Juli 1997 (kurz vor den Sommerferien)

"Ginny?" Hermine öffnete die Tür zum Mädchenschlafsaal der jetzigen 5. Klasse. Suchend sah sie sich im Raum um und wollte gerade die Tür schließen, um ihre Freundin woanders zu suchen, als die Tür vom Bad aufging und Ginny, im Bademantel und mit nassem Haar, in den Schlafsaal kam.

"Hermine!", sagte sie und lächelte. "Da bist du ja!"

"Du wolltest mit mir reden?" Hermine machte ein paar Schritte in den Raum und ließ sich auf dem Hocker vor dem Schminktisch nieder. Sie beobachtete Ginny, wie sie ihre Sachen aus dem riesigen Kleiderschrank heraussuchte.

"Ja, das wollte ich. Ich habe vor einer Stunde eine Eule von Mom bekommen. Sie lädt dich für die letzten zwei Wochen der Ferien in den Fuchsbau ein! Ist das nicht toll?" Ginnys Gesicht blickte strahlend aus dem Schrank. Sie hatte sich auf den Boden gekniet und ihr Bademantel war verrutscht. Sie saß genau so, dass Hermine ihren Busen und ihren flachen Bauch erkennen konnte.

Plötzlich wurde Hermine schlecht. Sie konnte den Blick nicht von dem Körper ihrer besten Freundin lassen, auch wenn sie es gewollt hätte. Sie sprang ruckartig auf, murmelte eine Entschuldigung und rannte aus dem Raum.

"Hermine?", rief Ginny ihr erstaunt hinterher, aber sie achtete nicht weiter darauf und rannte zu ihrem eigenen Schlafraum. Glücklicherweise waren Parvati und Lavendar nicht da. Hermine ließ sich schwer atmend auf ihr Bett fallen und zog den Vorhang zu.

Als sich ihr Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte, drehte sie sich auf den Rücken und starrte an den Baldachin über ihr.

Ginny .... Ein tonloses Seufzen drang aus ihren Mund. Sie wusste nicht genau, wann die Gefühle für ihre Freundin gekommen waren, aber irgendwann konnte Hermine Ginny nicht mehr unverkrampft umarmen oder einfach nur ihren Arm anfassen. Ihr Herz begann zu rasen, wenn sie in der Nähe war und da Ginny rein gar nichts wusste, sah Hermine sie immer wieder in solchen Situationen wie gerade.

Ich sollte es ihr sagen, dachte Hermine. Ich traue mich nur nicht.

Sie drehte sich auf die Seite und zog die Decke über ihren Körper. Alles hatte so harmlos angefangen.

Ginny war ein Jahr später als Harry, Ron und sie nach Hogwarts gekommen. Im Sommer davor hatten sie sich im Fuchsbau kennen gelernt und gleich angefreundet. Ginny war ihr einziger weiblicher Freund und Hermine vertraute ihr. Jahrelang war alles, wie bei zwei einfachen besten Freundinnen gewesen.

In ihrem 4. Jahr hatte Hermine eine Beziehung mit Viktor Krum angefangen, ließ sich küssen und schlief sogar mit ihm, aber alles war irgendwie ohne Gefühl. Danach hatte sie keinen Freund mehr gehabt, aber Ginny dafür um so mehr.

Hermine schloß die Augen und dachte an ihre letzten Schuljahre zurück. Wann hatte es angefangen, dass sie eifersüchtig wurde? Am Ende des 5. Jahres? Am Anfang des 6.? Nein, wahrscheinlich war sie es schon immer gewesen , aber damals war ihr es zum ersten mal aufgefallen. Sie hätte Ginnys Freunde am liebsten verflucht und sich abends im Bett ausgemalt, wie es wäre Ginny zu küssen.

Was sollte sie nur tun? Ginny alles sagen? Schweigen? Vielleicht sollte sie einfach nur mal testen, wie Ginny darauf reagiert, wenn sie ihr erzählt, dass sie lesbisch ist. Dass sie in Ginny verliebt war, konnte man ja erstmal außen vor lassen.

Mit dieser möglichen Variante im Kopf wickelte sich Hermine aus der Decke und stand auf. Ihre Schritte lenkten sie zum Schminktisch, wo sie sich auf den Hocker setzte und frustriert in den Spiegel sah.

In den letzten Jahren hatte sie sich bestimmt nicht zum negativen entwickelt, aber Hermine war trotzdem unzufrieden. Ihre Zähne waren jetzt zwar kleiner und ihre Figur ganz passabel, aber ihre Haare konnte sie immer noch nicht richtig bändigen. Sie wuchsen einfach in jede beliebige Richtung und ließen sich von Kamm und Bürste gar nichts erzählen. Hermine beugte sich nach vorne und starrte sich selbst in die Augen. Sie waren groß und dunkelbraun mit langen, schwarzen und dichten Wimpern. Viktor hatte immer gesagt, dass sie ein ebenmäßiges Gesicht hätte. Hermine zog ihren Oberkörper etwas zurück und betrachtete ihr Gesicht.

"Gewöhnlich", murmelte sie und schüttelte den Kopf.

"Ich weiß gar nicht, was du hast!", sagte plötzlich der Spiegel. "Sieht doch gut aus!"

"Wieso bist du denn vorhin so durch den Gemeinschaftsraum gerannt?", fragte Ron, als Hermine sich wieder in der Lage fühlte, ihren Freunden unter die Augen zu treten. Er und Harry waren gerade mit einem Schachspiel beschäftigt und Harry kroch fast über das Brett, um sich einen guten Zug zu überlegen. Hermine wusste, dass er wieder verlieren würde.

"Mir war schlecht!", antwortete sie auf Rons Frage und ließ sich in einem Sessel neben dem Feuer nieder.

"Vielleicht bist du schwanger", murmelte Harry und rückte seine Brille zurecht.

"Wer ist schwanger?" Ginny erschien neben dem Spieltisch und sah in die Runde.

"Hermine!", sagte Harry sofort und deutete wie zur Bestätigung, noch mit dem Finger auf sie.

"Red nicht so einen Unsinn!", zischte Hermine und schlug Harrys Hand beiseite. "Ich bin natürlich nicht schwanger!"

"Sei doch nicht so gereizt!", sagte Ron und stupste sie freundschaftlich in die Rippen. "Wenn du dich im Fuchsbau auch so benimmst, schick ich dich eigenhändig mit der Post nach Hause!"

"Du weißt doch gar nicht, wie das geht", sagte Hermine, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.

Ron winkte ab. "Harry wird mir schon helfen. Übrigens -" Er verrückte eine Figur und lehnte sich im Sessel zurück. "Schach Matt!"

Harry murmelte etwas und Ginny zog ihn grinsend aus dem Sessel. "Ich frage mich, warum du nicht einsiehst, dass du nie gegen Ron gewinnen wirst."

"Ich bin ein Mann voller Hoffnung, der nie aufgibt."

"Du bist ein Bübchen, das nicht weiß, wann es aufhören soll", warf Ron dazwischen.

"Wir können ja beim Essen drüber diskutieren!", sagte Hermine schnell einleitend und stand auch auf.

Die Vier machten sich auf in die große Halle, wo in wenigen Minuten das Abschlussfest beginnen sollte.

Kurz vor den gigantischen Flügeltüren zog Ginny Hermine ein bißchen Abseits und sah sie ernst an. "Willst du nicht in den Fuchsbau kommen?", fragte sie und legte den Kopf etwas schräg.

Hermine lächelte breit. "Natürlich will ich! Warum auch nicht?"

Ginny nickte und hakte ihre Freundin unter. "Ich hatte schon Angst, du willst nicht kommen!", sagte sie und gemeinsam liefen sie in die Große Halle, wo sie sich zu Ron und Harry setzten.

Hermine lies ihren Blick über die Schülermassen gleiten und nickte hin und wieder ein paar bekannten Gesichtern zu. Ihr Blick wanderte weiter zum Slytherintisch und sie bemerkte wie Malfoy sie haßerfüllt anstarrte. Verübeln konnte sie es ihm nicht. So sehr er sich auch dieses Jahr bemüht hatte, es hatte nur zum zweitbesten Schüler gereicht und das wurmte ihn sehr.

Hermine nickte ihm freundlich zu und drehte sich dann zu Dumbledore, der sich gerade erhob, nicht mehr auf die mörderischen Blicke von Malfoy achtend.

Die Rede war wie jedes Jahr kurz und bald dachte Hermine nicht mehr an ihre Gefühle von vorhin im Bett und lachte und aß mit ihren Freunden um die Wette.

Ihr Blick wanderte nur hin und wieder zu Ginnys Gesicht ....