drohte, ihn zu übermannen. Und wenn es etwas gab, was er mehr haßte als alles andere auf der Welt, dann war es eine Situation, die seiner Kontrolle entglitt.

Aber war das nicht schon längst geschehen? Granger hatte Dinge gesehen, die kein Mensch in diesem Schloß jemals hätte sehen dürfen. Und er wußte, sie war findig genug, um dahinter zu kommen, was er nicht hatte sagen wollen.

Doch was genau hatte sie eigentlich gesehen?

Den Absinth zweifellos und wahrscheinlich auch die Wirkung, die er auf ihn gehabt hatte. Sie hatte ihm in die Augen gesehen und ihm war nicht entgangen, daß sie etwas dabei erkannt hatte. Diese Überraschung auf ihrem Gesicht und natürlich auch das Entsetzen über die gewonnene Erkenntnis...
Aber hatte sie auch das Bild gesehen? Hatte sie erkannt, wer es war?

Severus wußte, daß Harry Bilder von seinen Eltern hatte. Er selbst hatte einige davon Hagrid zukommen lassen. Heimlich selbstverständlich, denn wie sollte er auch erklären, daß er Fotos von Lily Potter hatte? Ausgerechnet er, der Erzfeind aus der Schulzeit.

Vielleicht war es an der Zeit, jemanden in diese Sache einzuweihen. Vielleicht hatte er alles zu lange zurückgehalten und die Tatsache, daß Hermine ihn jetzt sowieso schon halb enttarnt hatte, war ein Zeichen, das er nicht übersehen durfte. Eine Chance, die es wahrzunehmen galt.

Severus lächelte gequält und ließ den Kopf hängen. Seine langen, schwarzen Haarsträhnen fielen ihm vor die Augen.

Das konnte er im Leben nicht tun. Wie sollte ausgerechnet Hermine diese ganze Sache verstehen? Würde sie nicht sofort zu Harry rennen und ihm alles erzählen?

Was sollte er dann sagen? Wie sollte er mit dem Haß des jungen Mannes umgehen? Denn hassen würde Harry ihn ganz sicher, wenn er erfuhr, wer er war. Dafür, daß er nichts unternommen hatte und er bei den Dursleys hatte aufwachsen müssen. Und wenn er darüber noch nicht wütend war, dann ganz sicher über die jahrelange grausame und unfaire Behandlung, die er durch ihn erfahren hatte. Eine Behandlung, die ihn hatte stark machen sollen, vorbereitet auf die Gefahren, die ihm – gerade ihm – in dieser Welt drohten.

Nach Lilys Tod vor einundzwanzig Jahren hatte er sich geschworen, daß er das nie wieder empfinden würde und doch mußte er zugeben, daß genau diese Gefühle jetzt zu ihm zurück gekehrt waren. Er empfand wieder die selbe Verzweiflung wie damals und auch heute wußte er noch nicht, wie er damit umgehen sollte.

Grün... Hermine blätterte sich verbissen durch die riesigen Wälzer, die vor ihr lagen, und obwohl sie es schon seit Stunden tat und ihr längst die Augen brannten, ließ sie doch nicht locker.

Grün war es gewesen, stark alkoholisch und mit Kräutern versetzt. Es konnte doch nicht so schwer sein, einen solch außergewöhnlichen Trank zu finden. Wieder einmal verfluchte Hermine sich dafür, daß sie an der Universität aus einer Laune heraus den Kurs über berauschende Tränke und Pulver nicht belegt hatte. Zu viele andere Kurse, hatte sie damals als Ausrede vorgebracht. Was für ein Blödsinn! Wann war ihr jemals etwas zu viel geworden?! Wieder einmal bestätigte sich hier jetzt ihr Lebensmotto. Man konnte niemals zu viel lernen, irgendwann brauchte man es alles mal...

Und sie hatte ihre Chance verpaßt, was eine Menge zusätzliche Arbeit für sie bedeutete. Und nur der Zufall wollte es, daß sie überhaupt die Zeit zum Suchen hatte. Wenn Severus ihnen nicht schon am Nachmittag allen freigegeben hätte, damit sie sich alle mal wieder erholen konnten... Hermine griff nach dem nächsten Buch.

„Sag mal, Prinzessin, was suchst du eigentlich?" Freds Stimme riß Hermine unsanft aus ihren Gedanken. Erschrocken blickte sie auf, nur langsam beruhigte sich ihr schneller schlagendes Herz wieder.

„Du kannst dich vielleicht anschleichen!" ihre Stimme klang einen Tick vorwurfsvoller als sie eigentlich hatte klingen wollen, doch Fred schien nicht beleidigt.

„Was meinst du, wie ein Unheilstifter sonst sieben lange Jahre lang immer einen Schritt schneller sein konnte als ein gewisser Severus Snape?" antwortete er zwinkernd und beugte sich über das Buch, das sie gerade las. Er hob eine feuerrote Augenbraue und sah sie skeptisch an.

„Hör mal, so was könnte man schon als Besessenheit bezeichnen, meine Hübsche." Hermine wurde ein wenig rot.

„Ich... ich bin auf der Suche nach etwas." Stotterte sie und ärgerte sich über ihre eigene Stotterei. Doch seit Victor hatte sie niemand mehr als hübsch bezeichnet, selbst, wenn sie sich sicher war, daß man das bei Fred Weasley nicht ernst nehmen durfte.

Fred runzelte die Stirn und warf einen genaueren Blick auf das Buch. Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht wider.

„Drogen?" fragte er und Hermine wurde noch einen Ton roter. Sie schüttelte heftig den Kopf und ihre braunen Locken flogen wild um ihr glühendes Gesicht.

„Nicht, was du denkst!" warf sie schnell ein, doch ihr war klar, daß sie nicht überzeugend klang.

„Hermine, wir haben alle Streß, aber wenn du eine Pause brauchst, dann sag es Snape doch einfach. Ich meine... – ja gut, er ist ein Tyrann, aber auch er kann nicht von dir verlangen, daß du noch über deine Grenzen hinaus gehst, mit irgendwelchen Hilfsmittelchen." Hermine biß sich auf die Lippen. Sie durfte Fred doch nicht sagen, was sie in Severus' Büro gesehen hatte. Andererseits wollte sie aber auch nicht, daß er dachte, sie selbst würde etwas einnehmen.

„Fred, bitte glaub mir einfach. Ich will nichts davon für mich selbst brauen und trinken. Ich suche nur etwas, was ich vor einigen Tagen gesehen hab. – Ich möchte wissen, was es war, weil ich glaube, daß jemand meine Hilfe braucht." Fred musterte sie einen weiteren Moment schweigend und ernst, doch dann schien er für sich entschieden zu haben, daß sein Verdacht unbegründet war. Hermine war schließlich nicht der Typ für so was.

Hermine mußte unwillkürlich lächeln. Sicher war sie das nicht. Aber Severus machte auch nicht gerade den Eindruck, der Typ für so etwas zu sein. – Aber vermutlich trug da nur mal wieder der äußere Schein.

„Vielleicht kann ich dir ja helfen. Was weißt du über das Zeug?" Fred rutschte neben sie auf die Sitzbank und für einen kurzen Moment schoß Hermine wieder die Röte ins Gesicht, als er sich zu ihr hinüber über das Buch beugte und sie sich dabei sehr nah kamen.

Doch im nächsten Moment hatte sie sich wieder gefangen. Jetzt war sie sogar schon so überarbeitet, daß sie nicht einmal mehr mit Fred auf einer Bank sitzen konnte, ohne sofort die wildesten Fantasien zu bekommen. Einfach lächerlich!

„Ich weiß, daß es satt grün war und es bestand zu einem Großteil aus Alkohol." Fred sah überrascht auf.

„Alkohol?" fragte er skeptisch nach und Hermine nickte. Einen Moment rieb er sich das Kinn. Alkohol in einem Zaubertrank. Er war kein Fachmann auf dem Gebiet der Rauschmittel, aber er wußte doch, daß Alkohol üblicherweise nicht oder zumindest nur selten in Zaubertränken jeglicher Art genutzt wurde. Alkohol war Muggelmagie, fauler Zauber und so wenig Rauschtränke auch mit wahrer Magie zu tun hatten, sie waren doch reinerer magischer Natur als Alkohol.

„Vielleicht sonst noch etwas?" auf grün und Alkohol konnte er sich noch keinen Reim machen. Hermine nickte.

„Kräuter. Ich kann nicht genau sagen, was alles drin war, aber ich habe zwei Sachen über den Alkohol hinaus riechen können. Das eine war Anis, allerdings nur eine Prise. Und das andere" sie hielt kurz inne und versuchte sich den Geruch noch einmal ins Gedächtnis zurück zu rufen, um auch wirklich ganz sicher zu gehen. „das andere war – Wermut." Wieder dachte Fred einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf.

„Das kannst du alles wieder zurück ins Regal stellen. In diesen Büchern wirst du nicht finden, was du suchst." Hermine sah ihn überrascht an, aber sie fühlte sich auch gleichzeitig irgendwie glücklich, da er zu wissen schien, was sie meinte.

„Ich werde mal sehen, ob ich das passende Buch finde." Er stand auf und ging in den Teil der Bibliothek mit den Büchern über Muggelkunde. Hermine runzelte nachdenklich die Stirn, stand dann aber ebenfalls auf, um die Bücher wieder zurück ins Regal zu stellen.

„Das hier ist es!" rief Fred ihr zu und wedelte mit einem nicht ganz so dicken, in Leder gebundenen Buch. „Ich bin mir zwar nicht mehr ganz so sicher, wie das Zeug heißt, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß du es hier drin finden wirst." Er gab Hermine das Buch – Rauschmittel des 18. und 19. Jahrhunderts – und grinste sie stolz an.

„Viel Glück noch beim Suchen und wir sehen uns ja heute abend!" er hob leicht die Hand und zwinkerte ihr noch einmal zu – etwas, was er in der letzten Zeit häufig tat – bevor er die Bibliothek verließ.

Hermine wischte den Staub vom Einband des Buches und schlug es auf. Die Liste derer, die es in den vergangenen vierzig Jahren, seit das Buch in der Bibliothek stand, ausgeliehen hatten, war lang, doch Hermine entdeckte den Namen, den sie suchte, fast sofort.

„Ausgeliehen am dritten Januar neunzehnhundertdreiundsiebzig von Severus Snape." Las sie leise und fühlte, wie es in ihrer Magengegend kribbelte. Vielleicht hatte Fred recht und das hier war die richtige Spur!

„Ich hatte geahnt, daß ich dich hier oben finden würde, Severus." Beim Klang der warmen, freundlichen Stimme des Schulleiters zuckte Severus zusammen. Er war es nicht gewohnt, daß er hier oben auf dem Turm nicht alleine war. Gewöhnlich verirrte sich nur selten mal jemand hierher. Aber Albus – manchmal hatte Severus einfach den Eindruck, er kannte jeden seiner Schritte, so sehr er auch versuchte, sie zu verschleiern.

Er lächelte und Dumbledore wußte, daß er es tat, obwohl er sich nicht zu ihm umdrehte.

„Möchtest du nicht vielleicht zu uns ins Kaminzimmer kommen?" Severus drehte sich endlich um und lehnte sich scheinbar lässig mit dem Rücken an die Berüstung, doch er war alles andere als entspannt. Wie bei einem Tier, das sich bedroht fühlte, war jeder einzelne seiner Muskeln zum Zerreißen angespannt, bereit jeden Moment loszuschnellen, um der Gefahr zu entkommen.

Aber welche Gefahr drohte ihm hier? Von Albus drohte ihm nie Gefahr. Albus war Ruhe und Frieden.

„Ist das mal wieder eine Aufforderung zum Tanz?" fragte er mit einem traurigen Lächeln. „Der Tanz" war eines der Gespräche, in denen Albus und er ständig umeinander herumtanzten, nur weil sie sich nicht trauten, dem anderen direkt zu sagen, was los war. – So wie Dumbledore es gerade tat.

„Ich habe mich schon oft gefragt, was es ist, daß dich immer wieder hier hoch treibt. Ich weiß schon nicht mehr, wie oft ich dich schon gesehen habe, wenn du scheinbar heimlich und unbemerkt die Treppen des Turmes hinaufgestiegen bist..." Er trat neben Severus an die Berüstung und blickte über die Ländereien, die inzwischen in eine tiefe Dunkelheit getaucht waren. Severus seufzte, doch es war so leise, daß Dumbledore es nicht hören konnte. Also tanzen.

„Ein Schatten, Albus, nur ein Schatten." Antwortete er mysteriös. Eine Weile schwiegen die beiden Männer. Eine Konversation des Schweigens, in der nur eben diese beiden ungewöhnlichen Männer sich verstanden, die kein anderer führen konnte.

„Schatten." Seufzte Dumbledore, sah den jüngeren Mann aber immer noch nicht an. „Schatten können gut sein, aber manchmal... ja, manchmal sollte man sie loswerden, um wieder etwas anderes zu sehen. Das Licht zum Beispiel." Der Höhepunkt des Tanzes war schon erreicht? Severus runzelte die Stirn. Ungewöhnlich kurz für die Verhältnisse des alten Zauberers.

„Severus, ich habe das Gefühl, daß du mir vielleicht etwas sagen möchtest. – Ich habe den Eindruck, daß du dir Sorgen machst, seit ich dir diesen Auftrag erteilt habe, dem jungen Potter meinen Brief zu überbringen." Er zögerte einen Moment. „Gibt es da vielleicht etwas, was du mir sagen möchtest?" Severus' schwarze Augen verdunkelten sich noch ein wenig mehr, doch wie immer zeigte sein restliches Gesicht nicht die kleinste Regung, als er Dumbledore unverwandt ansah.

„Abgesehen davon, daß ich Harry Potter schon als Schüler als Plage empfand und er mir vor einigen Tagen sogar noch arroganter und unvernünftiger erschien, als zu seinen besten Zeiten in Hogwarts?" fragte der Zaubertrankmeister mehr als frostig zurück. Dumbledores Augen verengten sich für den Bruchteil einer Sekunde um wenige Millimeter, doch dann war der abschätzende Blick aus seinem freundlichen Gesicht verschwunden.

„Wie gut, daß ich weiß, daß du dich von so etwas in deiner Arbeit nicht beeinflussen läßt, Severus." Er lächelte. Severus hob nur leicht die Schultern.

„Ich bin schließlich kein Idiot und weiß, worum es hier geht." Dumbledore nickte. Severus war dabei, sich selbst wieder um einige Grad abzukühlen. Der alte Zaubermeister wußte zwar auch nach all den Jahren noch immer nicht, warum das so war, aber es war damals schon so gewesen. Vor elf Jahren, kurz bevor Harry als Schüler nach Hogwarts gekommen war, hatte Severus die gleiche Wandlung vom kalten, unnahbaren Mann zum absolut eiskalten, absolut unnahbaren Mann gemacht. Es hatte mit Harry zu tun und egal, ob Severus es leugnete, es hatte etwas anderes zum Hintergrund als die Tatsache, daß Severus vorgab, Harry nicht leiden zu können.

Dumbledore erinnerte sich einfach noch zu gut an den gebrochenen, verzweifelten Jungen Mann, der vor zwanzig Jahren in seinem Büro gesessen hatte und Harry unbedingt zu sich holen wollte. Auch Severus konnte sich in den Jahren nicht so geändert haben.

„Harry und deine neue Kollegin werden in fünf Tagen nach Hogwarts kommen." Durchbrach Dumbledore erneut die Stille, in der sie einfach nur sinnierend dagestanden und in die Dunkelheit gestarrt hatten.

„Ich weiß." Gab Severus zurück, darum bemüht, seiner Stimme einen möglichst uninteressierten Klang zu geben.

„Hast du dir inzwischen die Akte von Sesha angesehen?" Dumbledore wandte Severus den Kopf zu und seine warmen, blauen Augen fixierten ihn in der Dunkelheit.

„Das habe ich allerdings." Severus hielt den Blick fest und Dumbledore brauchte nicht einen Moment zu rätseln, was der Ausdruck in seinen Augen bedeutete. Severus war nicht zufrieden mit dem, was er gelesen hatte. Es war ja auch nicht anders zu erwarten gewesen. Schließlich war Hogwarts' Meister der Zaubertränke noch nie leicht zufrieden zu stellen gewesen und wenn man nur von Seshas Akte ausging... nun dann hatte die junge Frau sicherlich keine guten Referenzen.

„Wie hattest du dir meine Zusammenarbeit mit ihr vorgestellt, Albus?" fragte Severus scharf. Scheinbar hatte er beschlossen, das Thema direkt anzugehen.

„Freundschaftlich und produktiv." Gab Dumbledore mit einem schalkhaften Lächeln zurück, aber das Lächeln, das nun auch auf Severus' Lippen trat, erreichte seine glitzernden schwarzen Augen nicht. Sie blieben kalt und erbarmungslos.

„Bevor oder nachdem ich sie ausgebildet habe?" Einen Moment herrschte Schweigen. Dumbledore wußte sehr wohl, auf was Severus anspielte und Severus wußte, daß es Dumbledore klar war, aber doch schwieg der Ältere und wartete auf den nächsten Zug seines Gegenübers. Und Severus zog.

„Ich habe ihre Akte gelesen. Wie alles, was ich lese, übrigens äußerst gründlich und gewissenhaft. Leider hatte ich Probleme, einige wichtige Informationen aus dieser Akte zu entnehmen. Hauptsächlich den Schulabschluß der jungen Dame betreffend. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich glatt behaupten, sie hat keinen." Der Sarkasmus dieser Worte sprang Dumbledore förmlich an und Severus konnte nicht einmal erklären, warum er versuchte, seinen alten Freund zu provozieren, aber er hatte plötzlich das Bedürfnis dazu. Doch Dumbledore lächelte nur immerzu.

„Sie hat keinen. Sie hat die Schule verlassen, bevor sie einen Abschluß machen konnte, da die Umstände sie dazu zwangen." Severus hob eine Augenbraue.

„Was aber nichts daran ändert, daß sie qualifiziert für diesen Posten ist. Ich selbst habe Erkundigungen über sie eingeholt." Severus verschränkte die Arme vor der Brust, was seine steife Haltung noch ein wenig betonte.

„Ich werde das Gefühl nicht los, daß diese Beurteilung meiner Sache gewesen wäre, Albus." Dumbledore lachte leise, was Severus dann doch eigentlich sehr überraschte. Aber reagierte der Direktor nicht grundsätzlich anders, als er es von ihm erwartete? – Er und alle anderen eigentlich auch.

„Und ich werde manchmal das Gefühl nicht los, daß dir ein wenig weibliche Wärme in deiner Nähe gut tun würde, auch wenn du dich dagegen konsequent wehrst." Severus schnaubte.

„Als was würdest du Miss Granger bezeichnen, wenn ich dich fragen darf? Ich meine, auch ich empfinde sie nicht als übermäßig weiblich, aber von dir hatte ich doch etwas anderes erwartet. Schließlich bist du der nette von uns beiden." Ein grausames Lächeln umspielte Severus' Mundwinkel. Doch es galt nicht Dumbledore oder dem schlechten Zynismus, den er mal wieder nicht hatte zurückhalten können. Es galt ganz alleine ihm, dem Meister im Sich-Selbst-Zerstören.

„Hermine. – Nun, ich sehe durchaus eine Frau in ihr, aber ich glaube, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, daß sie für dich allenfalls ein brillanter Kopf und eine ehemalige Schülerin ist, nicht mehr." Er wandte sich der Tür zu und Severus glaubte schon, er wolle ohne ein weiteres Wort gehen, als er sich noch einmal umdrehte.

„Fünf Tage, Severus, und du bist für das Wohl von Miss Shantay verantwortlich. Also gib dir etwas Mühe." Er zwinkerte ihm zu und Severus fühlte ein altbekanntes Gefühl der Abwehr und auch ein wenig Angst in sich.

War er nicht schon einmal für jemand anderen verantwortlich gewesen und hatte total versagt?

Die Sorgenfalte auf Hermines Stirn hatte sich zu einem wahren Krater vertieft. Allem Anschein nach, hatte Fred ihr das richtige Buch gegeben, denn schon nach kurzer Zeit war sie auf ein Getränk gestoßen, daß sich „Absinth" nannte und vor allem im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert in einigen Ländern Europas populär geworden war.

Dann war es verboten worden und nach dem, was Hermine sich Zeile für Zeile erschloß, waren es gute Gründe gewesen, die zu dieser Entscheidung geführt hatten. Nicht, daß sie nicht schon wesentlich härtere Drogen gesehen hatte, vor allem in Muggelkreisen gab es da ja das schlimmste Zeug, das man sich vorstellen konnte, aber dieser Absinth war zweifellos kein mehr oder minder harmloses Getränk und daß ausgerechnet Severus – der letzte Mensch auf Erden, von dem sie solche Unvernunft erwartete – ihn trank... Sie wußte nicht, was sie davon halten sollte.

Während sie las, machte Hermine sich hastig Notizen. Schneller denn je, kratzte ihre Feder über das Papier.

Warum nur machte sie sich solche Sorgen? Ausgerechnet um Severus Snape. Sollte ihr dieser Mann nicht eigentlich vollkommen egal sein? Ein Mann, der sie sieben Jahre lang ignoriert, beleidigt und ihr immerzu das Gefühl gegeben hatte, ein unwichtiges Stück Abfall zu sein? Die kleine nervende Stimme in ihrem Hinterkopf sagte ihr, daß es so sein sollte, doch ihr Verstand war lauter. Und er war der Meinung, daß es nicht nur einen Grund dafür geben mußte, daß Severus sich seinen Schülern gegenüber stets wie ein Tyrann verhielt, es wäre auch äußerst dumm von ihr gewesen, ihm diese Sache noch immer nachzutragen.

Denn immerhin hatte er sie persönlich gebeten, nach Hogwarts zurück zu kommen. Er wußte durchaus, wer sie war und was sie konnte und wenn er es auch nie zeigte, sein Angebot war eine Wertschätzung, die Aufträge, die er ihr erteilte eine Honorierung ihrer Fähigkeiten.

Sie schüttelte den Kopf, um ihn wieder frei zu bekommen. Sie durfte jetzt nicht grübeln. Jetzt mußte sie kühl bleiben und sich auf etwas vorbereiten, was ihr in diesem Moment wie der blanke Horror erschien.

Entschlossen schrieb sie das letzte Wort auf den Bogen Pergament und klappte dann das Buch zu.

Sie mußte mit Severus reden, sich noch einmal in die Höhle des Löwen begeben. – Und sie mußte in seinen sturen Kopf reinkriegen, daß er so nicht weitermachen konnte.

Vermutlich wäre es einfacher gewesen, Hagrid dabei behilflich zu sein, einen Drachen zu zähmen.

Es kam Hermine so vor, als wäre alles wieder wie einige Tage zuvor. Severus war nahezu genauso unkonzentriert bei der Sache und wieder brannte sein Trank an. Mit einem unterdrückten, aber trotzdem heftigen Fluchen ließ er den Kessel hinüber zum Abfluß schweben und die siedend heiße Flüssigkeit ergoß sich mit einem bedrohlich lauten Zischen in die unterirdischen Abflußrohre des Schlosses.

Hermine sah die feinen Schweißperlen auf der Stirn des Zaubertrankmeisters, doch sie wußte sofort, es war nicht die Hitze des Labors, in dem fünf Kessel über offenen Feuern brodelten. Severus war nervös.

Der Kessel kam mit einem dumpfen Klong wieder neben ihm zum Stehen und er begann von vorne.

Hermine warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach zehn. Er würde bis spät in die Nacht arbeiten müssen, wenn er den Trank jetzt von neuem ansetzen mußte.

Vielleicht war das die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Sie fühlte, wie ihr Herz bei dem Gedanken unangenehm schnell schlug und sich ein riesiger Kloß in ihrem Hals bildete.

Während in seinem eigenen Kessel inzwischen die dunkelrote Flüssigkeit wieder leise vor sich hin köchelte, kontrollierte Severus die Tränke der Weasley-Brüder und Hermines. Er brodelte innerlich noch immer und hätte sich am liebsten selbst dafür geohrfeigt, daß er seinen Trank verdorben und sich damit um Stunden zurückgeworfen hatte. Aber was sonst immer so unglaublich erschien, war schon wieder eingetreten. Er war mit seinen Gedanken nicht bei seiner Arbeit gewesen, hatte sich wegtragen lassen und wieder einmal über Harry nachgedacht, daß er nun sehr bald da sein würde.

Er nickte kaum merklich und warf dann einen kühlen Blick in die Runde.

„Soweit alles in Ordnung. – Wenn Sie wollen, können Sie jetzt gehen." Seine Stimme schnitt leise und kalt durch die Stille des Kerkers. Niemand sprach hier noch viel, seit Severus vor einigen Tagen die Zwillinge angeschrieen hatte. Hermine zuckte leicht zusammen, so unerwartet kamen seine Worte.

Er wandte sich von ihnen ab und widmete seine Aufmerksamkeit wieder seinem Kessel. Er hörte, wie die drei jungen Männer das Labor verließen, aber Hermine rührte sich nicht.

„Auch Ihr Trank war in Ordnung, Miss Granger." Sagte er, jetzt ein wenig sanfter. Hermine starrte auf seinen Rücken und atmete tief durch.

„Ich weiß." Antwortete sie leise. Sie konnte nicht sehen, daß Severus die Stirn runzelte.

„Was wollen Sie dann noch hier?" schwang da so etwas wie Unsicherheit in seiner Stimme mit? Hermine hob überrascht die Augenbraue. Na ja, vielleicht war sie ja nicht die einzige, die sich gerade sehr unwohl fühlte.

„Ich hatte gehofft, daß Sie vielleicht nachher mal wieder zu uns hinaufkommen, Severus." Es war noch immer sehr merkwürdig für sie, ihn bei seinem Vornamen zu nennen. Aber es war unter den Lehrern so üblich und so hatte auch Hermine beschlossen, daß sie es tun würde, auch wenn er sie beharrlich ‚Miss Granger' nannte, wie zu Schulzeiten.

„Sie wissen sehr genau, wie lange dieser Trank hier kochen muß, Miss Granger. Ich bedaure, aber auf meine Anwesenheit wird man leider wieder verzichten müssen. – Ich denke, es ist ein minderschwerer Verlust für die fröhliche Runde." Hermine biß sich auf die Lippen. Natürlich vermißte ihn kaum jemand wirklich, wenn er nicht mit ihnen zusammen im Kaminzimmer saß, aber niemals hätte sie ihm das so gesagt.

Dumbledore wäre sicherlich froh gewesen, wenn Severus sich öfter am sozialen Leben im Schloß beteiligen würde. Und auch sie fühlte, daß es für sie wichtiger wurde zu wissen, daß er sich nicht vergrub.

„Sie können es sich ja noch einmal überlegen." Antwortete sie so leise, daß er sie kaum verstand, doch ihre Worte erreichten ihn dennoch. Und als ihre leisen, federleichten Schritte verhallten, wandte er sich um und blickte stumm und immer noch stirnrunzelnd auf die Tür.

Hermine starrte in das Feuer im Kamin. Sie hörte die Stimmen um sich herum, das Lachen ihrer Kollegen und Freunde, doch sie war mal wieder nicht wirklich bei ihnen. Sie war immer noch im Kerker, immer noch bei Severus, der natürlich wieder nicht gekommen war. Sie hatte es nicht wirklich erwartet, nachdem er ihr vor einigen Stunden schon gesagt hatte, daß er nicht hinaufkommen würde, aber Hermine hatte doch gehofft, daß er seine Meinung noch einmal ändern würde.

Dumbledore stand aus seinem Sessel auf und räusperte sich. Hermine blickte mehr oder weniger abwesend auf, doch ihre Aufmerksamkeit richtete sich schlagartig auf den alten Zauberer, als sie glaubte, er habe ihr zugezwinkert.

Hatte sie sich das jetzt eingebildet oder hatte Dumbledore es wirklich getan? Wenn ja, warum hatte er es getan? Wußte er, warum sie heute schwieg und nicht einmal mitbekam, wenn man sie ansprach, so wie vor wenigen Minuten bei Fred?

„Ich möchte euch allen gerne noch eine kleine Ankündigung machen. – Morgen werden zwei neue Kollegen hier eintreffen. Den einen kennt ihr alle noch sehr gut. – Unser ehemaliger Schüler Harry Potter hat sich zu meiner großen Freude entschlossen, im kommenden Schuljahr einen Sonderkurs in Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu übernehmen.

Außerdem hat Professor Trelawny uns – wie ihr ja alle wißt – im letzten Jahr leider verlassen, um auf eine längere spirituelle Reise zu gehen. Als Ersatz für sie habe ich die Tochter eines alten Freundes von mir gebeten, diesen Posten zu übernehmen. Sie wird außerdem Severus und euch vier bei euren Forschungen unterstützen." Dumbledore warf noch einen kurzen freundlichen Blick in die Runde und setzte sich dann wieder. Gemurmel hob an und Hermine fing einige Fetzen von den Unterhaltungen auf. Alle freuten sich, daß Harry wieder kam und besonders Fred und George waren begeistert über die neue Kollegin und schon mächtig gespannt, wie sie wohl sein würde.

Doch Hermine war nun klar, warum Severus heute so merkwürdig war.


Irgendwo schlug eine Uhr gerade ein Uhr, als Hermine für einen Moment die Augen schloß und tief Luft holte. Ihre Hand hielt sie zur Faust geballt an die Brust gedrückt. Sie traute sich einfach nicht, an die Tür zu klopfen.

Er war nicht unfreundlich zu ihr gewesen, obwohl er im ersten Moment sehr heftig auf ihr Eindringen in sein Büro reagiert hatte, aber vielleicht war das ja nicht mehr gewesen, als seine typische Professionalität. Vielleicht würde er sie davonjagen, wenn sie jetzt an diese Tür klopfte und tatsächlich das Glück hatte, daß er überhaupt öffnete. Sie würde ihm nie wieder in die Augen sehen können.

Aber würde sie das überhaupt noch können nach diesem Abend?

Immer noch sehr zaghaft streckte sie die Hand aus und klopfte gegen die schwere Tür des Kerkers. Erst sehr leise, doch dann lauter. Sie wartete eine Minute, zwei Minuten, dann faßte sie sich ein Herz und öffnete die Tür zum Labor. Vielleicht war er ja inzwischen in seinem Büro und hatte sie nicht gehört.

Das Labor lag im Dunkeln. Aus der Ecke, in der Severus' Kessel an diesem Tag gestanden hatte, hörte sie ein leises Blubbern und in der Dunkelheit konnte sie die Konturen des schweren Eisenkessels ausmachen, der dort noch immer über einem sehr kleinen, fast schon erloschenen Feuer stand.

Die Tür zu Severus' Labor war diesmal geschlossen, doch durch den Türspalt fiel Licht und Hermine hörte wieder die Musik, melancholisch und düster, aber gleichzeitig wunderschön.

Wieder mußte sie sich einen Moment sammeln, doch dann klopfte sie beherzt an die Tür zu seinem Büro und wenige Sekunden später hörte sie seine Schritte, müde, aber immer noch fest.

Severus öffnete die Tür, schien aber nur für den Bruchteil einer Sekunde überrascht zu sein, daß er Hermine hinter ihr fand. Einen Moment blickten die beiden sich an, Hermine mit ihren besorgten, warmen Augen und Severus mit seinem wie immer eiskalten Blick.

„Das scheint mir zu einer Gewohnheit zu werden, Miss Granger." Hermine widerstand dem Drang, wie früher an diesem Abend beim schneidenden Klang seiner Stimme zusammenzufahren. Doch sie konnte sich einfach immer noch nicht wirklich dagegen wehren, daß ihr alter Lehrer auf sie eine bedrohliche und einschüchternde Wirkung hatte, wenn er es wollte.

„Darf ich reinkommen?" fragte sie und verkniff sich ein Lächeln, als sie den kurzen Moment der Überraschung auf seinen Zügen sah. Severus musterte sie skeptisch, trat dann jedoch einen Schritt zur Seite und ließ sie herein. Er hätte in diesem Moment zu gerne gewußt, warum er das tat, denn er schätzte es eigentlich nicht besonders, fremde Leute in seinen Räumen zu haben, aber trotzdem tat er es. Es war einfach ein Gefühl in ihm, das ihm sagte, daß er es tun sollte.

Hermine betrat das Büro, das sie erst ein einziges Mal gesehen, dessen Anblick ihr aber schon merkwürdig vertraut vorkam. Ein Büro, das so aussah, als könnte es ihr eigenes sein. Voller Wissen und damit voller Macht.

Hermine fühlte sich in diesem Raum merkwürdig wohl, obwohl er von Severus' Kälte und Unpersönlichkeit beherrscht war.

Ihr Blick glitt hinüber zum Kamin, in dem ein Feuer prasselte, und auf dem Tisch neben dem Sessel stand, was sie vermutet hatte. Ein Anflug von Trauer legte sich über ihr Gesicht, doch Severus konnte es nicht sehen, da sie ihm noch immer den Rücken zugewandt hatte. Langsam ging sie hinüber zu seinem Tisch und nahm vorsichtig das Kristallglas mit der grünen Flüssigkeit in die Hand.

Severus ließ sie gewähren, obwohl sein erster Reflex eigentlich gewesen war, ihr das Glas zu entreißen und sie danach wieder aus seinem Büro zu befördern.

„Haben Sie ihn selbst hergestellt?" Severus hob die rechte Augebraue und starrte Hermine an, die noch immer das Glas hielt und an dem giftgrünen Getränk roch.

„Ja." Antwortete er, scheinbar nach einer halben Ewigkeit und endlich drehte Hermine sich zu ihm um. Ihr Anblick ließ ihn unwillkürlich einen Schritt zurücktreten. Er hatte schon viele Gesichter gesehen, die voller Emotionen waren, die er hervorgerufen hatte, aber noch nie hatte er so etwas gesehen, wie jetzt im Gesicht Hermines. Trauer, Sorge, ja, tiefe ehrliche Sorge. Hermine sorgte sich um ihn.

„Absinth." Begann sie mit einer leisen aber festen Stimme zu zitieren, was sie vor wenigen Tagen über dieses Gemisch gelesen hatte. „Likör oder Branntweindestillat aus Wermut mit charakteristischer grüner Farbe. Die ätherischen Öle enthalten als Hauptbestandteil Thujon, das bei chronischem Genuß zu körperlichen und psychischen Schäden führen kann. Im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert war der Absinth in weiten Teilen Europas sehr beliebt, vor allem in Künstlerkreisen. Berühmte Absinthteure waren zum Beispiel Picasso und Van Gogh. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Herstellung und Konsumierung von Absinth in den meisten europäischen Ländern dann verboten.

Es gibt eine Geschichte, daß die Auslöschung einer ganzen Familie durch den vom Absinth abhängigen Familienvater zu diesem Verbot geführt haben soll. Schon vorher waren allerdings Nebenwirkungen, die man Absinthblindheit und Absinthepilepsie nannte, bekannt. Außerdem neigten die regelmäßigen Konsumenten dazu, sich umzubringen." Hermine verstummte und eine ganze Weile blickten sich der verbitterte Lehrer und seine ehemalige Schülerin schweigend an.

„Beeindruckend wie immer, Miss Granger." Sagte er schließlich mit einem kalten, aber nicht unberührten Lächeln auf den Lippen. Er schien nicht zu wissen, wie er das, was gerade geschah, einordnen sollte.

„Ich bin noch nicht fertig." Entgegnete sie und ihre Stimme zitterte inzwischen deutlich. Severus sah sie an und sie hielt seinen Blick fest.

„Der Absinth als alkoholisches Getränk enthält bis zu siebzig Prozent Alkohol, doch seine wahre schädliche Wirkung geht vom Thujon aus. Es gilt als starkes Nervengift, daß epileptische Anfälle hervorrufen kann und bei regelmäßigen, chronischen Konsum..." Hermine hielt inne und Severus sah, wie ihre Augen unstet flackerten.

„...es kann zur Verblödung führen." Beendete Hermine zögernd den Satz. Dieser Teil war mit der schlimmste für sie gewesen. So kalt und grausam er auch war, Severus war ein brillanter Wissenschaftler, ein Genie auf seinem Gebiet und allein die Vorstellung... das war schlicht zu viel für Hermine. Sie schluckte heftig.

„Dem Absinth wird eine stark halluzinogene Wirkung zugesprochen, vor allem in Verbindung mit Laudanum, einer stark opiumhaltigen Substanz, deren Name ‚die Lobenswerte' bedeutet. Von den Konsumenten wurden Wirkungen wie gesteigertes Farbempfinden, tiefe Rauschzustände, Gedächtnisverlust und auch Ich-Entgrenzungen beschrieben." Sie senkte den Blick und Severus wußte, daß sie mit ihrem Vortrag am Ende angelangt war.

Sein Schweigen war schlichtweg zu viel für Hermine. Sie hatte eine andere Reaktion erwartet. Vielleicht wieder das aufgebrachte Schreien vom letzten Mal, zumindest aber doch einen Versuch der Verteidigung. Doch Severus stand nur da, sah sie an, sagte nichts.

„Haben Sie denn gar nichts zu entgegnen?" Hermines Stimme klang jetzt seltsam belegt und deprimiert.

„Was möchten Sie hören, Miss Granger?" fragte er zurück. Hermines Blick schoß nach oben, zurück auf sein Gesicht, ihre Augen funkelten wütend, vielleicht auch ein wenig verzweifelt.

„Zum Beispiel, warum Sie so unglaublich dumm sind, Severus! Warum tun Sie das?" Sie hielt noch immer das Glas mit der grünen Flüssigkeit in der Hand und warf einen verächtlichen Blick darauf. In Severus' Augen blitzte es kurz auf, das Gesicht verhärtete sich.

„Ich glaube nicht, daß ich Ihnen irgendwelche Rechenschaft schuldig bin über das, was ich in meiner Freizeit tue, Miss Granger." Entgegnete er eisig. „Im übrigen war ich davon ausgegangen, daß ich bereits bei Ihrem letzten – Besuch in meinem Büro klargemacht hätte, daß ich Ihre Einmischung in meine Privatangelegenheiten durchaus nicht wünsche!" Hermines Gedanken rasten. Sie überlegte fieberhaft, wie sie ihm klarmachen konnte, daß seine Sturheit – mindestens so schlimm wir ihre eigene – dabei war, ihn in sein Verderben zu stürzen und daß sie wirklich nur hier war, weil sie ihm helfen wollte. Sie konnte nicht behaupten, ihn zu kennen, aber sie kannte ihn doch gut genau, um zu wissen, daß er garantiert nicht auf sie hören würde. Er war zu mißtrauisch, vermutlich auch zu oft verletzt worden.

Hermine starrte auf das halbvolle Glas in ihrer Hand, dann wieder auf das kalte und abweisende Gesicht ihres Kollegen und dann faßte sie einen Entschluß.

Wie in Zeitlupe sah Severus, wie sich der Ausdruck auf Hermines Gesicht veränderte. Ein kurzes Nicken, ein entschlossener Blick in seine Richtung und sie hob das Glas an ihre Lippen. Severus schaltete sofort, doch er schaffte es nicht mehr, die Distanz zwischen ihnen beiden zu überbrücken, bevor Hermine den Inhalt des Glases in einem großen Schluck hinunter gestürzt hatte.

Eine eisige Kälte machte sich in ihm breit, die Dosis war auf alle Fälle viel zu hoch für sie gewesen.

Hermine hatte die bittere Flüssigkeit kaum geschluckt, als sie auch schon der Schwindel ergriff. Sie hatte nicht mit einer so schlagartigen Wirkung gerechnet, doch bevor sie darüber nachdenken konnte, was der Grund dafür sein könnte, hatte sie der wirbelnde Schwindel in ihrem Kopf längst ergriffen und riß sie mit sich hinfort.

Severus konnte sie gerade noch auffangen, als ihre Beine einknickten und so verhindern, daß sie auf dem harten Kerkerboden aufschlug.

Als Hermine Stunden später die Augen wieder öffnete, drehte sich noch immer alles in ihrem Kopf und sie fühlte das Bedürfnis, sich in nächster Sekunde zu übergeben. Rasch schloß sie die Augen wieder und legte sich die Hand auf die Stirn. Ihre Hand war ungewöhnlich kühl.

„Das war äußerst dumm von Ihnen, Miss Granger." Weich und warm wie Samt drang Severus' Stimme an Hermines Ohr, die sich mit einem überraschten Ausruf im Bett aufrichten wollte, doch sie fiel sofort in das große, weiche Kissen zurück, die Übelkeit wurde stärker.

Vorsichtig drehte sie den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und öffnete die Augen ein wenig. Severus saß neben dem Bett, in dem sie lag, in einem großen schwarzen Sessel, ein Buch auf den übereinander geschlagenen Beinen und sah sie mit einem traurigen Lächeln an. Er hatte seinen Umhang abgelegt und auch seine sonst streng zugeknöpfte schwarze viktorianische Robe hing über der Armlehne des Sessels. Noch nie hatte sie ihn nur in seinen schwarzen Hosen und dem weißen Hemd, mit den weiten Ärmeln gesehen. Er wirkte fast menschlich und nicht mehr wie der strenge, eiskalte Professor, der er sonst war.

„Wo bin ich?" fragte sie so leise, daß man sie kaum verstehen konnte. Sie hörte, wie Severus aufstand und zu ihr herüberkam. Wieder wollte sie erschrocken auffahren, als sie seine Hand auf ihrer fühlte, doch er drückte sie mit sanfter Gewalt zurück in die Kissen und löste ihre Hand von ihrer Stirn. Dann legte er ihr ein kaltes, feuchtes Tuch auf die Stirn.

„Am richtigen Ort, Miss Granger. Im Bett eines Dummkopfes, genau da, wo Sie hingehören." Die Wärme in seiner Stimme war so ungewohnt, aber auch angenehm. Hermine fühlte, wie ihre Nervosität und Anspannung von ihr abfiel.

„Wie konnten Sie das nur tun?" zum ersten Mal hörte sie einen Vorwurf aus seiner Stimme heraus. Sie öffnete vorsichtig die Augen und sah ihn an. Severus stellte erstaunt fest, daß er zum ersten Mal sah, welche Farbe ihre Augen hatten, doch er war ihr auch noch nie so nah gekommen, wie in diesem Moment. Nähe zu Schülern und auch zu Kollegen gab es für ihn nicht. Niemals.

„Ich weiß es nicht." Gab sie ganz offen zu, ein verlegenes Leuchten in ihren braunen Augen. „Ich wußte nur, daß ich etwas tun mußte und dann... na ja, dann hab ich eben gedacht, ich trinke es selbst und sehe, wie Sie reagieren." Severus schüttelte den Kopf und blickten für einen Moment auf seine Schuhspitzen.

„Sie wissen alles über Absinth, aber merken nicht, daß Sie in Ihrer Hand ein Glas absolut puren, unverdünnten Absinth halten, Miss Granger. Sie wissen nicht, daß purer Absinth satt grün und klar ist, während der mit Wasser verdünnte eher die Farbe von Jade hat und milchig ist. Sie wissen nicht, daß eine ungeschulte Nase Laudanum nicht bemerkt, Sie trinken es einfach. – Das war die größte Dummheit, die Sie hätten begehen können und ich hoffe, daß Ihnen das zumindest jetzt klar ist." Seine Stimme klang unstet, er schien nicht zu wissen, wie er mit der Situation umgehen sollte.

„Wenn ich dadurch mein Ziel erreicht habe, dann war es der richtige Weg." Antwortete sie und ein leichtes Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen. Severus' Blick schoß nach oben und fixierte die junge Frau in seinem Bett. Sie hatte noch immer einige Schwierigkeiten, ihren Blick ruhig zu halten, noch immer hatte der Schwindel sie fest im Griff, aber sie hielt seinen Blick so gut sie konnte.

„Sie sind einfach unglaublich!" murmelte Severus mit einem Kopfschütteln und ging zu seinem Sessel zurück. „Sie sollten noch etwas schlafen, dann haben Sie das schlimmste bald hinter sich." Hermine schüttelte den Kopf und zuckte leicht zusammen.

„Nein. Ich möchte, daß Sie jetzt mit mir reden. Keine Ausflüchte mehr, Severus." Severus' Blick wurde hart und er schlug das Buch wieder auf, um weiterzulesen.

„Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Miss Granger." Da war sie wieder. Die alte Härte, das gleiche Eis wie sonst. Der Samt war wieder aus der Stimme verschwunden. Hermine seufzte resigniert.

„Das ist nicht wahr und das wissen Sie auch. – Wenn es nichts gäbe, worüber Sie dringend einmal mit jemandem sprechen müßten, dann würden Sie – ausgerechnet Sie – niemals diesen Weg eingeschlagen haben." Doch Severus schwieg. Natürlich wußte er, daß gerade er einen Zuhörer und Freund dringend nötig hatte. Aber er schaffte es ja noch nicht einmal, Dumbledore diese ganze Geschichte zu erzählen, wie sollte er also ausgerechnet Hermine einweihen können? Sie war sogar mit die letzte, die davon erfahren durfte – jetzt wo Harry zurückkam.

Severus hörte, wie hinter ihm etwas mit einem dumpfen Plop auf dem Boden aufkam. Er lächelte und wenige Sekunden später stieß eine kleine Katze ihren Kopf gegen seine Hand, die er neben der Sessellehne herunterhängen ließ. Sanft kraulte er den Kopf des Tieres, doch es verharrte nur kurz bei ihm und wanderte dann hinüber zum Bett. Severus hob überrascht eine Augenbraue.

Die kleine Katze sprang auf das Bett und näherte sich vorsichtig Schritt für Schritt dem Gesicht Hermines. Sie hatte die Augen wieder geschlossen und den Besucher noch nicht bemerkt. Einen Moment zögerte die Katze noch, dann stupste sie sanft mit der Nase gegen Hermines Wange, die überrascht die Augen wieder öffnete und in das silbergraue Gesicht der Katze blickte. Hermine drehte leicht den Kopf, um das Tier genauer sehen zu können.

Eigentlich war die Katze schwarz, nur die Pfoten waren silbergrau und auch das Gesicht hatte eine silbergraue Farbe. Es sah aus wie eine Maske. Hermine kannte diese Zeichnung von einigen Katzenrassen, aber sie hatte es noch nie in dieser Farbkombination gesehen. Ihre Augen waren so grün wie die Harrys.

Vorsichtig hob Hermine ihren Arm und streichelte die Katze, die sofort zu schnurren begann. Hermine lächelte. Es war ein sehr feines Schnurren, wenn sie an das Gebrumme ihres eigenen Katers dachte. Aber Krummbein war gegen diese filigrane Katze auch ein wahrer Koloß.

„Ich wußte nicht, daß Sie eine Katze haben, Severus." Sagte sie mit einem Lächeln, während die kleine Katze sich behaglich neben ihr zusammen rollte. Severus schien noch immer etwas perplex zu sein.

„Das weiß niemand." Antwortete er und Hermine stellte überrascht fest, daß seine Stimme wieder so warm und weich wie vor einigen Minuten war.

„Janus ist eigentlich ein sehr mißtrauisches Tier und zeigt sich nicht, wenn jemand hier unten ist."

„Eigenschaften, die er von seinem Herrn haben muß." Severus lächelte bitter.

„Er war schon so, als ich ihn fand." Hermine strich weiter liebevoll über das weiche Fell.

„Ein Fundkind also. – Wenn Sie mir schon nichts über sich erzählen wollen, dann erzählen Sie mir doch, was Sie über ihn wissen." Hermine hatte das Gefühl, daß Severus sich ein wenig verändert hatte, nachdem sein Kater sich entschlossen hatte, sich Hermine zu zeigen. Nicht nur seine Stimme war wieder angenehm und freundlich, sie sah auch zum ersten Mal wahre Regungen auf seinem Gesicht. Er hatte seine Maske abgelegt, wenn auch vermutlich nicht bewußt.

Und außerdem war es auch für Hermine nichts neues, daß man an viele Leute über ihr Tier leichter heran kam. Severus war zwar jetzt nicht unbedingt wie die meisten Menschen, aber vielleicht traf ja wenigstens das auch auf ihn zu.

„Wenn es Sie glücklich macht. – Ich habe Janus in dem Winter nach Ihrem Schulabschluß gefunden. In London in der Nocturnegasse." Hermine widerstand dem Drang, ihn zu unterbrechen und zu fragen, was er da gewollt hatte. Schließlich traf man gelegentlich auch Hagrid dort an. Manchmal mußte man eben in diese düstere Gasse, um etwas Besonderes zu besorgen.

„Er lag angebunden vor einem der Geschäfte, ein wirklich klägliches Bündel, bereits mehr tot als noch lebendig. – Ich kann nicht sagen warum, aber der kleine Kerl tat mir sehr leid, also bin ich in das Geschäft und habe den Ladenbesitzer nach der Katze vor der Tür befragt. Er erzählte mir, daß er die ‚kleine Mißgeburt' von seiner Kundschaft fernhalten müsse, darum sei sie draußen in der Kälte angebunden." Als das Wort Mißgeburt fiel, sah Hermine Janus überrascht an.

„Ich fragte, was das Problem mit der Katze sei und er erzählte mir von Experimenten, die sein Sohn durchgeführt hatte. Eines davon war Janus. Janus ist – ja, es ist schwer zu beschreiben... Janus ist so eine Art Werkatze." Severus lächelte bei dem Wort und Hermines überraschtem Blick.

„Er verwandelt sich in den drei Tagen um Vollmond herum nachts in eine kleine Fledermaus. – Ich hatte leider keine Gelegenheit, den Sohn des Ladenbesitzers danach zu fragen, was der Sinn der Erschaffung eines solchen Geschöpfes war, aber ich wußte, daß ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas Gutes tun konnte. Also habe ich Janus gekauft und mit nach Hogwarts genommen.

Es hat eine Weile gedauert, bis er Vertrauen zu mir gefaßt hat. Aber irgendwann hat er dann doch bemerkt, daß wir beide uns sehr ähnlich waren." Ein fast liebevoller Blick ruhte auf der kleine Katze, die neben Hermine eingeschlafen war und auch Hermine lächelte, als sie Severus ansah. Was sie die ganze Zeit über schon vermutet hatte, bestätigte sich ihr nun endlich. Severus Snape war genauso ein Mensch, wie die anderen Menschen auch. Er empfand Gefühle der Liebe und Zuneigung. Aber es hatte etwas in seinem Leben gegeben, daß ihn veranlaßt hatte, diese Gefühle zu verbannen und sich selbst den Anschein eines Unmenschen zu geben. Nichtsdestotrotz war noch alles da und mußte nur wieder ausgegraben und ans Licht gebracht werden.

„Janus ist nun fast vier Jahre bei mir und obwohl ich hin und wieder Besuch hier unten empfange, ist es noch nie vorgekommen, daß er sich freiwillig gezeigt hat, geschweige denn, daß er zu einem anderen Menschen als mir so viel Vertrauen hatte, sich ihm zu nähern und sich von ihm berühren zu lassen." Hermine hörte die Überraschung in seiner Stimme.

„Katzen spüren instinktiv, wenn man ihnen nichts böses will." Sagte sie leise und zog die Decke ein wenig weiter über ihre Schultern, ohne Janus in seinem Schlaf zu stören. „Das haben sie den Menschen voraus." Sie schloß die Augen und wenigen Minuten später war auch sie wieder eingeschlafen.

Severus blickte die beiden noch lange an. Konnte es wirklich sein, daß Janus ihm ein Zeichen geben wollte? Er hielt den Kater zweifellos für klug, aber war er wirklich so klug oder war er einfach nur ein Tier, wie er bisher immer gedacht hatte? Aber Hermine hatte recht. Die Instinkte eines Tieres waren besser als die Menschenkenntnis der meisten Menschen. Vielleicht auch besser als seine.

Die Sonne stand an diesem Sonntagmorgen schon sehr hoch am Himmel, als Hermine wieder erwachte und sich immer noch in Severus' Bett wiederfand. Janus lag noch immer neben ihr und schlief. So vorsichtig wie möglich schlug Hermine die Decke zurück und stand auf.

Das Schwindelgefühl war verschwunden und auch die Übelkeit war nicht mehr zu spüren.

Severus war nicht mehr in seinem Schlafzimmer. Hermine zog ihre Schuhe an und griff nach ihrem dunkelblauen Umhang, der über dem Kopfteil des großen Himmelbettes hing. Sie versuchte, ihre wirren Locken zu ordnen und ging in Severus' Büro.

Der Zaubertrankmeister stand an seinen Schreibtisch gelehnt und hielt die Flasche mit dem Absinth in der Hand. Hermine hob skeptisch die Augenbraue, doch irgendwie glaubte sie nicht wirklich, daß er wieder davon getrunken hatte.

„Er hat noch nie gewirkt." Hermine hatte geglaubt, daß er sie nicht bemerkt hatte, doch sie wußte, daß er seine Worte an sie richtete.

„Ich habe ihm damals als Junge, als ich ihn das erste Mal trank, die Aufgabe gestellt, mich vergessen zu lassen. Aber er hat es nie geschafft. Ich habe nie vergessen, nicht eine Sekunde, bis zum heutigen Tag. Ich habe es immer wieder versucht, mußte es immer wieder versuchen. Manchmal über Monate nicht, manchmal ein ganzes Jahr nicht, aber irgendwann kam der Drang doch immer wieder zurück und ich mußte es versuchen." Er blickte auf und wenn Hermine nicht gewußt hätte, daß es Blödsinn war, hätte sie geglaubt, Tränen in seinen Augen zu sehen.

„Nehmen Sie ihn mit, Hermine." Er hielt ihr die Flasche entgegen und Hermine kam zögerlich zu ihm hinüber, nahm die Flasche entgegen.

„Severus, ich bin da, wenn Sie..." er schüttelte den Kopf und sah Hermine mit eindeutig traurigen Augen an.

„Ich weiß. – Aber Sie können nichts weiter für mich tun. Nehmen Sie das Zeug mit, damit helfen Sie mir schon sehr." Er lächelte und ein bitterer Zug lag um seinen Mund. „Sie haben mir schon so viel damit geholfen, daß Sie überhaupt Interesse an mir gezeigt haben. – Und jetzt gehen Sie besser, man wird Sie sicher schon vermissen." Hermine nickte, drückte die Flasche an sich und ging langsam auf die Tür seines Büros zu.

Bevor sie die Tür hinter sich schloß, warf sie noch einmal einen Blick auf den einsamen Mann am Schreibtisch und sie wußte, er hatte ihr gerade eine Seite von sich gezeigt, die noch nie jemand so gesehen hatte. Und er hatte es getan, weil er es wollte. Sie lächelte und zog die Tür ins Schloß.

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Author's Note:

Okay, ich denke, die wird lang, aber ist ja nicht das erste Mal *g* Okay, zwei Sachen wollte ich jetzt zu diesem Kapitel noch erklären, weil da eventuell Fragen aufkommen könnten:

- Aidan zaubert in den Schulferien zu Hause. Sie ist schon 17 und damit volljährig. Ich hatte es nicht im Text erwähnt, darum sage ich es jetzt ;o)

- Heutiger Absinth ist selbstverständlich harmlos, wenn man mal davon absieht, daß er so hochprozentig ist. Bei Severus' Gemisch handelt es sich allerdings um das Originalgebräu nach einem sehr alten Rezept *lol* - Wenn dann richtig.

Gut, dann bitte ich nochmal um Entschuldigung, daß ich noch zwei OCs eingebaut hab. Ich hatte Aidan ganz vergessen, dabei ist sie zum Ende hin gar nicht so unwichtig wie in der ersten Hälfte der Geschichte *schäm* (Aislin tanzt ganz am Rand rum *g*)
Darüber hinaus ist mir auch aufgefallen, daß mir die Geschichte bei weitem nicht mehr so gut gefällt wir in der Zeit, in der ich sie geschrieben hab. Ich werde in Zukunft wohl so weit wie möglich die Finger von OCs lassen, ich tendiere dazu, sie hinterher nicht mehr zu mögen *g*

Egal, vielleicht mögen ja ein paar von euch die ganzen Weiber ;o)

Tinuviel: Dazu sind Prologe schließlich da *fg*
Ich hatte Fred und George gewählt, weil sie genial sind. Ich hatte mir die Sache so vorgestellt, daß Sev ein paar Leute braucht, die nicht nur ernst sind (wie Percy) oder absolut alles drauf haben (wie Hermine), sondern eben auch unheimlich kreativ sind und mehrdimensionaler denken als andere Leute. In das Muster haben eigentlich nur die Zwillinge gepaßt. Gut, daß er mit den zwei nicht glücklich ist, ist ja deutlich geworden oder? *hähä* (außerdem sagte ich doch, ich war nicht wirklich nett zu Sev, irgendwie muß man ihn ja quälen, wenn schon mit Tod und Verwüstung ^_^)
Prolog, 14 Kapitel, Epilog, insgesammt knapp 200 Seiten. Und ja, die beiden werden ein Paar, das wird aber nur am Rand erzählt, weil ich nicht noch einen Erzählstrang aufnehmen wollte (ich hab so schon teilweise die Übersicht verloren *g*)
Nochmal zu den Rosen. Also sie stehen natürlich nicht da, wo sie jeder begaffen kann. Das ist wohl in der Hektik unter gegangen, mit der ich das Ende vom Giftmischer geschrieben hab (mal wieder, die Revision ist dringend nötig). Die Rosen stehen ganz oben auf einem Regel, darum kann Harry auch nicht lesen, was auf dem Sockel steht. Und außer ihm wäre wohl auch keiner so dreist, mehr Aufmerksamkeit auf die Regale als auf Sev zu lenken, wenn er von ihm eine Strafpredigt kriegt *g*
Ich hoffe mal, du hattest einen schönen Urlaub!!

cat-68: Was tut man nicht alles, um zu vergessen *g*. Sev mischt sich einen Cocktail und ich eß Schokolade und geh aus dem Leim *seufz*. Ich hätte wohl auch angefangen zu weinen, aber ich glaube, unsere Hermine nicht. Bevor die vor Severus anfängt zu weinen, geht die Welt unter und hinterher war sie zu beschäftigt ;o) Wissenschaftler halt.

Leu de Nox: Jaaa, auf den Sarkasmus war ich ganz stolz. Komischer Weise konnte ich den aber nicht beibehalten, obwohl ich selbst furchtbar sarkastisch bin. Ich glaub aber, hin und wieder blitzt er noch auf.
Wenn Fred nicht gewesen wäre, wäre es bestimmt eine Hermine/Sev Story geworden. Aber eigentlich bin ich mit der platonischen Beziehung auch ganz glücklich oder?
Das Ende? Das wird nett *hähä*

DinoGirl: Schön! Je mehr es euch gefällt umso mehr kann ich mich auch wieder mit dieser Geschichte anfreunden *g* Wie kommt es eigentlich, daß einem die eigenen Sachen mit einem Mal dann doch nicht mehr gefallen, obwohl man erst gedacht hat, daß es gar nicht so schlecht geworden ist? Seltsam...
Wie schon zu Tinuviel: Fred und George sind schlicht und ergreifend genial. Nicht die besten Noten, aber die besten Einfälle. Buch 5 hat das ja auch bewiesen und ich bin froh, daß mein Riecher richtig war *g*
Ach ja, die Kapitel bleiben übrigens so lang bzw. sind teilweise noch länger ;o)

Kiki: Meine allerliebste, süße Kiki, natürlich hast du auch eine Menge Talent. Ist doch gut, daß nicht jeder so schreiben kann, wie ich, das wär auf die Dauer voll langweilig, null Abwechslung *ggg* Ich mag deine Geschichten und ich denke, du bist sehr talentiert. So. ^_^

Java: *lol* Mir gefällt sie langsam immer weniger, dir immer besser... das nennt sich Schlagabtausch *g* Bei Cho sind wir uns wohl doch irgendwie ziemlich einig. Aber wie gesagt, erst am Ende. In Kapitel 7 gibt's nen Brief von ihr, mehr aber auch nicht ;o)

little-lotte: Wow, was ein Ding!! Mir sind ja fast die Augen rausgefallen *g*. Ich denke, du hast den neuen Zusatz über dem Kapitel bemerkt? Ich dachte, ich sag es mal, weil einige Teile deines Reviews sich auf HP5 bezogen haben. Ich konnte das Buch allerdings nicht mit einbeziehen, weil ich diese Geschichte im letzten Februar angefangen und am 19.06. beendet hab (gut getimet *g*)
Im Nachhhinein betrachtet hast du demnach natürlich recht, das war definitiv keine der persönlicheren Begegnungen mit ihm, wenn man HP5 betrachtet, aber in meiner Timeline gibt es diese ganzen Occlumency-Stunden nicht. Eine Revision der Geschichte wäre wohl auch ziemlich aufwendig, darum lasse ich sie so, wie sie ist. Slightly Alternate Universe ;o)
Was Harrys Kindheit bei den Dursleys angeht, wird Severus noch sehr genau erfahren, was seinem Kleinen da alles passiert ist, aber das wird eine eigene Story werden. In dieser Story wird nur darauf angespielt, daß er weiß, daß bei ihnen vieles sehr schlimm für Harry war (bin ich jetzt gemein? *dumdidum*). Mal gucken, vielleicht kommt das im Anschluß raus, je nachdem wie meine Zeit zum Schreiben aussieht.
Die Sache mit Sesha geht ziemlich langsam voran, vor allem, weil Sev ja gar nicht will. Kiki hat mir zugestimmt, daß Sev eine totale Zicke ist, sogar wenn man über ihn schreibt. Er wehrt sich ständig *lol*
Sev hat mit dem Absinth ja in seinem 3. Schuljahr zum ersten Mal Bekanntschaft geschlossen und seit Lilys Tod hat es dann immer mal wieder Situationen gegeben, in denen er zu Absinth und dann auch zum Laudanum gegriffen hat. Aber nichts, was schon in Richtung Abhängigkeit geht, keine Sorge.. einfach nur eine gelegentliche Flucht, die nie geklappt hat.
Oh je, meine kitschigen Titel... Titel sind was ganz böses *g*. Im Prinzip bedeutet "Verzauberte Schlange" - Zeichen der Zeit nichts anderes als "Sesha Shantay". Sesha ist eine indische Schlange, die als Symbol für die Zeit gesehen wird, Shantay heißt verzaubert. Ich hab ziemlich lange nach einem Titel gesucht und irgendwann dachte ich mir dann, nimm den, der klingt so richtig schön "sappy"... ich übe noch, eines Tages kriege ich vernünftige Titel hin ;o)
Mach nur, ich liebe diese langen Reviews und freu mich wie ein Keks drüber ;o)
Deine Bilanz zum Giftmischer macht mich so richtig, richtig stolz *strahl*. Es klingt nicht albern, sondern geht richtig schön runter wie Öl.

So, ich hoffe, ich hab nicht wieder die Hälfte vergessen... ach ja, wenn ich eine von euren Fragen übersehe, macht mich einfach nochmal drauf aufmerksam. Ich bin und bleibe ein Rabenhirn, das ist mein Schicksal ;o)

Ich glaub, das war aber auch (Gott sei Dank) jetzt alles, was ich zu sagen hab *hihi*

bis demnächst

SilentRose