Kapitel 3 - Imelda
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Aufgeregtes Trappeln erfüllte die Bogengänge im Westflügel des Palastes, obwohl bereits die dritte Abendglocke geläutet hatte. Unruhig schritt Baku auf und ab, er haßte es, nichts tun zu können. Man ließ ihn ja nicht einmal in die Nähe ihres Zimmers! Lettis verfolgte mitleidig die Bewegungen seines Freundes. Er hatte diese Erfahrung selbst bereits zweimal gemacht, aber da seine Gefährtin eine Saiyajin war, hatte es nie Probleme gegeben. Ethaans Gesicht war jedoch immer sehr besorgt gewesen, wenn er die Prinzessin untersuchte. Ob sie die Geburt gut überstehen würde? Leilia hatte sich in ihren Meditationsraum zurückgezogen um zu beten.
Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und Tzintzaa betrat den Raum. Besorgt sah sie auf ihren Sohn.
"Ist es so schlimm?"
"Sie lassen mich nicht zu ihr, ich weiß es nicht. Aber ihre Aura wird immer schwächer."
Hilflos sah er zu seiner Mutter, sein Blick eine einzige stumme Bitte. Sie nickte, die Gefährtin ihres Sohnes war ihr sehr ans Herz gewachsen, auch sie machte sich Sorgen. Eilig verließ Tzintzaa den Raum wieder, um nach Fanea zu sehen. Alfiriel, eine junge Hofdame Faneas, zögerte. Doch dann ließ sie Bakus Mutter durch, vielleicht war es ja nicht schlecht, wenn eine saiyanische Frau anwesend war.
Als Tzintzaa Faneas Gesicht sah, erschrak sie. Die Haut war ganz grau, die Lippen blutig gebissen und der Schweiß rann ihr in Strömen herab. Sie stieß einen gequälten Laut aus, als die nächste Wehe ihren zierlichen Körper erfasste. Schnell war Tzintzaa neben Ethaan, der gerade versuchte der Prinzessin einen schmerzlindernden Trank zu verabreichen. Seine Tochter Nesta massierte beruhigend Faneas Bauch und kontrollierte immer wieder den Muttermund.
"Halte durch Fanea", sagte Tzintzaa ruhig und ergriff die Hand der Älteren.
Sie konzentrierte sich, um einen Teil ihrer Energie auf Fanea zu übertragen. Zufrieden beobachtete sie, wie deren Wangen wieder eine gesündere Farbe annahmen. Die Prinzessin schlug die Augen auf, sah dankbar zu ihrer Schwiegermutter und drückte ihre Hand.
"Der Kopf ist schon draußen, gleich habt Ihr es geschafft, Prinzessin!"
Nesta empfing zärtlich das Neugeborene, das seine Ankunft mit lautem Geschrei verkündete. Nachdem sie das Baby gereinigt und untersucht hatte, legte sie es vorsichtig der erschöpften Mutter in die Arme, die voller Glück lächelte.
"Meine kleine Imelda", flüsterte sie zärtlich.
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Bakus Blick glitt liebevoll über das Gesicht seiner Gefährtin. Er wachte über ihren Schlaf, niemand sollte ihre Ruhe nach der anstrengenden Geburt stören. Am Fußende des Bettes stand die Wiege, in der seine neugeborene Tochter lag und ebenfalls erschöpft schlief. Baku wäre am liebsten in Jubelschreie ausgebrochen, so glücklich fühlte er sich im Moment.
Leise öffnete sich die Türe und Leilia trat ein, um nach Mutter und Kind zu sehen. Als sie Bakus freudestrahlendes Gesicht sah, mußte sie lächeln. Wie die meisten Saiyajin zeigte auch er äußerst selten sein Gefühle. Wenn er es doch einmal tat, ging ihr jedesmal das Herz auf. Wieder einmal realisierte sie, daß der junge Saiyajin immer mehr wie ein Sohn für sie geworden war.
Sie schritt zur Wiege und sah auf das Baby. Da den Xanaidurin erst mit erreichen des Erwachsenenalters ihr Horn wuchs, stand noch nicht fest, ob Imelda überhaupt eines haben würde. Aber sie schien mehr nach ihrer Mutter als nach ihrem Vater zu kommen. Wie bei den Angehörigen des Schönen Volkes war ihr Haar weiß, allerdings war das leuchtende Blau ihrer Augen dunkler als üblich. Auch der Schwanz kam, obwohl die weißen Haare lang und lockig waren, mehr einem Affenschwanz gleich. Ansonsten aber sah die kleine Prinzessin ganz wie eine Xanaidurin aus.
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Kleine, trappelnde Schrittchen hallten hinter ihm durch den Gang.
"Papa!"
Baku drehte sich zu seiner kleinen Tochter um. Sie war jetzt ein knappes Jahr alt und man konnte ihr beim Wachsen förmlich zusehen. Leilia hatte einsehen müßen, daß der äußere Eindruck täuschte und Imelda sogar sehr viel von ihrem Vater hatte. Zum Beispiel ihren nahezu unstillbaren Hunger. Imelda hatte auch sehr bald ein saiyanisches Kindermädchen bekommen, da die xanaidanischen der Kraft der kleinen Prinzessin nichts entgegensetzen konnten. Und da sie am liebsten mit Lettis' Söhnen herumtobte, würde sie später wohl auch großen Gefallen daran finden, sich mit anderen zu raufen. Baku war hin- und hergerissen zwischen seinem unbändigen Stolz auf seine Tochter und dem Wissen, daß sowohl Leilia als auch Fanea ein wenig sorgenvoll die Entwicklung des kleinen Rabauken beobachteten.
"Was ist denn, Sternenkind?"
Aufgeregt brabbelte sie in ihrer Babysprache drauflos und ihr Vater hatte Mühe, sie zu verstehen. Soweit er ihr folgen konnte, schien sie ihm von ihrem ausgedehnten Spaziergang im Kräutergarten des Palastes zu erzählen, den sie gemeinsam mit ihrer Mutter gemacht hatte. Fanea versuchte wohl, ihr ein wenig Kräuterwissen beizubringen.
"Da ist sie ja!"
Ein wenig außer Atem kam Kijukamber auf sie zu. Sie war seit einigen Wochen Imeldas Kindermädchen und Leibwächterin und wurde von der kleinen Prinzessin ganz schön auf Trab gehalten. Immer wieder mußte die 16-jährige nach ihrem Schützling suchen, da die Kleine ein Talent dafür besaß, trotz bester Aufsicht plötzlich spurlos zu verschwinden.
"Verzeiht Aran, sie entwischt mir immer wieder", entschuldigte sich das saiyanische Mädchen.
"Du solltest besser aufpassen", meinte Baku.
Er übergab ihr lächelnd seine protestierende Tochter und setzte dann seinen Weg fort. Kijukamber sah ihm ein wenig verärgert nach. Es war ja nicht so, daß sie Imelda nicht mit Argusaugen überwachte, aber dieses Kind fand immer einen Weg sie auszutricksen! Und dafür, daß die Einjährige gerade erst das Laufen lernte, konnte sie überraschend schnell verschwinden. Die Prinzessin begann unruhig auf Kijukambers Arm zu zappeln.
"'unga!"
Die Saiyajin grinste.
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Auf einem Felsen unweit des Palastes saß eine kleine Gestalt. Lockige, lange weiße Haare wehten im Wind, der die Wangen in dem alabasternen Gesicht rötete. Unter den halb geschlossenen Lidern lagen zwei strahlend blaue Augen, die, dem äußeren Eindruck zum Trotz, aufmerksam jede Bewegung wahrnahmen. Nur ein winziges Detail wies darauf hin, daß es sich bei dem Mädchen nicht um ein Einhorn handelte: Die Kleine hatte ihren Schwanz wie einen Gürtel um ihre Taille gelegt, was eigentlich nur eine Eigenschaft des Starken Volkes war.
"Hab' Dich!"
Ein Schatten tauchte hinter Imelda auf und wollte sie in den Schwitzkasten nehmen. Doch stattdessen flog der Junge unversehens durch das Mädchen hindurch und schlug sich die Nase am Fels blutig. Verwirrt rappelte er sich auf und hielt sich die schmerzende Stelle. Hinter ihm erklang fröhliches Gelächter.
"Da mußt Du schon früher aufstehen, Tzaiv, wenn Du mich kriegen willst!"
"Das ist fies, seit wann kannst Du den Phantomtrick?!"
"Den hat mir Großmutter gestern beigebracht", strahlte Imelda ihren Freund stolz an.
"Und mir nichts davon sagen", schmollte Tzaiv.
Die Prinzessin streckte ihm die Zunge raus. Dann gab sie Fersengeld, denn so eine Frechheit ließ ihr Spielgefährte nicht auf sich sitzen, wie sie aus Erfahrung wußte. Der war auch gleich hinter ihr her, aber mochte er auch der Stärkere der beiden sein, Imelda glich das durch ihre Flinkheit aus. Das Wissen darum nutzte sie schamlos aus. Immer wieder ließ sie ihn aufholen, doch sobald er glaubte, sie zu erwischen, wich sie ihm geschickt aus und brachte wieder mehr Abstand zwischen sie. So tobte die wilde Verfolgungsjagd eine ganze Weile unterhalb des Schlosses, bis beide außer Puste waren. Erschöpft machten sie sich auf den Weg in die Küche, um zu sehen was der Vorratsraum alles zu bieten hatte.
Seufzend löste sich eine Gestalt aus den Schatten der Bäume und folgte den beiden Kindern. Auf die Prinzessin aufzupassen war an sich schon anstrengend, wenn dann noch Lettis' Söhne dazukamen wurde es zum Knochenjob für Kijukamber. Ihr graute jetzt schon vor dem Tag, da Imelda das Unterdrücken ihrer Aura lernen würde.
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- Dieses Kind? -
- Ja. -
- Aber... ist sie überhaupt geeignet? -
- Sie ist dafür bestimmt. -
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Ein Herz erweichender Blick und Baku wußte, er hatte verloren. Seine Tochter hatte ihn wieder mal um den kleinen Finger gewickelt.
"Also gut, Du darfst mitgehen. Aber Du wirst auf das hören, was Kijukamber Dir sagt, verstanden?"
Freudestrahlend nickte Imelda. Hauptsache, sie durfte mit ihren Freunden in den Wäldern trainieren gehen!
"Und Oltha wird auch mitgehen, damit Du auch die Magie nicht vernachlässigst."
"W... was?"
Oltha sah nicht sehr begeistert aus. Einerseits stimmte er Baku voll und ganz zu, andererseits hatte er keine Lust, fast einen Monat von seinem Liebsten getrennt zu sein. Aber ihm blieb wohl keine andere Wahl.
"Sieh es doch mal von der Seite: Wenn Du nach einem Monat wiederkommst, wird Thenid Dich bestimmt schon sehnsüchtig erwarten und Dir einen dem entsprechenden Empfang bereiten", meinte Baku mit einem anzüglichen Grinsen.
Der Magier errötete und wandte sich verlegen ab. Schnell verließ er den Raum, nachdem er dem Aran noch etwas von "Sachen packen" zugemurmelt hatte.
Imelda sah verständnislos auf ihren Vater. Da der jedoch keine Anstalten machte, ihr das eben Geschehene zu erklären, zuckte sie mit den Schultern und lief ebenfalls in ihr Zimmer, um zu sehen was sie mitnehmen würde.
Kijukamber folgte ihr, sie war ebenso wie Oltha nicht gerade begeistert, allerdings hatte das bei ihr andere Gründe. Die kleine Prinzessin hatte zwar versprochen auf ihr Kindermädchen zu hören, aber die junge Elitekriegerin wußte sehr wohl, daß Imelda solche Versprechen nur allzu leicht vergaß wenn sie etwas Faszinierendes entdeckte. Oder mit Tzikor und Tzaiv zusammensteckte. Und diesmal würde unter Garantie beides der Fall sein. Sie seufzte. Wenigstens war Oltha dabei, im Notfall konnte er das Mädchen mit Hilfe seiner Magie aufspüren. Ein ungutes Gefühl blieb jedoch.
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Wütend sah Tzaiv auf seinen älteren Bruder, der mit vor der Brust verschränkten Armen dastand und ihn überlegen anlächelte. Tzikor führte sich mit seinen 8 Jahren seinem kleinen Bruder und Imelda gegenüber auf wie ein Erwachsener, und das brachte Tzaiv zur Weißglut.
Eben hatte der Ältere die beiden Kleinen darauf hingewiesen, daß sie ja eigentlich noch Babys seien und daß es besser wäre, wenn sie nicht mit zu den Wasserfällen kämen, wo er heute mit seinem Vater trainieren würde. Imelda sah ihn daraufhin nur verständnislos aus großen Augen an, während Tzaiv diese Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen wollte. Das Problem war nur, daß sein Bruder aufgrund des Altersunterschiedes wesentlich stärker war.
"Warum sollen wir nicht mit?", verlangte Imelda schließlich zu wissen.
Sie war nicht mitgekommen, um jedesmal, wenn Tzikor trainierte, im Lager zu bleiben. Sie wollte schließlich auch stärker werden! Der Ältere rollte die Augen. Würden diese Babys das denn nie begreifen?
"Weil ihr nur im Weg wärt, darum! Ihr seid ja nichtmal zu zweit stark genug, um mich zu besiegen, und fliegen könnt ihr auch noch nicht! Ich habe keine Lust meine Trainingszeit wegen euch beiden zu verplempern!"
"Du tust so, als hättest Du darüber zu entscheiden", schrie Tzaiv aufgebracht, "aber Vater hat uns BEIDE mit zum trainieren genommen und Imelda auch! Du hast kein Recht es uns zu verbieten!"
Noch ehe Tzikor etwas erwidern konnte kam Oltha, durch den Lärm angelockt, auf die drei Kinder zu und sah sie fragend an.
"Was streitet ihr euch denn, Kinder?"
"Tzikor will nicht, daß wir mit zu den Wasserfällen kommen", erklärte die Prinzessin, da die beiden Brüder sich immer noch wütend anstarrten. "Er denkt wir stören ihn beim Training."
"Aber Tzikor", meinte der junge Xanaidurin sanft, "meinst Du nicht, das ist ein wenig unfair? Imelda und Dein Bruder wollen schließlich auch etwas lernen, in der Zeit, in der sie hier sind. Und ist es nicht die Pflicht der Älteren, auf die Jüngeren Rücksicht zu nehmen?"
Unbewußt hatte der Magier genau die richtigen Worte gewählt. "Die Pflicht der Älteren"! Ein stolzes Lächeln schlich sich auf die Lippen des Jungen, als er endlich nachgab und den beiden Jüngeren gestattete ihm zu folgen. Tzaivs Zorn verrauchte von einer Sekunde auf die andere und freudig lief er mit der kleinen Prinzessin hinter Tzikor her.
Lettis wartete bereits ungeduldig. Als die drei Kinder bei ihm ankamen gab er jedem von ihnen einen Trainingsanzug, der mit Gewichten bestückt war. Dann legte er ihnen noch schwere Ringe fest um die Schwänze, damit diese Schwachstelle der Saiyajin ebenfalls trainiert wurde. Als die Kinder sich zum Schluß noch die ebenfalls schweren Arm- und Fußbänder übergestreift hatten, konnte es endlich losgehen. Die Wasserfälle waren nicht sehr weit entfernt, in kurzer Zeit waren sie erreicht.
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Oltha ging derweil zurück zu seiner Unterkunft, um den Unterricht für Imelda vorzubereiten. Heute würde er ihr die Grundlagen von Bannzaubern erklären und ihr vielleicht schon ein oder zwei kleine Sprüche aus dieser Sparte der Magie beibringen.
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"Was hast Du?" Baku sah seine Gefährtin fragend an.
"Der Nebel... Er zieht ungewöhnlich früh auf, dieses Jahr."
"Und das ist schlecht?"
Fanea lächelte leicht. Ihr war sein ironische Ton nicht entgangen, es war kein Geheimnis, daß der Aran den Nebel nicht sonderlich liebte. Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück, ließ den Kopf auf seiner Schulter ruhen, während sie die Wärme seiner Umarmung genoß.
"Ich mache mir ein wenig Sorgen, mit dem Nebel kommen die Bösen Geister und die Kinder sind noch nicht zurück."
Baku lief ein Schauer über den Rücken, als er an sein Erlebnis vor einigen Jahren dachte.
"Soll ich sie lieber zurückholen?"
"Ich weiß es nicht. Ich vermisse sie so...", meinte sie nach einer Weile leise.
"Wir holen sie morgen zurück. Sicher ist sicher."
"Ja", flüsterte sie dankbar.
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"Siehst Du, ist doch ganz einfach, oder?"
Als Tzaiv das Lob seines Vaters hörte, wollte er sich zu seinem Bruder umdrehen und ihm die Zunge rausstrecken. Für einen kurzen Moment ließ seine Konzentration nach, und er stürzte ins Wasser, über dem er eben noch geschwebt hatte. Als er wieder auftauchte stand Imelda über ihm in der Luft und hielt sich den Bauch vor lachen.
"Das ist gemein, Du schummelst! Du benutzt Magie um in der Luft zu bleiben!" Wütend schlug der Junge ins Wasser, daß es spritzte.
Schuldbewußt ließ sich das Mädchen fallen, sie hatte ihrem Freund versprochen keine Magie einzusetzen, wenn sie zusammen trainierten. Tzaiv grinste zufrieden, als sie neben ihm wieder auftauchte.
"Tut mir leid, hab' nicht dran gedacht."
Kaum hatte sie ausgesprochen, als sie schon von einem riesigen Schwall Wasser getroffen wurde. Empört stürzte sie sich auf ihren Spielgefährten um es ihm heimzuzahlen. Kurz darauf war eine wilde Wasserschlacht im Gange, und Tzikor ließ es sich bald nicht nehmen, auch ein wenig mitzumischen. Während die Kinder im Wasser tobten, gönnten sich die Erwachsenen eine kurze Pause und sahen zu.
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"... Mondblumen, Drachenkraut, Blätter vom Schlafbaum und reines Quellwasser. Ich denke das wird reichen. Morgen gehe ich mit ihr in den Wald um weitere Kräuter zu sammeln."
Zufrieden sah Oltha auf die Utensilien, die er für den Unterricht bereit gelegt hatte. Damit ließ sich schon einiges anfangen, zwar keine mächtigen Bannsprüche, aber dafür war es ohnehin noch zu früh. Er sah auf den Zeitmesser.
- So langsam sollten sie zurück kommen. -
Der junge Magier stand auf, um aus seiner Unterkunft auf die Wiese zu treten, auf der sie lagerten. Erschrocken wich er zurück in den Raum, starrte ungläubig auf den Nebel, der sich immer weiter ausbreitete und dabei dichter wurde. Als der Gesang einsetzte keuchte er auf, schlug die Tür zu und presste sich die Hände auf die Ohren.
- Verdammt, die anderen... -
Er taumelte zu dem kleinen runden Tisch, auf dem er die Kräuter ausgebreitet hatte und begann fieberhaft einen Teil davon mit dem Quellwasser zu vermischen. Leise murmelte er dabei vor sich hin, dann nahm er die Schale, setzte sich mit ihr auf den Boden und begann zu singen. Sein Geist wanderte zu der fünfköpfigen Gruppe, die bei den Wasserfällen trainierte, versuchte, sie einzuhüllen, vor den Gesängen der Bösen Geister abzuschirmen. Er wußte nicht, wie lange er schon sang, als plötzlich die Türe aufgerissen wurde und jemand nach seiner Schulter griff. Oltha brach zusammen.
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Mit nackten Füßen streifte Fanea durch das taunasse Gras des Gartens, genoß das Gefühl, wenn sich ihre Zehen in den feuchten Boden gruben. Ihre Finger strichen durch die Büsche links und rechts, lösten kleine Schauer aus, die ihren Körper benetzten. Sie schloß die Augen und sog tief die Luft ein, versuchte die einzelnen Gerüche zu unterscheiden, die von den unterschiedlichen Pflanzen und dem feuchten Boden selbst herrührten.
Plötzlich spürte sie einen heißen Wind auf ihrem Gesicht, und als sie die Augen öffnete, befand sie sich inmitten einer steinigen Wüste. Gelassen blieb sie stehen, harrte der Dinge, die auf sie zukommen würde. Sie hatte schon von klein auf gelernt mit der Gabe des zweiten Gesichts umzugehen und wußte, daß sie es nicht beeinflussen konnte.
Eine Gestalt kam auf sie zu und bedeutete ihr mitzukommen. Fanea hatte sie schon oft in ihren Visionen gesehen und in Ermangelung eines Namens den Träumer genannt. Sie folgte ihm über das scharfkantige Gestein des Bodens, das ihre Füße aufriß, immer weiter, bis sie vor einer steilen Felswand anlangten. Der Träumer blieb stehen und deutete auf einen Durchgang, der tief ins Innere des Berges zu führen schien. Fanea trat hindurch und wurde sofort von tiefer Dunkelheit umfangen. Dann sah sie einen gekrümmten Schatten, der sich über einen kleinen, schlaffen Körper beugte.
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"Fanea, was hast Du?!"
Hilflos hielt Baku die Prinzessin in seinen Armen. Alfiriel war vollkommen aufgelöst aus in eine Besprechung geplatzt, sie hatte Fanea schreien gehört und dann die bewußtlose Prinzessin gefunden. Nun lag seine Gefährtin in ihrem gemeinsamen Bett, war aber immer noch nicht aufgewacht. Verzweifelt sah der junge Saiyajin auf, als Leilia und Ethaan das Zimmer betraten. Während der Arzt sich um Fanea kümmerte, versuchte die Hohe Herrin ihren Schwiegersohn zu beruhigen.
"Beruhige Dich, Baku. Sie kommt sicher wieder bald zu sich."
Leilia versuchte ihre eigene Sorge um ihre Tochter zu verbergen. Zwar besaß auch sie die Gabe des Zweiten Gesichtes, aber da es zu ihren Aufgaben gehörte, den Bannkreis um den Planeten mit ihren Gebeten aufrecht zu erhalten, drangen die Visionen nicht mehr zu ihr durch. Manchmal jedoch, wenn Fanea eine Vision hatte, teilten sich ihre Gefühle der Königin des Schönen Volkes mit. So war es auch heute gewesen, und Leilia fühlte noch immer den tiefen Schmerz, den ihre Tochter empfunden hatte, kurz bevor sie das Bewußtsein verlor.
"Baku... Baku... hilf mir. Imelda..."
Der Saiyajin eilte zurück ans Bett. Fanea hatte sich halb aufgerichtet und sah ihn aus tränennassen Augen verzweifelt an. Noch ehe er etwas erwidern konnte fuhr sie fort.
"Imelda... sie ist... die Bösen Geister..."
Eine eisige Hand legte sich um Bakus Herz, während er seine schluchzende Gefährtin in die Arme nahm um ihr Halt zu geben.
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"Oltha? Oltha, wacht auf!"
Lettis rüttelte den jungen Xanaidurin leicht an der Schulter. Er machte sich Sorgen um den Magier, der über seiner Ritusschale zusammengebrochen war, als Kijukamber ihn holen wollte. Mittlerweile waren sie außer Reichweite der Bösen Geister, aber Imelda war verschwunden und Oltha lag in einer tiefen Ohnmacht. In seinem ganzen Leben war Lettis noch nie so verzweifelt gewesen. Er macht sich die schlimmsten Vorwürfe, während er weiter versuchte den jungen Mann vor sich zu wecken.
Ein wenig abseits saß Kijukamber mit den Kindern und versuchte Tzaiv zu beruhigen, der immer noch weinte. Tzikor hockte still daneben und starrte auf den Boden vor seinen Füßen. Auch die junge Elitekriegerin war sehr blaß im Gesicht und machte sich Vorwürfe. Imelda war ihr Schützling, und jetzt war die kleine Prinzessin verschwunden, vermutlich von den Bösen Geistern entführt.
