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Kapitel 13:

Ruhm in Flaschen füllen, Ansehen zusammenbrauen...
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Malfoy Manor war eine Ruine. Nur noch ein trauriger Überrest, der einstige Glanz für immer verloren.

Draco schluckte, als er langsam einen Fuß vor den anderen setzte, vorsichtig darauf bedacht, in dem Geröll und Schutt nicht zu stürzen oder einen eventuell noch lebenden Todesser zu berühren.

Das hier war seine Kindheit, ein Ort so voller Erinnerungen, gute und schlechte. Und jetzt war dieser Ort so unwiederbringlich zerstört, wie seine Kindheit vorbei war. Jeder Rest von Hoffnung, daß noch irgend etwas von damals zu retten gewesen war, noch irgendein Fehler seines Vaters zu korrigieren war, verließ Draco nun und machte dem Gefühl der Endgültigkeit Platz.

Doch Draco stellte erstaunt fest, daß er das Gefühl nicht fortwischen oder ganz aus seinem Herzen vertreiben wollte. Es war ein tröstendes Gefühl und es war ihm willkommen.

Denn er wußte, hier hatte etwas geendet, damit etwas neues entstehen konnte. Malfoy Manor würde schon bald wieder aufgebaut sein. Schöner, freundlicher, wärmer als vorher und dann würden er und seine Familie endlich hierher zurückkehren können. Er lächelte verstohlen. Seine Familie. Es war sein Glück, daß sein Vater nie davon gewußt hatte.

Draco spürte einen kurzen Stich in der Brust und warf Harry einen verstohlenen Blick zu, der mit gesenktem Kopf neben ihm herlief, den Blick so konzentriert auf die Trümmer gerichtet, daß neben ihm vermutlich eine Bombe hätte einschlagen können, ohne daß er es bemerkt hatte. Draco hatte ein schlechtes Gewissen, weil er genau in dem Moment an seine Familie dachte, die auf ihn wartete und sich freute, wenn er endlich zurück kam, in dem Harry auf der Suche nach dem letzten Rest seiner Familie durch die zerstörte Villa kletterte. Und sein Herz sank bei dem Gedanken an die geringe Chance, die Severus hatte.

Vorsichtig streckte er seinen Arm aus und legte Harry eine Hand auf die Schulter. Harry fuhr fast erschrocken herum, sagte jedoch nichts. Einen Moment sahen die beiden jungen Männer sich in die Augen und als Harry seine eigene Hand über Dracos legte und nickte, wußte Draco, daß er ihn verstanden hatte.

Es war manchmal schon beeindruckend, wie wenig Worte sie brauchten, um miteinander zu kommunizieren. Aber so war es wohl, wenn man den anderen über Jahre als seinen Feind betrachtete. Man lernte, in ihm zu lesen, wie in einem Buch, und auch wenn Draco es nicht gerne zugab, er war nicht der einzige gewesen, der gut darin gewesen war. Harry hatte ihn ebenso durchschaut wie Draco Harry.

„Hier muß es irgendwo gewesen sein." Murmelte Harry und auf seiner Stirn, genau oberhalb seiner Nasenwurzel bildete sich eine steile Falte, als er konzentriert die Stirn zusammen zog. Draco schluckte. Er hatte zwar James Potter nie gekannt, aber er war sich doch fast sicher, diesen Ausdruck hatte er von Severus.

Draco wandte seine Blick für einen kurzen Moment zurück über seine Schulter. Nach und nach apparierten immer mehr Anhänger des Ordens und Auroren des Ministeriums auf das Grundstück von Malfoy Manor und machten sich auf die Suche nach Überlebenden und eventuell unter dem Schutt begrabenen Körpern.

Hermine war in Hogwarts zurück geblieben, um sich um Sesha zu kümmern. Der Gedanke an die junge Frau machte Draco große Sorgen. Wenn sie Severus nicht fanden, war Harry wohl nicht der einzige, der davon getroffen wurde, aber Draco war sich noch nicht wirklich sicher, wen von beiden es härter treffen würde.

In Dracos Gedanken nahm die zertrümmerte Villa wieder ihre ursprüngliche Gestalt an und er versuchte, sich zu erinnern, wo genau Severus und das Mädchen gewesen waren, als die Decke eingestürzt war. Sie konnten nicht mehr weit von dem Ort entfernt sein. Die Trümmer waren übersäht von Spiegelscherben, ein deutliches Zeichen, daß sie bereits mitten im ehemaligen Ballsaal standen.

„Dumbledore glaubt, daß er tot ist." Harrys Stimme klang unnatürlich weit weg und einen Moment war Draco sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt mit ihm oder doch nur mit sich selbst gesprochen hatte.

„Wie kommst du darauf, Harry?" fragte der blonde Slytherin sanft. Trotz seiner eigenen Hoffnungslosigkeit wollte er Harry seine Hoffnung nicht nehmen, so lange sie Severus nicht wirklich gefunden hatten.

„Ich sehe es ihm an. Er sieht aus, wie ein Vater, der seinen Sohn verloren hat." Draco biß sich auf die Lippen, als er wieder einen Blick über seine Schulter warf und ihn auf Dumbledore richtete, der etwas abseits der Trümmer stand und mit Remus Lupin etwas besprach. Harry hatte recht. Der alte Zauberer sah wirklich aus, als habe er seinen Sohn verloren. Seine blauen Augen waren leer, funkelten nicht einmal mehr ein kleines bißchen und seine Schultern hingen tiefer als sonst. Die Spannung und Agilität, die sonst von ihm ausging, war verschwunden.

„Hast du ihn schon aufgegeben?" fragte Draco und blickte seinem Freund fest in die Augen.

„Ich glaube nicht, daß ich es kann." Draco atmete erleichtert auf.

„Es ist Snape, aber wenn er wirklich mein Vater ist, dann darf ich ihn nicht aufgeben. Dann ist er alles, was ich mir immer gewünscht habe, abgesehen von meiner Mutter." Harry blickte Draco einen Moment an und suchte in den hellen Augen des Slytherins nach einer Art Bestätigung, einem Strohhalm, an den er sich klammern konnte.

„Wir finden ihn, Harry." Draco wußte, daß er viel zu hoffnungsvoll klang, doch er wollte Harry helfen und die Worte waren heraus, bevor er wirklich darüber nachgedacht hatte. Nicht wirklich Slytherin, aber manchmal färbten die Eigenschaften der Freunde auf einen ab und wenn neben den einzigen Freunden sogar die eigene Frau eine Gryffindor war... Draco unterdrückte das Lächeln, das er aufsteigen fühlte.

„Wir sind ganz nah dran. Hier irgendwo muß es gewesen sein." Fügte Draco hinzu, den Blick inzwischen wieder hochkonzentriert auf die Massen von Trümmern und Schutt gerichtet. Er zuckte heftig zusammen, als Harry plötzlich ein beinahe unwirkliches Geräusch von sich gab und in einem halsbrecherischem Tempo losstürzte. Draco warf einen Blick in die Richtung, in die er lief und dann sah auch er die bekannte blasse Hand mit den langen, grazilen Fingern, die typische, weiße Manschette von Severus' Hemden und die Reste der schwarzen Robe.

Harry kam schlitternd neben der Hand zum Stehen und stieß sich beide Knie in den Trümmern auf, als er sich neben Severus' Hand auf den Boden fallen ließ. Doch er spürte den Schmerz nicht und selbst wenn er ihn gespürt hätte, wäre er in diesem Moment vollkommen unbeachtet geblieben. Harry hatte längst wieder auf Autopilot umgestellt, genau wie bei dem Kampf vor wenigen Stunden. Wenn alles schnell und präzise gehen mußte, dann war Denken nur hinderlich. Das war eine Weisheit, die nicht nur für Quidditch galt, wie Harry früh gelernt hatte.

Draco erreichte ihn nur Sekunden später und half Harry, die Trümmer beiseite zu schaffen, die Severus' Körper fast vollständig bedeckten. Dabei ließ er einen besorgten Blick zwischen Harry und seinem ehemaligen Lehrer hin und her gleiten. Harry blutete heftig aus einigen tiefen Schnitt- und Schürfwunden, schenkte dem jedoch keine Beachtung. Und Severus – es war praktisch unmöglich, daß er das überlebt haben konnte.

Doch beide hievten unbeirrt weiter Steinbrocken beiseite und als sie den totenbleichen Zaubertranklehrer schließlich ausgegraben hatten, fühlte Harry, wie sich eine bleierne Schwere über ihn legte. Vorsichtig streckte er eine Hand nach Severus aus, doch bevor er ihn berühren konnte, zuckte er zurück, als habe er sich an etwas verbrannt. Er biß sich auf die Lippe und schloß die Augen.

Er konnte es nicht.

Was, wenn er keinen Puls fand? Was, wenn er wieder zu spät war, wieder nicht in der Lage gewesen war, seinen Vater zu halten? Beim ersten Mal war er erst ein Jahr alt gewesen, nicht wirklich in der Lage, seine Kräfte zu kontrollieren. Aber jetzt war es etwas ganz anderes. Dieses Mal hatte er Zeit verschwendet und Hermine nicht einfach vertraut.

„Er lebt." Harry schreckte heftig aus seinen Selbstvorwürfen hoch und starrte Draco ungläubig an. Wieder ärgerte er sich über sich selbst. Er mußte aussehen wie ein kompletter Idiot. Wann hatte sich sein Autopilot eigentlich abgeschaltet?!

Doch Draco merkte sofort, was mit Harry los war und zögerte keine Sekunde. Er richtete seinen Zauberstab auf den leblosen Körper seines ehemaligen Hausvorstandes und murmelte:

„Mobilicorpus." Severus' Körper hob sich aus der Ruine empor und schwebte im sicheren Abstand von den scharfen Ecken und Kanten der Trümmer über sie hinweg. So schnell wie möglich verließ Draco die Ruine und er hörte, wie Harry ihm langsam folgte. Ein Blick über seine Schulter bestätigte ihm, daß sein Freund noch immer wie betäubt und mechanisch hinter ihm herlief.

Als er den Rasen erreichte, ließ er Severus' Körper vorsichtig auf den Boden gleiten.

„Sonorus." Murmelte er und richtete seinen Zauberstab auf seinen eigenen Hals.

„Wir haben Professor Snape gefunden." Obwohl er ganz normal sprach, weder rief noch schrie, hallte seine Stimme laut über das jetzt friedliche Schlachtfeld hinweg und zog sofort jedwede Aufmerksamkeit auf ihn. Dumbledore und Remus Lupin setzten sich augenblicklich in Bewegung, zwei der Auroren folgten ihnen dicht auf den Fersen. Draco schmunzelte einen kurzen Augenblick über die Schnelligkeit, die der alte Direktor an den Tag legte und stellte erleichtert fest, daß die Hoffnung in die blitzenden, blauen Augen zurückgekehrt war.

„Finite Incantatem!" Draco räusperte sich, um sich zu vergewissern, daß seine Stimme wieder normal war, als auch schon Dumbledore und die anderen sie erreicht hatten.

„Er lebt, Sir, aber ich glaube, er ist sehr schwer verletzt. Es sieht so aus, als hätte er noch einen Schutzschild beschwören können, als das Gebäude eingestürzt ist, denn ein Großteil der Trümmer lag kreisförmig um ihn herum verteilt, aber er scheint zu schwach gewesen zu sein, den Schild bis zum Ende zu erhalten." Dumbledore nickte und kniete neben Severus auf dem Boden nieder.

„Ich hoffe, Poppy hat wie besprochen ein Loch im Schutzschild des Schlosses geöffnet." Draco hob fragend eine Augenbraue, doch bevor er eine Antwort bekommen konnte, hatte Dumbledore vorsichtig Severus' Hand genommen und beide waren mit einem Plop verschwunden. Damit war Dracos Frage auch schon beantwortet. Er fühlte, wie sich die Erleichterung endlich vollständig in ihm ausbreitete. Poppy würde schon wissen, wie sie Severus helfen konnte. – Hoffte er zumindest.

Draco fuhr herum, als er hörte, wie Harry neben ihm in die Knie ging. Wieder stieß er einen fast schon gequält klingenden Laut aus und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Draco ballte die Hand zu Faust und gab sich alle erdenkliche Mühe, sich selbst zu beruhigen. Er hatte Mitleid mit seinem Freund, aber er durfte sich von diesem Mitleid jetzt nicht überwältigen lassen. Dann war er nicht mehr stark genug und jetzt, wo Harry sich selbst zum ersten Mal seit langem wirkliche Schwäche erlaubte, mußte er stark bleiben.

„Komm Harry." Forderte er seinen Freund auf und streckte eine fast weiße Hand nach ihm aus. „Wir können hier nichts mehr tun. Laß uns nach Hogwarts zurückgehen." Erst glaubte Draco, daß Harry ihn gar nicht gehört hatte, doch schließlich blickte der Gryffindor auf und schüttelte langsam, immer noch nicht wieder vollständig zurück in der Realität, den Kopf.

„Noch nicht. Wir müssen Aidan mitnehmen." Draco hob eine Augenbraue, hielt Harry aber nicht auf, als dieser sich wieder auf die Beine kämpfte und zu der Stelle zurückkehrte, an der sie Severus gefunden hatten. Er fühlte, wie ein unangenehmes Gefühl sein Herz umgriff wie eine eiserne Hand, als er ihn dabei beobachtete, wie Harry fast schon sanft den toten Körper der letzten Todesserin Voldemorts aus den Trümmern emporhob.

„Warum willst du sie mitnehmen? Das Ministerium kümmert sich schon um die Leichen." Harry ließ einen abwesenden Blick über Aidans friedliches Gesicht gleiten und schließlich huschte der Hauch eines Lächelns über sein tödlich blasses Gesicht.

„Weil Snape bei ihr geblieben ist. Er ist nicht appariert, weil sie noch nicht tot war. Er hätte es sicher gewollt, daß wir sie mitnehmen." Draco schluckte. Warum klang das nur schon so für ihn, als wäre Severus bereits tot? Ein wenig unwillig schüttelte er den Kopf. Nicht drüber nachdenken. Severus lebte und er war bei Poppy. Nichts, worüber man sich Gedanken machen mußte.

Doch Draco hatte Angst. Und es erstaunte ihn, wie groß diese Angst war. Nicht, daß er nicht gewußt hatte, daß Severus Snape ihm etwas bedeutete. Aber daß seine Gefühle für ihn so stark waren, war ihm doch neu.

„Also gut. Aber jetzt komm bitte mit mir, Harry." Harry sträubte sich nicht weiter, als Draco ihm wieder die Hand auf die Schulter legte und er das sanfte Kribbeln spürte, das von dieser Hand ausging. Er fügte seine eigene Magie noch hinzu und nur einen Augenblick später waren sie verschwunden.

„Ah, ja", sagte er leise. „Harry Potter. Unsere neue – Berühmtheit"

Harry schreckte aus seinen Gedanken auf, als er die seidige Stimme des Zaubertrankmeisters wieder so klar in seinem Kopf hören konnte wie damals, vor inzwischen elf Jahren, in der ersten Stunde Zaubertränke, die er in Hogwarts gehabt hatte. Eine weiche, geschmeidige Stimme, so angenehm, wenn sie es sein wollte, aber gleichzeitig immer so kalt und hart, wenn sie mit ihm gesprochen hatte. Genau wie die Augen. Schwarz wie die Nacht und mindestens so tief und sie hatten Harry immer nur mit Haß betrachtet, niemals mit auch nur einem einzigen Funken Liebe und Wärme.

Doch diese Augen waren jetzt geschlossen und die Stimme war verstummt. Harry schluckte und wagte es erneut, den Blick gerade genug zu heben, um die leblose Gestalt in dem großen, weißen Krankenhausbett anzusehen.

Es waren bereits anderthalb Tage vergangen, seit man Severus ins Schloß zurück gebracht hatte, doch seitdem hatte sein Zustand sich kaum verändert. Madam Pomfrey hatte seine äußeren und inneren Verletzungen geheilt, so gut sie konnte, allerdings waren einige so schwer gewesen, daß sie nicht mehr hatte tun können, als die Heilung ein wenig zu begünstigen. Den Rest mußte die Zeit erledigen.

Harry legte den Kopf ein wenig schief und ließ seinen glasigen, fast abwesenden Blick auf den blassen Zügen seines Vaters ruhen. Zaghaft streckte er seine Hand aus, doch bevor sie die des ohnmächtigen Mannes berühren konnte, die ebenso blaß und reglos wie sein Gesicht auf der Decke lag, zuckte er zurück. Er konnte ihn nicht berühren. Stets hatte er das Gefühl, sobald er Severus berührte, würde er sich verbrennen oder schlimmer noch – aus dem Traum erwachen.

Harry wollte nicht erwachen, auch wenn er noch nicht einmal sagen konnte, ob dieser Traum für ihn ein schöner oder weniger schöner war.

Einerseits war das hier sein Vater. Die Beweise waren da, er konnte sie nicht abstreiten. Aber andererseits war es immer noch Snape.

Snape, der ihn von seinem ersten Augenblick in Hogwarts an immer nur gequält hatte. Snape, der ihn gehaßt und verfolgt hatte. Snape, der jedes Jahr aufs Neue versucht hatte, ihn von der Schule verweisen zu lassen.

Jeder andere Lehrer an dieser Schule hatte sich mehr wie ein Vater verhalten als Severus Snape.

Harry ballte die Hand zur Faust und kämpfte gegen das Gefühlschaos in sich an. Aber er konnte es nicht ändern, das warme Gefühl, endlich einen sehnlichen Wunsch erfüllt bekommen zu haben, war da und wollte nicht verschwinden. Snape hin oder her.

Wieder streckte er zaghaft seine Hand aus. Hatte Snape ihm nicht immer vorgehalten, daß er vor allem davon lief? Sich den Tatsachen niemals stellte? Es war an der Zeit, daß sich das änderte.

Seine Hand berührte schon fast die seines Vaters und Harry schloß die Augen. Gleich würde er aufwachen. Voldemort würde wieder da sein und Hermine hatte ihm diese Geschichte niemals erzählt. Alles war nur erfunden, von seinem Unterbewußtsein ausgedacht gewesen. Nichts davon wahr.

Severus' Hand war eiskalt und Harry umschloß sie vorsichtig mit seiner, als habe er Angst, sie zu zerbrechen, wenn er zu fest zugriff.

„Ihr seid hier, um die schwierige Wissenschaft und exakte Kunst der Zaubertrankbrauerei zu lernen." Es war kaum mehr als ein Flüstern, doch sie verstanden jedes Wort – wie Professor McGonagall hatte Snape die Gabe, eine Klasse mühelos ruhig zu halten. „Da es bei mir nur wenig albernes Zauberstabgefuchtel gibt, werden viele von euch kaum glauben, daß es sich wirklich um Zauberei handelt. Ich erwarte nicht, daß ihr wirklich die Schönheit des leise brodelnden Kessels mit seinen schimmernden Dämpfen zu sehen lernt, die zarte Macht der Flüssigkeiten, die durch die menschlichen Venen kriechen, den Kopf verhexen und die Sinne betören ... Ich kann euch lehren, wie man Ruhm in Flaschen füllt, Ansehen zusammenbraut, sogar den Tod verkorkt – sofern ihr kein großer Haufen Dummköpfe seid, wie ich sie sonst immer in der Klasse habe."

Was war nur mit ihm los? War es die Hand, die er in seiner hielt, die diese Erinnerungen zurückrief? Oder war er einfach nur albern? Sentimental, weil all die Gefühle, die sich über sein ganzes Leben in ihm aufgestaut hatten, plötzlich der Meinung waren, daß sie ins Freie gelangen mußten?

„Harry?" Harry wandte langsam den Kopf und sah Hermine mit seinem leeren, vollkommen leblosen Blick an. Seine beste Freundin biß sich auf die Lippen, schluckte das beklemmende Gefühl, das ihr die Kehle hinaufkroch aber sofort wieder herunter. Ohne ein weiteres Wort, trat sie näher an Harry heran und umarmte ihn.

Fast sofort ließ Harry Severus' Hand los und vergrub sein Gesicht in Hermines Umhang. Doch diesmal weinte er nicht. Er tat gar nichts. Er hielt sich nur an Hermine fest und verbarg sein Gesicht in ihrem Umhang. Hermine verstand, daß das alles war, was er für den Moment wollte. Keine Fragen, keine Gespräche, kein Zuspruch. Nur den kleinen Komfort dieser Berührung.

Vorsichtig fuhr sie ihm mit der rechten Hand durch das zerzauste Haar, während sie die stumme Gestalt Severus' betrachtete.

Sein Gesicht war so weiß, wie das Bett. Wenn seine Brust sich nicht in regelmäßigen Abständen ein wenig gehoben und wieder gesenkt hätte, hätte man gedacht, er wäre tot. Sein rabenschwarzes Haar bildete einen extrem scharfen Kontrast dazu und umrahmte das gesamte, totenbleiche Gesicht. Wenn man ganz genau hinsah, konnte man erkennen, daß seine Augen sich unter den Lidern für den Bruchteil eines Augenblickes bewegten. Doch mehr Bewegung zeigte der Zaubertrankmeister nicht.

Die Stille war schwer und erdrückend und im Nachhinein betrachtet, wußte Hermine nicht mehr, wie sie es so lange in dieser Stille hatte aushalten können, als Harry sie endlich brach.

„Er wird es nicht schaffen, Hermine." Hermine starrte ihren Freund, der sein Gesicht noch immer in ihrem Umhang vergraben hatte, entgeistert an.

„Wie kommst du darauf, Harry?" Harry hob leicht die Schultern und aus einem Reflex heraus schloß Hermine ihre Arme so fest wie möglich um den zitterten Oberkörper Harrys. Harry griff noch ein wenig fester zu und atmete tief ein.

„Ich weiß es einfach. – Es ist meine Schuld." Hermine hatte das Gefühl, daß sie gleich Blut schmecken würde, wenn sie sich noch fester auf die Lippen biß. Hatten diesen Selbstvorwürfe denn nie ein Ende? Irgendwann mußte es doch auch mal wieder eine gute Wendung geben! Die beiden waren sich so ähnlich, daß es mehr als nur ein Wunder war, daß bisher wirklich noch niemand diese Ähnlichkeit bemerkt hatte.

Allein schon diese grauenhafte Tendenz, sich ständig die Schuld für alles zu geben, was auf dieser Welt passierte.

„So ein Unsinn!" fuhr Hermine Harry wesentlich härter an, als sie eigentlich gewollt hatte. Harry blickte auf und in seinen schwimmenden grünen Augen erkannte sie nur zu gut, wie sehr er ihr glauben wollte.

„Wenn du nicht daran glaubst, daß er es schaffen kann, woher soll er dann die Kraft nehmen? Du bist doch der einzige Halt für ihn." Harry senkte den Blick und schüttelte kraftlos den Kopf.

„Nicht ich. Ich habe ihm sein ganzes Leben lang nichts bedeutet. – Vielleicht Sesha..." Alles passierte so schnell, daß Harry nicht reagieren konnte. Mit einem lauten Knall traf Hermines Hand seine Wange und mit einem überraschten Ausruf fiel er rücklings von seinem Stuhl und knallte auf den harten Steinfußboden der Krankenstation.

„Wie kannst du das nur sagen, Harry?! Natürlich hast du ihm etwas bedeutet! Er hat dich die ganzen Jahre mehr geliebt als alles andere. Du warst das einzige, was er seit dem Tod deiner Mutter geliebt hat!" Harry betastete seine brennende Wange, wandte seinen Blick aber nicht von Hermine ab, deren rehbraune Augen ihn wütend anfunkelten. Oh ja, sie war wütend. So wütend war sie bisher selten auf ihn gewesen.

„Warum weiß ich davon dann nichts? Warum hat er mich dann all die Jahre wie ein Stück Dreck behandelt?!" Harrys Stimme klang beinahe schon so schrill wie die Stimme eines Kindes, eines trotzigen Kindes, das nicht vorhatte, irgend etwas einzusehen, egal was man auch vorbrachte. Aber es überraschte Hermine nicht. Severus hatte sich all die Jahre so viel Mühe gegeben, dem Jungen weis zu machen, daß er ihn haßte, daß Harry ja gar nicht anders gekonnt hatte, als es ihm zu glauben. Selbst diese neue Wendung der Dinge konnte an den negativen Gefühlen, die Harry für Severus empfand, nicht sofort etwas Wesentliches ändern.

Hermine öffnete ihre Hände und ballte sie wieder zur Faust. Ein paar mal wiederholte sie diese Bewegung und langsam fühlte sie, wie sie wieder ruhiger wurde. Harry starrte sie noch immer genauso wütend und fassungslos an. Sie mußte etwas sagen.

„Er wollte dich schützen, Harry. Keiner wußte, daß er dein Vater ist, ich war die erste, die es erfahren hat. – Und als du nach Hogwarts kamst und alle dich behandelt haben, als wärst du aus Zucker, da hat er als einziger gesehen, daß du so niemals überleben würdest."

„Du kannst dir diesen Unsinn sparen, Hermine! – Ich glaube dir kein Wort." Hermine warf ungeduldig die Arme in die Luft. Mit einem Mal spürte sie die Anstrengungen der letzten Monate wie eine schwere Decke auf sich und das letzte bißchen Kraft schien aus ihrem Körper zu weichen. Sie war müde, am Ende ihrer Kräfte und schon längst nicht mehr in der Lage, gegen Harrys Dickschädel anzukämpfen. Sie wollte ihre Ruhe, ihren Frieden, einen gemütlichen Abend mit Fred, ein paar Tage Schlaf, ein ruhiges, nettes, vollkommen belangloses Gespräch mit Severus...

Aber alles, was sie bekam war ein Harry Potter, dessen Welt vor seinen Augen zusammen gebrochen war und der jetzt verzweifelt versuchte, diese Welt wieder zu kitten, obwohl von ihr nichts mehr zu retten war.

„Gut, dann kann ich mir ja auch sparen, dir zu sagen, was für ein riesiger Trottel du bist und wie sehr es mich ankotzt, mir immer wieder solche Gespräche wie jetzt antun zu müssen. Du bist und bleibst ein ignorantes, kleines Miststück, das ohne Leute, die es ständig bemitleiden einfach nicht sein kann. Er hat dich also behandelt wie ein Stück Dreck? Du hast ihm dein ganzes Leben nichts bedeutet? Dann verrate mir doch mal, warum ausgerechnet er es war, der immer für dich da war, um dein Leben zu retten, wenn du wieder mal eine deiner blödsinnigen Aktionen gestartet hast!" Harry blickte unter sich. Er war nicht länger in der Lage, in Hermines aufgebrachtes Gesicht zu sehen, schon alleine, weil er Angst hatte, daß er ihr glauben könnte.

„Ich weiß nicht genau, warum er zugelassen hat, daß du bei den Dursleys bleibst, Harry." Harrys Blick schoß zurück in ihre Richtung. Er starrte sie mehr als ungläubig an und Hermine versuchte ihr Möglichstes, ihn warm und verständnisvoll anzulächeln, obwohl ihr erster Gedanke immer noch war, ihm einfach den Hals umzudrehen.

„Aber ich weiß ganz sicher, daß er es nicht getan hat, weil er dich nicht haben wollte. Es muß einen anderen Grund gegeben haben und sobald er aufgewacht ist, wird er dir erzählen, was damals vorgefallen ist. Du mußt nur daran glauben, daß er dich nicht allein läßt, dann kann er es auch schaffen." Harrys Gedanken rasten und wirbelten so schnell durcheinander, daß er das Gefühl hatte, ihm würde jeden Augenblick schlecht von dieser viel zu schnellen Bewegung. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er Hermine nun glauben wollte oder ob die kleine Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm noch immer die Geschichte vom bösen Snape ins Ohr flüsterte, nicht doch die willkommenere war.

Wieder glitt sein Blick hinüber zu Severus' friedlichem Gesicht. Warum konnte es nicht einmal einfach sein?

„Und... und was ist, wenn er keine gute Erklärung hat? Was ist, wenn ich ihm nicht verzeihen kann? Dann habe ich plötzlich einen Vater, etwas was ich mir mein ganzes Leben lang gewünscht habe, aber es ist ein Vater, den ich hasse. Ich möchte..." Harry schüttelte den Kopf und rieb sich über die schmerzenden Schläfen. „Ich weiß nicht, was ich möchte." Gab er schließlich geschlagen zu.

„Ich weiß, Harry." Entgegnete Hermine und ihre Stimme war wieder sanft und tröstend. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und Harry lehnte sich ein wenig gegen sie zurück. Alles in ihm schrie nach ein wenig Körperkontakt und Wärme und er hoffte, daß Hermine nicht wütend genug auf ihn war, es ihm zu verwehren. Doch Hermine lächelte nur, als sie spürte, wie Harry sich an sie lehnte und verstärkte für den Bruchteil eines Augenblicks den Druck ihrer Hände auf seine Schultern.

„Erzähl mir die ganze Geschichte, Hermine. Ich möchte ihn verstehen." Obwohl Harry es nicht sehen konnte, da sie hinter ihm stand, nickte Hermine und zog sich einen Stuhl zu Harry heran. Sie griff nach seiner Hand, als sie sich gesetzt hatte und blickte ihm fest in die Augen. Und dann begann sie zu erzählen.

„Ich hasse sie beide", sagte Harry, „Malfoy und Snape."

Harry war halb eingenickt, als dieser Gedanke ihn aus dem noch nicht ganz vollständigen Schlaf riß. Erschrocken blickte er sich auf der Krankenstation um, doch er war alleine. Außer ihm und Severus war niemand da.

Diese Erinnerungen waren eine Qual. Warum nur zwang sein Gehirn ihn, sich an all die Gemeinheiten und unüberlegt gesagten Dinge zu erinnern? Warum hielt es ihm noch einmal alles vor Augen, wo er doch im Prinzip nichts weiter wollte, als Hermine zu glauben, wenn sie sagte, Snape habe ihn niemals wirklich gehaßt und alles nur zu seinem Schutz getan?

Ein Lächeln stahl sich auf Harrys Gesicht und er machte nicht einmal den Versuch, es zu unterdrücken. Hermine hatte ja eigentlich recht. Snape hatte sich so manches Mal daneben benommen und über reagiert, wie zum Beispiel damals, als Sirius zurück gekehrt war. Aber er hatte das doch alles nur getan, weil er ihn schützen wollte. Wenn man es objektiv betrachtete, machte das Sinn.

Gut, er hatte es auf seine ganze eigene, mehr als merkwürdige Weise getan, meistens indem er versucht hatte, ihn von der Schule verweisen zu lassen – wenn das nicht auch nur eine leere Drohung gewesen war – aber er hatte es getan. Immer wieder.

Harry griff wieder vorsichtig nach der bleichen Hand auf der Bettdecke und umschloß sie mit seinen Händen. Vielleicht hatte Hermine ja wirklich recht. Vielleicht haßte er ihn nicht. Der einzige, den Snape wirklich gehaßt hatte, war James Potter gewesen und wenn die Geschichte, die Hermine ihm erzählt hatte, so wirklich stimmte, dann konnte er es sogar ein wenig verstehen.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich nur noch an „James Potter" zu denken und nicht mehr an „seinen Vater". Aber scheinbar hatten sein Unterbewußtsein und seine Gedanken sich sehr viel schneller daran gewöhnt, daß James Potter nicht mehr länger sein Vater war, als der Rest von Harry.

„Du könntest mir einen großen Gefallen tun und einfach aufwachen, du verfluchter Bastard." Murmelte Harry, doch das Lächeln auf seinen Lippen und der sanfte Ton seiner Stimme straften seine harschen Worte Lügen. „Ich hab so viele Fragen an dich und glaub mir, du kannst nicht einfach abhauen, nur weil du sie mir nicht beantworten willst." Severus Augen bewegten sich wieder unruhig unter den geschlossenen Lidern. Diesmal wesentlich länger als zuvor. Hermine hatte gesagt, daß das ein gutes Zeichen war, daß er langsam aus dem tiefen Schlaf des Komas auftauchte.

Und was würde dann sein? Harry spürte einen unangenehmen Stich im Magen, als dieser Gedanke ihn traf. Er wußte es nicht. Er konnte doch nicht einfach von jetzt auf gleich aufs Vater-Sohn-Programm umsteigen oder?

Würde Snape es überhaupt wollen? Oder würde er vielleicht doch darauf bestehen, daß alles so blieb wie vorher, vielleicht weil... na ja, weil Harry es versaut hatte? Vielleicht wollte er gar keinen Sohn wie Harry, der schließlich immer vor allem davon lief. Snape hatte ihm in den letzten Monaten oft genug gesagt und gezeigt, wie dumm er doch war. Sicher wollte Snape keinen solchen Sohn.

Doch was Harry am meisten beunruhigte, war wohl die Tatsache, daß es weh tat, über diese Möglichkeit nachzudenken.

Obwohl er Snape bis vor wenigen Tagen noch zutiefst dafür verachtet hatte, was er war und was er ihm all die Jahre über angetan hatte, um sein Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon war mit all dem nicht gewollten Ruhm und den Erwartungen, wollte Harry doch nichts mehr als in Snape endlich den Vater finden, den er sich sein ganzes Leben gewünscht hatte.

Das war schlicht paradox, verrückt, absoluter Wahnsinn, wie auch immer man das nennen wollte! Aber es war der Wunsch seines Herzens, das sich langsam, aber doch stetig für Snape erwärmte und es ihm unmöglich machte, den Mann weiterhin mit Verachtung zu betrachten.

Wieder einmal kam Harry sich über alle Maßen erbärmlich vor.

Fast schon zögerlich griff er nach einem der Fotoalben, die Hermine ihm vor wenigen Stunden gebracht hatte. Es waren die gleichen Alben, die sie ihm gezeigt hatte, um ihn davon zu überzeugen, daß Snape sein Vater war.

Er schlug das Buch auf und fühlte, wie sich eine angenehme Wärme um sein Herz legte. Sie war damals noch so jung gewesen, aber er hätte seine Mutter immer und überall erkannt. Sie mußte damals sehr glücklich gewesen sein. Damals, bevor all das Böse um sie herum erst so richtig begonnen hatte.

Harry fragte sich, ob das Böse denn jetzt auch wirklich vorbei war oder ob es wieder nur eine Frist war, die sie herausgespielt hatten. Denn jetzt, wo Voldemort scheinbar besiegt war, er sogar seinen Vater wiedergefunden hatte und alles langsam so schien, als würde es in eine bessere Richtung weitergehen, waren seine Gedanken auch wieder bei Cho und der kleinen Manami. Wenn nur wirklich alles vorbei war und die Kleine in einer besseren Welt aufwachsen konnte!

Harry war schon klar, daß es immer das Böse in der Welt geben würde und daß die bessere Welt wohl etwas war, was so unerreichbar war, wie der Weltfrieden, aber trotzdem hoffte er, daß Manami erspart bleiben würde, was er erlebt hatte.

Und nicht zuletzt auch Severus.

Vielleicht lag es daran, daß er es vorher nicht hatte wahrhaben wollen, aber jetzt, wo er an seine Tochter dachte und sich wünschte, daß sie es besser haben würde als er selbst, wurde Harry mit einem Mal klar, daß er und Severus sich doch sehr ähnlich waren, und das von Anfang an. Sie waren beide nicht in Frieden aufgewachsen, hatte beide so etwas wie eine schwere Kindheit gehabt, die bei Severus in ein absolut freudloses Leben gegipfelt war, und Harry war sich sicher, daß Severus sich für ihn, genau wie er jetzt für seine Tochter, gewünscht hatte, daß alles anders wurde.

Harry mußte diesen Teufelskreis für Manami durchbrechen, ob Cho nun jemals wieder mit ihm sprechen würde oder nicht.

„Harry." Harry hob langsam den Kopf, doch er bereute die Bewegung fast augenblicklich, als ein dumpfer Schmerz seine Schultern durchfuhr. Er biß sich auf die Lippen und richtete sich von Severus' Bett auf, an dem er eingeschlafen war. Das war eindeutig eine ganz schlechte Position für ein Nickerchen gewesen.

„Sir?" fragte Harry, als er Dumbledore erkannte, der ihn ein wenig besorgt, aber auch warm musterte. Dumbledore setzte sich auf den Stuhl, den Hermine vor einigen Stunden genutzt hatte und der seitdem unberührt noch immer an der selben Stelle stand.

„Wie geht es dir, mein Junge?" Harry hob die Schultern und richtete seinen abwesenden Blick auf Severus, der sich auch in den Stunden, in denen Harry geschlafen hatte, scheinbar keinen Millimeter bewegt hatte.

„Miss Granger hat mir soeben einen Besuch abgestattet und mir eine höchst interessante Geschichte erzählt." Unwillkürlich zuckte Harry zusammen und augenblicklich fixierten die grünen Augen den alten Zauberer wieder, in dessen funkelnden blauen Augen ein wenig Schuldbewußtsein lag.

„Sie haben es nicht gewußt?" Harry hätte sich im selben Moment für die Frage ohrfeigen können, aber noch immer saß dieser alte Gedanke seiner Kindheit in seinem Kopf fest, daß man vor Dumbledore nichts geheimhalten konnte, egal was es auch war. Und obwohl er Hermine durchaus geglaubt hatte, daß sie die erste gewesen war, die von der ganzen Sache erfahren hatte, war es ihm immer noch so unmöglich erschienen, daß Albus Dumbledore wirklich nichts davon gewußt hatte.

Dumbledore lächelte und schenkte dem ohnmächtigen Snape einen liebevollen Blick, bevor er antwortete.

„Severus hat es schon immer verstanden, Dinge vor mir geheim zu halten, wenn er nicht wollte, daß ich von ihnen erfahre. – Ich muß zugeben, daß er damit der einzige ist. Viele haben es in all den Jahren versucht, aber keiner war erfolgreich.

Wie geht es dir jetzt, da du weißt, wer Severus ist?" Diesmal unterdrückte Harry das verschreckte Zucken, daß ihn erneut durchfahren wollte und hob statt dessen nur die Schultern. Er war sich nicht sicher, ob er seine Gefühle wirklich mit Dumbledore teilen wollte.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. – Ich ... ich würde gerne mit ihm reden. Ich habe so viele Fragen, die nur er mir beantworten kann. – Ich glaube, ich weiß erst dann so wirklich, was ich fühle." Dumbledore nickte und starrte für einige Minuten ins Leere. Harry hätte einiges darum gegeben, wenn er gewußt hätte, was nun schon wieder in seinem Kopf vorging. Ein Dumbledore, der ins Leere starrte, das war nie ein gutes Zeichen oder?

„Harry, ich fürchte, ich muß mich bei dir entschuldigen." Das traf Harry vollkommen unvorbereitet und er war sich fast sicher, daß sein Gesicht ein Bild für die Götter war, nicht zuletzt, weil Dumbledore sichtlich amüsiert kicherte. Doch es war nur ein kurzer Anflug von Amüsement, bevor der ältere Zauberer wieder ernst wurde.

„Obwohl ich zu meiner Verteidigung vorschieben kann, daß ich von nichts gewußt habe, muß ich wohl trotzdem zugeben, daß es nur meine Schuld ist, daß du bei deiner Tante und ihrer Familie aufgewachsen bist. Ich wer derjenige, der damals darauf bestanden hat, der nicht erkannt hat, warum Severus wirklich so aufgebracht war.

Und ich hätte es merken müssen. Er war so merkwürdig, als er zu mir zurückkehrte. So aufgelöst und du warst mit das erste, nachdem er mich gefragt hat. Als ich ihm sagte, wo du bist, war er nah dran, mich zu verfluchen. – Ich hab es ihm angesehen." Harry starrte Dumbledore fassungslos an. So lange er sich zurückerinnern konnte, war der Direktor selten jemand gewesen, der so offen und direkt von etwas sprach. Sein Stil war sonst viel kryptischer, verspielter. Aber er hatte den Ernst der Lage wohl zweifellos mal wieder richtig erkannt und wußte, daß er weder mit Harry noch mit Severus heute eines seiner Spielchen spielen durfte.

„Es hätte mir auffallen müssen, nachdem seine Beziehung und sogar jede Freundschaft zu Lily schon seit ihrem gemeinsamen dritten Schuljahr beendet war. Aber ich hab es nicht bemerkt, es nicht für seltsam befunden, daß dir seine Sorge galt. Ich war ein Narr."

„Nein Sir!" Harry schüttelte den Kopf.

„Doch Harry. Es hat keinen Sinn zu behaupten, ich hätte es nicht sehen müssen. – Was ich nicht weiß ist, warum er mir nicht damals schon alles gesagt hat. Ich habe keine Ahnung, was ihn bewogen haben könnte, die Entscheidung zu treffen, dich bei den Dursleys zu lassen." Wieder glitt der Blick des alten Mannes über Severus' schlafendes Gesicht und seine Miene verdunkelte sich noch ein wenig, wurde noch ernster. „Ich hoffe, daß er die Gelegenheit haben wird, es dir zu erklären." Harry schluckte und nickte. Wenn selbst Dumbledore sich nicht sicher war, daß Severus es schaffen würde, wie sollte er es dann sein, wie Hermine von ihm verlangte?

„Harry," begann Dumbledore etwas zögerlich und wartete, bis Harry ihm in die Augen sah. „ich weiß, daß deine Gefühle für dich im Moment sehr verwirrend sind, aber ich muß dich trotzdem um etwas bitten." Harry wollte wegsehen, denn er ahnte, was Dumbledore wollte und er wußte nicht, ob er stark genug war, seinem Mentor in die Augen zu sehen, doch er schaffte es nicht, seinen Blick von ihm loszureißen.

„Sir?" fragte er statt dessen einfach nur und er war sich bewußt, daß seine Stimme einen geschlagenen Ton angenommen hatte.

„Ich habe mit Madam Pomfrey über Severus' Zustand gesprochen. Sie ist sich sicher, daß er alles um sich herum mit bekommt, alles hört und alles fühlt. Aber er ist noch nicht stark genug, um wieder ins Bewußtsein zurück zu kehren. Seine Verletzungen sind schwer, teilweise so schwer, daß sie Madam Pomfreys Heilkräfte übersteigen. Severus muß seine eigenen Heilkräfte aktivieren, er muß leben wollen und ich glaube, daß das der Punkt ist, an dem du ins Spiel kommst, Harry. Du und auch Sesha, ihr müßt beide für ihn da sein und ihm zeigen, daß ihr ihn zurückhaben wollt.

Wenn er weiß, daß es in seinem Leben immer noch Menschen gibt, die ihn lieben, bin ich mir sicher, daß er noch einmal alle Kraft aufwenden wird, um zu uns zurück zu kommen." Harry schlug die Augen nieder und schwieg einen Moment. Theatralische Reden waren eine Spezialität Dumbledores, doch leider konnte man wohl auch diesmal nicht abstreiten, daß viel Wahres dran war, auch wenn er es wie immer in viel zu viel Zuckerguß verpackt hatte.

Harry warf einen verstohlenen Blick auf die Fotoalben auf Severus' Nachttisch. Seine Entscheidung war klar. Auch wenn er nicht wußte, ob er und sein Vater überhaupt noch eine Chance hatten, jemals wirklich zueinander zu finden, nach allem, was in ihrer Vergangenheit geschehen war, wollte er es dennoch versuchen. Man mußte erst alle Karten gespielt haben, bevor man sich geschlagen geben konnte.

Der Gedanke, daß er immer noch einen Vater hatte, plötzlich endlich die zweite Chance erhielt, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte, diese Gefühle waren schon längst viel stärker als jede Abneigung gegen Snape und jede Erinnerung an all die kleinen und großen Gemeinheiten, die er ihm im Laufe der Jahre angetan hatte.

„Wie geht es Sesha inzwischen?" fragte Harry ein wenig abwesend, als sei ihm gerade erst eingefallen, daß die junge Frau noch nicht ein einziges Mal am Bett ihres Geliebten gewesen war. Dumbledore lächelte ein wenig.

„Madam Pomfrey hat ihr nicht erlaubt, ihre Zimmer wieder zu verlassen. Hermine hat sich hervorragend um sie gekümmert und sie auf dem Laufenden gehalten, was Severus betrifft. Sie war natürlich sehr besorgt und wütend, daß sie nicht bei ihm sein durfte, aber Poppy hat sich geweigert, sie mit ihrem Schock aufstehen zu lassen." Auch Harry lächelte ein wenig.

„Sie wird dir sicher bald Gesellschaft leisten." Fügte Dumbledore noch hinzu und schien den kurzen Schatten, der über Harrys Gesicht huschte, nicht zu bemerken.

Harry wich Dumbledores Blick aus. Wie kam es nur, daß er nicht einmal drei Tage wußte, daß Snape sein Vater war und er ihn jetzt schon um das beneidete, was er nicht haben konnte? Sesha wollte nichts mehr, als an seiner Seite sein, ihm helfen, den Weg zurück zu finden. Sie wollte die erste sein, die er sah, wenn er endlich die Augen aufschlug. – Sie liebte ihn.

Doch Harry liebte mal wieder niemand. Kein Brief, nicht einmal ein einziges Wort von Cho, nicht einmal jetzt, nachdem Voldemort besiegt, die Nachricht wie ein Lauffeuer durchs ganze Land gegangen war. Bis vor wenigen Augenblicken hatte er nicht darüber nachgedacht, doch jetzt stach es ihm schmerzhaft ins Herz und er wußte nicht, ob er es ertragen konnte, Sesha zu sehen, ohne wie ein Kind in Tränen auszubrechen oder Snape wiederum für etwas zu hassen, für das er sich eigentlich freuen sollte.

„Ich werde mein Möglichstes tun, Sir." Akzeptierte Harry schließlich nach einer halben Ewigkeit die Bitte Dumbledores, der dies wiederum mit einem wohlwollenden Lächeln quittierte.

Nachdem Dumbledore gegangen und Harry wieder mit seinem Vater alleine war, rückte er mit dem Stuhl ein wenig näher an das sterile Krankenbett heran und streckte vorsichtig seine Hand nach der seines Vaters aus.

Seine Berührungen waren mehr als zaghaft, mehr als vorsichtig und jeder, der wußte, daß er Vater und Sohn vor sich hatte, wäre sicher mehr als erstaunt darüber gewesen, aber für Harry war es etwas Fremdes. Er hatte nicht nur nie seinen Vater bewußt berührt auch Severus Snape als sein Lehrer gehörte nicht zu der Liste von Leuten, bei denen er es bisher getan hatte.

Er wußte nicht, ob sein ehemaliger Lehrer damit einverstanden war, Vater hin oder her und so lange er ihn nicht fragen konnte, sehnte er sich zwar nach dieser Berührung – auch wenn er das niemals zugegeben hätte – fühlte sich aber nicht wirklich vollständig wohl dabei.

„Weißt du, du könntest es uns beiden auch einfach machen, Snape." Er zuckte leicht beim Klang des Namens zusammen. Er hatte ihn nicht so nennen wollen, aber es war ganz automatisch passiert. Harry lächelte gequält. So lange der Bastard nicht aufwachte und ihm sagte, daß es in Ordnung war, war er eben Snape und nicht Vater.

„Wach einfach auf und sag mir, was du willst und was du nicht willst. Am besten wachst du genau jetzt auf und sagst mir gleich einfach frei raus, daß du so enttäuscht von mir bist, daß du von mir als Sohn nichts wissen willst. Dann haben wir es hinter uns und ich müßte mich nicht länger mit dieser Warterei und der sinnlosen Hoffnung quälen." Harry drückte Severus' Hand ein wenig fester und verachtete sich mehr als alles andere für die Verzweiflung, die in dieser Geste lag. Er wollte keine Verzweiflung zeigen, er wollte nur ein einziges Mal stark und überlegen sein.

War es denn wirklich zu viel verlangt, daß er einmal nicht einfach zerbrechen wollte?

„Ich hoffe, daß du aufwachen und es mir sagen kannst, bevor diese Gefühle in mir noch stärker werden, denn ich fürchte, daß sie mich zerreißen werden, wenn es nicht bald geschieht. Ich bin dumm genug, wirklich etwas für dich zu empfinden. Kannst du dir das vorstellen, Snape? – Sicher kannst du das. Du hast mir ja immer haarklein vorgehalten, wie dumm ich wirklich bin." Ein bitteres Lächeln umspielte Harrys Lippen, als er abwesend mit seinem Daumen über Severus' kalten Handrücken strich.

„Ich hätte allerdings niemals gedacht, daß der Tag so bald kommen würde, an dem ich das auch zugebe. – Poppy sagt, du bekommst alles mit, was ich dir sage. Ich hoffe, daß es stimmt und du jetzt deinen kleinen Triumph hast. Vielleicht ist das Grund genug, zu mir zurück zu kommen, wenigstens für einen kurzen Augenblick. – Dann kannst du mich wegstoßen." Denn so war es immer gewesen. Immer, wenn Harry etwas bekommen hatte, was auch nur im Entferntesten in Richtung Familie und Freundschaft ging, dann hatte er es nicht lange halten können. Es war immer nur für die Winzigkeit eines Augenblicks bei ihm geblieben, um dann zu verschwinden wie ein schöner Traum.

So wie Sirius damals in seinem dritten Schuljahr. Er erinnerte sich immer noch lebhaft an die wundervollen dreißig Minuten, in denen er wirklich geglaubt hatte, nicht wieder zu den Dursleys zurück zu müssen.

Oder Cho. Als sie schwanger geworden war, da hatte er sich am Ziel seiner Wünsche gesehen. Endlich eine eigene Familie, Menschen, die er lieben konnte und die ihn liebten. Doch Cho hatte ihn verlassen, sprach noch nicht einmal jetzt wieder mit ihm.

Wut zeichnete sich plötzlich auf Harrys Zügen ab und er starrte Severus unverwandt an, als wolle er Löcher in die blütenweiße Decke brennen, die den bleichen, flach atmenden Mann bedeckte.

„Und du warst immer dabei! Und hast nie etwas getan! Warum? Warum hast du mich diese Hölle erleben lassen, die meine Kindheit war? Warum hast du dich nicht gegen Dumbledore durchgesetzt? Was ging nur in deinem sturen Kopf vor?! Wach endlich auf und rede mit mir, du verfluchter Bastard!" Harry spürte die Tränen auf seinen Wangen und wischte sie ärgerlich fort. Nicht jetzt und nicht hier!

„Wach doch endlich auf und erklär es mir. Ich möchte es verstehen. Ich möchte dich verstehen."

„Er wird aufwachen und dann wirst du auch verstehen, Harry." Erschrocken fuhr Harry herum und blickte genau in die dunklen, verständnisvollen Augen von Sesha, die in der Tür stand. Sie war noch immer ein wenig blaß um die Nase und stützte sich am Türrahmen ab, um ihren unsicheren Stand zu verbergen. Vorsichtig ging sie die letzten Schritte zu Severus' Bett hinüber und setzte sich auf den Stuhl, der noch immer leer neben dem Bett stand.

„Ich glaube nicht daran." Gestand Harry kleinlaut.

„Daran daß er aufwacht oder daß du verstehst?" fragte Sesha zurück und in ihrer Stimme schwang ein winziger, eisiger Unterton mit. Harry ließ die Schultern hängen.

„Daß ich es verstehen kann. – Es ist einfach zu viel. Er hat immer gewußt, wie mein Leben bei den Dursleys sein würde. Er kannte sie, wußte wer Vernon war. Und trotzdem hat er nichts getan, mich dort weg zu holen. Schlimmer noch, er hat mich während meiner Zeit in Hogwarts fast ebenso schlimm behandelt wie Onkel Vernon. Wie soll ich das verstehen? Ich weiß, daß ich es können sollte, aber ich kann nicht. Es will nicht in meinen Kopf, egal, wie lange ich auch darüber nachdenke. Das einzige, was mir dazu einfällt ist, daß es falsch ist, daß er falsch gehandelt hat und daß man es nicht mehr gut machen kann." Sesha schüttelte müde den Kopf und nahm vorsichtig Severus' andere Hand in ihre, als habe sie Angst, den schlafenden Mann zu wecken. Ein kurzes Lächeln huschte über Harrys Züge.

„Nach dem, was Hermine mir über die Sache erzählt hat, war er jung und hat sich schuldig gefühlt am Tod deiner Mutter. So wie ich Severus in den vergangenen Monaten kennen gelernt habe, hat er sich schlicht das Glück, das du für ihn gewesen wärst, verboten, weil er deine Mutter nicht retten konnte. Er hat dabei nicht daran gedacht, daß deine Verwandten dir vermutlich das Leben zur Hölle machen würden.

Und als er es zehn Jahre später erfahren hat, war es wohl einfach zu spät. – Denke ich zumindest." Und es machte Sinn. Es war genau die Theorie, die Harry auch schon gehabt hatte. Sie war nicht ganz schmerzfrei und sicher konnte man Severus vorwerfen, wie dumm es von ihm gewesen war, wenn es wirklich so war. – Doch Harry wollte es von Severus selbst hören, bevor er entscheiden konnte, was nun überwog, die verzeihende oder die verfluchende Seite dieser Erklärung.

„Er hat sich ja bis heute nicht verziehen." Fuhr Sesha fort und Harry wurde hellhörig.

„Wenn Hermine ihn nicht dazu gebracht hätte, mit ihr über die ganze Sache zu reden, sich endlich mal einem Menschen zu öffnen, der bereit war, ihm zuzuhören, ohne ihn gleich wieder von sich zu stoßen, wüßte bis heute noch niemand von der Sache.

- Dann hätte er sich bis heute nicht erlaubt, mich zu lieben. Er hat an deiner Mutter all die Jahre festgehalten, verstehst du, Harry?" Sie blickte ihn eindringlich an und langsam begann Harry die Tragweite ihrer Worte wirklich zu verstehen. „Er hat sich verboten zu lieben oder überhaupt zu fühlen. Er selbst hat sein Leben zu einer eisigen Hölle gemacht und über zwanzig Jahre darin gelebt.

Das ist der Grund, warum du ihn nicht verstehst, warum ihn eigentlich keiner wirklich versteht. Wie soll man einen Menschen verstehen, der so wunderbar wie Severus ist, sich aber gleichzeitig so etwas antut? Er haßt sich selbst für alles, was in seinem Leben passiert ist, ob er dafür nun etwas konnte oder nicht. Und ich glaube, daß dieser Haß so stark ist, daß er sich ganz automatisch auf seine Umgebung überträgt." Harry nickte und blickte beschämt unter sich. Das waren alles Dinge, die er selbst hätte erkennen müssen, aber wieder einmal traf es wohl zu, daß er nicht der umwerfendste Denker war, zumindest nicht, wenn es um solche Zusammenhänge ging.

Taktik im Quidditch oder im Kampf gegen Voldemort, komplexe Zusammenhänge und ausgeklügelte Pläne, immer, kein Problem, aber sobald es um Gefühle, Familie, Privatleben ging, hatte Harry manchmal das Gefühl, daß sein Hirn einfach auf Leerlauf stellte, weil es sich überfordert fühlte, davon nichts wissen wollte.

Das mußte sich ändern.

„Du kennst ihn erst sechs Monate und verstehst ihn besser als ich in den elf Jahren seit ich ihm das erste Mal begegnet bin." Murmelte Harry und hielt seinen Blick konstant auf seine Schuhe gerichtet, die noch immer staubig waren von seiner Suche in den Ruinen von Malfoy Manor.

„Das liegt am Blickwinkel, Harry. Er war niemals dein Freund und niemals mein Feind, wir haben ihn aus ganz verschiedenen Richtungen gesehen, ganz andere Zusammenhänge aus seinem Verhalten und dieser überraschenden, neuen Geschichte herausgelesen. Das ist vollkommen normal." Doch ihre Worte beschämten Harry sogar noch mehr als die Tatsache, daß sie Severus besser verstand, als er wohl jemals können würde.

Im Vergleich zu ihm war sie so erwachsen und vernünftig, während er sich noch immer benahm wie ein Kind und sich noch nicht einmal jetzt zusammenreißen konnte. Gut, er zeigte es vielleicht jetzt nicht ganz so offen, wie in anderen Situationen zuvor, aber dennoch blieb das nagende Gefühl in ihm, daß er jetzt nichts lieber tun wollte, als wie ein kleiner Junge zu weinen.

Er wollte ein kleiner Junge sein dürfen und endlich alles nachholen, was er in seiner Kindheit, die keine wirkliche Kindheit gewesen war, wie man es auch drehte und wendete, verpaßt hatte. Und irgendwie hoffte er nichts mehr als daß Severus das verstehen würde und dann für ihn da sein würde, wie es bisher noch keiner gewesen war.

Ein Vater eben.

„Harry..." Seshas Stimme wirkte ein wenig unsicher und sie schien einen Augenblick darüber nachzudenken, ob sie weitersprechen sollte.

„Ja?" fragte er schließlich nach, nachdem sie schon etwas gezögert hatte und sah sie erwartungsvoll an. Sesha lächelte, ob jetzt eher traurig oder schüchtern vermochte er nicht zu sagen.

„Würde es dir... könntest du mich vielleicht – einen Moment mit Severus alleine lassen." Im ersten Moment war Harry über diese Bitte sehr überrascht, doch schließlich nickte er stumm und verließ seinen Platz zum ersten Mal seit vielen Stunden.

Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, für einige Minuten nach draußen zu gehen und sich ein wenig zu bewegen. Zumindest sagten das seine steifen Glieder und Gelenke und sein schmerzender Rücken, der noch von der unbequemen Schlafhaltung ein wenig ungehalten schien.

„Natürlich. Ich werde ein wenig nach draußen gehen und frische Luft schnappen." Mit einen leisen Stöhnen stand Harry auf, überrascht darüber, wie heftig der Schmerz wirklich war. Er konnte sich ein leichtes Hinken nicht verkneifen, als er die Krankenstation verließ und fluchte leise vor sich hin, als sein eingeschlafenes rechtes Bein unangenehm kribbelnd erwachte. Dieses Gefühl konnte schlimmer sein als jede Folter!

Sesha blickte ihm nach und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, auch wenn er es nicht sehen konnte. Dann richtete sie ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf Severus.

„Ihr habt eine Chance, Severus. Alles, was du tun mußt, ist aufwachen." Zärtlich strich sie ihm über die aschfahlen Wangen und stand schließlich auf, um ihm einen sanften Kuß auf die fast weißen Lippen zu pressen.

Im Grunde war Harry nur ungern gegangen. Er wußte nicht, warum das Gefühl so stark war, aber er wollte unbedingt dabei sein, wenn Severus wieder aufwachte und um diesen Moment auf keinen Fall zu verpassen, war sein eigentlicher Plan gewesen, die Krankenstation bis zu genau diesem Zeitpunkt nicht zu verlassen.

Aber Sesha hatte anders als er selbst bisher noch keine Möglichkeit gehabt, mit Severus allein zu sein und es war wohl nur fair, daß er ihr diese Möglichkeit einräumte. – Denn so wenig sie alle diese Möglichkeit auch in Betracht zogen, es konnte immer noch sein, daß Severus nie wieder aufwachte. Harry wollte nicht, daß ausgerechnet er ihr dann einen solchen privaten Moment verweigert hatte.

Als er das große Eichenportal des Schlosses erreichte, hatte das Kribbeln in seinem Bein nachgelassen und er konnte wieder einigermaßen normal laufen. Mit einen leisen Seufzen stieß er das Portal auf und trat ins Freie. Die Winternacht hing kalt und schwer über Hogwarts und es roch nach Schnee.

Sie würden dieses Jahr weiße Weihnachten haben.

Aber Harry konnte sich nicht darüber freuen, wie noch vor wenigen Jahren, als er als Schüler dieser Schule als einziger jedes Jahr über Weihnachten hier geblieben war. Nicht, so lange so viel im Argen lag, so wenig geklärt war.

Es waren nur noch drei Tage bis die Schüler nach Hause fuhren, um mit ihren Familien Weihnachten zu feiern, nur noch vier Tage bis Heiligabend. Und Harry befürchtete, daß er dieses Jahr wieder allein feiern mußte. Und so war es nicht weiter verwunderlich, daß ihm noch weniger zum Feiern zumute war als in irgendeinem Jahr zuvor.

Es gab nichts zu feiern und sein einziger Wunsch, den er nicht nur zu Weihnachten, sondern schon seit vielen Jahren hatte, würde man ihm sowieso wieder nicht erfüllen. Er würde auch in diesem Jahr keine wirkliche Familie bekommen.

Er wußte, es war nicht fair, so zu denken, wo seine Freunde sich doch bisher immer alle erdenkliche Mühe gegeben hatten, ihm seine Familie zu ersetzen. Zu Weihnachten und allen anderen Zeiten des Jahres gleichermaßen, aber dieses Jahr war der Schmerz größer, denn er hatte ein Jahr hinter sich, in dem er eine bereits sicher geglaubte Familie verloren hatte und ein anderer Teil auf der Kippe stand.

Nein, selbst für Harry Potter war dies ein außergewöhnlich schlechtes Jahr gewesen, wenn man es genau betrachtete und in anbetracht der Tatsache, daß nur noch sehr wenig von diesem Jahr übrig war, war es nicht wahrscheinlich, daß sich das noch ändern würde.

Mit einem geschlagenen Seufzen ließ Harry sich am Ufer des Sees auf dem gefrorenen Boden nieder. In den Morgenstunden würde sich Rauhreif auf den Grashalmen bilden und wenn die Sonne dann aufging, würden die gesamten Ländereien funkeln und glitzern, als hätte sie jemand mit Diamantenstaub überzogen. Aber im Moment war der Boden noch trocken und kalt und hart. Genau richtig für die Stimmung, in der er sich befand.

Die Oberfläche des Sees war zum größten Teil bereits zugefroren, doch der gigantische Tintenfisch hatte wie immer einige große Löcher in das Eis gebrochen und in der Dunkelheit konnte Harry erkennen, wie seine Fangarme hin und wieder durch die Wasseroberfläche brachen, um Sekunden später zurück ins Wasser zu klatschen.

Nicht zum ersten Mal fragte Harry sich, wie der Tintenfisch den Winter im See überlebte, wo die Temperaturen in diesem Teil des Landes doch manchmal sehr gerne tief fielen. Und dennoch war der Tintenfisch eine weitere Konstante Hogwarts', immer da.

Ein neuer Gedanke, den er bisher sorgsam umgangen hatte, traf Harry, als er sich fragte, ob er wohl auch zu einer Konstante in Hogwarts werden würde. Genau genommen wurde er hier nicht mehr gebraucht. Weder brauchte er Dumbledores Schutz vor Voldemort noch brauchte Dumbledore seine Fähigkeiten, um die Schüler für den Kampf zu wappnen noch länger. Im Prinzip war es mal wieder so, daß Harry nutzlos für Hogwarts war.

Harry zog seine Knie an seinen Körper, umschlang sie mit seinen Armen und stützte sein Kinn auf seinen Knien ab, während er weiter in die Ferne starrte, ohne wirklich einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Sein Atem kondensierte zu kleinen Wölkchen und er runzelte unglücklich die Stirn, als ihm klar wurde, daß er keine Ahnung hatte, wie es weitergehen sollte.

Zurück zum Quidditch und wieder spielen? Oder ins Ministerium? Nein! Das Ministerium war definitiv keine Option. Harry war zu enttäuscht von Fudge, um auch nur einen Moment in Betracht zu ziehen, für ihn zu arbeiten. Aber Quidditch? Harry mußte sich eingestehen, daß dieser Gedanke seine Anziehung ein wenig verloren hatte. So sehr er diesen Sport liebte, es hatte ihm einfach zu viel Ärger eingebracht.

Er hatte allerdings sonst keine weiteren Talente. Wie sie es ihm alle vorher gesagt hatten, taugte er doch wirklich zu nichts weiter als zum Quidditch-Star oder bestenfalls Auror.

Das war definitiv nicht viel. Und keine Hilfe, sein angekratztes Selbstwertgefühl wieder ein wenig zu heben.

„Ist der Platz noch frei?" Im ersten Moment war Harry zu geschockt, um irgendwie zu reagieren. Die Stimme, die er am wenigsten von allen erwartet hatte und sie war direkt hinter ihm. Das konnte nicht wahr sein, war bestimmt nur ein Traum.

Durfte er sich umdrehen? Oder wenigstens antworten? Oder würde sie dann verschwinden? Seine Schultern verkrampften sich noch schmerzhafter und er fühlte, wie seine Finger sich ganz automatisch ineinander verkrallten, doch schließlich trat er sich selbst in Gedanken in den Hintern und drehte langsam den Kopf in die Richtung, aus der ihre Stimme gekommen war.

„Cho?" seine Stimme war nicht mehr als ein fassungsloses, überraschtes Flüstern. Cho lächelte ihn ein wenig schüchtern an und nickte, obwohl das wohl gar nicht nötig gewesen war. Harry hatte schließlich immer noch Augen im Kopf.

Harry starrte sie bestimmt noch eine halbe Minute fassungslos an, bevor er endlich auf die Beine kam und einen Schritt auf sie zu machte, um dann wieder unsicher inne zu halten.

„Was... was tust du hier?" fragte er schließlich vorsichtig, noch einen Schritt machend. Cho hab die Schultern, wich aber nicht vor ihm zurück, wie er befürchtet hatte.

„Ich dachte, es wäre vielleicht an der Zeit, daß ich meine Sturheit aufgebe, wo ich es geschafft habe, daß sogar du es tust." Harry fühlte einen leichten Stich bei dem Gedanken an die vielen Wochen und Monate, die er sich nicht bei Cho gemeldet hatte, um ihr zu sagen, daß es ihm gut ging und es ihm leid tat. Nach den letzten Wochen, in denen er nun seinerseits vergeblich auf ein Zeichen von ihr gewartet hatte, verstand er nur zu gut, wie es ihr gegangen war und warum sie so sauer auf ihn gewesen sein mußte.

Aber jetzt war sie hier, das war doch ein gutes Zeichen oder?

„Darf ich... ich meine, kann ich..." Harry fluchte innerlich und blickte beschämt zu Boden. Warum war er nicht einmal mehr in der Lage einen einfachen Satz auszusprechen? Doch Cho schien verstanden zu haben, was er gewollt hatte, denn nun ging sie endlich auf ihn zu und nahm ihn in die Arme.

Nach einem kurzen Moment der Überraschung erwiderte Harry die Umarmung und endlich fühlte er die lange vermißte Wärme wieder in sich, hatte das Gefühl, daß vielleicht doch noch für alles eine Chance bestand. Wenn auch nur eine kleine.

„Warum feierst du nicht mit den anderen?" fragte Cho schließlich nach einer halben Ewigkeit, als sie sich aus der Umarmung löste. „Das ganze Land feiert ununterbrochen seit Voldemort vernichtet ist, aber du hängst hier rum wie ein Trauerkloß. Was ist los, Harry?" Harry blickte traurig unter sich und aus einem reinen Impuls heraus griff er nach Chos Hand. Das warme Gefühl wurde noch stärker, als sie sie ihm nicht sofort wieder entzog.

„Die Geschichte ist so lang, daß wir besser reingehen sollten." Cho nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zum Portal des Schlosses.

„Hast du Manami mitgebracht?" fragte Harry hoffnungsvoll und in seinen Augen blitzte etwas auf, als Cho nickte.

„Sie schläft. Das muß sie von dir haben. Entweder sie schläft oder sie ißt oder sie geht mir auf die Nerven." Lachte die junge Mutter und Harry fühlte, wie sich langsam immer mehr Erleichterung in ihm breit machte. Die Sorgen traten ein wenig in den Hintergrund, wenn es auch vielleicht nur für ein paar Minuten war.

„Kann ich sie vielleicht sehen?" Cho lachte und Harry ging bei diesem Klang das Herz auf. Mit jeder Sekunde, die er mit Cho zusammen war, fielen ihm immer mehr Kleinigkeiten an ihr und dem Umgang mit ihr auf, die er in den letzten Monaten schmerzlich vermißt hatte, ohne es wirklich zu wissen.

„Natürlich Harry. Du bist ihr Vater. – Was man übrigens nicht übersehen kann." Sie lächelte geheimnisvoll, doch beantwortete seinen fragenden Blick mit einem Kopfschütteln.

„Du wirst es selbst sehen, ich verrate es nicht." Grinste sie.

„Eine verrückte Geschichte, anders kann man das gar nicht mehr nennen." Sagte Cho fast geschockt, als Harry mit seiner Erzählung zum Ende gekommen war. Das war beinahe mehr Information als sie an einem Abend verarbeiten konnte. Aber wie mit so vielen offensichtlichen Dingen, die trotz ihrer Offensichtlichkeit nie jemandem auffielen, machte auch diese Sache nach ihrer Enthüllung plötzlich sehr viel Sinn.

„Frag mich mal." Entgegnete Harry mit einem gequälten Lächeln. Cho drückte seine Hand in ihrer ein wenig fester.

„Wenn mir mal jemand gesagt hätte, daß ich ausgerechnet mit dem Sohn von Severus Snape etwas anfangen würde... Aber das erklärt natürlich, warum du manchmal so ein unglaubliches Ekel bist." Harry grinste und sein Herz fühlte sich wirklich für einen Moment ein wenig leichter an. Es war gut, daß Cho immer noch versuchte, ihn aufzuheitern, obwohl sie noch sichtlich geschockt war.

Aus dem Nebenzimmer waren leichte Geräusche zu hören und Cho runzelte die Stirn.

„So wie es aussieht, wirst du deine Tochter gleich richtig kennenlernen. Drei, zwei, eins..." und wirklich schrie das kleine Mädchen im Nebenzimmer wie auf Kommando los, als Cho bei eins angekommen war. Mit einem Seufzen stand die junge Mutter auf und ging ins Nebenzimmer, um den kleinen Quälgeist ausnahmsweise noch einmal für ein paar Minuten aus seinem Bettchen zu holen.

Normalerweise hielt sie ja nichts davon, immer gleich los zu laufen, wenn das Kind schrie, aber man hatte schließlich nicht jeden Tag die Gelegenheit, endlich seinen sturen Vater kennen zu lernen, da durfte man schon einmal eine Ausnahme machen.

Harry spürte, wie sein Herz ein wenig schneller schlug, als Cho im Nebenzimmer verschwand. Er hatte bisher nur einen kurzen Blick auf die Kleine werfen können, weil er sie nicht hatte wecken wollen, aber jetzt war es so weit.

Er fühlte, wie seine Hände schwitzig wurden und für einen Moment konnte er über seine Nervosität selbst lächeln, bevor der quälende Gedanke an Severus mit einem Schlag zu ihm zurückkehrte. Ob er diesen Moment auch so herbeigesehnt hatte? Und wie er sich wohl gefühlt hatte, als er begriffen hatte, daß er niemals diese Begegnung mit seinem einzigen Sohn haben würde?

Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht kam Cho aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer zurück und hielt ein verschlafenes, kleines Mädchen auf dem Arm. Dafür daß sie erst knappe zwei Monate alt war, hatte sie schon einen erstaunlich dichten, schwarzen Schopf Haare auf dem Kopf und Harry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ob dieser Schopf wohl glatt und seidig werden würde, wie die Haare ihrer Mutter oder doch eher dick und störrisch wie seine eigenen?

„Schau mal, Manami." Sagte Cho liebevoll und wippte ihre Tochter, die noch immer ein paarmal unglücklich gluckste, auf ihrem Arm auf und ab. „So zum Heulen ist dein Papa doch gar nicht." Cho zwinkerte Harry zu und er streckte ihr die Zunge raus, bevor er ihr schließlich ein wenig zaghaft die Arme entgegen streckte. Er hatte diese typische Angst, daß er etwas kaputt machen konnte, wenn er dieses kleine, zerbrechliche Wesen auf den Arm nahm. Immerhin mußte man dabei bedenken, daß er nicht gerade der Mensch mit dem größten Feingefühl war.

„Du wirst ihr nicht weh tun, Harry. Du mußt nur ihren Kopf noch ein wenig stützen, ansonsten kannst du sie ganz normal festhalten." Harry nickte und schluckte, bevor sie ihm schließlich das kleine Mädchen fast feierlich in den Arm legte. Das warme Gefühl, das ihn seit dem See nicht mehr losgelassen hatte, explodierte, als er seine Tochter zum ersten Mal in den Armen hielt und in das kleine, verschlafene Gesicht blickte. Obwohl sie müde war, musterten ihre Augen Harry aufmerksam.

„Sie hat ja..." begann Harry, doch er war nicht in der Lage, den Satz zu Ende zu sprechen. Er fühlte sich, als würde er jeden Augenblick vor Glück platzen. Cho nickte.

„Grüne Augen. Sie haben vor einer Woche angefangen, sich grün zu verfärben." Vorsichtig hielt Harry Manami den kleinen Finger seiner rechten Hand hin und seine Augen strahlten, als sie zugriff und ihn so fest hielt, als wolle sie seinen Finger nicht mehr loslassen.

„So wunderschön." Murmelte er und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er das angenehme Gefühl von Freudentränen, die sich in seinen Augenwinkeln sammelten. „Danke, Cho." Cho, die einige Schritte Abstand zwischen sich und die beiden gebracht hatte, nickte nur und lehnte sich an den Rahmen der Schlafzimmertür. Harry zusammen mit ihrer gemeinsamen Tochter zu sehen, war ein noch ergreifenderer Anblick, als sie gedacht hatte und sie mußte sich selbst zurückhalten, nicht in Tränen auszubrechen.

Nicht zum ersten Mal wurde ihr klar, daß sie Harry noch immer sehr liebte.

„Cho, ich weiß, es ist spät, aber dürfte ich dich trotzdem um etwas bitten?"

„Worum geht es?" Wieder blickte Harry lächelnd in das Gesicht seiner Tochter, die von Minute zu Minute munterer statt müder wurde.

„Darf ich sie – nur kurz – mit zur Krankenstation nehmen? Ich ... ich möchte sie Snape zeigen." Cho runzelte die Stirn, nickte dann aber.

„Gut, aber nur kurz."

„Danke!" wieder funkelten Harrys Augen auf diese unbeschreibliche Art und Weise und vorsichtig stand er mit seiner Tochter im Arm auf.

Cho folgte den beiden auf dem Weg zur Krankenstation, blieb aber stets einen Schritt hinter ihnen. Sie wollte nicht, daß Harry ihr Gesicht sah, denn sie wußte, daß sie mehr als besorgt aussah. Snape... warum nannte er ihn Snape?

Sesha blickte nur kurz auf, als Harry leise die Tür zur Krankenstation öffnete und eintrat. Erst, als er sich auf seinen Stuhl setzte, bemerkte sie, daß er ein Baby in seinen Armen hielt. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. Dann entdeckte sie Cho, die zögerlich hinter Harry durch die Tür trat und sie leise wieder schloß.

„Schau mal, Manami. Das ist dein Großvater." Flüsterte Harry seiner kleinen Tochter ins Ohr. Seshas Augen wurden groß, doch mehr Zeichen von Überraschung zeigte sie nicht. Sie lächelte.

Vorsichtig stand Harry wieder auf und setzte sich statt dessen auf die Kante von Severus' Bett. Ohne Manami auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, griff er nach Severus Hand, rückte näher an ihn heran und hielt seiner kleinen Tochter schließlich den kleinen Finger von Severus' Hand hin, so wie er es Minuten zuvor mit seinem eigenen gemacht hatte.

Die Kleine griff zu.

„Darf ich dir meine Tochter vorstellen? Das ist Manami, deine Enkelin." Harry ließ einen hoffnungsvollen Blick von Manami auf Severus' immer noch unbewegliches Gesicht gleiten.

„Du mußt sie dir unbedingt ansehen. Sie hat die Augen meiner Mutter." Sesha hielt unwillkürlich die Luft an. Sie wußte selbst nicht, warum sie diese Szene so ergreifend fand, aber es schnitt ihr fast die Luft ab, zu sehen, wie Vater, Sohn und Enkelin zum ersten Mal alle drei zusammen trafen. Ohne daß sie es bemerkte, verschlangen sich ihre Finger ineinander und sie drückte so fest so, daß ihre Knöchel weiß hervortraten.

Manami stieß einen quiekenden Laut aus, woraufhin sich Severus' Augen unter seinen Lidern schneller bewegten. Harry hielt die Luft an.

„Severus? Severus, kannst du mich hören?" fragte Sesha hoffnungsvoll und griff sofort wieder nach seiner freien Hand. Severus bewegte den Kopf ein wenig in Richtung des Babys, öffnete aber noch immer nicht die Augen.

„Bitte wach auf." Fiel jetzt auch Harry mit ein, seine ganze Haltung spannte sich. Manami bewegte die Ärmchen und hob Severus große Hand fast mühelos ein kleines Stück an. Aus dem Mund des Zaubertrankmeisters kam ein leises Stöhnen.

„Oh Gott, Severus!" Sesha schlug die Hand vor den Mund und ihre Augen funkelten vor Freude, als ihr die Tränen über die Wangen liefen. Wieder bewegte Severus ein wenig den Kopf und dann öffneten sich seine Augen einen winzigen Spalt breit.

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Author's Note:

Hallo, kennt ihr mich noch? Ich spare mir alle Erklärungen und Jammereien, ihr wißt es ja ohnehin schon *lächel* und beschränke mich auf ein gepflegtes, kurzes: AAAARRRRGGGHH, ich bin so unwürdig *Kopf auf den Tisch schlag*

Ich hoffe, das Kapitel hat wieder so ein wenig was ins rechte Licht gerückt, was in Kapitel 12 ein wenig komisch rüber kam, wenn nicht, hab ich auch da wieder versagt.

Und ich sage schon einmal im Voraus, daß Sev und Harry ihre erste richtige Begegnung zwar in Kapitel 14 haben werden, aber sie wird ganz sicher anders sein, als die meisten hier denken. Vermutlich wird auch diese Reaktion wieder vielen komisch oder unglaubwürdig vorkommen, aber ich sehe beide als so ungewöhnliche Charaktere, daß ich das als passend empfand... na ja, was rede ich hier überhaupt schon von Kapitel 14... erstmal schaffen, auch das noch hochzuladen.

Das wird übrigens am Donnerstag der Fall sein oder ich erschieße mich... ^_^

Herm: Werde ich lesen, ganz fest versprochen! Und danke für den Keks *kau und g*
Und was das Berufwechseln angeht: JEDERZEIT!!! *heul* ^_^

Serafina: Harrys Reaktion ist mir offensichtlich ein bißchen in die Hose gegangen. Das "Ruhige" sollte eigentlich ein Zeichen sein, daß Harry von der Nachricht vollkommen geschockt ist. Na ja, vielleicht kam das ja hier besser raus, vielleicht auch nicht, mal sehen, was ihr so sagt ^_^

Liloe: *langsam wieder aufrappel und dümmlich vor sich hier grins* Ja, war ein dummer Zufall, daß dein Zaunpfahl wirklich genau zu dem Zeitpunkt kam, wo ich mich endlich an das 12. Kapitel gesetzt hab *g*
Und danke für die Blumen, ich hoffe, der doch etwas "merkwürdige" Schluß gefällt dir auch noch so gut.

mbi: ff.net ist zur Zeit eine echte Pest oder? Nix klappt da mehr richtig... Na ja, ich will's nicht beschreien *g* Ich komme auf keine dummen Gedanken mehr, keine Sorge ;o)

Leu de Nox: Tut mir so leid, dir Kummer gemacht zu haben *schnüff* Ich hätte das mit meiner Zeit gleich realistisch sehen sollen *grummel*
Aber weißt du was? Draco bleibt auch weiterhin am Leben *ggg*

Gandalfs Tochter: Wie, du magst den Softie in Snape nicht? Schaaaade ;o)

DinoGirl: Ich mag Draco in der Rolle auch lieber, auch wenn das schon sooooo viele geschrieben haben *g*. Sorry, das erste Gespräch kommt erst im nächsten Kapitel, aber ich hoffe, daß es dir gefallen wird, auch wenn es sehr ungewöhnlich ist (wahrscheinlich ist die ganze Sache im Potterversum sowieso total unrealistisch gemacht *g*)

Tinuviel: Du mochtest meinen "Hermine wachsen Hörner" Vergleich nicht? Schade, ich fand den lustig. Da Sev keine Zeit für solche Reaktionen mehr über hatte, hab ich einfach mal beschlossen, daß Harry eben nicht normal reagiert, sondern sofort auf Autopilot umschaltet. Wollte den guten Sev ja schließlich nicht killen, bitte verzeih mir *tief verbeug*
Was allerdings die Sache mit der Lüge seiner Mutter angeht... wenn ich geschockt bin, ist immer das erste, was mir einfällt, eine total belanglose Absurdität im Vergleich zum Gesamtausmaß dessen, was ich gerade erfahren hab. Aber vielleicht ist das auch nur bei mir so, kann sein *g*

Irgendwie sieht das sehr kahl aus im Vergleich zu früheren Antworten auf eure Reviews *seufz*

Ich hab euch alle furchtbar lieb, weil ihr mir die Treue haltet, das ist gar nicht so selbstverständlich, wie man annehmen könnte, wenn man die Reviews so liest. Danke fürs Daumen drücken und ähnliches. Noch 29 Tage, dann ist der Spuk vorbei (hoffentlich endgültig)

Bis Donnerstag (und wenn ich mir ein Bein ausreiße, um es zu schaffen)

SilentRose