Warnung! Dieses Kapitel ist lang. Und ich meine damit, richtig lang. *lol* Längstes Kapitel der Geschichte.

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Kapitel 7:

Der Liebsten die Roten, die Weißen den Toten
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Die ersten sanften Sonnenstrahlen fielen bereits durch die Fenster der Bibliothek, doch Severus bemerkte sie gar nicht. Er saß noch immer auf der selben Bank, auf die er sich schwer wie ein Mehlsack hatte fallen lassen, nachdem die beiden Frauen die Bibliothek verlassen hatten, und grübelte über das nach, was er gehört hatte.

Er kam einfach zu keinem Ergebnis, was jetzt eigentlich schlimmer war. Die Tatsache, daß Sesha Schlimmes erlebt hatte und deshalb fast so ein emotionaler Krüppel war wie er selbst oder daß sie ausgerechnet für ihn begann, etwas zu empfinden, sogar davon sprach, sich zu verlieben. Einseitige Gefühle zu ignorieren war schon schwer, aber wenn diese Gefühle auch noch erwidert wurden...

Und selbst mit seiner gesammelten Gefühlskälte würde er es nicht schaffen können, die Tatsache zu ignorieren, daß Sesha etwas für ihn empfand, nein, sich verliebte. Denn er wußte es. Wissen war etwas ganz anderes als ahnen. Und Sehnsucht war ein schlimmerer Feind als der Selbsthaß.

Mit einem resignierten Seufzen ließ er den Kopf in die Hände sinken. Wann nur war es passiert? Wann hatte sein Herz angefangen, ihn zu betrügen? Es war doch stets ein stummes Übereinkommen zwischen ihnen beiden gewesen, daß es nach Lily keine Frau mehr geben würde. Und mit ihr keine Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung, wie sie nur ein Mensch geben konnte, der aus tiefstem Herzen liebte. Es war alles so klar gewesen, so wunderbar übersichtlich, er war unverletzbar gewesen. Und nun...

Severus lächelte spöttisch. Und nun war alles beim Teufel, denn ein Teil von ihm, der nicht einen Funken Verstand besaß, hatte sich zurück gemeldet. Mit voller Macht und erbarmungslos.

Und dennoch. Das hieß nicht, daß er diesem Teil auch sein Gehör schenken mußte. Severus wußte noch aus der Zeit vor Lily, daß der Schmerz über etwas, was man nicht bekommen konnte, viel geringer war, als der Schmerz, den er empfinden würde, wenn er sich auf sein Herz einließ.

„Severus? Was tun Sie hier?" Severus blickte überrascht auf. Er hatte nicht gehört, daß jemand die Bibliothek betreten hatte und fühlte sich überrascht und ertappt, auch wenn Madam Pince auf keinen Fall wissen konnte, was er gerade gedacht hatte. Oder doch?

Severus' Miene glitt in ihre alltägliche eisige Starre. Natürlich nicht!

„Ich muß die Zeit vergessen haben, Madam Pince. Bitte verzeihen Sie." Er wollte an ihr vorbeigehen, die Bibliothek einfach hinter sich lassen, doch so einfach war es natürlich nicht.

„Sie waren doch nicht etwa die ganze Nacht hier, Severus?" Severus hielt abrupt inne und drehte sich zu Madam Pince um. Sie sah das Funkeln in seinen Augen und zuckte innerlich zusammen. War sie zu weit gegangen? Wahrscheinlich war es ihr mißbilligender Ton gewesen, doch wie anders sollte man Severus begegnen? Sorge verachtete er ja sogar noch mehr als Kritik.

„Verzeihen Sie, Madam Pince, mir war nicht bewußt, daß ich mich als Lehrkraft an die Öffnungszeiten der Bibliothek halten muß." Der Sarkasmus in seiner Stimme schlug ihr kalt ins Gesicht und Madam Pince schloß unwillkürlich die Augen. Oh ja, sie hatte ihn verärgert.

„Ich werde das in Zukunft berücksichtigen." Und schon steuerte er mit seinem bekannten Sturmschritt auf die Tür zu. Madam Pince zögerte einen Moment, doch schließlich fand sie doch ihre Stimme wieder.

„Auch wenn Sie es nicht glauben wollen, Severus, es war nur Sorge. Es gibt Menschen, die sich um Sie sorgen, ohne Hintergedanken und vorbehaltlos." Severus drehte sich nicht zu ihr um, aber Madam Pince konnte sich vorstellen, welcher Ausdruck gerade auf seinem Gesicht lag und daß seine Augen gefährlich funkelten.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals darum gebeten zu haben. Hören Sie auf damit, mir lästig zu sein und gönnen Sie mir den Luxus, mich auch in Zukunft so zu behandeln, wie es alle noch vor einiger Zeit getan haben. – Und vielleicht sollten Sie das auch den anderen – besorgten Seelen mitteilen." War das etwa Müdigkeit in seiner Stimme? Natürlich war er müde, er hatte schließlich die ganze Nacht hier verbracht, wie Madam Pince sich ganz sicher war, aber das war eine andere Form der Müdigkeit. Gerade so als hätte er sein Leben leid oder die Art, wie es im Moment verlief.

„Gar nicht gut." Murmelte Madam Pince, als die schwarze Gestalt mit wehenden Roben aus der Bibliothek gestürmt war.

Verfluchtes Mitleid! Und seine verfluchte Unfähigkeit, damit umzugehen, sich davon nicht vor den Kopf gestoßen zu fühlen!

Aber sie wußten, daß er ihr Mitleid nicht wollte. Sie nannten es Sorge, aber Severus wußte nur zu gut, daß sie ihn alle nur bemitleideten. Dafür, daß er kein Leben hatte, seine Tage in einem düsteren Kerker ohne Freunde oder Familie fristete.

Aber was ging es sie an? Wie konnten sie verstehen? – Nicht daß sie verstehen sollten, sie sollten ihm einfach nur seinen Frieden lassen.

Es war Samstag und gleichzeitig auch mal wieder ein Hogsmeade-Wochenende. Kaum einer der älteren Schüler ließ sich die Gelegenheit, das Schloß mal für einige Stunden zu verlassen und das Zaubererdorf am Fuße der Schule unsicher zu machen, entgehen und die meisten Schüler der ersten beiden Jahrgangsstufen verließen ihren Gemeinschaftsraum aus Ärger darüber, daß sie nicht mitgehen durften, den ganzen Tag nicht.

Früher waren Hogsmeade-Wochenenden Severus' liebste Wochenenden gewesen. Das Schloß war für einige Stunden so still und verlassen wie in den Ferien, keine unerwünschten Störungen, kein unnötiger Lärm, es war fast schon ein totaler Frieden.

Gar nicht davon zu sprechen, daß auch die meisten Lehrer solche Wochenenden nutzten, um mal wieder etwas anderes von der Welt zu sehen und er sich fast sicher sein konnte, daß wirklich absolut nichts und niemand ihn in diesen Stunden störte.

Dies war selbstverständlich anders geworden, seit Dumbledore ihn in die mißliche Lage gebracht hatte, sein Einmannteam, das bis zu diesem Tag stets hervorragende Arbeit geleistet hatte, um einige Mitglieder zu erweitern. Und obwohl auch diese Mitglieder so gut wie keinen freien Tag hatten neben jenen seltenen Wochenenden, war es doch eigentlich immer der Fall, daß irgendeiner von ihnen die Möglichkeit nicht nutzte, sondern es vorzog, ihn in seinem raren Frieden zu stören.

Heute ging dieser Preis an Hermine Granger.

„Ich habe gestern mit Sesha gesprochen. Sie erinnern sich noch, Sie haben mich gebeten, ein wenig nachzuforschen?" Snape hob eine Augenbraue leicht an.

„Soweit ich mich erinnere, habe ich Sie nur dazu ermutigt, zu tun, was Sie nicht lassen können." Kälte, erbarmungslos, genau wie früher. Hermine mußte keine Psychologin sein, um zu erkennen, daß Severus heute nicht in der Stimmung für Smalltalk war. Irgend etwas mußte ihn verärgert haben.

Hermine seufzte kaum hörbar. So leicht das eine Sorgenkind ihr sein Herz ausgeschüttet hatte, dieses hier war viel schwerer zu handhaben.

„Ich schließe daraus, daß es Sie nicht interessiert?" gab sie fast genauso kalt zurück.

„Sollte es mich interessieren?" Hermine unterdrückte ein Schnauben. Wie sehr sie Gespräche, die im Kreis liefen, haßte!

„Ich denke schon. – Obwohl, nein, es geht dabei um Gefühle, die Sie als Belästigung auffassen könnten, es ist vielleicht besser, wenn ich es für mich behalte und mich in Schadensbegrenzung übe." Nun doch ein wenig überrascht über ihren eigenen Versuch, mit Sarkasmus zurück zu schlagen, hörte Severus für einen Moment auf, in seinem Kessel zu rühren und sah die junge Frau an, die mit einem Stapel Bücher eines der Schülerpulte okkupiert hatte.

„Das war gut." Ein anerkennendes Lachen folgte der Bemerkung und für einen kurzen Moment lächelte auch Hermine.

„Das ist nicht der Punkt." Das Lächeln verschwand und die ernste Miene kehrte auf Severus' Gesicht zurück, diesmal jedoch ohne die übliche Kälte.

„Ich habe alles gehört, Hermine. Sie brauchen mir nichts zu erzählen." Das einzige Zeichen ihrer Überraschung, das sie preisgab, war nun ihrerseits eine hochgezogene Augenbraue und ein fragender Blick.

„Sie haben doch nicht etwa gelauscht, Severus?" Severus lächelte, seine Aufmerksamkeit wieder seinem Kessel zuwendend.

„Nun, man könnte es so nennen. Ich hätte erwartet, daß Miss Shantay bemerkt hätte, wie ich die Bibliothek betrat, aber nicht wieder verließ. Ich war in der Verbotenen Abteilung, als Sie und Miss Shantay in der Vergangenheit gegraben haben und da die Bibliothek nun nicht gerade der diskreteste Ort ist, schon gar nicht in der Nacht, wenn alles totenstill ist, konnte ich gar nichts dagegen tun, alles mitzuhören." Ein Lächeln, das ein wenig dem verschmitzten Lächeln Dumbledores glich, glitt über seine Züge. „Außer vielleicht ein Ex Audio Zauber, aber ich verdamme mich höchst ungern selbst zur Taubheit." Hermine nickte und schien über ihre nächsten Worte sehr genau nachzudenken.

„Dann haben Sie wirklich alles gehört? Auch die Sache ganz zum Schluß?" Auch wenn er nicht geantwortet hätte, Severus' Reaktion sprach Bände. Der letzte Rest von Farbe wich aus seinem Gesicht und ein besorgter und auch ein wenig verängstigter Ausdruck lag in seinen tiefschwarzen Augen.

„Auch das, leider." Antwortete er düster.

„Warum leider?" Severus öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann besann er sich eines Besseren, schüttelte den Kopf und preßte die Lippen wieder zusammen.

Hermine legte ihre Feder auf dem Pult ab und stand auf. Sie umkreiste Severus und seinen Kessel und fixierte ihn mit ihrem erbarmungslosesten Blick.

„Sie können mir nicht ewig aus dem Weg gehen, Severus, auch wenn Sie jetzt gerade mal wieder so tun, als wäre ich gar nicht da. Also reden Sie doch endlich mal mit mir. Sesha hat es Ihnen doch wunderbar vorgemacht. Versuchen Sie einfach noch mal, ein Schüler zu sein und betrachten Sie sie als Lehrerin. Machen Sie es ihr nach."

„Hermine, Sie übertreten mal wieder ein Grenze." Murmelte er ohne aufzublicken und schlug sachte mit seinem großen Holzlöffel gegen die Seite des Kessels. Der Trank im Inneren fing sofort lebhaft an zu blubbern.

„Und Sie machen mich langsam wahnsinnig! Wie kann man nur so stur sein, wenn es darum geht, Hilfe anzunehmen?" Severus hob den Blick und seine gefährlich glitzernden schwarzen Augen fixierten sie.

„Gegenfrage! Wie kann man nur so stur sein, wenn es darum geht einzusehen, daß jemand keine Hilfe will, geschweige denn braucht?" Hermine wußte, daß sie ihn einen kurzen Moment lang mit offenem Mund angestarrt hatte, aber sie hatte nichts dagegen tun können. Diese Frage hatte sie doch ein wenig zu überraschend getroffen, war viel zu absurd, als daß er sie ernsthaft gestellt haben konnte.

Ein kurzes fassungsloses Lachen entwich ihrer Kehle und sie griff sich unwillkürlich in die lockigen, braunen Haare, als könne sie so besser begreifen. Severus erkannte sofort, daß er sie praktisch umgehauen hatte und diese Reaktion war nicht gut. Sie sollte nicht fassungslos sein, wenn er sagte, er wolle keine Hilfe, weil er sie nicht brauche. Niemand sollte fassungslos sein, wenn er so etwas sagte! War es schon so weit, daß ihn keiner mehr ernst nahm und alle glaubten, er war ein kleiner, hilfloser Junge? War es schon so weit, daß sie alle glaubten, den heiligen Samariter spielen zu müssen? Dann war es wohl Zeit, daß er etwas dagegen unternahm.

„Wem wollen Sie hier eigentlich etwas vormachen, Severus?!" Hermine traf ihn unvorbereitet und tief in Gedanken versunken, so daß er fast erschrak, als sie ihn erneut ansprach. Sein Blick wurde noch ein wenig düsterer und drohender.

„Hermine, es reicht jetzt. Diese Diskussion ist beendet." Hermine schnaubte verächtlich und in diesem Moment lag auf ihrem Gesicht und in ihren Augen ein aufgebrachter und wild entschlossener Ausdruck, wie ihn Severus selten gesehen hatte. Das typische Feuer, das er schon in ihr gesehen hatte, als sie noch seine Schülerin gewesen war. Und er hatte sie stets um dieses Feuer beneidet, das er selbst schon früh verloren hatte. Doch jetzt ging es ihm schlicht auf die Nerven.

„Diese Diskussion hat nie angefangen! Von mir aus denken Sie doch von sich und auch von mir einfach mal gerade das, was sie wollen, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und ich weiß, was ich sehe! Und auch wenn Sie in mir wohl immer noch nicht mehr sehen als eine neugierige Gryffindor, immer noch mehr Kind und Schülerin als Kollegin und Freundin, ich weiß, daß sie Hilfe brauchen könnten, weil ich es sehe." Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und mehr oder minder zufrieden stellte Hermine fest, daß sein Brustkorb sich immer schneller hob und senkte. Sie hatte ihn, durfte ihn jetzt nicht wieder loslassen.

„Schluß jetzt, Miss Granger!" donnerte seine Stimme durch den Kerker und Hermine konnte nicht anders als kurz zusammen zu zucken. Severus hatte die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt und Hermine konnte sehen, daß sie zitterten, auch wenn er alles tat, um sie ruhig zu halten. So wütend. Kurz davor.

„Was ist der Grund, Severus? Warum müssen Sie so leben? Kommen Sie schon, verraten Sie es mir. Was ist der Grund? Weil Sie ein Todesser waren? Ein böser Mensch? Jemand, der es nicht verdient, daß andere Menschen etwas für ihn empfinden außer Haß und Verachtung?" Beide starrten sich wütend an, keiner von beiden wußte, wie lange, aber beiden war klar, daß keiner von ihnen nachgeben durfte. Krieg der Sturköpfe.

„Um genau zu sein, muß ich so leben, weil ich so leben will. Und das ist alles, was Sie von mir als Antwort bekommen werden." Severus sah nur zu deutlich, wie wütend Hermine war, daß sie praktisch kochte und in diesem Moment vermutlich nichts lieber getan hätte, als ihm an den Hals zu springen.

Dieses Mädchen durchschaute ihn einfach zu genau, sah zu viel von dem, was hinter seiner Fassade vor sich ging. Reichte es denn nicht, daß Albus diese unheimliche Fähigkeit schon besaß? Mußten die Götter ihn nun auch noch mit Hermine strafen?

„Sie treiben mich in den Wahnsinn, Severus!" Mit diesen Worten raffte sie ihre Bücher, das Pergament und die Feder zusammen und stürmte aus dem Kerker.

Frieden kehrte ein. Der Frieden, den er sich schon den ganzen Tag gewünscht hatte. Doch Severus war nicht glücklich darüber. Denn kaum ließ Hermine ihm seinen Frieden, meldete sich die kleine, verdammte Stimme in seinem Kopf und schrie ihm all das zu, was Hermine sich gerade verkniffen hatte.

Hermine konnte es nicht fassen. Sie war ausgerastet! Ausgerechnet bei Severus hatte sie ihr Temperament nicht unter Kontrolle halten können.

Was hatte sie erwartet? Daß sie ihn anschrie und er dann sofort bereit war, den Mund aufzumachen, so beeindruckt von ihrem verfluchten Gryffindor-Mut, daß er es nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, ihr sein Seelenleben vorzuenthalten?

Sie hatte versagt und das auf ganzer Linie. Schlimmer hätte es gar nicht laufen können. Worst Case Scenario in Reinform, unübertroffen.

Aber es war einfach über sie gekommen. Sie hatte diese Gefühle nicht länger zurückhalten können. Und jetzt war es zu spät. Selbst eine Entschuldigung würde es sicher nicht wieder gutmachen können. Sie hatte es versaut. Wenn Severus wirklich irgendwelches Vertrauen zu ihr aufgebaut hatte, dann hatte sie das heute gründlich zusammen getreten, so viel war schon mal gewiß.

Müde vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und ließ sich mit einem Seufzer auf ihre Matratze fallen. Es war einfach alles zu viel. Hermine wußte, daß sie viel aushielt, sie war wirklich belastbar, aber das hier war einfach zu viel.

Sie war dankbar, als sie fühlte, wie sie langsam ein dumpfer Nebel umhüllte und sie in einen tiefen Schlaf glitt.

„Kommen Sie rein, Hermine!" beantwortete Severus das Klopfen an seiner Tür und ignorierte einfach, daß es bereits mitten in der Nacht war und sie eigentlich nicht hier unten an seine Tür klopfen sollte. Andererseits konnte es niemand anderes als Hermine sein, denn immer noch war sie die einzige, die sich trauen würde, um diese Uhrzeit noch einmal bei ihm zu erscheinen.

Und als Hermine die Tür öffnete und sein Büro betrat, fühlte er sich bestätigt und merkwürdig zufrieden. Nicht nur sie konnte in ihm lesen, er kannte auch ein paar ihrer Eigenarten.

„Was kann ich für Sie tun?" Hermine musterte Severus einen Moment lang.

„Ich wollte mich für mein Verhalten heute entschuldigen. Ich weiß, daß es nicht richtig ist, wenn ich versuche, Sie dazu zu zwingen, endlich mit mir zu sprechen." Severus lächelte müde, schon längst nicht mehr in der Lage, seine typische skeptisch angehobene Augenbraue zu zeigen.

„Und dennoch tun Sie es immer wieder." Sein Ton war sanft und wieder genau so samtig, wie einige Wochen zuvor, als er seinen Widerstand ein wenig gelockert hatte. Aber Hermine hatte nicht die Hoffnung, daß das heute wieder der Fall sein würde. Nicht nach ihrem Disput mit ihm.

„Ich bin und bleibe eine Gryffindor." Gab sie ebenfalls lächelnd zurück.

„Ohne Zweifel. – Der impertinente Mut ist nicht gerade etwas, was ich besonders an den Gryffindors schätze, aber das wissen Sie ja bereits. Nichtsdestotrotz wollte ich Ihnen – danken." Hermine blickte überrascht auf und ihre Augen trafen die seinen. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde eine Winzigkeit breiter angesichts ihrer Überraschung.

„Danken?" fragte sie nach, scheinbar wirklich in dem Glauben, sich verhört zu haben.

„Ich weiß, daß Sie sich nur sorgen, Hermine. Und ich gehe jetzt einfach mal davon aus, daß Sie sich meinetwegen um mich sorgen und nicht wegen meiner Fähigkeiten und den Diensten, die ich der Bewegung gegen Voldemort liefern kann." Hermine hörte den sanften fragenden Unterton. Nur ein winzig kleiner, kaum wahrnehmbarer Hauch einer Frage, die zarte Andeutung von Unsicherheit, doch sie wußte, für Severus bedeutete es die Welt.

„Ich bewerte einen Menschen nie nachdem, was er kann und tut, sondern versuche immer zu sehen, wer er ist." Entgegnete sie und hoffte, ihm seine Unsicherheit zu nehmen. Severus nickte.

„Eine Eigenschaft, die einige, wenn auch nicht alle Gryffindors ihr Eigen nennen." Hermine lächelte.

„Sie haben mich nach dem Warum gefragt, Hermine." Wieder traf ihn ihr überraschter Blick. Würde er etwa doch? Und ganz freiwillig?

„Ich kann es Ihnen nicht klar beantworten, aber hauptsächlich lebe ich so, weil ich nicht anders leben kann. Ich verbiete es mir selbst. Nicht die Umstände oder die anderen Leute, ganz allein ich selbst habe mir vor langer Zeit untersagt, jemals wieder einen Menschen nah an mich heran zu lassen." Hermine setzte sich und blickte Severus eindringlich an.

„Wie lange schon?" Er hob ein wenig die Schultern.

„Etwas über zwanzig Jahre." Sie schüttelte den Kopf, diesmal ohne Überraschung, aber voller Resignation. Zwanzig Jahre, das war selbst für den stärksten Menschen dieser Welt zu viel Einsamkeit. Warum nur begriff er das einfach nicht?

„Das ist Wahnsinn, Severus."

„Ich weiß." Resignation. Sie schwang in seiner Stimme so deutlich mit, man konnte sie nicht überhören.

„Warum setzen Sie dem dann nicht endlich ein Ende?"

„Weil ich es nicht kann!" Hermine wollte etwas entgegnen, doch Severus hob abwehrend die Hand und sah sie eindringlich an.

„Und weil ich es nicht will. – Ich habe das alles schon einmal erlebt, Hermine, ich bin dort gewesen. Ich weiß, was Liebe ist und ich weiß, wie schön es ist, einen Menschen zu haben, der wirklich etwas für einen empfindet. Aber ich weiß auch, wie es ist, wenn man diesen Menschen verliert und machtlos daneben steht. Und bei allem, was mir heilig ist, Hermine, ich bin nicht bereit, diesen Weg noch einmal zu gehen.

Schon alleine wegen Sesha. Ich möchte sie nicht in Gefahr bringen, geschweige denn verlieren."

„Wie kommen Sie darauf, daß Sie Sesha verlieren würden? Weil es einmal passiert ist, heißt das doch nicht, daß es immer wieder passiert." Sie blickte in Severus' müde Augen. Alles was sie hier sah und von ihm hörte, überwältigte sie, berührte sie zutiefst.

„Weil ich noch nie in meinem Leben etwas behalten durfte, was mir Freude bereitet hat." Hermine lächelte.

„Ich wußte, daß Sie wirklich etwas für Sesha empfinden." Für einen kurzen Moment verfinsterte sich die Miene des Professors, scheinbar nicht zufrieden mit Hermines Reaktion. Er hatte sie davon überzeugen wollen, das Thema endlich fallen zu lassen, aber statt dessen hatte er es scheinbar nur geschafft, sie zu ermutigen, noch einen Überredungsversuch zu starten. Es war nicht zu fassen.

„Wer war diese Frau, Severus?" Sein abwesender Blick schnappte zurück in die Gegenwart und er sah Hermine entgeistert an. Doch schon wenige Momente später hatte er sich wieder gesammelt und schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, Hermine, nicht heute. Heute ist kein guter Tag für eine Psychotherapie." Nicht heute, aber vielleicht irgendwann mal?

„Ist dann heute eventuell ein guter Tag für ein paar – Eingeständnisse?" Severus konnte nicht anders, als darüber zu lächeln. Sie war verflucht hartnäckig, aber irgendwie war es gut, daß er endlich jemanden gefunden hatte, der ihn einfach nicht entkommen ließ. Selbst Albus hatte er inzwischen so weit, daß dieser sich meist keine große Mühe mehr gab, etwas aus ihm heraus zu kitzeln.

„Was soll ich Ihnen noch erzählen, was Sie nicht schon wissen? – Miss Shantay berührt mich auf eine Weise, die mich, wenn ich ehrlich sein soll, in Angst versetzt. Sie weckt Gefühle in mir, die nicht mehr da sein sollten und löst in mir ganz verschiedenartige Reaktionen aus. Einerseits möchte ich mit ihr zusammen sein, am besten in jeder freien Minute, die sich mir bietet und darüber hinaus, aber andererseits ist da diese Stimme in mir, mein schlechtes Gewissen, das unablässig schreit, daß ich es nicht darf.

Ich bin hin und her gerissen zwischen der tröstenden Dunkelheit meines einsamen Daseins und des hellen Lichtes, das die Liebe auf einen wirft, wie ich bereits erfahren durfte. Und ich weiß nicht, was ich wählen möchte. Ich bin mir bewußt, was ich wählen sollte, aber nicht, was ich will.

Ist es das, was Sie hören wollten, Hermine?" Hermine fühlte, wie es ihr kalt den Rücken hinunter lief und ihre Hände ein wenig feucht wurden. So offen, endlich.

„Nein, Severus. Ich möchte von Ihnen hören, daß Sie sich endlich verzeihen, was auch immer in Ihrer Vergangenheit gewesen ist. Ich möchte, daß Sie den Kopf aus dem Sand ziehen und der Dunkelheit endlich den Rücken kehren." Er wollte etwas erwidern, doch dieses Mal war sie diejenige, die es nicht zuließ.

„Und bis Sie bereit dazu sind, bin ich da, um mir alles andere anzuhören und Ihnen dabei zu helfen, sich endlich zu verzeihen. Alle anderen haben es längst getan, Severus, Sie können es auch." Traurig senkte Severus den Blick. Sie verstand nicht, aber wie hatte er es auch erwarten können? Hermine Granger war nicht einmal annähernd eine so traurige und mitleiderregende Kreatur wie er. Selbst wenn sie sich noch so viel Mühe gab, jemand, der nicht selbst dort gewesen war, konnte einen Menschen, wie er es war, nicht wirklich verstehen. Das war eine Unmöglichkeit. Und doch, einen Moment lang hatte er gehofft.

„Machen Sie doch einfach einen Anfang, einen ersten Schritt in die richtige Richtung und erlauben Sie sich Ihre Gefühle für Sesha. Sie brauchen beide jemanden und wie es sich jetzt herausgestellt hat, empfinden Sie beide für einander eine Menge.

Versuchen Sie es. Ich verspreche Ihnen, diese Beziehung ist gut für Sie beide. Ganz sicher."

„Ich bin noch nicht bereit dazu, Hermine." Er sah, daß sie etwas erwidern wollte, doch dann überlegte Hermine es sich noch einmal und nickte einfach nur resigniert. Sie hatte noch nicht wirklich aufgegeben, nur für den Moment, aber vielleicht bestand ja doch noch die Chance, daß er sie eines Tages davon überzeugen konnte, daß alle Mühe, die sie auf ihn verwandte, vertan war.

„Ich bin nicht bereit, dabei zuzusehen, wie Sie sich selbst Jahr für Jahr immer mehr in Ihre Dunkelheit zurückziehen. Ich weiß, daß Ihnen das nicht gefällt, Severus, aber ich setze jetzt einfach mal voraus, daß es Sie nicht verwundert, daß ich stur bleibe, nicht wahr?" Ihre braunen Augen glitzerten sogar ein wenig vergnügt, als sie ihn anlächelte und die Anspannung auf seinem Gesicht löste sich etwas. Mal wieder nicht das Ergebnis, das er sich wünschte, aber immerhin, das hier war Hermine Granger. Bei ihr konnte man nicht davon ausgehen, daß man erreichte, was man wollte, wenn sie sich etwas anderes in ihren Lockenkopf gesetzt hatte.

„Ich weiß, daß Sie nichts getan haben, um nie mehr Glück zu verdienen und ich weiß auch, daß ich Sie eines Tages davon überzeugen kann." Ihre Blicke trafen sich und zum ersten Mal an diesem Abend sah sie keine Verärgerung in den schwarzen Augen ihres ehemaligen Lehrers. Wenn auch manchmal nur noch als feiner Hauch, war dieser Ausdruck doch die ganze Zeit präsent gewesen, bis jetzt.

„Ich verrate Ihnen etwas, Severus. – Sie waren furchteinflößend, widerlich und gemein und das besonders gerne zu mir, dem alleswissenden Gryffindor-Mädchen, aber Sie haben es trotzdem nie geschafft, mir die Bewunderung für Sie zu nehmen. Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten haben mich stets beeinflußt und auch wenn die anderen immer gedacht haben, meine Wahl sei auf Professor McGonagall oder Professor Vector gefallen, wenn mich jemand gefragt hätte, welcher der Lehrer mein Vorbild war, dann wäre Ihr Name gefallen." Severus blickte überrascht auf.

„Sie lieben Ihre Arbeit, das Forschen und Experimentieren. Ich sehe Ihnen jeden Tag dabei zu, wie Sie mit Hingabe vor Ihrem Kessel stehen und fast ehrerbietig Zaubertränke zusammen mischen. – Und das alles zeigt mir, daß Sie nicht der Mensch sind, den Sie selbst in sich sehen. Egal, was in Ihrer Vergangenheit auch gewesen ist, Sie machen sich selbst schlechter, als Sie in Wahrheit sind. Glauben Sie mir, ich habe genug Menschenkenntnis, um meine Bewunderung niemandem zu schenken, der sie nicht verdient hat." Sie stand auf, noch immer das warme Leuchten in ihren Augen und blickte auf den mehr als erstaunten Severus hinunter. Langsam umrundete sie den Schreibtisch und noch immer rührte Severus sich nicht. Erst, als sie vor ihm in die Hocke ging und wieder zu ihm aufsah, gehorchte sein Körper wieder seinem Willen. Nervös fuhr er sich durch die Haare.

„Zehn Punkte für Gryffindor, Miss Granger, Sie haben es schon wieder geschafft, mich vollkommen zu überraschen." Hermine lachte und erstaunt über ihren eigenen Mut, griff sie nach der Hand, die sein Haar verließ und wieder auf seinen Schoß zurückfallen wollte. Er zuckte zusammen, überrascht über die plötzliche und vollkommen unerwartete Berührung. Hermine umschloß seine Hand mit ihren und blickte ihm fest in die Augen.

„Es sollte Sie freuen und nicht überraschen, Severus. Und ich werde erst an dem Tag Ruhe geben, an dem Sie diesen Zustand erreicht haben." Sie zwinkerte ihm zu und obwohl er noch immer vollkommen perplex war, rang er sich doch zu einem Lächeln durch. Hermines Wärme kroch langsam durch seine kalte Hand und drang in seinen gesamten Körper ein. Sie hatte so etwas Beruhigendes und auch Aufmunterndes an sich und Severus wußte, daß das etwas war, was er seit vielen Jahren schon vermißte, vielleicht sogar brauchte. Wieso nur tat Hermine das alles für ihn? Das gehörte zu den Dingen, die er einfach nicht begreifen konnte, selbst, wenn sie es ihm erklärte.

„Versprechen Sie mir wenigstens etwas, Severus." Er sah sie fragend an.

„Lassen Sie sich die ganze Sache noch einmal genau durch den Kopf gehen. Überdenken Sie Ihre Gründe, sich von allem zu isolieren und ich verspreche Ihnen, Sie werden zu dem Schluß kommen, daß ich recht habe. – Sie sind ein wundervoller Mensch. Schwierig, aber trotzdem nicht weniger wundervoll. Und Sesha hat Sie ebenso verdient, wie Sie Sesha verdient haben." Wenn Severus darauf etwas hatte erwidern wollen, hatte er keine Chance dazu, denn bevor er auch nur einen Ton von sich geben konnte, hatte Hermine ihn in den Arm genommen.

Hermine fühlte, wie er sich in ihrer Umarmung versteifte. Sie wußte selbst nicht wirklich, warum sie es getan hatte, aber er hatte auf sie während des ganzen Gespräches schon den Eindruck gemacht, als wäre alles, was er brauchte, einfach nur ein Zeichen wirklicher Zuneigung. Und wenn ja, warum dann nicht von ihr? Sie war zwar nur eine Kollegin und Freundin, aber sie hatte Severus schätzen gelernt und konnte nicht abstreiten, daß sie ihn gern hatte. Und Freunde umarmten sich gelegentlich auch mal gegenseitig.

Immer nur reden, brachte sie nicht weiter. Severus mußte sehen und fühlen, um zu begreifen, was sie meinte. Und als Severus sich wieder ein wenig entspannte und schließlich sogar ganz vorsichtig seine Arme auf ihren Rücken legte, mußte Hermine lächeln. Er war bei weitem nicht so kalt und gefühllos, wie er immer tat. Er mußte es nur noch selbst begreifen, das war alles.

„Gute Nacht, Severus." Sagte sie, als sie sich langsam aus der Umarmung löste. Severus hatte einen merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht, gerade so als könnte er sich nicht entscheiden, ob er jetzt zeigen sollte, daß Hermines Impulsivität ihm gefallen hatte oder nicht. Aber er nickte und versuchte sogar ein etwas wackliges Lächeln.

„Gute Nacht, Hermine. Vielen Dank, daß Sie da waren." Hermine nickte zurück und wenige Sekunden später schloß sich die Tür seines Büros hinter ihr.

Keine Berührungsangst und keine Bereitschaft auf seinen Selbsthaß einzugehen. Severus hoffte inständig, daß Fred Weasley wußte, welchen Schatz er da erobern wollte. Und auch, wenn er es vor sich selbst nicht gerne zugeben wollte, hoffte er, daß es nicht das einzige Mal bleiben würde, daß Hermine so etwas tun würde, denn schon jetzt, wo sie nur wenige Sekunden weg war, schrie in ihm alles danach, daß sie wieder zurückkommen sollte. Daß endlich jemand diese wichtige Aufgabe in seinem Leben dauerhaft übernehmen mußte.

„Hey Hermine." Hermine fuhr erschrocken zusammen, als sie die Tür zu Severus' Büro hinter sich schloß und plötzlich Harrys Stimme hinter sich hörte. Harry saß auf der untersten Stufe der Kerkertreppe und sah sie müde an.

„Harry! Was machst du hier unten und auch noch um die Uhrzeit?" Harry hob die Schultern und sah seine beste Freundin aus Schultagen vollkommen emotionslos an.

„Das selbe könnte ich dich auch fragen." Hermine zog die Augenbrauen zusammen, nicht sicher, ob sie verärgert oder besorgt sein sollte.

„Ich arbeite hier unten, schon vergessen?" ein Anflug von Gereiztheit schwang in ihrer Stimme mit.

„Mitten in der Nacht? – Komm schon, erzähl mir keinen Unsinn, Hermine."

„Vielleicht sollten wir das nicht hier unten besprechen." Ein bitteres Lächeln zog über Harrys Lippen als er ein Nicken in Richtung der Tür zum Klassenraum für Zaubertränke andeutete.

„Angst, dein neuer bester Freund könnte uns hier unten beim Streiten erwischen und Punkte abziehen?"

„Wir sollten es definitiv nicht hier unten besprechen." Ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu, also erhob Harry sich und folgte ihr hinauf zu ihren Privaträumen.

Die Tür fiel mit einem fast schon gnadenlosen Krachen hinter ihr ins Schloß und Harry konnte ihr nur zu deutlich vom Gesicht ablesen, wie sauer sie jetzt schon auf ihn war. Wenn er nur gewußt hätte, was ihn ritt, dieses Thema auf so provokante Weise anzuschneiden, wäre ihm wohler gewesen, aber Harry wußte nur, daß er gerade vollkommen impulsiv handelte und so blöd es auch in Hermines Augen sein mußte, ihm tat es gut, seinen aufgestauten Emotionen auf diese Weise Luft zu machen. – Wenn sie ihn denn zu Wort kommen lassen würde.

„Harry James Potter!" fauchte sie ihn mit in die Hüften gestemmten Händen an. „Was war das für ein Auftritt? Ich hoffe, du hast eine sehr gute Erklärung." Harry ließ sich in einen der weichen Sessel vor ihrem Kamin fallen und sah sie müde an.

„Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, von dir endlich eine Erklärung zu bekommen, Hermine. – Läuft da was zwischen dir und Snape?" Hermine wußte nicht, ob sie besser lachen oder schreien sollte. Harry schlagen war auch eine gute Alternative, wenn sie es sich genau überlegte. – Aber sie tat nichts von all dem, war viel zu perplex, um sich überhaupt irgendwie zu rühren.

„Wie soll ich dein Schweigen und diesen Ausdruck jetzt deuten?" Immer noch nach Worten ringend schüttelte sie den Kopf und faßte sich an die Stirn, hinter der sie ein dumpfes Pochen spüren konnte.

„Was für ein ausgemachter Blödsinn!" preßte sie schließlich kaum hörbar hervor und ließ sich in den zweiten Sessel fallen. „Was ist denn nur mit dir los, Harry?"

Wie von der Tarantel gestochen sprang Harry auf und warf die Hände in die Luft.

„Warum immer ich? Was ist mit euch allen los? Warum ist Snape auf einmal der gute, den alle mögen. Warum ist er auf einmal ‚schwierig, aber doch nicht unerträglich'? Was ist passiert, daß scheinbar alle Menschen, die ich bisher für normal gehalten haben, so plötzlich ihre Meinung über das alte Ekel ändern konnten?" Hermine lehnte sich nach vorne und stützte ihren Kopf auf ihre Hände. Das war zu viel an einem Abend. Viel zu viel.

„Weil wir erwachsen geworden sind, Harry. Weil wir keine Kinder mehr sind, die Angst vor dem großen bösen Zaubertrankmeister haben. Weil er weiß, daß wir keine Kinder mehr sind und uns nicht mehr so behandelt." Harry schnaubte verächtlich und lief aufgebracht vor Hermine auf und ab. Sie mußte den Blick von ihm abwenden, zu nervös war sein Gezappel und zu stark machten sich jetzt nach und nach die Kopfschmerzen bemerkbar.

„Du kannst es ruhig zugeben. – Es ist hart für mich, das streite ich nicht ab, aber ich werde damit leben können." Hermine blickte ihn durch ihre gespreizten Finger an.

„Was soll ich zugeben, Harry?" Harry blieb abrupt stehen und starrte sie mit wilden grünen Augen an. Die typische Harry Potter Wut, die schon viele Leute in ihrem Leben zu sehen bekommen hatten. Ein wilder Sturm in tiefgrünen Augen. Aber womit hatte sie diese Wut jetzt auf sich gezogen? Was hatte sie verbrochen? Gab es überhaupt einen Grund?

„Daß du was mit Snape angefangen hast." Die Worte trafen sie wie ein harter Schlag und für einen Moment glaubte Hermine, das alles nur geträumt zu haben. Doch ihr Verstand sagte ihr einfach zu klar, daß alles real war, daß sie nicht in ihrem Bett lag und schlief, sondern wirklich in ihrem Wohnzimmer vor dem Kamin saß und Harry das gerade wirklich gesagt hatte.

„Was für ein Unsinn!!" Harry zuckte zusammen, so heftig schrie Hermine ihren alten Freund an. Jetzt war auch in ihren Augen der wilde Sturm aufgezogen und Harry wußte sofort, daß er sie sehr wütend gemacht hatte. Die Frage war nur, zurecht oder doch eher, weil er sie ertappt hatte?

„Ich bin seine Kollegin und vielleicht auch so etwas wie eine Freundin, aber ich habe garantiert keine Beziehung zu Severus Snape! Du müßtest dich mal selbst reden hören." Harry spürte einen leichten Anflug eines schlechten Gewissens, aber er war wirklich nur leicht und verging fast augenblicklich wieder. Er fühlte es oft in der letzten Zeit, hauptsächlich, wenn er mit Snape stritt, aber was gab es eigentlich für einen Grund, ein schlechtes Gewissen zu empfinden? Er sagte nur das, was ihm offensichtlich erschien. Und im Moment schien es ihm mehr als offensichtlich, daß Hermine ihm etwas verheimlichen wollte.

„Ich möchte doch nur nicht, daß er dir weh tut, Hermine." Versuchte er möglichst sanft einzulenken. Hermines Blick schoß noch immer eisige Pfeile auf ihn ab.

„Snape spielt ein falsches Spiel und ich möchte nicht, daß er deine Gefühle mit Füßen tritt." Hermine verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an.

„Und wie sieht dieses falsche Spiel aus? Klär mich auf." Harry schluckte und blickte unter sich.

„Na ja, er scheint auch ein Auge auf Sesha geworfen zu haben. – Und so krank mir der Gedanke auch scheint, sie ist scheinbar nicht abgeneigt."

„Du bist ein Idiot." Jetzt war es an Harry, zu glauben, daß er sich verhört hatte.

„Was?!" Hermines Blick wurde noch einen Ton eisiger und auch ihre Stimme war ungewöhnlich kalt.

„Du bist ein Idiot. – Du bist nichts weiter als blind. Immer noch der gekränkte Junge von damals, der sich von seinem Lehrer ungerecht behandelt fühlt." Harry öffnete den Mund, doch er brachte keinen Ton hervor. Fassungslos ließ er sich zurück in den Sessel fallen.

„So weit ist es also schon." Flüsterte er und starrte an die Decke des Zimmers. Er hörte, wie Hermine tief durchatmete, als würde sie zu einer längeren und langsam aber sicher nervigen Erklärung ansetzen, wie man manchmal bei begriffsstutzigen Kindern tat, wenn man nicht aufpaßte.

„Harry, hör endlich auf, dich als Opfer zu sehen. Ich bin nur mit Severus befreundet, mehr ist das nicht. Er möchte nichts von mir. Eigentlich noch nicht einmal meine Freundschaft. Er hat nicht vor, mir weh zu tun oder mich dir wegzunehmen." Harry blickte sie überrascht an.

„Das ist es doch, wovor du Angst hast oder? Daß ausgerechnet Severus Snape dir deine beste Freundin wegnimmt. – Die einzige Freundin, die dir geblieben ist. Niemand sonst in deinem Leben als ich und Ron." Harrys Blick verdunkelte sich.

„Hör auf." Seine Stimme klang, als würde er nur knapp die Tränen unterdrücken. „Hör bitte einfach auf. Ich weiß ja, daß ich total bescheuert bin."

„Volltreffer also." Sagte Hermine lächelnd. „Du brauchst keine Angst zu haben, Harry. Severus ist der letzte, der irgendeinen Menschen in diesem Schloß an sich binden will. Und so beruhigend das vielleicht für dich ist, so schlecht ist das für Severus."

„Dann willst du wohl auch abstreiten, daß Snape etwas von Sesha will?" Hermine schüttelte den Kopf.

„Nein, nicht vollkommen. Er empfindet etwas für sie, aber er verleugnet diese Gefühle." Harry seufzte und sank ein wenig tiefer in den Sessel.

„Tut mir leid, Hermine. Das war sehr dumm von mir. Fred hatte mir ja schon gesagt, daß da nichts ist." Hermine hob überrascht die Augenbrauen.

„Skeptisch wie immer, was? Harry, du solltest langsam mal damit anfangen, hin und wieder etwas als gegeben zu akzeptieren, das würde dir so manche Aufregung ersparen." Harry nickte resigniert und sprang im nächsten Moment praktisch aus seinem Sessel auf.

„Tut mir leid. - Mehr kann ich nicht sagen. Gute Nacht, Hermine." Mit diesen Worten floh er praktisch aus ihren Räumen und ließ Hermine zum wiederholten Male für diesen Tag nachdenklich zurück. Immerhin hatte sich ausnahmsweise das Objekt der Sorge ein wenig geändert, das war ja schon mal ein Fortschritt.

Hermine wurde das Gefühl nicht los, daß sie irgendwer heute ständig beobachtete. Severus war es nicht. Der war zu sehr damit beschäftigt, seinen Blick von Sesha fern zu halten. Und Sesha ging es ganz ähnlich im Bezug auf Severus.

Percy wagte es selbst dann nicht, eine andere Frau längere Zeit anzusehen, wenn seine Penny nicht einmal in der Nähe war. Und George, ja George war viel zu sehr damit beschäftigt neben seiner Arbeit heimlich in seinem neuesten Magazin über Scherzzauber zu blättern.

Was zu dem Schluß führte, daß es sich nur um Fred handeln konnte. Keine große Überraschung, wenn man es genau betrachtete.

„Hast du nachher ein bißchen Zeit für mich?" flüsterte er ihr zu, als er sich ein Buch aus dem Regal neben ihrem Arbeitstisch holte. Hermine warf ihm einen verstohlenen Blick zu.

„Ist es wichtig?" fragte sie zurück, mehr gespielt als ernst gemeint.

„Lebenswichtig." Hermine kicherte, etwas, was sie nur sehr selten tat und nickte schließlich.

„Wenn wir hier fertig sind, okay?" Ein fröhliches Leuchten erhellte Freds braune Augen und Hermine hätte schwören können, daß sie ihn für den Rest des Tages leise summen hörte.

„Komm rein." Forderte Hermine Fred freundlich auf und Fred betrat die hellen, freundlichen Räume, die einen eindeuten herminischen Touch hatten.

„Setz dich, ich werde mir nur schnell ein paar andere Sachen anziehen." Sie verschwand im Nebenzimmer und überließ Fred für einige Minuten sich selbst und seinen Gedanken. Obwohl er rein äußerlich sehr sicher wirkte, konnte man doch sehen, daß seine Hände zitterten, wenn man genau hinsah. Er hatte zwar keine Ahnung, vor was genau er eigentlich Angst hatte, aber er war nervös wie ein Erstkläßler, hatte sogar feuchte Hände, die er nervös an seiner Robe abwischte.

Es waren vielleicht fünf Minuten vergangen, als Hermine frisch umgezogen zu ihm zurückkam und sich mit einem müden Lächeln in den Sessel ihm gegenüber setzte.

„Was gibt es so Wichtiges?" fragte sie und rieb sich ihre angespannten Nackenmuskeln. Fred holte so unauffällig wie möglich tief Luft.

„Hermine, ich wollte dich etwas fragen." Sie sah ihn erwartungsvoll an, doch irgendwie machte er auf sie den Eindruck, daß er sich nicht wirklich sicher war, ob er die Frage stellen sollte.

„Raus damit, Fred. Seit wann bist du schüchtern?" Sie lachte glockenhell auf und nahm Fred damit ein wenig seine Nervosität. Aber es war immer noch genug übrig.

„In zwei Wochen ist doch Halloween." Wieder hielt er inne.

„Ja?" hakte Hermine immer noch grinsend nach. Manchmal hatte sie das Gefühl, daß alle Männer in diesem Schloß verrückt geworden waren. Irgendwie bekam keiner von ihnen mehr einen geraden Satz heraus.

„Und da ist ja auch dieser Ball." Hermines Grinsen wurde breiter.

„Stimmt." Erwiderte sie in einem Anflug von Grausamkeit, nicht bereit, weiter auf ihn zuzugehen. Das war einfach zu niedlich, sie wollte es noch ein bißchen auskosten.

„Und ich... ähm... ja, also ich wollte dich fragen... weißt du, der Ball..." ein frustriertes Seufzen. „Ich komm mir so blöd vor!"

„Ich find's gut, mach nur weiter." Überrascht blickte er in Hermines lächelndes Gesicht. Biest war das erste Wort, das ihm einfiel. Sie wußte genau, worauf er hinaus wollte, aber wollte ihm nicht helfen. Frauen waren manchmal einfach schrecklich.

„Hermine..." wieder holte er tief Luft. Diesmal mußte es raus, das war der letzte Versuch, sonst machte er sich nur noch lächerlicher. „Hermine, würdest du mit mir zu diesem Ball gehen? Als meine Begleitung?" Einige Sekunden herrschte Schweigen. Bedrückendes Schweigen in Freds Augen.

„Gerne." Antwortete Hermine schließlich. Freds Gesicht hellte sich auf, doch Hermine hob die Hand, zum Zeichen, daß er sich nicht zu früh freuen sollte.

„Unter einer Bedingung. Ich möchte nicht mit einem Monster oder einer blödsinnigen Heldengestalt dort erscheinen. Du mußt eine Verkleidung finden, die zu einem weltgewandten Gentleman paßt und einer Lady gerecht wird." Für einen Moment fiel Freds Gesicht zusammen, doch genauso schnell faßte er sich wieder. Er würde sich schon etwas einfallen lassen.

„Abgemacht. Ein gutgekleideter, weltgewandter Gentleman. Das kriege ich hin." Hermine lächelte.

„Ich hatte gehofft, daß du das sagen würdest."

„Dann werde ich mich wohl jetzt auf die Socken machen und mich um ein perfektes Kostüm kümmern. Ich freue mich, daß du ja gesagt hast, Hermine." Hermine begleitete ihn zur Tür.

„Ich freue mich, daß du gefragt hast." Erwiderte sie lächelnd, als er zur hinaus auf den Flur schlüpfte. Doch nur eine Sekunde später steckte er den Kopf wieder zu eben jener Tür herein. Seine Augen funkelten verschmitzt.

„Eine Sache hab ich noch vergessen." Grinste er.

„Was denn?" Im nächsten Moment fühlte Hermine eine kurze Berührung seiner Lippen auf ihren. Ein Kuß, so kurz und leicht, daß es fast keiner gewesen war. Und dann war er fort.

Hermine war so überrascht, daß sie wie ein kleines Schulmädchen die Hand hob und ihre Lippen betastete.

„Fred?" flüsterte sie und sah ihm nach, wie er mit wallendem Umhang den Korridor hinunter ging.

Der Abend kam viel zu früh. Den ganzen Tag über hatte Severus immer wieder auf die Uhr gesehen und gehofft, daß die Zeiger endlich langsamer voran rücken würden, vielleicht sogar, daß die Zeit für einige Momente stehen blieb. Einfach nur, damit er mehr Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten, Sesha so gleichgültig wie möglich entgegen treten zu können, ohne sie es merken zu lassen. Er wollte ihr nicht unnötig weh tun, aber er wollte sich genauso sehr schützen und befürchtete das schlimmste, wenn er nicht in der Lage war, die Kontrolle zurück zu gewinnen. Die Sache durfte ihm nicht entgleiten – sofern das nicht schon geschehen war, wie er immer mehr befürchtete.

Mit einem unterdrückten Fluchen sprang er auf und zog eines der vielen in Leder gebundenen Bücher aus einem der Bücherregale. Auf den ersten Blick ein ordinäres Buch, nicht anders als die anderen. Seine wahre Besonderheit zeigte sich immer erst nach dem Öffnen. Immer erst dann, wenn er die erste Lage Seidenpapier umschlug und in das unverwechselbare Gesicht, in diese unvergessenen grünen Augen blickte, die strahlten und vor Freude sprühten.

Seine wahre Droge, der wahre Grund, warum er immer noch am Leben war. Genauso grün wie der Absinth und vielleicht genauso zerstörerisch, aber doch irgendwie weniger – giftig.

„Wir hätten bei Schlammblut und Todesser bleiben sollen, Lily." Sagte er leise, ein trauriger Unterton schwang in seiner Stimme mit. Sanft strich er mit einem seiner feingliedrigen Finger über das Foto der jungen Frau.

„Zumindest mir hätte das einiges erspart. Dich einfach nur hassen zu können, wie ich dich damals gehaßt habe. – Ich mache es mir zu einfach, ich weiß. Wie immer. Keine Überraschung. Aber ich wünsche mir einfach so sehr, daß ich nur einmal nicht der einzige wäre, der es mir einfach macht." Er lächelte und ein vergnügtes Leuchten lag in seinen Augen.

„Einfach wäre zum Beispiel gewesen, wenn du als Geist zurückgekommen wärst. Und wenn auch nur, um mir zu sagen, daß ich weitergehen soll. – Ich weiß, daß ich es tun sollte. Weitergehen und damit aufhören, mir selbst leid zu tun und den ewigen Märtyrer zu spielen, aber ich kann es nicht. Ich trete auf der Stelle und das Leid, das es in mir verursacht, fühlt sich richtig an. Ich weiß, es stimmt nicht und du hast das sicher so nicht gewollt, aber ich werde einfach dieses zwanghafte Gefühl nicht los. – Was denkst du? Sollte ich mit Hermine darüber reden? Sollte sie erfahren, was damals geschehen ist?" Es war nicht das erste Mal, daß Severus mit den Fotos von Lily sprach, auch wenn sie ihm nicht antworten konnten. Es war einfach nur das Gefühl, daß sie da war und ihm zuhörte, auch wenn es Blödsinn war.

Severus hörte hinter sich das sanfte tapsende Geräusch von Janus' Pfoten und schon wenige Augenblicke später stieß die kleine silber-schwarze Katze ihren Kopf gegen seine Waden. Severus lächelte.

„Ja, ja, deine Meinung kenne ich ja schon, du Vaterlandsverräter." Mit einer sanften, liebevollen Bewegung hob er Janus vom Boden auf und drückte ihn an seine Brust.

„Was meinst du?" fragte er seinen felltragenden Freund und der Kater schien seinem Blick zu folgen und das Bild von Lily ebenfalls nachdenklich anzusehen.

„Schaffen wir beide einen neuen Anfang?" Katze und Zauberer sahen sich in die Augen und auch wenn Janus nicht sprechen konnte wie ein Mensch, Severus wußte doch haargenau, was er ihm sagen wollte.

„Hast recht. Ich werde es versuchen, bald schon. Es ist in Ordnung, wenn Hermine alles weiß." Janus befreite sich aus seinem Griff und kletterte auf seine Schulter. Der Kater war so zierlich, daß er sogar auf Severus' nicht übermäßig breiter Schulter genug Platz fand, um so auszusehen, als würde er nirgendwo anders hingehören. Liebevoll rieb er seinen Kopf an der Wange seines Herrn und Severus konnte gar nicht anders als noch einmal zu lächeln. Dieser Kater verstand es, ihn zu trösten.

Wieder warf Severus einen Blick auf die große Uhr an der Wand und gab ein kurzes Geräusch des Unwillens von sich. Schon so spät. Jetzt würde sie jeden Moment da sein.

„Du verziehst dich jetzt besser, Janus. Es sei denn, du möchtest noch mehr Damenbekanntschaften schließen." Erklärte Severus seinem Kater mit einem Grinsen und kraulte ihn kurz hin den Ohren. Janus öffnete das Maul, doch der Laut, der daraus hervordrang war so leise, daß selbst Severus ihn mit seinem feinen Gehör kaum wahrnahm. Kater und Herr, beide waren Leisetreter.

Mit einem kräftigen Satz und einem lauten Plopp sprang Janus von seiner Schulter auf den Boden und stolzierte mit steil aufgestelltem Schwanz zu der Tür hinüber, die in Severus' Privaträume führte. Ein kurzes Lächeln gestattete Severus sich noch, bevor sein Blick wieder ernst wurde.

Kaum eine Minute später klopfte es dann auch wirklich an seine Tür. Mit einer nervösen Bewegung zog er am Saum seiner schwarzen Jacke, um die imaginären Falten zu glätten und atmete auf dem Weg zur Tür noch einmal tief durch.

Je länger Sesha und er zusammen im Kerker saßen und nichts weiter geschah als ein produktives Planen und Diskutieren, desto mehr entspannte Severus sich wieder. Er hatte schlimmeres erwartet. Aber andererseits hätte ein forsches Voranschreiten genauso wenig zu Sesha gepaßt wie zu ihm. Seine Angst war vielleicht wirklich albern gewesen.

„Professor, darf ich Sie etwas fragen?" Severus blickte auf und schob in einer automatischen Bewegung die Brille, die er heute zu Seshas Verwunderung trug, zurück auf seine Nasenwurzel.

„Gerne." Antwortete er so ruhig wie möglich.

„Es geht um den Ball. Gehen nur die Schüler in Paaren hin oder auch die Lehrer?" Schlagartig war es mit der Ruhe, die sich endlich wieder in ihm breit gemacht hatte, vorbei. Die Muskeln in seinem Rücken spannten sich fast schon schmerzhaft an, als er sich unwillkürlich ein wenig gerader setzte und versuchte, seine übliche steife, abweisende Haltung einzunehmen. Warum hatte er sie überhaupt abgelegt?

„Meist gehen die Lehrer allein, allerdings bleibt es Ihnen natürlich freigestellt, sich einen der Lehrer aus dem Kollegium als Tanzpartner auszuwählen. – Ich bin mir sicher, daß Albus und Minerva wie immer als Paar auftreten werden." Severus hatte versucht, seiner Stimme einen möglichst beiläufigen, uninteressierten Klang zu geben, aber er hätte in diesem Moment darauf geschworen, daß ihm das voll und ganz mißglückt war. Er hatte das Zittern gehört.

„Danke." Antwortete Sesha nickend. „Dann werde ich mich wohl mal umsehen." Nur knapp unterdrückte Severus ein erleichtertes Seufzen, als Sesha ihren Blick wieder auf das Stück Pergament vor ihr richtete.

Natürlich war es keine Seltenheit, daß sich die Lehrer des Kollegiums untereinander für solche Gelegenheiten sozusagen verabredeten, aber Severus war eindeutig nicht in der Stimmung, die Vergangenheit noch einmal zu durchleben und er war sich darüber hinaus eigentlich hundertprozentig sicher, daß Harry die junge Frau früher oder später fragen würde, ob sie mit ihm hinging. Und das war auch gut so. Wie würde das aussehen, wenn gerade er mit seiner viel jüngeren Kollegin auf dem Ball erschien und womöglich auch noch mit ihr tanzte, statt wie sonst mürrisch auf einem Stuhl am Rand zu sitzen und so auszusehen als würde er die ganze Welt und alle Lebewesen darin abgrundtief hassen? Es würde mehr als schwierig sein, so etwas zu erklären.

„Professor, was halten Sie davon, wenn wir diese Stelle hier noch einmal überdenken?" Severus riß sich aus seinen Grübeleien heraus und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Sesha zu, die auf eine Stelle ihres Skriptes deutete und nachdenklich an ihrer Feder kaute, während sie ihm in kurzen Worten erklärte, was sie ändern wollte.

Es war bereits eine Woche vor Halloween, als Dumbledore alle Helfer des Lehrerkollegiums noch einmal abschließend zusammen rief und sich die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Arbeit vorstellen ließ. Alles in allem vermittelten die vorgestellten Ideen und Konzepte sogar Severus den Eindruck, daß dieser Ball ein Ereignis werden würde, wie es selbst Hogwarts bisher nur sehr selten gesehen hatte. Eines mußte man Dumbledore lassen, wenn er seine Schüler zerstreuen wollte, dann machte er es richtig.

„Ich weiß, ihr habt in den letzten Wochen alle sehr hart gearbeitet, diesen Tag vorzubereiten und es liegt sogar noch viel mehr Arbeit vor uns als bereits hinter uns, aber ich möchte euch trotzdem noch einmal für einen Moment um eure Aufmerksamkeit bitten." Eher unfreiwillig kam Severus diesem Wunsch nach. Seine Aufmerksamkeit verabschiedete sich auch im Moment - wie so oft in der letzten Zeit - nur zu gerne in ihre ganz eigene Welt.

Dumbledore blickte lächelnd in die Runde.

„Ich nehme an, die meisten von euch hätten es ohnehin getan, aber diejenigen, die andere Pläne hatten," für einen kurzen Moment ruhten seine leuchtenden Augen auf Severus, „möchte ich hiermit darauf hinweisen, daß auch die Lehrer natürlich der - Verkleidungspflicht unterliegen." Severus verschluckte sich vor Schreck an seinem eigenen Atem, als er das hörte und konnte nur mit Mühe ein verkrampftes, trockenes Husten unterdrücken. Das konnte doch nicht Albus' Ernst sein! Er konnte nicht wirklich von ihm verlangen, daß er an dieser Kinderei auch noch verkleidet teilnahm! Halloween war nun wirklich der letzte Tag im Jahr, an dem Severus Snape in irgendeiner Weise zu Fröhlichkeit und Feiern aufgelegt war. Und die Tatsache, daß er sich nun noch vor versammelter Schülerschaft in einem albernen Kostüm lächerlich machen sollte...

Severus schloß die Augen und zwang sich zur Ruhe. Woher sollte Albus wissen, was er damit von ihm verlangte? Der alte Zauberer glaubte doch noch immer, daß Severus grundsätzlich etwas gegen Spaß hatte und ahnte nicht einmal, was Halloween wirklich für Severus bedeutete.

Dumbledore beobachtete Severus aus den Augenwinkeln. Es war keine Überraschung für ihn, daß der Lehrer für Zaubertränke geschockt schien. Er hatte sicher nicht eine Sekunde mit dem Gedanken gespielt, verkleidet auf dem Fest zu erscheinen. - Aber dennoch überraschte den alten Mann der Blick, der nach dem ersten Schock in die Augen seines Schützlings trat. Diese tiefe, verzweifelte Traurigkeit, gepaart mit etwas, was man sonst niemals in den Augen des Zaubertrankmeisters sah. Geschlagenheit. Was auch immer es war, was Severus gerade durch den Kopf ging, er gab sich geschlagen.

„Hermine, warte bitte kurz!" rief Sesha Hermine am Ende der Versammlung zu, als ihre Freundin schon fast aus der Tür heraus war. Hermine hielt inne und wartete an der Tür auf Sesha, die eilig ihre Sachen zusammenraffte.

„Ich wollte dich um etwas bitten, Hermine." Die beiden machten sich auf ihren fast schon routinemäßigen Weg zur Bibliothek. Es war fast noch früh am Abend und sie wollte noch ein wenig arbeiten, wenn sich die Gelegenheit schon bot.

„Worum geht's?" fragte Hermine, sichtlich gut gelaunt.

„Kannst du mir vielleicht bei der Auswahl meines Kostüms helfen? Ich hab absolut keine Idee, was ich da anziehen soll." Ein breites Grinsen zog über Hermines Gesicht. Wie sehr hatte sie gehofft, daß Sesha sie in der Sache um Hilfe bitten würde! Und daß Dumbledore heute auch noch verkündet hatte, daß alle Lehrer verpflichtet waren, kostümiert zu erscheinen, war der Idee, die sie vor einigen Tagen plötzlich gehabt hatte, sehr entgegen gekommen.

„Mit dem größten Vergnügen. Ich hab auch schon die perfekte Idee für dich!" zwinkerte sie Sesha zu und hakte sich bei ihr ein.

„Wow, das sieht wunderschön aus." Sesha konnte ihren Blick gar nicht mehr von den vielen Bildern in dem Buch, das Hermine ihr heute mitgebracht hatte, abwenden.

„Diese Kleider sind nicht ganz authentisch, aber doch stark an die Mode im zwölften und dreizehnten Jahrhundert angelehnt. Das waren damals noch sehr gute Zeiten für Hexen und Zauberer." Seshas Blick blieb endgültig an einem der Kleider hängen und nachdem sie sich offensichtlich entschieden hatte, sah sie Hermine immer noch etwas zweifelnd an.

„Und du willst mir wirklich dabei helfen?" Hermine lachte. Sesha tat fast schon so, als wäre es eine große Sache, was Hermine da angeboten hatte.

„Es ist doch nur ein kleiner Zauber, mehr nicht. Das soll es also werden?" fragte sie und deutete auf das Bild, dem Sesha die meiste Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sesha nickte und obwohl sie den Kopf gesenkt hatte, konnte Hermine doch deutlich sehen, daß sie ein wenig rot geworden war. Wie konnte ihr das nur so unangenehm sein? Hermine konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Gute Wahl. - Morgen Abend machen wir uns an die Arbeit, einverstanden?" Sesha nickte und mit einem Mal strahlten ihre Augen voll Vorfreude.

„Es ist gut, endlich eine Freundin zu haben, Hermine. Du bist einfach großartig!" Hermine lächelte. Immerhin eine hatte das schonmal begriffen.

„Wie findest du es?" fragte Aidan nachdenklich und drehte sich vor ihrem riesigen Spiegel um die eigene Achse. Aislin blickte von ihren Hausaufgaben für Verwandlung auf und musterte ihre Freundin mit einem langen Blick.

„Du siehst aus wie eine Waldnymphe." Entgegnete sie schließlich ohne jede Form der Wertung oder Beurteilung. Aidan verdrehte genervt die Augen.

„Großartige Auffassungsgabe. Ich wollte wissen, wie es aussieht, nicht ob man es erkennt." Aislin hob die Schultern.

„Es sieht gut aus, wie alles, was du trägst, Aidan. - Aber ich bezweifle, daß der Professor einen Faible für Nymphen hat." Aidans Gesichtszüge gefroren für einen winzigen Augenblick, doch dann lächelte sie wieder, ein geheimnisvolles Glitzern in den Augen.

„Nein, Severus sicher nicht, aber ich weiß jemanden, der meine Einladung ganz sicher nicht ablehnen wird und wenn Severus mich mit ihm auf dem Ball zusammen sieht, dann wird ihm das ganz sicher nicht gefallen. - Dann wird er merken, daß er mich doch will." Setzte sie mit grimmiger Überzeugung nach und erweckte damit nun doch endlich Aislins volle Aufmerksamkeit.

„Und wer soll der Glückspilz sein, den du an deinen geliebten Professor verfüttern willst, sollte der wirklich irgend etwas in der Art von Eifersucht empfinden, wenn er dich mit einem anderen sieht?" Aidans Grinsen wurde noch ein wenig breiter.

„Der Mann, den Severus mehr als alles andere in dieser Schule haßt. - Harry Potter." Aislins tiefblaue Augen weiteten sich geschockt und für einen Moment vergaß sie das Atmen komplett, so überrascht und auch erschrocken war sie.

„Potter?! Aidan! Bist du vollkommen durchgeknallt? Severus Snape war ja schon eine furchtbare Wahl, wenn man bedenkt, daß er ein dreckiger Verräter ist, aber immerhin war er kein Halbblut aus Gryffindor!" Aidan starrte Aislin wütend an und warf frustriert die Arme in die Luft.

„Himmel Aislin, das ist doch vollkommen egal! Potter ist nur Mittel zum Zweck. Es ist ja nicht so, daß ich wirklich was von ihm wollte!"

„Immerhin etwas. - Ich halte die Idee trotzdem für vollkommen verrückt. Was, wenn dein Vater davon erfährt?" Aidan hob unbeeindruckt die Schultern und wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu.

„Wer sollte es ihm schon sagen? Oder willst du mich vielleicht bei ihm verraten?" Aislin schüttelte den Kopf. Nein, das wollte sie sicher nicht, auch wenn sie das Gefühl nicht los wurde, daß es vielleicht zu Aidans Sicherheit das klügste gewesen wäre.

Aber andererseits, sollte sie sich ruhig immer tiefer in ihre Verzweiflung hineintreiben. Desto weniger Arbeit hatte Aislin damit, ihr Ziel zu erreichen und in den Reihen der Todesser an Anerkennung zu gewinnen. Es war so schon schwer genug, dem Dunklen Lord zu gefallen, warum sollte sie es also ablehnen, wenn Aidan ihr sogar entgegen kam?

Aislin lächelte. Ein Lächeln das ihre Augen nie erreichte.

Hermine war wie so oft in der letzten Zeit die letzte, die an diesem Abend ihre Sachen im Labor zusammen räumte, um für diesen Tag endlich ihre Arbeit zu beenden. Und wie immer war sie es auch heute nicht ohne Grund.

„Ich werde das Gefühl nicht los, daß Sie heute noch miesepetriger aussehen als sonst, Severus." Startete sie ihren Versuch eines Gesprächs mit ihm. Severus lächelte.

„Wie sollte ich Ihrer Meinung nach denn gelaunt sein nach der Bombe, die Albus mir vorgestern in die Hände gegeben hat, Hermine?" Hermine lachte, ein Geräusch, das auf Severus inzwischen eine sehr wohltuende und sogar beruhigende Wirkung hatte - auch wenn er das natürlich nicht zeigte. Hermine mußte nicht immer alles wissen, nicht wahr?

„Irgendeine Idee für ein Kostüm?" Severus schüttelte den Kopf. Nicht, daß er sich irgendwann in seinem bisherigen Leben schon einmal Gedanken um eine adäquate Verkleidung für einen Halloweenball gemacht hatte.

„Interesse an ein wenig Hilfe?" Er blickte überrascht auf.

„Ehrlich gesagt..." Hermines Grinsen unterbrach ihn.

„Denken Sie gar nicht erst daran, Albus wird Sie in die Große Halle schleifen, wenn es sein muß. Es gibt kein Entkommen für Sie." Er wußte, daß sie damit recht hatte, so sehr er diesen Gedanken auch haßte. Albus würde ihn mit Sicherheit nicht in Ruhe lassen, nicht einmal an Halloween. Gerade nicht an Halloween.

Und wie er den alten Zauberer kannte, hätte er es noch nicht einmal dann getan, wenn er gewußt hätte, was Halloween für Severus Snape war. Dann hätte er es als seine Aufgabe angesehen, ihn an diesem Tag um jeden Preis aufzumuntern. Manchmal konnte sein alter Freund eine wahre Pest sein. Nicht, daß er das nicht genau wußte.

„Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht." Ging er schließlich auf Hermines Angebot ein.

„Kein Stück! Ich hab sogar schon die perfekte Idee. - Wissen Sie schon, mit wem Sie hingehen werden?" Augenblicklich schoß eine schwarze Augenbraue hinauf zum Haaransatz.

„Ich dachte da an mich." Gab er kühl zurück. Hermine seufzte.

„Sie sind ein Sturkopf, der seinesgleichen noch sucht, Severus. - Aber gut, ich hab trotzdem die perfekte Idee." Severus wußte nicht, warum es ihn so erleichterte, als sie jetzt wieder strahlend grinste, aber es war so. Einen Moment hatte er wirklich befürchtet, daß er sie enttäuscht hatte und er wußte schon jetzt, als das Gefühl noch nicht ganz abgeklungen war, daß er es haßte, daß sie ihn so beeinflussen konnte. Es sollte ihn nicht kümmern, ob sie seine Prinzipien und seine Sturheit mochte oder nicht. - Wie dumm beides auch sein mochte.

„Mit wem werden Sie hingehen?" fragte er jetzt mehr aus Höflichkeit oder Interesse? Höflichkeit war ja nun nicht gerade eine seiner herausragenden Vorzüge, aber Interesse? Doch Hermine schien es nicht zu kümmern, weshalb er fragte, denn sofort wandelte ihr Grinsen sich in ein scheues Lächeln und ihre Wangen färbten sich leicht rot. War er ihr jetzt zu nahe getreten?

„Mit Fred." Antwortete sie sehr leise und Severus glaubte, in ihrer Stimme einen ungewöhnlichen Unterton gehört zu haben, auch wenn er nicht drauf schwören würde. Er lächelte.

„Es scheint fast so, als hätte der junge Weasley schon längere Zeit ein Auge auf Sie geworfen, nicht wahr?"

„Smalltalk, Severus?" fragte Hermine leicht amüsiert. Severus hob leicht die Schultern.

„Ich würde so ziemlich alles tun, um ausnahmsweise einmal nicht mit Ihnen über mich reden zu müssen." Erwiderte er lächelnd. Hermine wurde noch einen Ton dunkler im Gesicht.

„Gut, dann reden wir jetzt über Ihr Kostüm." Wechselte sie mit einem bestimmenden Ton das Thema.

„Sesha!" Sesha hatte gehofft, daß sie es mal wieder geschafft hatte, ihm aus dem Weg zu gehen, doch scheinbar hatte sie sich geirrt. Er war hartnäckig, das mußte man ihm lassen. Entnervt rollte sie die Augen in Richtung Decke, bevor sie tief durchatmete und sich zu ihm umdrehte.

„Ja, Harry?" sie hatte versucht, ihn nicht merken zu lassen, wie wenig sie davon angetan war, daß er scheinbar immer noch nicht verstanden hatte, was sie ihm schon so oft zu sagen versucht hatte. Harry war mal wieder vollkommen außer Atem, als er Sesha endlich eingeholt hatte, seine blassen Wangen waren leicht gerötet und das Haar noch wilder als sonst. Warum rannte dieser Junge eigentlich immer?

„Ich wollte dich etwas fragen." Begann er, noch immer um Atem ringend. Sesha warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. Nicht, daß sie das überraschte, aber wenn sie ehrlich sein sollte, dann wußte sie ja schon, was er fragen würde und daß sie diese Frage nicht hören wollte. Ganz einfach, weil sie Harry Potter nicht gerne verletzte, aber in diesem Fall mal wieder zurückweisen und damit verletzen mußte.

„Ja?" Jetzt war die Ungeduld auch in ihrer Stimme nicht mehr zu überhören, aber Harry tat so, als hätte er es gar nicht bemerkt, immer noch ein Grinsen auf dem Gesicht, das dem Lockharts gewaltig Konkurrenz gemacht hätte.

„Gehst du mit mir auf den Ball? Es wäre mir eine sehr große Ehre, wenn du mich begleiten würdest." Sesha schloß für einen kurzen Moment die Augen. Und schon hatte er es gefragt. Sie hatte es doch geahnt.

Ihr Schweigen beunruhigte ihn ein wenig. War er zu spät gekommen und Snape hatte sie schon gefragt? Würde sie mit ihm zum Ball gehen? Nicht, daß ihm persönlich das als nicht undenkbar erschien, aber Sesha dachte im Bezug auf den alten Fiesling offensichtlich ganz anders.

„Es tut mir leid Harry." Das Grinsen verschwand von Harrys Gesicht und er spürte, wie sein Herz einen unangenehmen Sprung machte. Warum nur hatte er immerzu Pech?

„Du gehst schon mit Snape?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, doch Sesha schüttelte den Kopf.

„Nein, ich werde alleine gehen." Harry blickte verblüfft auf.

„Lieber allein als mit mir?" Und wieder hatte sie es geschafft, Harry Potter klang nicht nur wie ein kleines, verletztes Kind, er sah sie auch so an. Normalerweise war das ein Blick, den gerade sie nicht ertragen konnte, aber welchen Sinn machte es denn, Harry falsche Hoffnungen zu machen?

„Es liegt nicht an dir, Harry, ich möchte einfach keine Begleitung."

„Ich verstehe." Doch Harry verstand nicht. Es wollte nicht in seinen Kopf, daß er für sie keine Alternative dazu war, alleine zu dem Ball zu gehen. Warum nur gab sie ihm nicht wenigstens mal eine Chance?

„Sei nicht böse, ja?" Sie hoffte, daß ihr Lächeln nicht zu aufgesetzt aussah und als Harry ein leichtes Nicken andeutete, erwiderte sie es und setzte ihren Weg zu ihrem Klassenraum fort. Wie sehr sie sich dafür haßte, das immer wieder tun zu müssen, aber warum begriff Harry auch nicht endlich, daß es für sie beide niemals ein wir geben würde, egal um was es auch ging?

Aidan war gerade auf ihrem Weg zu ihrer nächsten Unterrichtsstunde gewesen, als sie die beiden auf dem Gang entdeckt hatte. Auch wenn sie nicht hatte hören können, worüber sie gesprochen hatte, hatte sie doch schon so eine Ahnung.

Schließlich wußte sie, daß Harry Potter ebenfalls etwas für Sesha empfand - immer noch eine Tatsache, die sie als unverständlich empfand, auch wenn Harry ja nicht mehr war als dummer Gryffindor - und so wie die Szene auf sie gewirkt hatte, hatte der berühmte Quidditch-Star sich gerade einen Korb eingefangen.

Das war vermutlich die perfekte Gelegenheit für sie, ihren eigenen Plan ins Rollen zu bringen. Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf und ging langsam auf Harry zu.

Mit Cho hatte es damals ebenfalls mit einem Korb angefangen, aber danach war sie nicht mehr so abweisend gewesen. Was er anfangs instinktiv noch als gutes Zeichen gewertet hatte, machte auf Harry jetzt immer mehr den Eindruck einer hoffnungslosen Sache. Anders als Cho schien Sesha wirklich kein Interesse an ihm zu haben. Aber es konnte doch nicht sein, daß das wirklich an Snape lag. Bei jedem anderen Mann konnte er es sich noch irgendwie vorstellen, aber Severus Snape... der bekam niemals im Leben eine Frau ab. Keine Frau auf dieser Welt konnte dumm genug sein, sich das antun zu wollen. Dann konnte man sich ja auch gleich mit Voldemort persönlich...

„Hallo Harry." Die sanfte Stimme des Mädchen, das plötzlich neben ihm stand, riß ihn aus seinen Gedanken. Er zog die Augenbrauen zusammen, als er sie ansah und langsam aber sicher erkannte. Das war doch die Schülerin, die er zusammen mit Snape am See gesehen hatte. Es war zwar mitten in der Nacht und dunkel gewesen, aber er war sich ziemlich sicher.

„Was kann ich für Sie tun, Miss...?" Aidan lächelte und Harry konnte sich nicht helfen, er fand dieses Lächeln ausgesprochen einnehmend.

„Aidan. - Sie könnten mir einen großen Gefallen tun, Harry." Harry antwortete nicht, sondern sah sie nur fragend an.

„Würden Sie mich auf den Ball begleiten? Es wäre mir eine große Ehre und ich wäre nicht dazu verdammt, mit einem dieser unreifen Jungs aus meinem Jahrgang hingehen zu müssen." Harry war ein wenig überrascht über diese Frage, denn er kannte das Mädchen ja noch nicht einmal, aber er schob jede Art von Zweifel sofort von sich und lächelte. Er war nicht wie Sesha. Bevor er alleine auf diesen Ball ging, ging er doch lieber mit dieser ausgesprochen hübschen Schülerin hin. - Auch wenn sie ein Slytherin war, wie ihm ein Blick auf ihren Umhang verriet.

Das gleiche Lächeln, das er wenige Augenblicke zuvor Sesha geschenkt hatte, blitzte wieder auf und er deutete eine leichte Verbeugung an.

„Ich fühle mich geehrt, Aidan, und werde Sie sehr gerne begleiten." Aidan erwiderte das Lächeln und nickte zufrieden, bevor sie ihren Weg zu ihrer nächsten Unterrichtsstunde fortsetzte.

Auch wenn dadurch Seshas Zurückweisung noch nicht einmal ansatzweise vergessen hatte, fühlte Harry sich doch etwas besser. Immerhin gab es noch das eine oder andere Mädchen, das scheinbar noch Augen im Kopf hatte und nicht auf den düsteren, unnahbaren Typ stand.

Und nicht einmal für die Winzigkeit eines Augenblicks verschwendete er einen Gedanken daran, warum ausgerechnet eine Slytherin mit dem goldenen Kind der Zaubererwelt, noch dazu ein ehemaliger Gryffindor, zu diesem Ball gehen wollte.

„Vergiß es, Fred! Das Kostüm ist ja eine gute Idee, aber ich werde ganz sicher nicht der Dicke sein!" Fred grinste seinen Bruder an.

„Du mußt, mein Alter. Was soll Hermine von mir denken? Komm schon! Wenn du beim nächsten Mal das heiße Date hast, dann tue ich dir auch einen Gefallen." George verzog unwillig den Mund und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich will eine faire Chance. Wir knobeln es aus!" antwortete er schließlich. Nicht ganz die Antwort, die Fred erhofft hatte, aber das machte nichts. Er gewann sowieso immer, wenn sie etwas ausknobelten. Sein Grinsen wurde noch etwas weiter.

„Okay, ein Duell. Ich wähle die Waffe, du die Zeit." Er überlegte einen kurzen Moment. „Schokofrosch-Wettessen!" George nickte grimmig.

„Morgen abend, wenn wir im Labor fertig sind." Antwortete er in einem nicht weniger grimmigen Tonfall. Fred reichte seinem Bruder die Hand.

„Möge der bessere gewinnen." George nahm seine Hand und grummelte still vor sich hin.

Hermine war eine der ersten, die an dem großen Abend die festlich geschmückte Halle betrat. Die allerletzten Vorbereitungen waren noch im Gange und der eine oder andere bereits verkleidete Lehrer hetzte umher, um hier noch ein letztes Spinnennetz anzubringen oder da noch ein paar Kerzen mehr aufzustellen.

Hermine wußte, daß sie schon den ganzen Tag mit einem ausgesprochen dümmlichen Grinsen auf dem Gesicht umherlief, aber sie konnte nicht anders. Sie wußte, es würde ein großartiger Abend werden. Es ging gar nicht anders. Immerhin hatte sie Severus überreden können, ihr ‚perfektes Kostüm' zu tragen. Und er hatte noch nicht einmal den geringsten Schimmer, warum es so perfekt war.

„Ich sehe aus, wie ein Idiot." Hermine lachte und setzte ihm den Hut mit der langen Feder auf den Kopf.

„Nein, tun Sie nicht, Severus. Es ist perfekt." Severus starrte sie wütend im Spiegel an.

„Sie haben nicht die geringste Ahnung, Hermine. Das ist einfach grauenhaft. Ich werde mich krank melden. Auch ein Albus Dumbledore kann mich nicht zwingen, in diesem lächerlichen Kostüm vor die Schüler zu treten. Die nehmen mich ja nie wieder ernst." Hermine starrte zurück, doch er sah nur zu deutlich, wie sehr sie gegen das Lachen ankämpfen mußte.

„Ihre Schüler würden es sich niemals wagen, Sie nicht ernst zu nehmen und das wissen Sie auch sehr gut. Schließlich sind die Kinder an dieser Schule nicht lebensmüde. - Sie haben sich damals in der Heulenden Hütte ebenfalls lächerlich gemacht, Severus, vor den Augen von Harry, Ron und mir, und keiner von uns ist auf die Idee gekommen, Sie danach nicht mehr ernst zu nehmen."

„Das war etwas vollkommen anderes!" knurrte er und blickte sich wieder verächtlich im Spiegel an. „Was soll das überhaupt darstellen?" Hermine verdrehte die Augen.

„Einen englischen Edelmann natürlich, das sieht man doch." Severus hob die Augenbraue.

„Ach, und die haben damals Hüte getragen, die mich stark an McGonagalls Kleidungsstil erinnern?" erwiderte er mit einem noch viel verächtlicheren Blick auf die lange Feder an seinem Hut.

„Na ja, wenn Sie möchten, können Sie den auch weglassen. Aber eigentlich gehört er dazu." Severus brummte etwas Unverständliches und nahm den Hut ab. Der Rest war ja fast schon erträglich, wenn er auch die Vorstellung, den ganzen Abend in dieser schweren Lederrüstung herumsitzen zu müssen, nicht gerade ansprechend fand. Wenigstens hatte sie ihn nicht in diese Strumpfhosen gesteckt, die diese Männer damals getragen haben sollten. Da war die Lederhose und die Rüstung wohl das kleiner Übel. Aber dieser Hut... Severus starrte ihn mit Ekel an. Nein, niemals! Und damit landete der Hut in der nächsten Ecke.

„Wenn Sie jetzt vielleicht noch lächeln, sehen Sie fast schon aus wie ein Traumprinz." Ein weiterer vernichtender Blick aus dem Spiegel.

„Vergessen Sie es!"

Oh ja, Severus zu kostümieren war wirklich zur Abwechslung mal ein riesiger Spaß gewesen. Wenn auch nicht für den störrischen Meister der Zaubertränke, dann doch wenigstens für sie. Und jetzt war sie gespannt, wie der Abend verlaufen würde. Hermine hoffte, daß ihre kleine List mit den Verkleidungen den gewünschten Effekt haben würde. Sie glaubte zwar noch nicht wirklich daran - das würde erst passieren, wenn sie es mit eigenen Augen sah - aber sie hoffte es von ganzem Herzen.

Professor Flitwick drehte sich zu ihr um und winkte ihr fröhlich zu. Hermine winkte zurück und schaffte es nur knapp, ihre Überraschung zu verbergen. Sie hatte den kleinwüchsigen Professor bis zu diesem Moment nicht bemerkt und als er sich nun zu ihr umgedreht hatte, hatte sie sich fast an ihrem eigenen Atem verschluckt.

Wenn sie sich nicht ganz schwer irrte, dann stellte das Kostüm des Lehrers einen römischen Gladiatorenkämpfer dar. Unter allen Kostümen dieser Welt war das wohl mit das unpassendste, wenn man an Professor Flitwick dachte. Hermine bedeckte ihren Mund mit der Hand, um ihr Grinsen zu verbergen. Warum denn nicht? Es war schließlich Halloween und man sollte sich schließlich nicht so verkleiden, daß es möglichst genau dem eigenen Wesen entsprach. - Sonst war sie in diesem Test auf alle Fälle auch glatt durchgefallen.

Nach und nach betraten immer mehr Lehrer die Große Halle und als die letzten Dekorationen angebracht waren, kamen auch schon die ersten Schülerpaare in die Halle geströmt. Das Meer von farbenfrohen und fantasievollen Kostümen schwoll an, doch noch immer kein Zeichen von Sesha oder Severus.

„Ich wußte ja, daß ich ein verflucht schönes Date für heute abend hatte, aber das haut mich glatt aus den Socken." Hermine erschrak fürchterlich, als plötzlich jemand neben ihr stand und ihr ins Ohr flüsterte.

„Oh Gott, Fred! Mein armes Herz!" Fred lachte und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Ich wußte gar nicht, daß ich so furchteinflößend bin. - Aber das ist doch auch eigentlich der Sinn von Halloween oder?" Er zwinkerte und Hermine spürte, wie sich ihr Herzschlag wieder ein wenig beruhigte, wenn auch nicht zurück auf das Level, das angebracht gewesen wäre. Hermine musterte Fred von unten bis oben, wußte aber im ersten Moment nicht, was er in seinem schwarzen Anzug, dem weißen Hemd und der schwarzen Melone auf dem Kopf eigentlich darstellte, bis ihr Blick auf George fiel, der mit einem etwas säuerlichen Gesichtsausdruck die Halle betrat und sich so schnell wie möglich an den Tisch setzte. Hermine grinste.

„Dick und Doof?" Fred nickte.

„Ich hoffe, das entspricht den Anforderungen. George und ich konnten uns nicht so ganz einigen, wer welcher sein sollte. Ich hab gewonnen." Wieder ein Zwinkern, bevor er Hermine seinen Arm anbot, um sie ebenfalls zum Lehrertisch zu führen. Das Festessen würde in wenigen Minuten beginnen.

„Aber um noch einmal auf die wesentlichen Personen des Abends zu kommen. - Du siehst bezaubernd aus, Hermine, warum trägst du das nicht auch mal im Labor?" Hermines Wangen färbten sich dunkelrot, während Fred immer noch nicht anders konnte, als sie immer wieder anzusehen.

Hermine trug ein schwarzes Kleid mit einer langen Schleppe und langen Ärmeln, die erst knapp über dem Handgelenk plötzlich weiter wurden und in Fledermausärmeln ausliefen. Das Kleid hatte einen großen Stehkragen, der mit dunkelrotem Samt gefüttert war und über dem Kleid trug sie einen schwarzen Samtumhang.

Das braune Haar hatte sie elegant hochgesteckt. Ihr Gesicht war blaß geschminkt bis auf die dunkelroten Lippen und die schwarz umrandeten Augen. Das war mit die bezauberndste Vampirlady, die Fred sich vorstellen konnte. - Vor allem als er jetzt beim Gehen bemerkte, daß das eng anliegende Kleid auf der einen Seite bis zur Hüfte hinauf geschlitzt war und man bei jedem Schritt Hermines Bein sehen konnte, das in einer Spinnennetz-Strumpfhose steckte. Fred unterdrückte ein Kichern. Bis zu dieser Entdeckung hätte seinem Bruder Ron seine Exfreundin vermutlich auch noch gefallen, danach war es wohl eher zweifelhaft.

„Ich glaube, Severus hätte gewaltig was dagegen, wenn ich anfangen würde, dich und deinen Bruder von der Arbeit abzulenken. Einzig von Percy wäre da ja nichts zu befürchten." Fred folgte Hermines Blick und schmunzelte, als er seinen Bruder und dessen Frau sah. Sie sahen aus, wie die typischen Muggel, Snobs, um genau zu sein.

„Ich schätze, Percys Kostüm heißt „Chef"." Kicherte Hermine und konnte gar nicht anders, als im Stillen hinzuzufügen, daß zumindest dieses Kostüm dem Träger mehr als gerecht wurde.

„Vermutlich. - Hast du Snape und Sesha schon gesehen?" Hermine schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich vermute, Severus verkriecht sich noch immer in seinem Kerker und hofft, daß die Welt doch noch im letzten Moment untergeht, bevor er im Kostüm hier raus muß. - Aber wo Sesha bleibt... ich hab keine Ahnung." In diesem Moment ging die Tür auf und Severus betrat die Große Halle. Sofort schwangen alle Blicke in seine Richtung und Hermine konnte ihm nur zu deutlich ansehen, wie gerne er in diesem Moment sofort wieder aus der Halle gestürmt wäre. - Dabei gab es dafür gar keinen Grund. Sie hatte sich wirklich alle erdenkliche Mühe gegeben, sein Kostüm nicht lächerlich wirken zu lassen, wie es in manchen Filmen der Fall war.

„Hermine, was stellt er dar?" flüsterte Fred ihr ins Ohr, als Snape sich endlich mit einem Blick, der töten konnte, von der Tür löste und langsam zu seinem Platz hinüber ging, einen großen Bogen und einen Köcher hinter sich herschleifend.

„Robin Hood." Gab Hermine mit einem breiten Grinsen zurück. „Wenn auch eine so grimmige Version davon, daß ich ihn wohl besser zum Sheriff von Nottingham gemacht hätte." Wieder bedeckte ihre Hand ihr Grinsen, als sie Freds Gesichtsausdruck sah.

„Hermine, du bekommst von mir, was immer du willst, wenn du mir nur verrätst, wie du es geschafft hast, daß Snape sich als Robin Hood verkleidet."

„Du bist dieses Wissens nicht würdig, Sterblicher." Entgegnete sie in einem tiefen, sinnlichen Ton, der ihrer Meinung nach sehr gut zu einer Vampirkönigin paßte und setzte ihren Weg in Richtung Lehrertisch fort.

Sesha war noch nicht da. Das hatte Severus schon gesehen, als er die Halle betreten hatte, dafür aber fast alle anderen Lehrer und der Anblick, den seine Kollegen boten, war sogar fast genug, um ihn zum Lachen zu bringen. Sein Blick glitt unauffällig über jeden einzelnen am Tisch und er versuchte zu erkennen, welches Kostüm sie gewählt hatten.

Hermine war einfach zu erkennen, wenn man es erst einmal geschafft hatte, den Blick von ihrer atemberaubenden Erscheinung zu nehmen. Fred und George erkannte Severus als Figuren einer Muggelgeschichte, die schon sehr alt war. Percy und seine Frau stellten wohl ebenfalls Muggel dar, wenn Snape auch nicht sagen konnte, ob jemand bestimmten. Harry dagegen erkannte Severus sofort in seinem schwarzen Opernfrack und der Maske, die das halbe Gesicht verdeckte und er mußte zugeben, daß er doch ein wenig erstaunt darüber war, daß sein Sohn, der Quidditch-Star, doch noch gebildet genug war, immerhin einige Musicals der Muggel zu kennen.

Sein Blick wanderte von den ehemaligen Schülern zu den Lehrern. Professor Sprout hatte sich als riesiges Gänseblümchen verkleidet. Severus hatte eine Kartoffel erwartet, aber gut, mit einem riesigen Gänseblümchen, das ein bißchen aus dem Leim gegangen war, konnte er zur Not noch leben. Schlimmer war der Anblick, den Professor Hooch bot, die sich aus unerfindlichen Gründen entschlossen hatte, eine Elfe müsse die Wahl für den Abend sein. Ein kalter Schauer lief Severus über den Rücken, aber er fing sich rasch wieder. Es gab bestimmt auch weniger attraktive Elfen mit Adleraugen, man mußte vielleicht nur etwas länger danach suchen.

Hagrid brachte ihn in seinem Zwergkostüm zum Schmunzeln und daß er neben Professor Flitwick, dem wohl kleinsten Gladiator der Welt saß, machte den Eindruck sogar noch komischer. Die Überraschung des heutigen Abends war aber wohl Professor McGonagall.
Nicht, daß er für die ältere Professorin schon einmal einen genaueren Blick übrig gehabt hatte, aber als er sie nun in ihrem hautengen Leopardenkostüm neben Albus sitzen sah, stellte er zwei Sachen fest. Erstens hatte sie für ihr Alter noch eine erstaunlich bemerkenswerte Figur und zweitens hatte sie verdammt viel Mut, sich in diesem Kostüm vor die Schüler zu wagen. - Immerhin, das machte es jetzt sogar für ihn leichter, sein Schicksal zu ertragen.

Albus, wie sollte es auch anders sein, hatte für den Abend die albernste Verkleidung gewählt, die er hatte finden können.

„Großer Kapitän der Piraten?" fragte Severus eher weniger interessiert und Albus funkelte ihn fröhlich hinter seiner Augenklappe hervor an.

„Das wollte ich schon als Kind immer sein." Severus nickte. Was hatte er auch erwartet?

Und dann betrat Sesha die Große Halle und hastete schnell hinüber zum letzten freien Platz am Lehrertisch, direkt neben Hermine, die sie fröhlich angrinste.

Severus wußte, daß er starrte und vermutlich sogar mit offenem Mund, aber er konnte nicht anders. Er hatte Hermine schon als aufreizend und sogar schön empfunden, als er sie in ihrem Kostüm gesehen hatte, aber Sesha übertrumpfte sie alle, egal ob Schülerin oder Kollegin. Und schon in diesem Moment war Severus klar, warum Hermine darauf bestanden hatte, daß er dieses Kostüm trug und kein anderes. Sie hatte auch bei Sesha ihre Finger mit ihm Spiel gehabt und es so fertig gebracht, daß kein anderes Paar in diesem Saal besser zusammenpaßte, als die beiden Menschen, die kein Paar waren.

Sesha trug ein Kleid aus rotem Seidenbrokat in einem mittelalterlichen Schnitt. Der Ton war etwas dunkler als die Farbe von Blut, aber noch weit von Schwarz entfernt. Das Kleid war mit dem gleichen Stoff in einem sanften Goldton gefüttert und auch der metallene Y-Gürtel, den Sesha trug, war aus einem goldenen Metall gefertigt.

Das Unterkleid war aus dem gleichen goldenen Stoff gefertigt, wie das Innenfutter, lugte aber nur unter dem langen roten Überrock und unter den weiten Ärmeln des Kleides hervor, wo der Stoff sich eng an die Haut ihrer Arme schmiegte.

Das lange schwarze Haar fiel in sanften Wellen über ihre Schultern, einige Strähnen waren zu dünnen Zöpfen geflochten. Zwei davon, beginnend an ihren Schläfen, hatte sie am Hinterkopf zusammen kommen lassen und zu einem einzigen Zopf zusammengeflochten. In jeden der Zöpfe hatte sie winzig kleine Rosen in der gleichen roten Farbe wie das Kleid geflochten.

Gewaltsam riß Severus seinen Blick von Sesha los. Zu viele Erinnerungen brachen plötzlich über ihn herein.

Auch wenn sie vollkommen anders aussah, kein Vergleich zu ihr bestand, tauchte plötzlich Lilys Bild vor seinem inneren Auge auf. Lily, noch nicht ganz dreizehn Jahre alt, aber in seinen Augen damals nicht weniger schön und auch nicht weniger Frau, als Sesha in diesem Augenblick.

Severus schüttelte den Kopf, um die Bilder daraus zu vertreiben. Er haßte diesen Tag wie nichts sonst in seinem Leben!

Nachdem Dumbledore das Festessen nach einer kurzen Ansprache eröffnet hatte, schwoll der Geräuschpegel durch die Unterhaltungen der Schüler gewaltig an. Sesha stocherte erst ein wenig lustlos in ihrem Essen herum, bevor sie sich zu Hermine hinüber beugte, die gerade in ein Gespräch mit Fred vertieft war.

„Glaub nicht, daß ich deine List nicht erkennen würde." Hermine lächelte ihr ins Gesicht.

„Ich hab keine Ahnung, wovon du eigentlich redest." Sesha schüttelte lächelnd den Kopf.

„Und ob du das weißt, du furchtbare Kupplerin. Ich werde aber trotzdem nicht mit Professor Snape anbandeln." Hermine hob mit einem unschuldigen Blick die Schultern.

„Das heißt noch lange nicht, daß du nicht wenigstens mit ihm tanzen könntest." Das verschmitzte Funkeln in den Augen der Freundin kochte sogar Sesha fast weich, aber nur fast. Da mußte schon einiges passieren, bevor sie sich noch einmal in die undankbare Situation brachte, Severus um etwas zu bitten. Und wenn es bloß ein alberner Tanz war.

Andererseits war er aber auch der einzige, mit dem sie tanzen wollte. Sie warf einen verstohlenen Blick zu Harry hinüber, der sich mit George und Percy unterhielt und nicht so schlecht gelaunt auf sie wirkte, wie sie erwartet hatte nach dem Korb, den sie ihm gegeben hatte. Sie deutete das jetzt einfach mal als ein gutes Zeichen.

Das Essen zog sich über insgesamt fast anderthalb Stunden hin und Severus empfand jede einzelne Minute als quälend. Nachdem er jeden einzelnen Gang nacheinander sorgfältig auf seinem Teller in einen unidentifizierbaren Brei verwandelt hatte, ohne kaum einen Bissen davon wirklich gegessen zu haben, hob Dumbledore die Tafel endlich auf.

- Was aber noch lange nicht hieß, daß es damit irgendwie besser wurde. Ein strahlender Professor Flitwick erhob sich von seinem Platz und nach einem kurzen Wink mit seinem Zauberstab war die ganze Halle abgesehen von der Bühne, die der winzige Professor nun von der Decke hinabschweben ließ, in ein trübes Dämmerlicht getaucht. Sämtliche Geister Hogwarts versammelten sich um Flitwick und die erste große Attraktion des Abends - das Geistertheater - begann.

Severus gab sich nicht einmal Mühe, sich auf das Stück zu konzentrieren, auch wenn er McGonagall sagen hörte, daß die Geister ein bemerkenswertes schauspielerisches Talent hätten. Seine Gedanken waren zu weit weg und mit einem Blick auf seine Uhr, erhob er sich schließlich und versuchte, so unbemerkt wie möglich aus der Großen Halle zu verschwinden.

Fast gelang es ihm auch, doch Sesha und Dumbledore entging sein plötzliches Verschwinden nicht. Für Dumbledore war es nichts neues mehr, daß Severus an Halloween nach dem Essen so schnell wie möglich verschwand, doch daß er sogar während des Festes einfach verschwand, beunruhigte ihn etwas. Er hatte Severus nie gefragt, was er jedes Jahr an Halloween tat, wenn er auf den Westturm stieg und erst am neuen Tag wieder herunter kam, aber es mußte etwas Wichtiges sein.

Sesha beobachtete, wie Severus seinen Platz verließ und sich aus der Halle schlich. Nachdem er auch nach über zehn Minuten noch immer nicht zurück war, begann sie langsam aber sicher, sich Sorgen zu machen.

„Hermine, ich bin mal für ein paar Minuten weg." Hermine blickte sie fragend an, doch Sesha schüttelte nur den Kopf, um anzudeuten, daß sie jetzt keine Zeit für Erklärungen hatte und Hermine beschloß, später nachzuhaken.

Als Sesha an Dumbledore vorbei ging, hielt dieser sie sachte am Arm fest.

„Suchen Sie nach Professor Snape, Sesha?"

„Ja, Sir. Wissen Sie, wo er hingegangen sein könnte?"

„Versuchen Sie es mal auf dem Westturm. Wenn ich mich nicht irre, werden Sie ihn dort sicher finden." Sesha nickte und warf dem Direktor einen kurzen dankbaren Blick zu, bevor sie den langen Rock ihres Kleides wieder raffte und ebenfalls möglich unauffällig die Halle verließ.

So unauffällig, daß sogar Aidan und Harry erst Minuten später auffiel, daß beide fehlten.

Der Aufstieg in den Westturm war mehr als beschwerlich in dem schweren Kleid, noch dazu, wenn man versuchte, möglichst wenig Krach dabei zu machen. Was auch immer Severus dort oben tat, wenn er wirklich da war, sie wollte ihn nicht schon vorher irgendwie verschrecken, indem sie die Treppe hinauf gepoltert kam. Vielleicht war es nicht ganz fair, aber sie wollte wissen, was er tat und da war es vielleicht besser, wenn sie ihn dabei ertappte und er sich nicht mehr herausreden konnte.

So leise wie möglich öffnete sie die Tür und betrat die Plattform des Turmes. Hinter einer der Steinsäulen versteckt blickte sie sich vorsichtig um und tatsächlich, ganz am anderen Ende der Plattform war er. Er kniete auf dem Boden und legte etwas auf die kalten Steine. Einen Moment noch verharrte er in seiner knienden Position, bevor er sich mit gesenktem Kopf wieder erhob, aber nicht von der Stelle fort bewegte.

Sesha kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit auf dem Turm besser sehen zu können. Was auch immer er niedergelegt hatte, es leuchtete in der Dunkelheit gräulich-blau. Es sah aus wie Blumen. Seshas Augen weiteten sich ein wenig überrascht. Tatsächlich, es waren Blumen. Ein Strauß weißer Rosen und eine einzige weiße Lilie.

Seshas Gedanken überschlugen sich, als sie versuchte, zu begreifen, was hier vor sich ging. Severus legte Blumen auf der Plattform des Westturms ab. Weiße Rosen und Lilien... weiße Rosen. Und plötzlich wurde es ihr klar.

So leise wie möglich zog sie sich in Richtung Tür zurück und als sie die Treppe hinunter lief, um so schnell wie möglich wieder in die Große Halle zu kommen und Severus seinen privaten Moment zu lassen, war sie sich ganz sicher, was diese Geste bedeutet hatte und es machte ihr viele der Verhaltensweisen des Zaubertrankmeisters in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen klar. Denn was sagte man über Rose? Sesha wußte nicht mehr, wo und wann sie es mal gelesen hatte, aber der Satz war ihr vor einer knappen Minute wie ein Pfeil zurück ins Gedächtnis geschossen:
„Der Liebsten die Roten, die Weißen den Toten."

Severus bemerkte nicht, daß Sesha einen Teil seines jährlichen Rituals auf dem Turm mit angesehen hatte. Zu sehr verschlang ihn auch an diesem Abend wieder das Gefühl der Trauer und betäubte seine Sinne. Mit der Zeit war es ein wenig besser geworden, auch wenn der brennende Schmerz in all den Jahren niemals ganz vergangen war, es nicht ein einziges Halloween mehr gegeben hatte, an dem er Lily auch nur eine Minute lang hatte vergessen können. Doch in diesem Jahr war noch einmal alles anders.

In diesem Jahr war Harry wieder da und alles war schlimmer als je zuvor, denn Harry war anders.

„Was soll ich von ihm halten, Lily? Ich weiß, daß er sich nicht mehr an dich erinnern kann, aber wie kann er an so einem Tag so unbeschwert sein?

Er amüsiert sich dort unten mit den anderen und macht nicht im Geringsten den Eindruck auf mich, als wüßte er überhaupt, welcher Tag heute ist. Vielleicht ist es für ihn inzwischen ein ganz normaler Tag geworden, ohne Bedeutung, nicht mehr als ein weiterer Feiertag?

Oder mache ich es vielleicht falsch? Sollte ich mir an ihm ein Beispiel nehmen? Aber das bedeutet doch zwangsläufig auch Vergessen. Und ich will dich niemals vergessen!" Severus biß sich auf die Lippen und blickte hinauf in den sternenklaren Himmel.

Er fühlte die Tränen in seinen Augen aufsteigen und blinzelte einige Male, um sie davon abzuhalten, Herr über ihn zu werden.

„Manchmal komme ich mir dumm vor, wenn ich wieder eine Chance verstreichen lasse, wieder einen Menschen zurückweise. Egal wen, sogar Albus. Manchmal glaube ich, daß ich es wie Harry machen sollte, aber bevor ich mich dazu durchringen kann, einen Schlußstrich zu ziehen, befallen mich wieder die Zweifel. Ein Schlußstrich unter unsere Beziehung bedeutet doch auch, einen Schlußstrich unter unsere Liebe zu ziehen, nicht wahr?

Das hieße, alles wäre zu Ende." Severus lächelte bitter. Das war alles so unsinnig. Es war doch schon alles zu Ende und das schon so lange, daß kein anderer Mensch außer ihm noch immer so tun würde, als wäre alles erst gestern untergegangen.

Keiner außer dem armen, alten, ungeliebten Zaubertrankmeister, dem Giftmischer des Dunklen Lords. Nichts weiter als eine bemitleidenswerte Kreatur, die sich schon wieder selbst bemitleidete.

„Ich wünschte, es würde nicht alles so ausweglos und endgültig erscheinen, Lily. - Ich habe seit Jahren auf ein Zeichen von dir gewartet, irgend etwas, das mir zeigen würde, daß ich es richtig mache, aber dennoch weiß ich, daß ich es nie erhalten werde, weil du mein Verhalten niemals richtig gefunden hättest. Dumm, und dem Menschen, der ich stets vorgebe zu sein, absolut nicht würdig. Ich möchte manchmal nur noch darüber lachen, wie wenig ich meinem eigenen Idealbild entspreche. Wenn es nicht so absolut zum Heulen wäre, ich würde es tun. ---

Ich fürchte, ich muß gehen, aber du weißt ja, spätestens im nächsten Jahr stehe ich wieder hier und rede mit meiner Vergangenheit, auch wenn diese nicht zuhört."

Der erste November war angebrochen und mit ihm kam die erste eisige Kälte des nahenden Winters. Severus schlang die Arme um seinen Oberkörper, doch gegen den Wind, der eisig unter das Leder zog, half das natürlich wenig.

Als Severus die Große Halle an diesem Abend zum zweiten Mal betrat, war das Unterhaltungsprogramm schon lange vorbei. Er wußte, nach dem Theaterstück hatte es noch eine Spukshow der Geister gegeben, in der Peeves, der Poltergeist und der Blutige Baron die Hauptrollen gespielt hatten. Und bevor die Schüler der ersten und zweiten Klasse schließlich in ihre Betten geschickt wurden, hatten Professor Dumbledore und Professor McGonagall noch einige klassische Geschichten zum Besten gegeben, die den Schülern das Fürchten lehren sollten. Er hatte also nicht wirklich etwas verpaßt.

Seine Augen glitten über die nun tanzende Menge, um sich einen kurzen Überblick zu verschaffen. Er sah Hermine und Fred zusammen auf der Tanzfläche und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie paßten zusammen. Auch wenn er nie geglaubt hätte, daß einmal von einem Weasley sagen zu können, wenn er über Hermine sprach.

Sesha saß noch immer am Lehrertisch, allerdings war sie von einigen Schülern umringt, die sie scheinbar zum Tanzen auffordern wollten. Den Gesichtern nach zu urteilen schien sie dafür allerdings nicht in der Stimmung zu sein.

Nacheinander fand er auch Percy und Penelope, sowie George, der mit einer Gryffindor aus dem siebten Schuljahr tanzte. Nur Harry schien verschwunden zu sein.

Severus fuhr erschrocken zusammen, als sich ihm eine warme Hand auf die Schulter legte, doch im nächsten Moment stellte er erleichtert fest, daß es nur Albus war.

„Schön, daß du wieder da bist, Severus." Im ersten Moment sah Severus so aus, als wollte er etwas antworten und seinem Gesicht nach zu urteilen, wäre diese Antwort nicht freundlich ausgefallen, doch dann nickte er einfach nur und ließ seinen Blick weiter über die Tanzenden gleiten, gerade so, als wäre Albus gar nicht.

„So wie es aussieht, hat sich das kleines Problem mit Miss Duvessa erledigt, mein Junge." Severus konnte das Lächeln auf dem Gesicht des alten Zauberers förmlich aus dessen Stimme heraushören.

„Wie kommst du darauf, Albus?" Albus deutete für einen kurzen Moment in die tanzenden Menge, gerade lang genug, daß Severus seinem Fingerzeig folgen konnte. Und was er sah, beruhigte ihn auf keinen Fall, auch wenn Albus das vielleicht gehofft hatte.

Aidan Duvessa, verkleidet als eine der bezauberndsten Waldnymphen, die Severus jemals gesehen hatte - auch wenn er das selbst vor sich selbst nur ungern zugab, da es um Aidan ging - tanzte mit Harry Potter eng umschlungen und scheinbar zufrieden mit der Welt. Doch Severus kannte Aidan lange genug, um zu wissen, daß der Schein bei ihr noch öfter trug als bei so manch anderem Menschen. Warum das Mädchen sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte, war ihm nach wie vor schleierhaft und für ihn nicht akzeptabel, aber der Grund, weshalb sie so unbedingt geliebt werden wollte, lag für ihn nichtsdestotrotz zweifellos auf der Hand. - Genauso wie das Wissen, daß die stolze Slytherin niemals auf die Idee kommen würde, diese Liebe bei einem Gryffindor zu suchen.

„Man könnte fast meinen, das neue Traumpaar der Schule hätte sich gefunden." Die Bitterkeit und der Sarkasmus waren kaum zu überhören, doch wenn Albus es gehört hatte, ging er nicht darauf ein und im Moment war das nichts, worüber Severus allzu traurig gewesen wäre.

„Vielleicht sollte sich jetzt auch endlich mal jemand um die hübsche Edeldame kümmern." Sagte Albus mit einem ausgesprochen verschmitzten Glitzern in den Augen, das Severus mit einer ausgesprochen hoch gezogenen Augenbraue beantwortete.

„Tu dir keinen Zwang an, aber übertreib es nicht, sonst wird Minerva eifersüchtig." Albus kicherte und legte Severus den Arm um die Schultern, um ihn in Richtung Lehrertisch zu ziehen.

„Keine Sorge, Minerva hat keinen Grund eifersüchtig zu werden. - Und jetzt faß dir endlich ein Herz. Einen einzigen Tanz wirst du ja wohl über dich bringen können. Ich weiß schließlich sehr genau, daß du es kannst." Ein trauriger Schatten legte sich für einen kurzen Moment über Severus' Gesicht. Er hatte nie wieder auf einem Fest dieser Art getanzt seit Lilys Tod. Ein weiteres Sakrileg, das jetzt ins Wanken geriet.

„Ich denke nicht, Albus. Ich habe meine Gründe, nicht zu tanzen und da Miss Shantay alle Interessenten ablehnt, ist es bei ihr wohl ähnlich." Albus schnalzte ungeduldig mit der Zunge und zog Severus um so energischer weiter.

„Diese Gründe, da wette ich mit dir, sind keine Gründe und Sesha lehnt die Jungs doch nur ab, weil sie auf einen ganz bestimmten wartet." Severus schüttelte entnervt den Kopf. Ihm fehlte einfach die Kraft, sich lange mit dem alten Zauberer auseinander zu setzen und das wußte dieser nur allzu gut. Es wurde Zeit, daß diese ganze verfluchte Sache mit Voldemort ein Ende hatte, damit er mal wieder die Gelegenheit bekam, mehr als vier Stunden am Stück pro Tag zu schlafen und seine Kräfte zu sammeln.

Damit er Hermine und Sesha und Harry wieder nach Hause schicken und sich in sein Schneckenhaus zurückziehen konnte, wo er hingehörte.

„Zwing mich nicht dazu, dich zu zwingen, mein Junge." Lachte Albus und schupste Severus ein wenig in Seshas Richtung. Severus verdrehte genervt die Augen, doch er wußte, daß er keine andere Wahl haben würde. Albus würde ihn so lange nerven, bis er endlich mit Sesha getanzt hatte. Also brachte er es am besten gleich hinter sich.

Severus atmete tief durch und straffte ein wenig die Schultern. Als er Seshas Platz erreicht hatte, zogen die Jungs um sie herum schlagartig die Köpfe ein und zogen sich fast ängstlich vom Lehrertisch zurück. Sesha lächelte ihn an und die Wärme in ihrem Lächeln überraschte ihn ein wenig.

„Wie gefällt Ihnen die Feier bisher, Sesha?" versuchte er ein möglichst unverfängliches Gespräch zu starten, doch da er eigentlich niemals unverfängliche Gespräche ohne Sinn und Grund führte, wußte er schon als er die Worte aussprach, daß er nicht wirklich den richtigen Ton getroffen hatte, geschweige denn die richtigen Worte. Doch wieder lächelte Sesha und nickte.

„Sehr gut. Ich bin noch nie auf einem Halloween-Fest gewesen. Es ist großartig. - Aber ich nehme an, Ihnen gefällt es nicht wirklich." Severus setzte sich auf den freien Platz neben ihr und ließ seinen Blick über die tanzende Menge gleiten.

„Die meisten der Kinder dort unten glauben, daß mir nichts in diesem Leben gefällt. Viele von ihnen fragen sich wahrscheinlich, warum ich mir eigentlich überhaupt noch die Umstände mache weiter zu leben. - Und manchmal denke ich mir: Gute Frage. - Aber heute weiß ich es, glaube ich." Sesha blickte ihn überrascht an, als ihr seine Hand entgegen streckte.

„Wollen Sie vielleicht mit mir tanzen?" Zögerlich legte sie ihre Hand in seine und stand von ihrem Platz auf. Sie hatte nicht wirklich damit gerechnet, daß er diese Frage stellen würde, aber ihr Herz machte einen kleinen Sprung.

Kaum hatten sie die Tanzfläche betreten, spürte Severus eine unangenehme Aufregung in sich aufsteigen. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß es eine dumme Idee gewesen war, Albus' Willen zu folgen, denn kein einziger Tanzschritt wollte ihm auf Anhieb mehr einfallen.

Diese Aufregung glich der, die er bei seinem aller ersten Ball - dem Weihnachtsball mit Lily - gefühlt hatte und er wußte, er mußte einfach alles wieder genauso machen wie damals. Und als er und Sesha sich über die Tanzfläche drehten, wußte er, daß er es noch konnte und keine Lachfigur abgab. Wenigstens ein beruhigender Gedanke.

Obwohl er zuerst geplant hatte, daß dieser eine Tanz alles sein sollte, was Sesha und er an diesem Abend teilten, folgten noch zwei weitere Tänze, bevor der Abend für Severus Snape endgültig und mit einem gewaltigen Knall endete. Und der Knall kam in Form einer Eule.

Das Tier flog unbeirrt über Lärm und Trubel hinweg auf der Suche nach dem Empfänger der Nachricht, die sie in ihren Krallen hielt.

Als sie Harry entdeckt hatte, flog sie zweimal im Kreis über seinen Kopf hinweg und ließ den Brief dann fallen. Überrascht über diese späte Post, fing Harry den Brief auf und als er einen Blick auf den Absender geworfen hatte, wurde er kreidebleich. Nachdem er etwas zu Aidan gesagt hatte, was sie mit einem Nicken beantwortete, kehrte Harry an den Lehrertisch zurück und öffnete den Brief.

„Harry sieht aus, als hätte er schlechte Nachrichten erhalten." Severus nickte, unentschlossen, ob er sich für den Inhalt des Briefes interessieren sollte oder ignorieren sollte, daß es offensichtlich eine Nachricht war, die seinen Sohn sehr beunruhigte, noch bevor er sie gelesen hatte.

Hermine, die nun ebenfalls an den Tisch zurückgekehrt war hatte ihre Wahl offensichtlich getroffen.

„Vielleicht gehen wir besser mal zu ihm, was meinen Sie, Severus?" Severus zwang sich zu einem Lächeln.

„Gehen Sie ruhig, Sesha. Ich nehme an, was immer es auch ist, ich bin der letzte, den Potter in seiner Nähe haben möchte, während er diese Nachricht liest." Sesha nickte und drückte kurz seine Hand, bevor sie die Tanzfläche verließ, um zu Harry und den anderen zu gehen.

Nachdem Harry die Nachricht gelesen hatte, ließ er den Brief sinken und starrte ungläubig vor sich hin. Doch er sah nicht wirklich so aus, als wäre es eine schlechte Nachricht gewesen. Eher zögerlich kehrte auch Severus an den Tisch zurück, an dem Hermine in der Zwischenzeit den Brief in Beschlag genommen hatte.

Ihre Augen leuchteten und als sie zum Ende gekommen war, hatte sie erschrocken, aber nicht unangenehm erschrocken, die Hand vor den Mund geschlagen.

„Harry, warum hast du die ganze Zeit nichts davon erzählt?" fragte sie mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. Dann waren es wohl doch eher gute Nachrichten gewesen. Severus konnte nicht abstreiten, daß er sich erleichtert fühlte.

„Lies mal vor, Hermine, wir wollen auch wissen, was los ist." Hermine warf Harry einen kurzen Blick zu, doch der lächelte nur abwesend vor sich hin. Also nickte Hermine und las den Brief vor.

Hallo Harry,

lange nichts von Dir gehört. Ich hoffe, es geht dir soweit gut.
Ich hätte gedacht, Du schreibst wenigstens mal, daß Du doch
nach Hogwarts gegangen bist, aber vielleicht warst du auch
zu beschäftigt, wer weiß das bei Dir schon so genau?

Ich wollte mich nur kurz bei Dir melden, um Dir zu sagen, daß
es mir gut geht und daß Du vor wenigen Tagen Vater geworden
bist. Unserer Tochter Manami geht es ebenfalls hervorragend.

Vielleicht hast du ja Zeit, uns irgendwann demnächst mal zu
besuchen, um die Kleine kennen zu lernen. Du hast sicher sehr
viel zu tun in Hogwarts, aber ich bin mir sicher, daß Du weißt,
wie sehr Deine Tochter ihren Vater braucht.

Alles Liebe
Cho

In den allgemeinen Jubelstürmen und Glückwünschen, die der Brief unter Harrys Freunden und dem gesamten Kollegium hervorrief, ging die Reaktion des Lehrers für Zaubertränke unter.

Severus kam sich vor, als hätte ihn der Schlag getroffen. Es war einfach zu viel auf einmal. Die Aufregung wegen Halloween und dem ganzen Drumherum, das er so verabscheute, seine ohnehin zwiespältigen Gefühle für Sesha und das fast schon blödsinnige Verlangen, Harry bei ihr nicht im Weg zu stehen, obwohl ein Blinder sehen konnte, daß sie Harry nicht wollte, obwohl er sie hatte sagen hören, daß sie etwas für ihn, den alten Giftmischer empfand. Und jetzt auch noch diese Nachricht. Er war Großvater. Und Harry besaß den Nerv, hier in Hogwarts einer anderen Frau nachzusteigen, während Cho Chang irgendwo allein dastand, schwanger von ihm und nicht einmal ein Lebenszeichen von Harry bekommen hatte, seit er in Hogwarts war.

Zu viel.

Harry fing den eisigen Blick auf, den Severus ihm zuwarf, so voller Haß wie noch niemals zuvor, seit er den Professor kannte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Und dann drehte Severus sich ohne ein Wort um und stürmte aus der Halle.

„Entschuldigt mich bitte." Murmelte Harry und schob den Stuhl zurück.

„Snape!" Severus tat als höre er Harry gar nicht und stürmte unbeirrt weiter in Richtung Kerker.

„Snape! Warten Sie, verdammt nochmal!" Nicht warten, weiter gehen. Du bringst ihn um, wenn du jetzt anhältst, um mit ihm zu reden.

„Stop!" Er spürte Harrys Hand auf seiner Schulter und diese kurze Berührung setzte eine neue Welle der Wut frei. Mit einer heftigen Bewegung schlug er Harrys Hand weg.

„Faß mich nicht an, Junge!" zischte er.

„Was ist Ihr Problem, Snape?" fauchte Harry zurück und rieb sich die Hand, die von Severus' Schlag ein wenig schmerzte. Severus antwortete nicht, sondern setzte seinen Weg im gleichen Tempo weiter fort.

„Ich werde Sie nicht einfach weglaufen lassen, Snape! Sie reden jetzt mit mir, verfluchte Scheiße!" Mit einer Bewegung seiner Hand flog die Tür zu seinem Büro auf und Snape trat ein.

„Verschwinde, Potter, oder ich garantierte für nichts mehr!" Harry starrte entgeistert auf die Tür. War das gerade Handmagie gewesen? Doch fast im gleichen Augenblick schüttelte er den Gedanken ab. Nicht nur Severus war wütend!

„Ich will eine Erklärung." Die Kerkertür fiel krachend hinter Harry ins Schloß und er wirbelte erschrocken herum.

„Was willst du von mir hören, Junge? Herzlichen Glückwunsch? Alles Gute? Hoffentlich erfährt dieses Kind niemals, was für einen egoistischen, herzlosen Vater es hat?!" Mit jedem Wort wurde Snapes sonst so geschmeidige Stimme immer lauter, bis sie wie ein grollender Donner durch das Klassenzimmer hallte.

„Sind Sie wirklich so von Neid zerfressen, daß Sie sich noch nicht einmal bei solch einem Ereignis für mich freuen können? Warum? Weil Sie keine Kinder haben? Weil in Ihrem Leben alles schief gelaufen ist?" Severus griff nach der nächstbesten Glasflasche, die in seiner greifbaren Nähe stand und Sekunden später zerbarst sie an der Wand direkt hinter Harry.

„In meinem Leben ist erst alles schief gelaufen, als ich mich entschlossen habe, Albus' Auftrag anzunehmen. Erst an dem Tag, an dem ich mir wegen ihm dieses verfluchte Mal in die Haut brennen ließ, hat das Schicksal sich entschlossen, sich gegen mich zu wenden!!" Severus' Gedanken überschlugen sich, doch es mußte raus. Er kochte vor Wut. Wut auf den Jungen, der vor ihm stand und von ihm verlangte, sich für seine Dummheit zu freuen.

Lange aufgestaute Gefühle forderten endlich ihr Recht, ans Tageslicht kommen zu dürfen. All jene Emotionen, die er vor fast auf den Tag genau einundzwanzig Jahren in eine tief verborgene Ecke seines Herzens gebannt hatte.

„Vorher wußte ich, was Liebe war! Und im Gegensatz zu dir wußte ich sie auch zu schätzen! Ich habe ein Kind, Potter! Ein Kind, das niemals bei mir sein durfte, das ich niemals lieben durfte, weil ich einen Pakt mit Albus eingegangen war! Ein Kind, das nicht einmal weiß, daß es mich gibt!!

Und wenn ich dich jetzt so vor mir sehe, den großartigen Harry Potter, den Retter der Zaubererwelt, dann wird mir schlecht!" Die nächste Flasche flog.

Harry war schwindlig. Er hatte viele Wutausbrüche seines alten Lehrers miterlebt, einige mehr einige weniger schlimm. Aber nichts war vergleichbar mit dem gewesen, was sich jetzt über ihm entlud und das auch noch mit einer präzisen Grausamkeit, die Harrys Fassungsvermögen überstieg.

Taumelnd suchte er nach einem Stuhl und ließ sich wie ein Sack darauf fallen, als er einen gefunden hatte.

„Du bist nichts weiter als ein undankbarer, egoistischer, verwöhnter kleiner Junge, Potter! Mich mögen die Leute abstoßend finden, aber hätte ich gewußt, daß ich sie verlieren würde, hätte ich einfach nur gewußt, daß sie ein Kind von mir erwartet hat, ich hätte meine Frau niemals verlassen, um auf diese dumme Mission zu gehen! Ich hätte mich nicht gleich an die nächstbeste Frau herangemacht, während meine Frau nicht einmal weiß, wo ich eigentlich im Moment bin!!"

„Sein Sie doch endlich still." Doch selbst wenn Severus gewollt hätte, er konnte sich nicht mehr bremsen.

„Warum, Potter? Wird es dem goldenen Jungen wieder zu viel? Möchte er wieder vor einer Verantwortung weglaufen? Da ist die Tür, Potter, lauf! Ich werde dich nicht aufhalten!!"

„Sie hat mich verlassen, verdammt nochmal!!" Eine Minute lang hing ein eisiges Schweigen zwischen den beiden Männern, die sich voller Haß und Verachtung anstarrten.

„Gehen Sie, Potter." Forderte Severus ihn schließlich auf, als er sich wieder etwas gefaßt hatte. „Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen."

„Sie hat mich verlassen." Murmelte Harry und sackte auf seinem Stuhl zusammen. Die Wut in Severus war plötzlich verschwunden. Fast genauso plötzlich wie sie gekommen war.

Was hatte er geglaubt? Von wem hatte sein Sohn lernen sollen? Er hatte niemals eine Familie gehabt, hatte niemals gelernt, wie man um eine Familie kämpfte. Ein Punkt, in dem Vater und Sohn sich zum ersten Mal wirklich ganz offensichtlich ähnlich waren.

„Für mich klang der Brief nicht so, als hätte die junge Dame Sie damals endgültig verlassen und wenn Sie ehrlich mit sich selbst sind, dann werden Sie zugeben, daß Sie nicht einmal um sie gekämpft haben, nicht wahr?

Aber wie soll man ausgerechnet von Ihnen erwarten, daß Sie um so etwas Simples kämpfen. Doch nicht Harry Potter, dem alles in den Schoß fällt.

Ich hätte alles darum gegeben, wenn ich nur die geringste Chance gehabt hätte, meine Familie zu retten.

Sie widern mich an!" Und damit war Severus wieder zurück in seiner Routine, immer genau das Gegenteil von dem, was er wirklich empfand, zu sagen. Denn genau in diesem Moment wollte er nichts mehr, als Mitleid mit Harry zeigen, ein Vater für ihn sein.

Aber es war unmöglich.

Harry starrte ihm nach, bis die Tür zum Nebenraum sich hinter Severus schloß und das Licht im Klassenraum erlosch.

Erst jetzt begriff Harry, daß der Zaubertrankmeister ihm Dinge über sich gesagt hatte, die vermutlich nicht einmal Dumbledore wußte.

Es war schon drei Uhr morgens und Severus lief noch immer in seinem Schlafzimmer auf und ab. Selbst das starke Beruhigungsmittel, das er schon vor über einer Stunde genommen hatte, kam gegen die Aufregung in ihm nicht an.

Harry und Cho und offensichtlich hatte niemand, nicht einmal Hermine, etwas davon gewußt. Allein bei dem Gedanken daran, daß er versucht hatte, Sesha und Harry zusammen zu führen, wurde Severus furchtbar schlecht. Die Geschichte hatte sich beinahe wiederholt und beinahe war er wieder Schuld daran.

Oder zumindest zum Teil.

Er war sehr nah dran gewesen, Harry an diesem Abend alles zu sagen, ihm in seiner Rage einfach alles ins Gesicht zu schreien. Äußerst dumm und unüberlegt, aber typisch für den Severus, dem Harry heute abend begegnet war.

Das schlimme war nur, daß das Bedürfnis zu reden, das Harry losgetreten hatte, ihn nicht mehr los ließ. Es war Schuld daran, daß er nicht zur Ruhe kam, selbst mit einer Dosis Schlafmittel intus, die ein Rhinozeros hätte umhauen müssen.

Janus saß in sicherem Abstand zu seinem aufgebrachten Herrn und beobachtete ihn bei seinem Dauerlauf durch das Schlafzimmer. Und als Severus' Blick den seines Katers traf, wußte er, was er zu tun hatte. Und diesmal würde er es tun, dafür würde er sorgen. Mit ein paar schnellen Bewegungen zog er einige Bücher aus dem Bücherregal in seinem Arbeitszimmer, griff sich eine Phiole mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit und hob vorsichtig die handballgroße Glaskugel vom obersten Brett seines Regals herunter.

Fünf Minuten später standen Severus und Janus vor Hermines Tür. Es dauerte eine Weile, bis Hermine ihnen aufmachte, doch sie war sofort hellwach, als sie Severus erkannte.

„Severus, was ist passiert?" fragte sie alarmiert über den nächtlichen Besuch.

„Heute ist Ihr Glückstag, Hermine. Wenn ich reinkommen darf, würde ich Ihnen gerne eine kleine Geschichte erzählen." Hermine zuckte bei der kalten Bitterkeit in seiner Stimme ein wenig zusammen. Das war sogar für ihn zu viel, weit über dem üblichen Maß. Doch sie nickte und ließ ihn und seinen Kater, der wie ein Wachhund hinter seinem Herrn herlief, eintreten.

Zielstrebig wanderte Severus auf die beiden Sessel vor dem Kamin zu und setzte sich. Aus einer Tasche in seinem Umhang zog er nacheinander mehrere Bücher, eine Glaskugel, in der sich merkwürdige Blumen befanden und eine kleine Phiole.

Er entkorkte die Phiole und warf ihr einen Blick zu, der ihr sagte, daß sie sich zu ihm setzen sollte.

„Severus, was ist das?" fragte sie und deutete auf die Phiole in seiner Hand.

„Eine abgewandelte Form des Veritas-Serums. Ich ... ich fürchte, ich würde es ohne wieder nicht schaffen, alles zu erzählen. Aber ich muß, Hermine. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie in ihrer nächtlichen Ruhe störe." Ein entschuldigendes Lächeln zog über seine Lippen und Hermine erwiderte es.

„Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie jeder Zeit kommen können und das meinte ich auch so." Severus nickte dankbar.

„Wenn ich das hier getrunken habe, werde ich alles erzählen müssen, egal wie unangenehm es mir ist. Aber ich werde nicht komplett wegtreten wie bei gewöhnlichem Veritas-Serum." Hermine runzelte die Stirn.

„Eine kleine Weiterentwicklung des Originalserums, die auf meine Kappe geht." Erklärte er und setzte das kleine Fläschchen endlich an. Der bittere Zaubertrank lief seinen Hals hinunter in seinen Magen und die Wirkung setzte fast schlagartig ein.

„Das wird eine lange Nacht werden." Begann er und von da an hörte Hermine ihm zu.

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Author's Note:

Da war jemand so richtig, richtig sauer. ^_~ Diese Harry - Severus Szene hat mir damals richtig viel Spaßt gemacht. Gut, ich hatte auch Urlaub, als ich Kapitel 7 geschrieben hab, da hab ich ohnehin gute Laune, aber diese Szene... ich habe sie geliebt.

War aber trotzdem noch zu früh, daß Harry alles erfährt, ich hoffe, man verzeiht mir, daß Sev mal wieder die Kurve gekriegt hat.

Reviews sind wie immer erwünscht! (ruhig auch lange Reviews *g*)

Leu de Nox: Na? Zuviel versprochen? Ich glaub, diesmal sind die Fetzen doch schon richtig gut geflogen, wenn man jetzt mal davon absieht, daß Harry sich absolut nicht dagegen wehren konnte, daß Severus ihn zu diesen Fetzen verarbeitet hat ;o)
Ich hab mich übrigens heute zu einem Spinoff entschlossen, in dem es um die Zeit geht, die ich in späteren Kapiteln übersprungen hab (Zeitsprung von knapp 4 Monaten). Der Zeitraum bietet so richtig viel Potential für fliegende Fetzen ;o)
Aidan hat mir mit der Zeit immer mehr Spaß gemacht und irgendwie ist es auch leicht, über sie zu schreiben. Eigentlich wollte ich ihren Part sogar noch ein wenig vergrößern, aber das hätte den Rahmen der Story gesprengt, fürchte ich.
Seshas Geschichte war der Punkt, wo ich dachte, toll, jetzt haste wirklich ne Mary Sue kreiert, das perfekte, furchtbare Schicksal *g* Na ja, egal, ich steh zu ihr *lol*
*flüstert* Das mit Sev in der Bibliothek fiel mir erst ein, als ich mit Seshas Geschichte zum Ende gekommen bin. Hat mich also auch ein bißchen überrascht ;o)

mastermind: Hm, das ist unterschiedlich. Inzwischen habe ich es mir zur Regel gemacht, keine Geschichte mehr ohne Konzept zu schreiben, weil das einfach nix wird. (bei mir) Ich drösel es wohl besser mal auf. ^_~
Schritt 1: Die Idee. - Wenn ich eine Idee habe (und das passiert wirklich blitzartig, ich kann mir keine Stories ausdenken *g*), schreibe ich erstmal die groben Grundgedanken auf, die mir bei der Idee sofort in den Sinn kommen. So eine Art Brainstorming sozusagen.
Schritt 2: Das Grobkonzept. - Wenn ich alle Ideen gesammelt hab, fange ich an, Ordnung reinzubringen. Ich lege einen Zeitrahmen fest, die Personen und ihre Rollen (alles nur grob) und ordne die einzelnen Ideefetzen so, daß sie eine sinnvolle Reihenfolge ergeben könnten. Dann lege ich das Ding weg und schlaf ein paar Tage (manchmal Wochen) drüber.
Schritt 3: Das Storyboard. - Ganz wichtig für mich, weil ich ein schlechtes Gedächtnis hab. Ich schreibe ein SB nach Kapiteln. Man muß allerdings aufpassen, daß man nicht zu viele Details plant, sonst klingt es alles sehr steif und konstruiert. Eine feste Linie muß allerdings da sein und auch eingehalten werden.
Schritt 4: Schreiben. - Ich fange normalerweise immer erst mit dem Schreiben an, wenn das SB steht. Ausnahme: "Und wieder ein Tag". Das SB ist immer noch nicht komplett fertig. Die ersten 5 Kapitel und das Ende stehen soweit, aber mir fehlt noch ein großes Stück in der Mitte *g*
Des Giftmischers Herz hatte kein richtiges Storyboard. Nach meiner Originalidee sollte die Story aber auch schon an einer ganz anderen Stelle (nach Kapitel 17, glaub ich) fertig sein.
Nein, die Fortsetzung war nicht von Anfang an geplant. Ich hab letzten November mit DGH angefangen, nach über 3 Jahren Schreibblockade und wollte eigentlich nur sehen, ob ich es noch kann. Die Geschichte wurde als aller erstes in einem Forum gepostet und die Resonanz war gut. Irgendwann hatte ich dann eine Idee und hab das ganze dann so umgemodelt, daß es als Fortsetzung getaugt hat. Alles nur glückliche Umstände *g*
Du nervst nicht. Ich gebe jedem, der sie wirklich ausgerechnet von mir haben möchte, gerne Tips. Ich kann allerdings auch nur immer wieder sagen: Es gibt Leute, die haben ein absolutes Talent zum Schreiben, die anderen müssen es lernen. Ich habe es gelernt, denn anfangs war ich kein wirkliches Naturtalent. Aber wenn man sich selbst Zeit läßt und nicht aufgibt, dann wird es was. Ich hab erst jetzt zu meinem wirklichen Stil gefunden (denke ich) und ich schreib immerhin jetzt schon 8 Jahre *g*
Es ist vollkommen normal, daß man anfangs Stile kopiert, auch davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Ich hab z.B. eine ganze Weile geschrieben wie Alexandre Dumas und Jules Verne ;o) Das bildet sich alles mit der Zeit raus.
Blaster hatte ich auch. Zu Hause und in der Firma... zum Kot.... Egal, jetzt isser ja tot *g*
Natürlich darfst du die Geschichte auf deine Seite stellen, ich freu mich immer drüber. ^_^

Tinuviel: Ich hatte damit gerechnet, daß die Meinungen gespalten sein würden, aber das wirklich jemand sagen würde, daß es das bisher schönste Kapitel ist, überrascht mich sehr. Aber es freut mich natürlich. Irgendwie zeigt es ja auch, wie unterschiedlich "meine Leser" sind, es ist gut zu wissen, daß man nicht nur ganz bestimmte Leute anspricht *g*
Aislin war ursprünglich so geplant, wie du schreibst, aber ich hab was mit Aislin gemacht, was absolut nicht zu dem Charakter gepaßt hätte, wenn ich sie so "liebevoll" beschrieben hätte. Außerdem hat sie mich irgendwie von Anfang so an Lucius erinnert und da konnte ich dann schon gar nicht mehr anders *hähä*
Das verwirrende an der Sev-Sache ist ja, daß es gar nicht soooo lange dauern sollte, ich es aber nicht anders schreiben konnte. Es hat sich irgendwie verselbständigt. Klingt dusselig, ich weiß, aber das ist die einzige, treffende Beschreibung dafür *g*
Hermine/Fred wird der zweite Spinoff sein, zwischen dem letzten Kapitel und dem Epilog dieser Geschichte hier stattfinden und im großen und ganzen eine fluffige Liebesgeschichte sein, ohne große Dramen. Außer natürlich, daß da noch ein gewisser Ron Weasley ist, dem Herm seit Jahren aus dem Weg gegangen ist und den sie jetzt zwangsläufig wiedersehen muß. Aber mehr verrate ich nicht ;o)
Jap, sie bleiben in etwa so lang, versprochen (außer der Epilog, der ist nur etwa ein Viertel von diesem und ein Drittel vom letzten Kapitel).

Lethe: Dumbledore nicht, aber ich. Ich hab das Lied gehört, als ich an der Szene saß und ich dachte mir, ich baue es einfach mal ein. Meine Betas haben es abgenickt und so wurde Wolfsheim ein Teil der Story *g*. Wenn du das Lied erkennst, das in diesem Kapitel versteckt ist, bist du gut (aber diesmal ist es sehr schwer, weil nur ein winziger Teil vorkommt, zwei Zeilen, um genau zu sein ^_^)
Das war genau mein Problem. Ich wollte nicht noch mehr Sesha-Kapitel schreiben, weil sie nicht die Hauptperson ist, sondern die Originalcharaktere, aber eigentlich wäre es nötig gewesen. Deshalb bin ich eher dafür, daß man das Ende des letzten Kapitels als den Anfang des Prozesses sieht, den ersten wichtigen Schritt und der Rest des Verarbeitens fängt dann an, wo ich mit dieser ganzen Story aufhöre ;o)
Die Aidan-Szenen werden jetzt immer zahlreicher. Ich hoffe, es gefällt dir *g*

DinoGirl: Aidan stellt noch so einiges an, das verspreche ich dir schonmal. Und Harry und Sev bringen sich auch nicht gegenseitig um, das verrate ich auch einfach schon (ist ja jetzt nach diesen Kapitel kein sooo großes Geheimnis mehr, nachdem Harry ja den ersten Tornado schon überlebt hat *lol*).
Aislin ist eine absolute Ratte, aber ich mag sie deswegen sehr gerne. Sie ist im Prinzip das Äquivalent zu Lucius in des Giftmischers Herz *hähä*
Hermine läuft noch zu Höchstformen auf *g*. Manchmal hab ich das Gefühl, daß ich mehr über mich geschrieben hab. Die Binsenweisheiten, die sie so von sich gibt, könnten wirklich glatt von mir stammen *lol*

Herm: *lol* Deine Story ist doch gut und das mit den Lesern wird noch. Ich hatte für meine erste Geschichte 3 regelmäßige Reviewer und irgendwie wurden es dann ganz langsam mehr. Aber es hat schon ein bißchen gedauert. Deutsche FF haben's einfach schwerer, was das Feedback angeht ;o)
Es freut mich auf jeden Fall, daß es dir gefällt und ich dich an den PC fesseln kann *g*. Ich für meinen Teil bin gespannt auf das nächste Kapitel deiner Story. (Manchmal hab ich das Gefühl, je gemeiner man zu Sevvie ist, umso besser finden die Leser ist ^_~)

Graciee: Besser???? *mit großen Hundeaugen anguck* Ich hoffe doch mal sehr, daß das Kapitel besser war. Im Verhältnis war es ja sehr viel weniger Sesha (und sie kommt in der Masse auch nicht mehr wieder *hoch und heilig versprech*) und sehr viel mehr Sev.
Aber ich sagte ja schon, die Meinungen würden gespalten sein ;o)

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Soderle. Ich dachte schon, ich werde nie mehr fertig *g*. Das war es für heute. Ach ja und hier noch was in eigener Sache:

Stories mit einem "R"-Raiting werden im "Just In" nicht mehr angezeigt. Mich ärgert das, weil so die Chancen viel geringer sind, daß diese Stories entdeckt werden, bzw. viele das Update verpassen. Mich betrifft das mit meiner neuen Geschichte jetzt auch und das macht mich schon ein bißchen stinkig. Wenn es euch genauso geht, dann macht es mir nach und beschwert euch bei ff.net drüber!

Darum empfehle ich noch einmal den Author's Alert! für alle Geschichten, die ihr gerne lest und die ein "R"-Raiting haben.

Außerdem werde ich meinen Prinzipien untreu und werbe hiermit für meine Yahoo Group, in der ab sofort jedes neue Kapitel zu allen meinen Geschichten ebenfalls gepostet wird. Alle Mitglieder dieser Mailing List erhalten dann ebenfalls eine Benachrichtigung per Mail. - Darüber hinaus darf natürlich auch jedes andere Mitglied der Liste seine Geschichten da posten ;o)

Link:

Vielleicht sehen wir uns da ja...

Knutscher

SilentRose