OUBLIETTE
Von Xanthia Morgan
Aus dem Amerikanischen von Veruca R.
Anmerkung zum Titel: Oubliette stammt aus dem Französischen und bedeutet Verlies
Disclaimer: Mir. Gehört. Nichts.
Kritik u. Anregungen an Übersetzung usw.: Erwünscht (aber denkt dran, Übersetzungen sind alle subjektiv und immer eine Frage der Interpretation)
Bitte lest auch die Originalversion unter ?storyid=890468 und hinterlasst Xanthia Eure Reviews, schließlich hat sie die Story geschrieben.
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KAPITEL 1
Das Hochwasser dauerte drei Tage. Drei Tage ohne Unterbrechung, drei Tage ohne Erbarmen. Seen schwollen an, Flüsse drohten Dämme einzureißen und Bäche, die einst geringe Mengen Wasser führten waren nun reißende Ströme.
Nahe dem Ufer begannen die Menschen Sandsäcke zu füllen und sprachen darüber ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Entlang dem Black Creek jedoch war man fassungslos vor Glück. Der Pegelstand des breiten Flusses war auch mit dem Schlamm und Geröll, das er jetzt mit sich führte nicht höher als an normalen Regentagen. Die Anwohner konnten nicht wissen, dass ein kleiner, unterirdischer Fluss die meiste Wasserlast mit sich trug und sich langsam einen Weg durch die verborgene, mit Schlamm und bröckeligen Felsen voll gestopfte Ader fraß, bis er eine Stelle erreichte, wo der Fels nicht so nachgiebig war und das Wasser keine andere Wahl hatte als auf die weiten Felder Kansas' auszuweichen. Mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit riss das Wasser an der ungeschützten Erde und schuf so ein tiefes Becken. Doch selbst da noch drückte der Strom immer mehr an die Oberfläche. Dann hörte der Regen auf. Das Wasser floss ab und ließ eine schmale Höhle an dessen Platz zurück. Eine Höhle, dessen Boden mit glühenden grünen Steinen übersäht war.
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Clark Kent lehnte am Traktor und kühlte sich ab. Er seufzte als das kalte Wasser, das er sich ins Genick platschte seinen Rücken heruntertropfte. Die heiße Kansassonne schien unerbittlich auf die langen Reihen aufgestapelter Heuballen, welche unter ihren intensiven Strahlen trockneten. Er ruhte sich einen Moment lang im Schatten, den die riesigen Räder spendeten aus. Normalerweise war die Arbeit im südlichen Weideland die einfachste Sache der Welt - schnell und leicht. Aber heute fühlte sich Clark als ob ihm seine übermenschlichen Fähigkeiten langsam entzogen wurden.
„Bestimmt liegt es nur an Hitze.", dachte er. Es war ein besonders heißer Julitag mit Temperaturen, die nur knapp unter 38°C lagen. Nur, weil Hitze ihn noch nie zuvor gestört hatte, bedeutete nicht notwendigerweise, dass etwas nicht in Ordnung war. Und dennoch konnte er nur daran denken, dass dieses beklemmende Gefühl merkwürdigerweise dem gleichkam, was er in der Nähe des Meteoritengesteins empfand. Er studierte seine Hand nach Anzeichen der Strahlung, sah aber nichts Ungewöhnliches auf seiner blassen Haut. „Wenn ich mich kurz ausruhe, geht's mir bestimmt besser.", sagte er zu sich selbst, schloss seine Augen und ließ sich vom Schatten abkühlen.
„Clark? Junge, geht's dir gut?"
Clark öffnete seine Augen und schielte zu der sich vom tiefblauen Himmel abzeichnenden Silhouette empor. Er blinzelte ein paar Mal und versuchte so die Orientierungslosigkeit, die ihn plagte abzuschütteln. Irgendetwas war ganz und gar nicht OK, aber alles war so verschwommen, dass er nicht weiter darüber nachdenken konnte. Als der Schatten seines Vaters sich über ihn legte, blickte Clark direkt in dessen besorgtes Gesicht.
„Clark?", fragte Jonathan nochmals. Clark hatte den ganzen Nachmittag an seiner Seite gearbeitet und obwohl er seinem begabten Sohn gesagt hatte es in der Hitze langsam anzugehen, ist er im Laufe der Zeit ungewöhnlich lahm geworden. Jonathan war darüber etwas verwundert, aber solange Clark mit der Heuballenmaschine mithielt, hatte er nichts gesagt. Erst in dem Augenblick, als Clark etwas trinken gegangen war und nicht zurückkehrte, wurde Jonathan unruhig. Und als er ihn dann orientierungslos und verwirrt, am Traktor lehnend fand schlug diese Unruhe in ernsthafte Sorge um.
„Dad, ich brauchte nur ein wenig Schatten.", beruhigte er seinen Vater um dessen Bedrängnis zu entkommen. Clark rappelte sich schleppend auf, und genau DAS war es, was anders war. Vorhin hatte er noch gestanden. Wann hatte er sich hingesetzt? Clark schüttelte fragend seinen Kopf: „Ich muss wohl eingenickt sein oder so.".
„Eingenickt? Wir sollten dich nach Hause bringen, Junge.", irgendetwas war definitiv nicht in Ordnung mit Jonathan Kents Sohn. Er war seit seinem fünften Lebensjahr nicht mehr eingenickt. Obwohl das nicht ganz stimmte, so schien er doch immer mehr Zeit zu brauchen um sich nach Kontakt mit Meteorresten von deren Begleiterscheinungen zu erholen. Aber hier waren keine in der Nähe. Sobald sie von Clarks Schwäche erfahren hatten, hatten sie sämtliche Felder durchsucht und die, wenn überhaupt vorhandenen Überreste entfernt. Nein, die nächste Sammelstätte befand sich fast eine Meile weit weg, in Black Creek und das war weit genug um Clark nicht zu schaden.
„Dad, mir geht's gut, ich brauchte nur 'ne kleine Pause. Wir können jetzt weitermachen." Clark trat vom Traktor weg und stolperte. Jonathan fasste seinen Arm.
„Clark!" Er half seinem Sohn, sich wieder in den Schatten zu setzen. „Was ist mit dir?"
Clark seufzte: „Ich weiß es nicht, Dad. Ich bin einfach nur müde. Vielleicht liegt es an der Hitze."
„Ich wüsste nicht, dass dich die Hitze sonst gestört hätte. Trotzdem, ich denke du solltest dich besser irgendwo abkühlen. Komm schon, Junge, gehen wir ins Haus. Ich werde den Traktor abkuppeln und dann können wir rüber zum Pick Up fahren."
Clark sah zuerst zum Pick Up, der ein halbes Feld weit weg geparkt war und dann zum Traktor, der an den riesigen Anhänger gekuppelt war, auf dem sie die Heuballen gestapelt hatten. Er wusste, dass es Zeit kosten würde die Kupplung loszumachen und später sogar noch mehr um sie wieder einzuhaken. „Nein, Dad, ist nicht nötig, ich kann bis zum Truck laufen.", versicherte er seinem Vater. Sie hatten schon genug Zeit verloren.
„Bist du sicher, Clark?" Jonathan wusste genauso gut wie er, wie viel Zeit sie verlieren würden, wenn sie alles auskuppelten, aber er wollte die Gesundheit seines Sohnes auch nicht mehr als nötig aufs Spiel setzen.
„Ich bin sicher."
Clark ließ sich von seinem Vater aufhelfen und ging langsam Richtung Truck. Er hasste es, wenn er seinen Vater enttäuschte. Er wusste, dass das Feld gemäht werden musste und zwar so schnell wie möglich. Es sollte bald wieder regnen und sie hatten bereits letzte Woche ein Feld verloren, nachdem es nach dem letzten Schuttregen verrottet war. Beide wussten, dass sie mähen mussten um das Heu verkaufen zu können. Die Dinge auf der Kentfarm liefen nicht gut und Clark tat alles war er nur konnte um es für seine Eltern leichter zu machen. Etwas wie das konnten sich nicht gebrauchen.
„Nachher geht es mir bestimmt besser, Dad.", sagte er seinem Vater als sie langsam den Weg entlang schlenderten. Diese Seite des Feldes hatten sie noch nicht geschnitten und so schlugen ihnen beim Gehen die langen Halme gegen die Knie.
Jonathan legte seinen Arm fest um Clarks Schultern. Er konnte die Enttäuschung seines Sohnes praktisch von ihm abstrahlen sehen. Er wusste wie hart Clark auf der Farm half und wie sehr er versuchte die Dinge für ihn und Martha zu verbessern. Er hatte vergessen wie oft er sich bedankte, einen solch wunderbaren Jungen an seiner Seite zu haben. Doch im Augenblick wollte er nur Clarks Gewissen erleichtern. „Weißt du", witzelte er, „wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, dass du dir was eingefangen hast."
Clark lächelte darüber. „Dad, du weißt doch, dass ich nicht…" aber was auch immer er sagen wollte wurde durch den Aufprall seiner Knie auf den Boden aufgehalten.
„Clark!" Jonathan bekam Clarks Arm zu greifen, allerdings reichte es nicht aus den Sturz abzufangen. „Clark!"
Clark wollte seinem Vater antworten, aber er konnte nicht. Ihm war schwindlig und unter ihm bebte die Erde. Jonathan legte seine Hände um die wankenden Schultern seines Kindes und stützte es so. Er löste eine Hand im Versuch Clarks orientierungslosen Blick auf sich zu richten. „Clark, was hast du?" fragte er mit Nachdruck.
„Ich…", aber Clark kam nicht weiter. Nur eine stützende Hand seines Vaters reichte nicht aus, ihn länger aufrecht zu halten, sodass sein Körper fiel und er auf seiner Seite landete.
„Dad… du musst…", keuchte Clark als ihn eine besonders intensive Schmerzwelle verschlang.
Jonathan nahm Clarks Hand in seine eigene. „Was muss ich, Clark? Was versuchst du mir zu sagen?"
„Dad… du musst von hier verschwinden."
„Was?"
„Unter uns. Verschwinde von hier, Dad. Bitte. Der Boden…" Wieder hielt Clark inne, betäubt von einer weiteren Schwindelattacke. Aber auch in diesem Zustand spürte er, wie der Boden unter ihm langsam nachgab. Er musste seinen Vater dort fortschaffen! „Der Boden…bricht…".
Aber Clark musste nicht weiterreden, Jonathan spürte wie sich die locker Erde unter ihm plötzlich veränderte und wusste nun was ihm sein Sohn zu sagen versuchte. Der Boden war instabil. „Keine Angst, Clark, ich bringe dich von hier weg."
„Nein, Dad, verschwinde, sofort!" Clark stieß seinen Vater schwach von sich und versuchte ihn so dazu zu bewegen loszurennen ehe die Erde unter ihnen zusammenbrechen würde.
„Ich lass dich nicht hier, Clark!", sagte Jonathan mit einer Endgültigkeit, die keine Widerrede ermöglichte, während er aufstand und Clark unter den Schultern packte.
Aber es war zu spät. Der Boden öffnete sich und brach um sie herum weg. Die unbeständige Erde gab nach und riss sie mit sich in die vor kurzem entstandene Höhle hinab. Sie erreichten den Grund - zwei plumpe Aufschläge erschallten als ihre Körper auf dem Boden auftrafen. Jonathan prellte sich seinen Kopf an einem hervorstehenden Stein. Das letzte was er hörte bevor die Welt im Dunkel verschwand, waren die Schmerzensschreie seines Sohnes, die von den umliegenden Felswänden widerhallten.
