Kapitel 5:
Was vom Herzen übrig blieb
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Severus hatte noch immer das Gefühl, daß er im nächsten Moment mit einem Wutschrei an die Decke gehen würde oder – und das gefiel ihm im Augenblick eindeutig besser – gleich aufspringen und zu den Privaträumen Harrys stürmen würde, um ihm dort ganz gepflegt den Hals umzudrehen.
So viel Dummheit! So unüberlegt, viel zu spontan!
Mit einem lauten Fluchen warf Severus die Adlerfeder in seiner Hand auf den Tisch, feine Tintenspritzer verteilten sich auf seinen ausgebreiteten Notizen. Nervös fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und stand auf.
Dieser Junge! Er hatte es gleich gewußt, er hätte Albus von seiner Idee abbringen sollen. Herrgott, dann hätte er ihm eben endlich die ganze Geschichte erzählt! Vermutlich wäre Albus nicht einmal besonders überrascht, geschweige denn geschockt gewesen. Und er wäre jetzt nicht in der mißlichen Lage, die Hälfte des Tages mit seinen Gedanken bei Harry zu sein, ohne eine Chance, sich noch vernünftig auf die wichtigeren Dinge konzentrieren zu können.
Er hörte ein leises Klopfen an seiner Bürotür und wirbelte erschrocken herum. Sein Blick verfinsterte sich noch ein wenig mehr.
„Ähm, Sir..." Die eisige, unbewegte Maske war über Severus' Züge geglitten.
„Was kann ich für Sie tun, Miss Shantay?" Er runzelte ein wenig verwundert dir Stirn, als ihm scheinbar etwas einfiel. „Was tun Sie überhaupt hier? Warum sind Sie nicht mit den anderen in Hogsmeade?" Sesha lächelte schüchtern und trat zaghaft einen Schritt in sein Büro hinein. Sie schien nicht so recht zu wissen, ob sie es tun durfte oder nicht und Severus war irgendwie schon ein wenig überrascht darüber, wenn er an ihren letzten Auftritt in seinem Büro dachte. Mit einer knappen Bewegung wies er auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und setzte sich.
Sesha folgte der Handbewegung und nahm Platz.
„Sir, ich..." Wie automatisch griffen ihre Finger nach dem Saum ihres Umhanges und nestelten nervös an der Naht herum. Obwohl ihm diese Bewegung nicht entging, verlor Severus fast augenblicklich die Geduld. Heute nicht! Heute war er nicht dazu aufgelegt, mit ihr eines ihrer Spielchen zu spielen.
„Miss Shantay, wären Sie bitte so freundlich, mir Ihr Anliegen mitzuteilen? Auch ein widerwärtiges Ekel hat nicht den ganzen Tag Zeit." Sesha zuckte zusammen und blickte schuldbewußt zu Boden.
„Bitte verzeihen Sie, daß ich das gesagt habe, Sir. – Ich... ich war nur so aufgebracht und verletzt, weil Sie mich zurückgewiesen haben. Ich hatte kein Recht, so mit Ihnen zu sprechen. Bitte vergeben Sie mir!" Severus lehnte sich in seinem Sessel zurück und ließ Sesha nicht einen Moment aus den Augen. Irgend etwas an dieser Szene gefiel ihm so gar nicht. Gegen eine Entschuldigung hatte er nichts einzuwenden, damit lag man selten verkehrt, aber das hier... das war keine Entschuldigung. In seinen Augen war es Unterwürfigkeit und das war wohl mit das letzte, was er von seiner Assistentin oder von sonst irgendwem erwartete. - Nicht einmal von seinen Schülern.
„Sesha, schauen Sie mich an." Seine Stimme war so sanft und warm, daß Sesha sich unwillkürlich verkrampfte. Es schien fast, als würde sie in Deckung gehen und darauf warten, daß gleich das Donnerwetter über sie hereinbrach. Doch sie zwang sich, den Kopf zu heben und Severus in die Augen zu schauen. Und was sie sah, überraschte sie doch. In dem scheinbar so unbewegten Gesicht ihres Chefs strahlte eine Wärme, die sie nach den letzten Wochen mit ihm sicherlich nicht von ihm erwartet hatte.
„Sie haben Angst vor mir, Sesha, ich kann es genau in diesem Moment in Ihren Augen sehen, und ich möchte gerne wissen, warum." Sesha schluckte.
„Ich hätte das nicht sagen dürfen. Es war unhöflich und ich hatte nicht das Recht..." Severus hob leicht die Hand und Sesha verstummte augenblicklich.
„Sesha, Sie haben mich ein widerwärtiges Ekel genannt, weil ich eins war. Ich weiß sehr gut, daß ich Sie nicht gerade wie eine Tochter behandle und ich kann Ihnen versichern, das wird auch sicher nie so sein. Sicher haben Sie recht, wenn Sie sagen, daß es unhöflich war, aber ich widerspreche Ihnen, wenn Sie sagen, Sie hätten kein Recht gehabt, das zu sagen. Sie haben immer das Recht, mir die Meinung zu sagen." Seshas Augen weiteten sich ein wenig und er sah, wie ihre Unterlippe zu zittern begann. Sie würde doch nicht gleich losheulen?!
„Ich erwarte sogar von Ihnen, daß Sie mir Ihre Meinung mitteilen, wenn es etwas gibt, das Sie loswerden möchten." Auch ihre Hand zitterte, als sie eine lange dunkle Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich.
„Aber... das geht doch... ich meine, das kann ich doch nicht... Sir..." Sie sah, wie seine Augen ungeduldig aufblitzten und verstummte augenblicklich.
„Das geht und ich denke, Sie werden sehr bald gut damit zurechtkommen. Ich brauche selbstbewußte Mitarbeiter, die ihre Meinung und auch ihren Unmut offen mitteilen. Sie haben einen sehr guten Anfang gemacht, behalten Sie es einfach so bei."
„Sie verlangen viel." Noch nie in seinem ganzen Leben hatte Severus einem Menschen, mit dem er jeden Tag zusammen arbeiten mußte, einen solchen Freibrief erteilt, aber er wußte doch, daß er, wenn er es getan hätte, mit Sicherheit nicht diese Antwort erhalten hätte.
„Nicht mehr, als auch von mir selbst." Entgegnete er kühl, doch sein Blick verriet, daß er sich noch immer sorgte, diese Sorge von Minute zu Minute größer wurde. Er räusperte sich leise und drehte nervös den Kopf weg.
„Wenn das alles war, Miss Shantay, dann können Sie gehen. Ich habe noch eine Menge zu tun." Keine Zuneigung! Er fühlte nur allzu deutlich, daß seine Sorge um die junge Frau etwas andeutete, das er sich schon vor Jahren verboten hatte. Sympathie und Zuneigung. Beides war gefährlich und machte ihn verletzbar. Beides durfte nie wieder sein.
Doch irgend etwas war an Sesha, was es für ihn einfach unmöglich machte, ihr mit totalem Desinteresse zu begegnen. Er spürte die Finsternis, die scheinbar genauso ein Teil von ihr wie von ihm war und er fühlte, daß diese Gemeinsamkeit etwas war, auf dem man aufbauen konnte. – Doch er wollte es nicht!
„Hätten... hätten Sie etwas dagegen, wenn ich noch ein wenig hierbleibe? Ich wollte den heutigen Nachmittag gerne nutzen, meine Versäumnisse der letzten Wochen aufzuarbeiten." Sesha sah, daß er nicht wirklich begeistert darüber war, daß sie noch länger in seiner Nähe bleiben wollte, aber dennoch nickte er knapp. Sie atmete auf. So beklemmend seine Gegenwart manchmal für sie war, sie beruhigte sie gleichzeitig. Sie fühlte sich in seiner Nähe sicher, wenn sie auch nicht wirklich wußte, warum eigentlich.
Durch die geöffnete Bürotür konnte Severus Sesha bei jeder ihrer Bewegungen beobachten und so sehr er sich auch bemühte, es nicht zu tun, er erwischte sich immer wieder dabei, wie sein Blick sich von den Büchern und Pergamenten vor ihm löste und Sesha suchte. Auch seine Gedanken waren nicht wirklich dort, wo sie gerade sein sollten. Immer wieder drängelnde sich die kleine nervende Frage nach dem Grund für Seshas merkwürdiges Verhalten in den Vordergrund.
Was hatte es zu bedeuten, daß sie einerseits so stark und selbstbewußt auftrat und sich sogar traute, jemandem wie ihm Dinge an den Kopf zu werfen, die selbst Albus Dumbledore für sich behielt, wenn sie ihm in den Sinn traten, dann aber andererseits nach Wochen in eine Unterwürfigkeit und Angst zusammenfiel, die er nur von Frauen kannte, die das Pech hatten, Männer wie Lucius Malfoy zu heiraten?
Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Das hatte ihn nicht zu interessieren! Er konnte seine Zeit nicht mit Sesha verschwenden.
Langsam ließ er die Adlerfeder in seiner Hand sinken und schraubte dann fast abwesend das Tintenglas zu.
Sesha hörte, wie Severus den großen schweren Holzstuhl, auf dem er saß, nach hinten schob und aufstand. Nur Augenblicke später kam er durch die Tür ins Labor und warf sich im Gehen seinen Umhang über.
„Miss Shantay, ich werde für einige Stunden nicht hier sein. Ich gehe davon aus, daß Sie alt genug sind, alleine hier zu bleiben?" Sesha kniff unwillkürlich die Lippen zusammen und blickte unter sich. Sie wollte nicht schon wieder etwas sagen, für das sie sich später entschuldigen mußte, auch wenn der Drang mal wieder da war.
Mal wieder ein Stimmungsumschwung, ging es ihr durch den Kopf und sie lächelte ein wenig bitter. Noch vor zwei Stunden war sie nicht mehr als ein Häufchen Elend gewesen und jetzt schon kehrte der Mut wieder zu ihr zurück. Sie wurde besser. Vielleicht stimmte die Sache mit der Zeit und den Wunden ja doch.
„Sicher, Sir." Antwortete sie nach einer scheinbaren Ewigkeit knapp und wandte sich ihrem Kessel zu, ohne ihn noch einmal anzusehen.
Erst als die schwere Tür zum Klassenzimmer hinter Severus zufiel, wandte Sesha ihren Blick in die Richtung, in
die er verschwunden war. Sie wußte nicht wirklich, was sie mit all den Gefühlen in sich anfangen sollte. Es war eine so wirre und verrückte Mischung aus Zuneigung und gleichzeitiger Abneigung, daß sie schon nicht mehr wußte, welches Gefühl überwog.
Es dämmerte schon, als Severus das Schloß verließ und sich auf den Weg in Richtung Hogsmeade machte. Er verstand diesen plötzlichen Drang zwar nicht, aber alles in ihm zog es genau in diesem Moment zu Hermine. Er mußte mit ihr reden, sie war genau die richtige, um herausfinden, was Sesha so verschüchterte.
Severus Lippen verzogen sich zu einem kaum sichtbaren Lächeln. Großartig. Jetzt war er schon auf der Suche nach seiner kleinen Hermine, seiner Zuhörerin. Der Retterin seines Seelenlebens. Es war so lächerlich!
Und trotzdem konnte er sich gegen diesen Drang und gegen das Gefühl, daß es absolut richtig war, sie zu suchen, weil er reden wollte, nicht wehren.
Für einen ganz gewöhnlichen zweiten September war in Hogsmeade die Hölle los. Genau einer jener Tage, an denen ein Severus Snape sich nicht freiwillig in das Zaubererdorf begab, aber nun war er da und nun würde er auch tun, weswegen er gekommen war. Zielstrebig steuerte er auf den „Drei Besen" zu. Da Hermine und die anderen schon ein Weilchen unterwegs waren, waren sie inzwischen sicher zum gemütlichen Teil des Tages übergegangen.
Auch der Pub des Zaubererdorfes war zum Bersten gefüllt, doch die Blicke von Severus und Harry trafen sich fast augenblicklich, als Severus den verrauchten Hauptraum des Lokals betrat. Ganz automatisch zog ein kaltes Grinsen über sein Gesicht und obwohl Harry es zu verstecken versuchte, konnte Severus nur zu genau sehen, daß es dem jungen Mann mehr als unangenehm war, an diesem Tag noch einmal mit ihm zusammen zu treffen.
Hermine folgte Harrys Blick, doch anders als Harry lächelte sie, als sie Severus sah und hob die Hand.
Nur knapp widerstand er dem Drang, die Begrüßung zu erwidern und ließ den schon halb erhobenen Arm wieder sinken. Mit einer kurzen Kopfbewegung deutete er Hermine an, daß er sie draußen sprechen wollte. Hermine nickte, sagte kurz etwas zu ihren Begleitern und stand dann auf, um seiner Aufforderung zu folgen.
Severus atmete die kühlere Abendluft tief ein, als sich die Lokaltür hinter ihm schloß.
„Was ist los?" fragte Hermine, als sie zu ihm stieß. „Ich dachte, Sie wollten uns nicht hierher begleiten, ist etwas passiert?" Im ersten Moment glaubte sie, der Zaubertränkemeister habe ihr gar nicht zugehört. Vollkommen abwesend blickte er in den Himmel, der sich langsam tief dunkelblau verfärbte, und zeigte keinerlei Reaktion. Hermine stellte sich neben ihn und folgte seinem Blick, der auf die ersten hell leuchtenden Sterne am Himmel gerichtet war.
„Ich mache mir Sorgen um jemanden." Seine weiche Stimme durchschnitt die vollkommene Stille um sie herum so plötzlich, daß Hermine erschrocken zusammen zuckte. Mit einem überraschten und zugleich ungläubigen Lächeln auf den Lippen, sah sie Severus an.
„Und um wen?" Severus seufzte und strich sich die Haare aus der Stirn.
„Tun Sie doch nicht so, als ob Sie es nicht wüßten, Hermine. – Sie haben es doch von Anfang an gewußt." Hermines Lächeln wurde ein wenig breiter.
„Es geht also um Sesha. – Gut, was ist mit ihr? Haben Sie beide sich etwa schon wieder gestritten?"
„Ich glaube, das wäre mir lieber gewesen." Entgegnete Severus geheimnisvoll und machte Hermine erst so richtig neugierig.
„Was macht sie bloß so lange mit diesem Typ da draußen?" knurrte Harry und blickte schon zum hundertsten Mal seit Hermine mit Severus den Drei Besen verlassen hatte, auf seine Armbanduhr. Sie waren jetzt schon eine halbe Stunde weg. Was konnte man ausgerechnet mit Severus Snape so lange besprechen? Gut, Snape konnte jemanden ohne jedes Problem eine halbe Stunde lang beleidigen, aber dafür war er sicher nicht extra nach Hogsmeade gekommen.
„Er wird schon einen wichtigen Grund haben." Entgegnete Fred und nahm einen großen Schluck von seinem Butterbier. „Severus wäre sonst niemals hergekommen." Beim Klang des Vornamens des verhaßten Zaubertränkemeisters, verzog Harry das Gesicht. Auch nach all den Wochen, die er nun wieder in Hogwarts war, hatte er sich noch immer nicht daran gewöhnt, daß seine Freunde von damals den alten Feind jetzt so selbstverständlich als ihren Partner betrachteten und sogar gerne mit ihm zusammen arbeiteten. Zumindest von Fred und George hatte er – wenn Harry ehrlich sein sollte – erwartet, daß sie sich über Snape und seine unfreundliche, humorlose Art beschweren würden. Aber nichts dergleichen geschah. Sie schienen ihn sogar zu schätzen und Harry hatte nicht zum ersten Mal das Gefühl, daß er scheinbar der einzige war, der in dieser Schule noch bei klarem Verstand war.
„Ich sehe die beiden nicht gerne zusammen. Ich habe immer ein sehr ungutes Gefühl dabei." Fred verschluckte sich fast an seinem Bier und prustete los.
„Was glaubst du denn, was zwischen den beiden abläuft, Harry?!" Harry warf seinem alten Freund einen vernichtenden Blick zu, doch auch das hielt Fred nicht davon ab, weiter zu lachen.
„George, hast du das gehört?" er stieß seinen Bruder an, der sich gerade mit Percy über irgend etwas anderes unterhalten hatte. „Weißt du, was unser kleiner Harry hier glaubt? Severus und Hermine sind ein kleines Liebespaar." Fred bekam sich kaum noch ein vor Lachen und auch über das Gesicht von George zog ein belustigtes Grinsen. Sofort schoß Harry die Schamesröte ins Gesicht. Jetzt mußte Snape noch nicht einmal mehr dabei sein, damit er sich wegen ihm lächerlich vorkam. Das war ja wirklich großartig!
„Also, wenn du mich fragst, Harry, dann hat unser guter Giftmischer eher ein Auge auf Sesha geworfen. Mir ist aufgefallen, daß er sie in der letzten Zeit öfter mal beim Essen oder im Labor beobachtet. Sie merkt das natürlich nicht, aber ich hab Adleraugen." George zwinkerte Harry zu, doch seine Worte hatten bei weitem nicht die erhoffte Wirkung auf den Freund. Schlagartig war Harry blaß geworden und in seinen Augen leuchtete die blanke Eifersucht.
„Harry? Hab ich jetzt was falsches gesagt?" fragte George, ein wenig besorgt über Harrys schlagartige Veränderung. Doch Harry schüttelte den Kopf.
„Schon gut, George, alles in Ordnung." Doch Harry konnte nicht wirklich behaupten, daß alles in Ordnung war. Denn plötzlich kannte er den Grund für Seshas Kälte ihm gegenüber und wußte auch, weshalb es Snape so gefreut hatte, als er sie beide früher am heutigen Tag beobachtet hatte. Er hatte seine Finger längst nach der jungen Frau ausgestreckt und auch wenn es Harry vollkommen schleierhaft war, wie er es geschafft hatte, er hatte sie scheinbar für sich gewinnen können.
Er kochte vor Zorn.
„Und Sie möchten jetzt, daß ich mal ein bißchen bohre und herausfinde, warum Sesha scheinbar ein Problem damit hat, ihre Meinung zu sagen und zu vertreten. – Severus, für mich sieht das ziemlich eindeutig aus, für Sie etwa nicht?" Severus lächelte und stieß einen kleinen Stein vor seinen Füßen weg. Manchmal, wenn er seine kurzen Momente hatte, in denen er sich ihr ungezwungen zeigte, war er Hermine sogar sehr sympathisch. Das hier war mal wieder einer davon. Wenn sie nur nicht so selten vorkommen würden...
„Wie würde Ihr Freund Potter jetzt sagen? So wenig Erfahrung, wie ich auf diesem Gebiet habe... Ich maße mir da kein Urteil an, Hermine, auch wenn ich natürlich einen Verdacht habe." Einen Moment herrschte ein sehr angenehmes Schweigen zwischen ihnen beiden. Severus mußte zugeben, daß er sich jetzt, da er mit Hermine über die ganze Sache gesprochen hatte, irgendwie wirklich besser fühlte. Es war ein leichtes, befreites Gefühl, denn er trug die Sorge nicht mehr allein, ein Teil davon war von seinen Schultern genommen.
Ganz zu schweigen von dem Gefühl, daß Hermine ihn verstand. Severus wußte schon gar nicht mehr, wann er sich das letzte Mal verstanden gefühlt hatte. Und das sogar, ohne daß er große Worte machen mußte. Hermine verstand auch Andeutungen und halbherzige Aussagen so perfekt wie einen ganzen Vortrag.
„Wissen Sie, Severus, ich glaube, daß Harry da sehr Unrecht hat. Sie wissen sehr gut, was Gefühle und vor allem Liebe bedeuten. Sie verstecken es nur." Severus Kopf schoß herum und Hermine hätte schwören können, wäre er in diesem Moment nicht so vollkommen überrascht gewesen, er hätte sie zur Schnecke gemacht. Doch er sagte nichts, starrte sie nur vollkommen entgeistert an und schien nach den richtigen Worten zu suchen, sie aber nicht zu finden...
„Ich kann Ihnen versichern, daß Mr. Potter in dem Punkt ausnahmsweise recht hat, Hermine." Brachte er schließlich wenig überzeugend heraus, was ihm auch mehr als bewußt schien. Hermine antwortete mit einem schlichten Lächeln, sagte aber nichts mehr weiter. Es war auch nicht nötig. Sie wußte, daß sie recht hatte und sie war sich sicher, daß auch Severus sich bewußt darüber war, daß solch eine lahme Aussage sie nicht von diesem Wissen abbringen konnte.
„Gut, ich werde versuchen, mehr aus Sesha rauszukriegen. Ich wollte sie ja ohnehin ein bißchen über ihre Vergangenheit ausquetschen." Sie zwinkerte ihm fröhlich zu.
„Danke. Ich werde mich dann auf den Rückweg zum Schloß machen." Severus fühlte sich wie ein tollpatschiger, kleiner Idiot und war sich sicher, daß er auch wie einer klang, aber Hermine hatte ihn verunsichert. Sie schien sich so sicher über etwas zu sein, auf das noch nicht einmal er, der es am besten wissen mußte, schwören würde.
So war es auch fast eine Flucht, als er sich von Hermine wegdrehte und wie immer mit schnellem Schritt auf das Schloß zuging. Wie viel wußte Hermine wirklich und wie viel ahnte sie nur? Und war ihr Wissen nun gut oder schlecht?
Manchmal hatte er das Gefühl, daß es keine gute Idee gewesen war, Lehrer in Hogwarts zu werden. Sicher, die ersten zehn Jahre war alles sehr gut gelaufen. Er hatte unterrichtet, war seinen Schülern gegenüber grausam und kalt gewesen, um ihnen zu zeigen, wie die Realität wirklich war, und niemals hatte es etwas gegeben, was ihn aus dem Konzept gebracht hatte.
Doch dann war Harry Potter nach Hogwarts gekommen und alles war von Jahr zu Jahr schlechter und schwieriger für ihn geworden. Jede Fassade, bis dahin ein tröstender Schutz, war seither eine Qual und Severus wußte nicht, wie lange er diese Qual noch ertragen würde.
Er war weich geworden und es war ein Zustand, der absolut verachtenswert war. Doch seit Harry in sein Leben zurück gekehrt war, ging wie von Geisterhand plötzlich wieder von neuem alles schief. Erst Hermine, die eine seiner unangenehmsten Seiten aufdeckte und zu der er sich seitdem wie magisch hingezogen fühlte, gerade so, als würde ihm ihr Angebot, immer für ihn da zu sein, wenn er reden mußte, in irgendeiner Weise helfen! Und natürlich Sesha, die ihn, ohne daß er es in den letzten Wochen bemerkt hatte, doch viel mehr berührte, als es gut für ihn war.
Er hatte Gefühle für die junge Frau und auch, wenn es noch nichts von der halsbrecherischen Intensität von damals hatte, er wußte doch instinktiv, wo das hinführte, wenn der Sache nicht bald ein Riegel vorgeschoben wurde.
Er hatte es sich geschworen und selbst, wenn er noch so weich würde, wenigstens diesen einen Schwur würde er halten. In seinem Leben würde es nichts mehr geben, was er verlieren konnte!
Severus Snape würde sich nie wieder in einen anderen Menschen verlieben!
Severus' Laune war blendend, als er nachmittags nach Unterrichtsschluß seinen Kerker verließ, um Dumbledore in seinem Büro aufzusuchen und ihm einen Bericht über den aktuellen Stand seiner Forschungen zu geben.
Er hatte an diesem Tag zum ersten Mal die neuen Erstkläßler gehabt und wie immer war es für ihn einer der schönsten Momente, die er während seiner Arbeit als Lehrer erlebte, wenn er die neuen Zauberlehrlinge mit seinem furchteinflößenden Auftreten und seiner mehr als beeindruckenden Rede ein wenig einschüchtern konnte.
Auch wenn es seit der Auferstehung des Dunklen Lords jedes Jahr immer mehr Kinder wurden, die keinerlei Respekt mehr hatten, noch nicht einmal vor ihm, es waren doch immer genug dabei, die man verschrecken konnte. Das waren Kinder, die man später vielleicht wirklich zu etwas gebrauchen konnte, wertvolle Mitglieder der Zauberergesellschaft, die schon früh gelernt hatten, mit ihrer Angst und dem Teufel umzugehen.
Severus lächelte. Zugegeben, er war nur ein kleiner Teufel und zumindest eines seiner Teufelshörner hatte in der letzten Zeit Schaden genommen, aber er konnte noch immer gemein sein. Noch hatte er das Sagen und konnte es auch zeigen, wenn es sein mußte.
Doch die blendende Laune des Zaubertrankmeisters verflog, als er die Eingangshalle durchquert hatte, den ersten Fuß auf die große Treppe setzte und vor sich Harry auf den Steinstufen sitzen sah. Der junge Mann sah ihn mehr als herausfordernd an. Eine schwarze Augenbraue schoß in die Höhe.
„Potter, haben Sie Ihre Räume gesprengt oder warum lungern Sie hier nutzlos auf der Treppe rum?" fragte er scharf. Doch Harry blieb unbeeindruckt.
„Ich hab auf Sie gewartet, Snape, so unwahrscheinlich das auch klingt. – In der Hoffnung, daß ich vielleicht doch noch nicht zu unwürdig bin, um einige Minuten Ihrer kostbaren Zeit für mich in Anspruch zu nehmen." Ein leises Lachen drang aus Severus' Kehle und er war nicht wenig überrascht, daß es ehrlich war.
„Sehr gut, Potter. Sie lernen zwar nicht schnell, aber immerhin, Sie lernen. Das war fast schon elegant." Harry biß sich auf die Zunge, um sich jedweden Kommentar zu verkneifen. Es schien ihm schon so sehr irreal, daß er Severus scheinbar in einer überaus guten Stimmung angetroffen hatte, man mußte sein Glück ja nicht noch mehr herausfordern. Er nickte knapp.
„Folgen Sie mir bitte." Harry führte Severus in den dritten Stock, durch einige Gänge, die er bisher nur selten benutzt hatte, und hielt schließlich vor einer Tür, an der ein einfaches Holzschild, nur etwa handgroß, angebracht war, auf dem stand Harry Potter, Kursleiter V.g.d.D.K. Stufe I.
Harrys Räume waren groß und freundlich. Obwohl er wußte, daß er es nicht zu offensichtlich machen durfte, wollte Severus diese einmalige Gelegenheit aber doch nutzen, um zu sehen, wie sein Sohn privat lebte und nahm so jeden Zentimeter der Wohnung in sich auf.
Nicht wenig überrascht stellte er fest, daß das Zimmer absolut unpersönlich war. Nichts darin ließ darauf schließen, daß ausgerechnet der berühmte Harry Potter, Volksheld und Meister des Quidditch, in diesen vier Wänden lebte.
Severus hatte zwar gewußt, daß Harry bei weitem nicht der glückliche Junge war, den er sich immer gewünscht hatte, aber ein kleines Sparta hatte er trotz allem nicht erwartet.
„Tee?" fragte Harry und versuchte, dabei höflich zu klingen, aber Severus war durchaus klar, Harry hatte ihn nicht hierher gebracht, um ein wenig Konversation zu machen und einen Tee zu trinken.
„Danke, Potter, ich verzichte. Ich habe außerdem einen Termin beim Direktor. Es wäre also nett, wenn Sie sich kurz fassen könnten." Harry nickte und die Anspannung, die auf seinem Gesicht lag, nahm noch ein wenig zu.
„Setzen Sie sich wenigstens." Sagte er sehr leise und setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Kamin. Ein wenig zögerlich tat Severus es ihm gleich. Harry lehnte sich in seinem Sessel nach vorne und stützte sie Unterarme auf den Oberschenkeln ab. Severus lächelte verstohlen, als ihm das widerspenstige Haar in die Stirn fiel.
„Ich habe sehr lange überlegt, wie ich mit Ihnen darüber sprechen könnte und ich bin mir durchaus im Klaren darüber, daß ich von Ihnen wieder nur Spott und Unfreundlichkeit zu erwarten habe, aber ich muß es dennoch fragen..." begann Harry zögerlich und endlich hatte er Severus' volle Neugierde geweckt.
„Snape, was genau haben Sie mit Sesha im Sinn?" Einen Moment lang saß Severus wie erstarrt in seinem Sessel und starrte den jüngeren Mann vor sich wie vom Donner gerührt an. In seinem Kopf überschlug sich im Bruchteil einer Sekunde so viel, daß er seinen Gedanken nicht mehr folgen konnte und tat schließlich das, was ihm im ersten Moment als das beste und grausamste zugleich erschien.
Harry hatte einen solchen Ton noch nie gehört. Das schallende Lachen, das aus der Kehle Snapes entwich war ein unbeschreiblicher Mix aus einem tiefen Bariton, Kälte, Wärme und Samt. Etwas Vergleichbares gab es mit Sicherheit auf der ganzen Welt nicht. Genauso, wie es nichts gab, was Harry Potter in diesem Moment hätte rasender machen können.
„Was gibt es da zu lachen, Snape?" fauchte er Severus an und sein Gesicht verdunkelte sich vor Wut. Ja, er hatte damit gerechnet, aber wie immer haute Snape ihn schlichtweg um. Es gab an dem Mann einfach nichts, auf das er sich vorbereiten konnte, selbst wenn er haargenau wußte, was kam.
„Sie haben Angst, ich könnte Ihnen Ihre kleine Freundin ausspannen, Potter?" Snape wurde noch immer von einem Rest Lachen geschüttelt. „Wie herrlich. Potter, das ist wirklich herzallerliebst, aber ich fürchte, Sie tun mir da doch Unrecht. Miss Shantay ist meine Kollegin und das einzige, was sie und mich verbindet, ist die wirklich gute Arbeit, die sie leistet. Weiter nichts. Also bitte." Er machte eine ausladende Handbewegung. „Tun Sie sich bloß keinen Zwang an, ich möchte die Dame nicht haben." Harry biß sich auf die Lippe. Warum hatte George dann so etwas gesagt? Warum hatte er dann das Gefühl, daß Snape ihm hier etwas vorspielte? – Warum wollte Sesha ihn dann offensichtlich nicht?
„Sicher, wie dumm von mir." Setzte er bitter nach. „Wie konnte ich nur annehmen, daß Sie tatsächlich etwas für sie empfinden könnten? Sie sind ja zu keiner Empfindung fähig und selbst, wenn Sie es wären, wäre es vermutlich alles vergebens. Keine Frau wäre so dumm, sich mit Ihnen einzulassen." Sofort verließ jede Spur des Lachens Severus' Gesicht. Ein gefährliches Funkeln trat in die tiefschwarzen Augen, als sie Harrys Blick an sich fesselten und nicht mehr losließen.
„Ihre Stimmungsschwankungen sind wirklich faszinierend, Potter." Harry hatte das Gefühl, als schnitten sich scharfe Eiszapfen in sein Fleisch.
„Erst gestern wollten Sie mir noch eine Affäre mit einer Schülerin anhängen und heute nun diese neue Erkenntnis, daß mich sowieso niemand lieben könnte. Sag mir, junger Potter, was kann ich dafür, daß du mit deinem verfluchten Leben nicht klar kommst? Was kann ich daran ändern, daß du dich selbst haßt und zu deiner Umgebung keine Beziehung aufbauen kannst? Kind, ich bin nicht für dich zuständig, also gib mir nicht immer die Schuld an deinem Versagen, sondern komm endlich auf die Beine und werde verdammt noch mal endlich der Mann, für den dich alle halten." Severus spürte das unbändige Verlangen in sich, einfach aufzuspringen, Harry in die Arme zu nehmen, so wie er vor vielen Jahren Lily in seinen Armen gehalten und getröstet hatte, und ihm einfach nur immer wieder sagen zu können, daß jetzt alles gut wurde. Daß sie nun zu zweit waren und zu zweit waren zwei einsame Seelen nicht länger allein. Doch er tat es nicht, sprach genau das Gegenteil von dem aus, was er dachte, nur um eine Fassade aufrecht zu erhalten, die doch allen Beteiligten nur wehtat.
„Sie sind doch auch nichts weiter als ein alter verbitterter Widerling. Erzählen Sie mir nichts davon, daß ich stark sein soll! Ich bin immerhin nicht schwach genug gewesen, mich Voldemort anzuschließen. Ich bin stark genug, daß ich keine falschen Götterbilder brauche, um meinem Leben einen Sinn zu geben. Und deshalb lasse ich mir von einem dreckigen Todesser so etwas garantiert nicht sagen!" Eine heiße Wut flammte in Severus auf und er wußte nicht, was ihn davon abgehalten hatte, Harry wirklich anzugreifen, doch er beschränkte sich darauf, seinen Sohn am Kragen zu fassen und aus dem Sessel zu heben. Harry war noch immer ein Stück kleiner als er selbst und er hatte sicher nicht mit der Kraft des Zaubertränkemeisters gerechnet, denn als sich seine Füße vom Boden lösten, griffen seine Hände ganz automatisch verzweifelt nach der Hand, mit der Severus ihn hielt und seine Augen weiteten sich vor Panik. Er hatte das Gefühl zu ersticken, wenn er auch wußte, daß er noch immer genug Luft bekam.
„Dummes Kind!" fauchte Snape ihn an und obwohl Harry Snape schon viele Jahre kannte, hatte er den älteren Zauberer noch nie so furchteinflößend erlebt. Der alltägliche Snape war eine Lachnummer dagegen.
„Denkst du wirklich, es gibt auf dieser Welt nur schwarz und weiß? Glaubst du in deiner engstirnigen Welt wirklich daran, daß Severus Snape böse auf die Welt kam, böse aufwuchs und deshalb auch jetzt noch böse ist? Hast du schon einmal einen einzigen Gedanken daran verschwendet, wie es damals gewesen sein könnte?" Die blassen Wangen des Zaubertränkemeisters waren gerötet und er fühlte, wie ein gewaltiger Adrenalinstoß durch seinen Körper fuhr. Doch auch die Stimme der Vernunft drang endlich wieder zu ihm durch und er ließ Harry los, der hustend in die Knie ging.
„Es interessiert mich nicht, welche erbärmlichen Gründe Sie hatten, Snape!" keuchte Harry, noch immer um Atem ringend. „Kein Grund der Welt rechtfertigt Ihr Handeln von damals und nichts rechtfertigt es, daß Albus Ihnen so vertraut!" Der Schlag traf Severus hart. Ohne es wirklich zu wissen, hatte Harry mit voller Kraft unter die Gürtellinie geschlagen, aber trotzdem schaffte Severus es immer noch, ihn seinen Erfolg nicht spüren zu lassen.
„Ich kann nur noch einmal wiederholen, daß Sie endlich damit anfangen sollten, erst zu denken und dann zu reden, Potter. Impulsivität mag für manche Menschen ein charmanter Charakterzug sein, aber sie führt in den meisten Fällen doch immer nur zu Ärger oder sehr unangenehmen Situationen und auch, wenn ich persönlich von dem Verlust vermutlich nicht sehr betroffen wäre, bleibt doch immer noch das verdammte kleine Detail bestehen, daß wir Sie brauchen und deshalb nicht wegen einer Ihrer Dummheiten verlieren dürfen." Sagte Snape mehr als eisig und starrte dabei auf Harry herab, als wäre er nichts weiter als eine eklige Pfütze auf dem frisch geputzten Boden.
„Verschwinden Sie einfach, Snape. Lassen Sie Ihre Finger von Sesha, halten Sie sich überhaupt aus meinem Leben heraus! Das ist das beste für uns alle."
„Am besten lassen wir die junge Dame selbst entscheiden, nicht wahr?" Ein mehr als gemeines Grinsen zierte die Züge Severus', der sich nun von Harry abwandte und dessen Räume verließ, um endlich zu Dumbledore zu gehen.
Ein mehr als aufdringlicher Gedanke geisterte in Severus' Kopf herum, doch er wischte ihn wieder fort. Er spielte nicht mit den Gefühlen anderer Menschen und er würde sich schon gar nicht dazu herablassen, Sesha dafür zu benutzen, Harry eine Lektion zu erteilen, auch wenn der Gedanke für ihn gerade mehr als verlockend war. Sesha war für ihn auch weiterhin tabu und Ende. Keine Gedanken mehr an die junge Frau und schon gar nicht daran, wie es wohl wäre, wieder etwas zu fühlen. In seinem Herzen gab es nur Platz für die absolute Leere und für Lily und keines wollte oder konnte er opfern. Zu viel hing daran, nicht zuletzt seine schlichte geistige Gesundheit.
Und so sehr er sich gerade wieder einmal über ihn geärgert hatte, Harry hatte noch immer Vorrang. Und endlich kam sein wahres Lächeln, das er bis kurz vor der Begegnung mit Harry zur Schau getragen hatte, auf sein Gesicht zurück.
Er war vielleicht noch sehr jung und dumm, aber er konnte Harry einfach nicht böse sein. Er zeigte offen, was Severus stets versteckt hatte. Er war emotional. wie seine Mutter. Überhaupt, je länger er ihn beobachtete, um so mehr erkannte er Lily in ihm wieder und allein das brachte ihm Harry so nah wie es keine familiäre Bindung konnte. Und wenn Harry nun wirklich das Kind von James Potter gewesen wäre, es hätte nichts daran geändert, daß er den Jungen liebte.
Severus und Harry gingen sich aus dem Weg, so gut es ging. Zwar sahen sie sich bei den Mahlzeiten und hin und wieder in den Pausen im Lehrerzimmer, doch sie sprachen weder ein Wort miteinander, noch sahen sie sich einfach nur an. Eine absolute und mehr als feindselige Funkstille, die nicht nur Hermine praktisch sofort auffiel. Doch wie so oft, war Severus auch dieses Mal nicht bereit, ihr genauer zu erzählen, was vorgefallen war und sie wußte nur das wenige, was sie aus Harry hatte herausbekommen können. Nichts, aus dem man wirklich schlau werden konnte, so viel war klar.
So war der September ins Land gezogen, der Oktober hielt Einzug über Hogwarts und die Ländereien und mit ihm kam der Herbst.
Es war der erste Donnerstag in diesem Oktober, als Dumbledore sich am Abend beim gemeinsamen Abendessen in der Großen Halle plötzlich erhob, um etwas zu verkünden. Sofort verstummte die ganze Halle, in der bis zu diesem Zeitpunkt ein mehr oder weniger gedämpftes Plappern zu hören gewesen war und alle warteten gespannt, was der Direktor wohl zu sagen hatte. Das besonders freudige Glitzern in den Augen des steinalten Zauberers deutete auf jeden Fall an, daß es etwas sehr Angenehmes sein mußte.
„Liebe Schüler, liebe Kollegen, ich will euch gar nicht lange von eurem wohlverdienten Abendessen abhalten. Doch da ich euch gerade einmal alle so schön beisammen habe, hielt ich den Augenblick für angebracht, eine kleine Ankündigung zu machen, die euch allen hoffentlich genauso viel Freude bereiten wird, wie mir." Vereinzeltes leises Flüstern war zu hören und einige der Schüler steckten die Köpfe zusammen.
„Unsere letzte große Feier hier in Hogwarts ist ja nun auch schon wieder ein Weilchen her und die letzten Monate und Jahre waren mehr als trostlos für uns alle. Das liegt nicht nur allein an der dunklen Bedrohung, die über uns allen hängt, sondern auch an unserer Miesepetrigkeit." Er grinste und nicht wenige der Schüler erwiderten es.
„Darum dachte ich, wir helfen dem einfach ab und veranstalten in diesem Jahr ein großes Fest zu Halloween. Kein einfaches Festessen wie die Jahre zuvor, sondern ein richtiges Fest mit Musik und Tanz und einigen besonderen Attraktionen, die jetzt noch nicht verraten werden." Der Geräuschpegel schwoll fast augenblicklich wieder enorm an. Die Schüler hielt es nicht länger still auf den Plätzen und Dumbledore konnte es nur zu gut verstehen. In düsteren Zeiten brauchten die jungen Leute etwas, mit dem sie sich zerstreuen und hin und wieder von der Gefahr ablenken konnten und er war nicht zuletzt auch Schuld daran, daß gerade das in der letzten Zeit in Hogwarts viel zu kurz gekommen war. Darum hatte er Minervas Vorschlag, in diesem Jahr doch mal wieder einen Ball zu veranstalten mit Freuden entgegen genommen.
Er wandte sich den größtenteils ebenfalls lächelnden Lehrern zu.
„Ich möchte noch ein paar organisatorische Dinge mit euch abklären. Kommt deshalb doch bitte nach dem Essen alle ins Lehrerzimmer." Sein Blick blieb an dem Severus' hängen, der mit verschränkten Armen und offensichtlich nicht übermäßig begeistert auf seinem Stuhl saß. Doch als ihre Blicke sich trafen, verzog Severus den Mund für einen Moment zu einem Lächeln, das Dumbledore mit einem zufriedenen Nicken beantwortete. Der Zaubertrankmeister war vielleicht nicht der enthusiastischste, wenn es ums Feiern von irgendwelchen Festen ging, aber er war trotzdem bereit, seinen aktiven Part zu leisten.
Das war etwas, was Dumbledore sehr an Severus schätzte, seine ständige Bereitschaft, alles zu tun, damit es den Schülern gut ging, auch wenn er sich ihnen gegenüber immer wie ein Tyrann verhielt, der er eigentlich gar nicht war. Jedenfalls nicht immer.
„Anders als sonst, wenn hier in Hogwarts ein Fest gefeiert werden soll, haben Minerva und ich beschlossen, daß nur wir Lehrer dieses Mal die Organisation in die Hand nehmen. Das Fest soll für unsere Schüler ein durch und durch schönes Erlebnis sein, das ohne jede Arbeit für sie verbunden ist. Ich kann mir zwar gut vorstellen, daß einige unter ihnen viel Spaß daran hätten, an den Vorbereitungen teilzunehmen, aber wir halten es für besser so." Severus versuchte krampfhaft sich auf Dumbledores Worte zu konzentrieren, während sein Blick immer wieder abschweifte und seine Gedanken auf Reisen gingen. Zwar fand er die Idee und das Engagement des Direktors wie immer hervorragend, doch seine Pläne für den heutigen Abend waren ganz anderer, viel weniger arbeitsreicher Natur gewesen und das machte es sogar einer so durch und durch disziplinierten Natur wie ihm schwer, sich anständig zu konzentrieren. Vor allem, wenn es um so etwas Banales wie ein Fest ging.
„Ich bitte darum die Hausvorstände, Professor McGonagall, Professor Flitwick, Professor Sprout und Professor Snape, mir in dieser Sache tatkräftig zur Seite zu stehen." Severus' Blick schoß in Dumbledores Richtung, doch der Direktor lächelte nur und zwinkerte ihm verstohlen zu. Ein ungehörtes Fluchen bahnte sich seinen Weg aus Severus' Kehle und er blickte nur noch düsterer vor sich hin. Das war das letzte, was er brauchte. Er hatte schon genug damit zu tun, sein für seinen Geschmack viel zu großes Team irgendwie zu hüten. Jetzt auch noch vier Wochen damit zuzubringen, ein Schülerfest zu planen... er schüttelte leicht den Kopf. Was für eine verfluchte Zeitverschwendung.
Neben den vier Hausvorständen erklärten sich auch noch eine ganze Reihe der restlichen Lehrer dazu bereit, bei den Vorbereitungen behilflich zu sein. Sie fanden sich zu kleineren Gruppen zusammen und teilten die anstehenden Aufgaben untereinander auf. Einzig Severus blieb wie immer außen vor. Nicht, daß er traurig darüber war. Seine Kollegen handelten nur danach, was er von ihnen wollte.
„Severus." Severus blickte auf und sah Dumbledore in seine gutmütigen Augen.
„Ich weiß, daß du sehr viel zu tun hast, aber ich hoffe trotzdem auf deine Hilfe." Severus hob leicht die Schultern und versuchte, möglichst gleichgültig und uninteressiert auszusehen.
„Natürlich gerne, wie immer, Direktor." Dumbledore lächelte und setzte sich zu ihm.
„Du bist für das Feuerwerk zuständig." Severus zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.
„Feuerwerk? Tut es nicht auch ein einfacher Zauber?" Dumbledore schüttelte den Kopf und grinste, wie ein kleiner Junge an Weihnachten.
„Nein, es soll ein wirklich großartiges Feuerwerk werden. Etwas, was man in noch keiner Zauberschule gesehen hat. Und ich weiß, daß diese Aufgabe für dich eine Leichtigkeit ist. Die Ausführung dürfte für dich kein Problem sein und bei der Planung wird dir Sesha behilflich sein."
„Ausgerechnet." Dumbledore lachte leise und tätschelte Severus den Arm, der diesen sofort wegzog. Zwar war es zwischen ihnen nicht ungewöhnlich, daß Dumbledore vertraut mit Severus umging, doch er tat es eigentlich nie in der Öffentlichkeit vor den anderen Lehrern. Es war Severus schlicht peinlich.
Dumbledore kommentierte es mit einem einfachen Lächeln und winkte dann Sesha zu sich herüber.
Harry beobachtete, wie Sesha auf ein Winken Dumbledores zu ihm und Severus hinüber ging. Wütend fixierte er den Zaubertranklehrer, doch dieser blickte nicht einmal in seine Richtung. Warum auch gerade jetzt, wo sie sich doch schon seit Wochen nicht mehr ansahen? – Irgendwie hatte Harry Triumph von Severus erwartet, denn er nahm ihm noch immer nicht ab, daß Sesha ihn nicht interessierte. Er bezweifelte zwar jegliche Art von ehrlicher Absicht, aber dennoch glaubte er fest, daß es da ein Interesse gab. Und wenn es Severus nur darum ging, sie ihm wegzunehmen.
„Direktor, hast du daran gedacht, daß weder mir noch Miss Shantay allzu viel Zeit für so etwas bleibt? Das ist alles nicht so leicht, wie du dir das scheinbar gerade vorstellst. Und wir haben im Moment gerade so viel zu tun, daß nicht noch mehr Aufgaben dazukommen sollten, vor allem keine, die von einer so geringen Priorität sind..." Dumbledore hob abwehrend die Hand und Severus verstummte augenblicklich. Eigentlich war der Part des gehorsamen Schülers nicht unbedingt der seine, aber bei Albus war eben doch alles anders.
„Mir ist durchaus klar, daß dir das nicht behagt, Severus. Spaß war ja praktisch noch nie so wirklich deine Welt. Aber es geht mir nicht nur darum, die Schüler zu unterhalten. Ich bin der Meinung, auch meine Lehrerkollegen hier brauchen mal etwas Abwechslung und ganz besonders du. Du bist seit Monaten so gut wie gar nicht mehr aus deinem Labor hervorgekrochen. Und komm mir jetzt nicht wieder mit unaufschiebbaren Aufgaben!" seine Stimme wurde etwas sanfter. „Dein Leben ist schließlich die unaufschiebbarste Aufgabe von allen, aber gerade die schiebst du so weit wie möglich vor dir her, um sie auch ja niemals erfüllen zu müssen." Severus blickte unter sich und murmelte, kurz bevor Sesha sie erreichte noch:
„Meine Sache, Albus, ganz allein meine." Ein wenig unwillig schüttelte Dumbledore den Kopf. Er würde nicht aufgeben und wenn sich Severus noch so wehrte. Er würde niemals die Hoffnung aufgeben, in seinem alten Weggefährten noch einmal den Jungen wieder zu erkennen, den er damals in den Krieg geschickt und so zerbrochen hatte. Er war noch irgendwo und traute sich nicht raus.
„Keine Widerrede mehr, Severus. Ich überlasse euch beide jetzt euch selbst. Ich denke, Sesha hat bereits ein paar sehr interessante Ideen gesammelt, oder meine Liebe?" Sesha nickte Dumbledore strahlend an und setzte sich neben Severus, der nur noch düsterer vor sich hinstarrte.
„Jetzt gucken Sie doch nicht gleich so, als hätten Sie die Todesstrafe erhalten. Ich komme mir ja schon vor, wie ein Fluch." Sie zwinkerte ihm zu und er – ein wenig überrascht von ihrer neuerlichen Stimmungsänderung – machte zumindest den ernsthaften Versuch, ein wenig freundlicher auszusehen. Sicher, noch ein paar Stunden mehr mit ihr zusammen zu arbeiten, war sicherlich nicht das schlimmste, was ihm passieren konnte, aber trotzdem, es war nichts weiter als Zeitverschwendung. Und außerdem.... Severus hielt in seinen Gedanken inne. Ja, außerdem waren es schmerzhafte Erinnerungen, die da in ihm wieder hochkamen. Erinnerungen an ein Fest, eine schönere Zeit, eine längst vergessene Vergangenheit. Eine geplatzte Seifenblase, mehr nicht. Und doch, die Erinnerung war noch so lebendig, als wäre er noch immer der Junge, der damals das schönste Mädchen der Jahrgangsstufe – oder vermutlich sogar der ganzen Schule – zu diesem Ball geführt hatte. Der Junge, der damals zum ersten Mal erfahren hatte, was es bedeutete, einfach nur glücklich zu sein, bevor er für immer in die Dunkelheit gestoßen wurde.
Severus Snape glaubte zwar nicht wirklich an Omen und Zeichen, er war Wissenschaftler, Logiker, brauchte Greifbares, um daran zu glauben, aber dennoch hatte er in der Sache ein ungutes Gefühl. Etwas daran gefiel ihm so gar nicht. Noch ein Grund, es einfach sein zu lassen. Doch das konnte er nicht. Auch wenn Dumbledore so etwas niemals aussprechen würde, seine Bitte war doch eigentlich mehr ein recht eindeutiger Befehl an ihn gewesen. Severus lächelte bitter.
Er war wohl auch der einzige Lehrer an dieser Schule, dem man befehlen mußte, sich zu entspannen.
„Was sagen Sie dazu?" fragte Sesha und riß Severus aus seinen Grübeleien heraus. Er sah seine junge Kollegin ein wenig verwirrt an, nicht in der Lage, dieses Gefühl vor ihr zu verbergen. Er hatte nicht einmal bemerkt, daß sie mit ihm gesprochen hatte.
„Es tut mir leid." Stammelte er und sah ihr in die Augen. „Ich habe nicht zugehört. Bitte verzeihen Sie." Sesha hielt seinen Blick fest und als sie lachte, leuchteten ihre dunklen Augen geheimnisvoll.
„Macht doch nichts. Ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal." Doch auch diesmal bekam Severus nicht wirklich alles von den Schlangen, Löwen, Dachsen und Adlern mit, von denen Sesha redete. Zu sehr war er noch immer von ihren Augen gefesselt. Was hatte sich da verändert? Und vor allem wann? Es war nicht gut, daß das passiert war, so gut es sich auch anfühlen mochte.
Als sie schließlich zum Schluß gekommen war, sah sie ihn erwartungsvoll an. Auch wenn er wieder nicht wirklich alles gehört hatte, sagte er diesmal nichts. Es war schon peinlich genug gewesen, einmal zugeben zu müssen, daß man nicht zugehört hatte, zweimal war tödlich.
„Ich denke, darauf kann man aufbauen." Antwortete er daher eher weniger aussagekräftig, doch Sesha schien es zu genügen.
Harry hatte sich die Sache zwischen Severus und Sesha gut dreißig Minuten mit angesehen und von Minute zu Minute wurde er wütender, bis er schließlich mit zitternden Händen und kalkweißem Gesicht auf seinem Stuhl saß und gegen seine Wut ankämpfte. Da war also nichts? So viel nichts hatte er in seinem Leben bisher selten gesehen! Doch was hatte er eigentlich von einer falschen Schlange wie Snape auch erwartet?
Nicht länger in der Lage, sich die beiden zusammen anzusehen, sprang Harry praktisch auf und verließ fast schon fluchtartig das Lehrerzimmer.
Severus gähnte herzhaft und streckte sich. Das Lehrerzimmer war zu dieser vorgerückten Stunde längst leer, bis auf Sesha und ihn, was wohl auch der Grund dafür war, weshalb er sich die Blöße gab, seine Müdigkeit zu zeigen. Selbst Müdigkeit war etwas, was es in den Augen der anderen Menschen für den Zaubertrankmeister von Hogwarts nicht gab. Eine alberne Annahme, mit Sicherheit, und noch alberner von ihm, daß er wollte, daß alle so dachten, aber so war es.
„Es ist spät, vielleicht sollten wir für heute Schluß machen." Sagte er sanft, aber nicht ohne einen sehr bestimmten Unterton in der Stimme, der zu deutlich sagte, daß es nicht wirklich nur ein Vorschlag war. Ein wenig enttäuscht blickte Sesha von ihrer Skizze auf. Der ganze Tisch war bereits mit ähnlichen Skizzen bedeckt, auf der sich eine wahre Ideenflut widerspiegelte, die in den letzten Stunden über Sesha hereingebrochen war.
Auch ihr sah man an, daß sie sehr müde und ausgelaugt war, aber sie befand sich gerade in einem solch fiebrig aufgeregten Zustand, daß sie es selbst niemals bemerkt hätte. Begeisterung war immer noch eine der stärksten Drogen, um sich wach zu halten und weiter zu arbeiten, wenn man eigentlich schon über seine Belastbarkeitsgrenze hinaus war. Severus kannte das Gefühl zu gut. Es hatte ihn durch so manche Nacht begleitet, die er mit seinen Zaubertränken und der Forschung nach neuen Tränken, Heilmitteln und auch Giften verbracht hatte.
Doch irgendwann war es genug. Jetzt zum Beispiel.
„Schade." Sesha verzog ein wenig die Lippen, was ihrem Mund einen fast schmollenden Ausdruck gab. „Ich hätte noch ewig weitermachen können." Severus lächelte, stand dann aber auf und sammelte die einzelnen Zettel zusammen.
„Ich weiß." Antwortete er noch immer lächelnd. Sesha beobachtete ihn, während er die Zettel zu einem Stapel zusammenlegte, ein wenig verstohlen. Sein Gesicht wirkte müde und durch die Anstrengungen, denen sie alle ausgesetzt waren, auch älter, als es wahrscheinlich in Wahrheit war, aber heute lag ein Ausdruck darauf, den sie bisher noch so gut wie nie bei ihm gesehen hatte. Er wirkte entspannt. Noch weit entfernt von glücklich, aber doch nicht mehr so verbittert und angespannt wie sonst. Dumbledore hatte wohl recht gehabt, als er gesagt hatte, daß man Severus hin und wieder mal zwingen mußte, abzuschalten und sich mit banaleren Dingen als der Rettung der Welt zu beschäftigen. Es tat ihm offensichtlich gut.
Sein schwarzes Haar, das er sich hinter die Ohren gestrichen hatte, löste sich und fiel ihm in langen, dicken Strähnen ins Gesicht. Nicht zum ersten Mal fragte Sesha sich, wie es sich wohl anfühlte. So weich und glänzend wie es aussah oder doch irgendwie... ja schmierig. Sie lächelte. Nein, sicher nicht schmierig. Sie kannte den Geruch, den seine Haare verströmten und wußte, daß er eine Art Wachs benutzte, der für den fast fettigen Glanz verantwortlich war. Ungewaschenes Haar roch ganz anders, viel weniger angenehm.
Plötzlich schoß ihr die Röte ins Gesicht und sie blickte unter sich. Verdammt! Sie hatte gestarrt und sich auch noch prompt von ihm dabei erwischen lassen!
Severus lächelte, als sie erschrocken den Blick von ihm abwandte und unter sich starrte. Wie lange hatte sie ihn jetzt schon beobachtet? Und was war so interessant daran, wenn er ihre Zeichnungen ordnete? Manchmal hatte er schon das Gefühl, daß er das Verhalten von jungen Frauen nie verstehen würde. – Aber irgendwie war es auch nicht unangenehm, daß er für sie interessant schien. Ein dummes kleines Gefühl, das war ihm nur allzu bewußt, aber trotzdem, es war nicht unangenehm.
Er reichte ihr den säuberlich zusammen gelegten Papierstapel und lächelte in ihr immer noch verlegenes Gesicht.
„Kommen Sie, ich bring Sie noch nach oben. Peeves hat heute seine Launen, da sollten Sie ihm besser nicht allein begegnen." Sesha spürte, wie ihre Wangen noch wärmer wurden. War das jetzt ernst gemeint oder nur eine Ausrede, um noch einige Minuten länger mit ihr zusammen zu sein? Er machte sich doch nicht ernsthaft Sorgen wegen Peeves! Oder doch? – Doch, vermutlich war es ernst gemeint. Warum sollte Severus ausgerechnet mit ihr noch ein paar Minuten zusammen sein wollen? Er wollte mit niemandem freiwillig zusammen sein, außer vielleicht mit Hermine und das auch nur in den seltensten Fällen.
Warum hatte er das jetzt gesagt? Es war doch Unsinn. Peeves war ihm heute noch nicht ein einziges Mal über den Weg geschwebt, geschweige denn, daß er heute auffällig boshaft in Erscheinung getreten wäre. Es war nur ein Impuls gewesen, mal wieder ein dummes, kleines Gefühl, aber er hatte nachgegeben. Unfaßbarer Weise hatte er spontan nachgegeben. Severus konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann das zum letzten Mal passiert war, ob es überhaupt schon einmal passiert war. Aber jetzt war es passiert und es gab kein Zurück mehr. Er lächelte. Es war ja jetzt nicht gerade so, als würde man ihn zur Schlachtbank führen. Er war manchmal zu theatralisch in seinen Gedanken.
„Wie wäre es, wenn wir am Sonntag weiter daran arbeiten?" Sesha hatte sich bei Severus eingehakt und eher gemächlich gingen die beiden die Treppen zu Seshas Räumen hinauf.
„Natürlich nur, wenn Sie keine anderen Pläne für den Abend hatten. Ich weiß, die freien Abende sind sehr selten bei uns." Fügte er rasch noch hinzu. Sesha schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, ich hatte nichts vor. Was denn auch? – Dann also am Sonntag bei Ihnen im Kerker?" Ein freudiges Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus.
„Da sind wir auf alle Fälle ungestört." Er hatte die Kontrolle verloren. Irgendwann in den der letzten Zeit war sie ihm einfach entglitten und er hatte es gar nicht gemerkt. Und jetzt merkte er es, aber seine Alarmglocken gingen nur sehr langsam, fast sachte los. Das war nicht gut, gar nicht gut.
Das mußte aufhören, möglichst bald, bevor es zu spät war. Es durfte am besten gar nicht erst richtig anfangen. Aber wie sollte er es verhindern? Er war nicht dumm genug, um nicht zu wissen, daß er sein Herz nicht einfach auf stumm schalten konnte, wenn das nutzlose Ding sich entschieden hatte, sich auch mal wieder zu Wort zu melden. Was tat er, wenn die bis jetzt noch leise Stimme immer lauter wurde. Vielleicht irgendwann sogar so laut, daß er schlicht vergaß, was er sich geschworen hatte, daß er sogar vergaß, daß immer erst Harry kam.
Harry wollte Sesha, also durfte er sich da nicht... Doch selbst einem Severus Snape war klar, was schon lange offensichtlich war.
Vor der Tür zu Seshas Räumen blieben sie stehen und Severus riß sich aus seiner Grübelei heraus. Es war unhöflich, aber er konnte nichts dagegen tun. Manchmal kamen die Gedanken einfach und ließen ihn nicht los.
„Vielen Dank fürs Bringen." Die Verlegenheit schwang noch immer in ihrer Stimme mit.
„Keine Ursache, habe ich gerne gemacht." Sesha sah aus, als würde ihr gerade erst errichtetes Weltbild unter ihr zusammenbrechen. Aber wen überraschte das schon sonderlich, wenn er heute schon den ganzen Abend Dinge tat und sagte, die so gar nicht zu ihm paßten?
„Wir sehen uns dann morgen früh. Schlafen Sie gut, Sesha."
„Sie auch." Wieder herrschte einen Moment betretenes Schweigen. Severus wollte sich einfach umdrehen und gehen, so wie immer, aber irgendwas hielt ihn davon ab. Seine Beine wollten einfach nicht wie sein Kopf wollte. Und dann fühlte er wieder den Impuls, ein warmes, starkes Gefühl, nicht unangenehm und auch gar nicht dumm, wenn auch sehr besitzergreifend. Er sah sich praktisch selbst dabei zu, wie er Seshas Hand ergriff, sie langsam an seine Lippen führte und ihr in die vollkommen perplexen Augen blickte, als er einen Kuß auf ihre Hand drückte.
Ein ganz eigenes kleines Feuerwerk.
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Author's Note:
Tja, mal wieder eine Woche vorbei, ein neues Kapitel. Was soll man dazu noch sagen. Snape verliert die Kontrolle. Er klammert sich verzweifelt dran, aber auch ein Severus Snape kann nichts dagegen tun, daß sich manche Dinge eben nicht kontrollieren lassen ;o)
Eventuell, wenn meine Beta sich beeilt, kommt heute auch noch das erste Kapitel von "Und wieder ein Tag", die Fortsetzung zu "And your... I wish I didn't feel for you anymore..." - Ansonsten morgen, es ist auf jeden Fall endlich fertig ;o)
Leu de Nox: Aislin ist ein Miststück.
Eigentlich sollte sie gar nicht so sein, darum erscheint sie auch in Kapitel 2
noch so vollkommen anders, aber ich hab irgendwann gemerkt, daß ich ein
Miststück brauche, um Aidan da hin zu kriegen, wo ich sie hinhaben wollte. So
wurde "the bitch" geboren *g*
Ich wollte mal mit dem Kartenlesen anfangen, darum hab ich zwei Bücher drüber.
In dem einen sind die Karten der großen Arkana ziemlich ausführlich erklärt
worden. Ich mußte mir also nur noch aussuchen, welche Karte am besten ins
Konzept paßte ;o)
Ich danke den Mächten, die Hitze ist zumindest heute sehr erträglich. Bewölkt
und unter 30 Grad, ich hab sogar die Rolläden mal wieder oben.
Gracie: Es ging so. Die Infos über den
Absinth und über Drogenentzug (für meine ganz neue Geschichte) waren heftiger.
Aber leider kenne ich mich immer noch nicht so wirklich mit Tarot aus. - Wenn
ich mal Zeit hab, beschäftige ich mich richtig damit ;o)
Aidan tat mir zum Schluß hin auch immer mehr leid. Sie macht sich so
lächerlich (vor allem in Kapitel 9 aufwärts) und jeder tut ihr weh, aber
irgendwie mochte ich sie auch sehr, weil sie immer weiter macht. Sie gibt bis
zum Schluß nicht auf ^_~
Auf mein Miststück Aislin bin ich aber genauso stolz *lol*. Ich find, sie ist
mir ganz gut gelungen. Sozusagen meine eigene, böse Seite, die ich immer wie
ein Waisenkind behandle und nur ganz selten mal raus lasse ;o)
DinoGirl: FF.net spinnt in letzter Zeit
extrem. Am 6. August hat es mir zwei meiner Reviews komplett zerrissen und das
hat man natürlich erst gemerkt, nachdem es zu spät war... die sollten
aufhören, ihre Seite upzudaten, geht doch jedes Mal wieder schief ;o)
Ein bißchen zu vielschichtig, ich hab noch nie so viele Logikfehler aus einer
Geschichte entfernen müssen ;o) Ich glaube, inzwischen kann man das
Gesamtergebnis aber lesen, ohne über grobe Fehler zu stoßen. Ich hab sie aber
auch schon dreimal gelesen und korrigiert, sollte also so sein.
Aislin und Aidan haben beide ihren eigenen großen Auftritt, hauptsächlich in
Kapitel 10, 11 und 12. Aber wie das aussehen wird, verrate ich noch nicht ;o)
FF.net hat mich von SilentRose in SilentRose1 umbenannt. Ich fand irgendwie,
daß das zusätzliche S das kleinere Übel ist, ich mag einfach keine Zahlen in
meinem Nick und * ist ja nicht erlaubt. Die andere heißt übrigens Silent Rose.
Ich finde nicht sonderlich fair, daß ich trotzdem umbenannt wurde *grummel*
summsenine: Willkommen im Club, ich muß
auch immer schon um 5:30 raus und bis 15:30 mindestens arbeiten *seufz* Ich wär
so gerne mal wieder Schüler ^_~
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen, auch wenn es diesmal ganz ohne
Nebencharaktere, ausgenommen Sesha war. Aidan und Aislin haben aber noch so
einige Auftritte und ich kann schonmal versprechen, daß Aislin noch zulegt.
Miststück eben *g*
Ich wünsch dir trotzdem viel Spaß bei deinem Job!
Mel: Danke schön! Ich hoffe, es gefällt dir auch weiterhin und ich gebe mir Mühe, sehr regelmäßig abzudaten, damit immer was zu lesen da ist *g*
Tinuviel: Sorry!!! Ich hab dich nicht
vergessen! Ich hab nur keine Mail für deinen Review gekriegt (verfluchtes
FF.net!!!) und darum hab ich gerade erst gemerkt, daß du gereviewt hattest...
ich mach den Laden irgendwann nochmal platt!
Du kannst deinen Namen in den Settings ändern, geht ganz einfach ;o)
*gg* Zähl ruhig Erbsen, ich tu das ja auch ständig ;o). Ja, der Satz ist wohl
etwas ungeschickt, ich hätte James schreiben sollen... na ja, ich achte in
Zukunft besser drauf. Irgendwie arbeite ich mich immer noch wieder rein, drei
Jahre Schreibpause war doch eine lange Zeit, fürchte ich ^_^
So, ich hoffe, ff.net braucht nicht wieder Stunden, bis dieser Kommentar zu
deinem Review auftaucht, schließlich will ich nicht, daß du denkst, ich hätte
dich vergessen ;o)
So, das war es mal wieder. Zu sagen hab ich auch nichts mehr, außer vielleicht: NIEDER MIT DER HITZE! Ich will endlich wieder vernünftig schreiben können, die letzte Zeit war der Horror. Ich hasse es, an der Tastatur kleben zu bleiben ;o)
bis zum nächsten Mal
SilentRose
